Haftung des Geschäftsführers für Steuerausfälle auch in der Krise der GmbH

Allein der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens befreit den GmbH-Geschäftsführer nicht von der Haftung wegen Nichtabführung der einbehaltenen Lohnsteuer.

Sind im Zeitpunkt der Lohnsteuer-Fälligkeit noch liquide Mittel zur Zahlung der Lohnsteuer vorhanden, besteht die Verpflichtung des Geschäftsführers zu deren Abführung so lange, bis ihm durch Bestellung eines (starken) Insolvenzverwalters oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis entzogen wird.

Die Haftung ist auch nicht ausgeschlossen, wenn die Nichtzahlung der fälligen Steuern in die dreiwöchige Schonfrist fällt, die dem Geschäftsführer zur Massesicherung ab Feststellung der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG eingeräumt ist (Fortentwicklung der Senatsrechtsprechung im Hinblick auf die geänderte Rechtsprechung des BGH im Urteil vom 14. Mai 2007 II ZR 48/06, DStR 2007, 1174, HFR 2007, 1242).

BFH Urteil vom 23. September 2008 VII R 27/07

Erläuterung:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 23. September 2008 VII R 27/07 entschieden, dass der Geschäftsführer einer GmbH persönlich für die Abführung der Lohnsteuer auch bei Insolvenzreife der GmbH einstehen muss. Das Urteil bedeutet eine Fortentwicklung der bisherigen BFH-Rechtsprechung in Anlehnung an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), nach der sich aus der Abführung der Lohnsteuer keine Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft ergibt.
Für Gesellschaften in der wirtschaftlichen Krise stellt die Abführung der von ihren Arbeitnehmern einbehaltenen Lohnsteuern an das Finanzamt (FA) häufig ein existenzielles Problem dar. Zwar wird von einem Geschäftsführer erwartet, dass er den Lohnanteil, der auf die Steuer entfällt, bis zum nächsten Fälligkeitszeitpunkt bereithält und dann abführt. In der Praxis aber gerät diese Steuerzahlung im Zuge sich verschärfender Liquiditätsengpässe häufig gegenüber den zum Überleben des Betriebes vermeintlich vordringlichen Zahlungen ins Hintertreffen. Der Geschäftsführer gerät mit einer solchen Taktik allerdings in die Gefahr, vom FA für die beim Unternehmen nicht mehr realisierbare Steuer in Haftung genommen zu werden. Voraussetzung für die Haftung des Geschäftsführers ist allerdings, dass ihm die Verletzung seiner Pflicht zur pünktlichen Lohnsteuerabführung zum Vorwurf gemacht werden kann.
In dem Urteil vom 23. September 2008 hatte der BFH darüber zu befinden, ob einem Geschäftsführer der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gemacht werden kann, der in einer plötzlichen, unvorhersehbaren Krise seiner GmbH am Fälligkeitstag der Lohnsteuer die dafür noch ausreichenden Mittel nicht an das FA abführt, sondern in der Annahme, damit der Steuerzahlung enthoben zu sein, beim Amtsgericht Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. Die Botschaft des BFH ist eindeutig: Solange und soweit liquide Mittel zur Lohnsteuerzahlung vorhanden sind, muss der Geschäftsführer abführen. Erst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Bestellung eines Insolvenzverwalters enthebt ihn dieser Pflicht.

Dieser Fall bot dem obersten deutschen Steuergericht u.a. Gelegenheit, seine Rechtsprechung an die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung des Geschäftsführers gegenüber seiner GmbH wegen Zahlungen – auch Steuerzahlungen – in insolvenzreifer Zeit anzupassen.
Die scheinbar unausweichliche Haftung des Geschäftsführers einer insolvenzreifen GmbH, der einerseits steuerrechtlich verpflichtet ist, die Lohnsteuer – auch in der Krise – abzuführen, andererseits aber im Falle der Zahlung in der Krise gegen das gesellschaftsrechtliche Gebot der Massesicherung verstößt, hatte der BFH zwischenzeitlich dadurch entschärft, dass er für den 3-Wochen-Zeitraum zwischen Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Geschäftsführer eine Pflichtenkollision attestierte, die ihm vom Vorwurf der grob fahrlässigen Nichtabführung der Lohnsteuern und damit von der Haftung nach der Abgabenordnung befreite. Nachdem der BGH nun allerdings erkannt hat, dass die Lohnsteuerzahlung auch in insolvenzreifer Zeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar ist und damit nicht mehr zur Haftung gegenüber der GmbH führt, die ein Insolvenzverwalter gegebenenfalls durchsetzen würde, sieht der BFH keine Pflichtenkollision mehr.

Lohnsteuerhaftung des GmbH Geschäftsführer in der Insolvenz

Werden fällig gewordene Steuerbeträge pflichtwidrig nicht an das FA abgeführt, kann die Kausalität dieser Pflichtverletzung für einen dadurch beim Fiskus entstandenen Vermögensschaden nicht durch eine hypothetische Annahme beseitigt werden.

Die Funktion und der Schutzzweck des in § 69 AO normierten Haftungstatbestandes schließen die Berücksichtigung hypothetischer Annahmen aus. Deshalb entfällt die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers nicht dadurch, dass der Steuerausfall unter Annahme einer hypothetischen Rückforderung des auf § 130 Abs. 1 InsO gestützten Anfechtungsrecht durch den Insolvenzverwalter nicht entstanden wäre .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 5.6.2007, VII R 65/05

Mit Urteil vom 5. Juni 2007 VII R 65/05 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein für nicht abgeführte Lohnsteuer vom Finanzamt in Anspruch genommener GmbH-Geschäftsführer sich nicht darauf berufen kann, dass der Insolvenzverwalter die Lohnsteuer nach Anfechtung der Zahlung wieder vom Finanzamt zurückgefordert hätte.

Zu den steuerrechtlichen Pflichten eines GmbH-Geschäftsführers gehört auch die fristgerechte Entrichtung der von der GmbH geschuldeten Steuern. Unterlässt es der Geschäftsführer, die vom Lohn der Arbeitnehmer der GmbH einzubehaltende Lohnsteuer an das Finanzamt abzuführen, kann ihn das Finanzamt bei zumindest grob fahrlässiger Verletzung dieser Pflicht selbst auf Zahlung in Anspruch nehmen (als sog. Haftungsschuldner). Diese Grundsätze gelten auch in der Insolvenz der GmbH. Hier besteht jedoch die Besonderheit, dass der Insolvenzverwalter gläubigerbegünstigende Rechtshandlungen – zu denen auch die Zahlung von Steuern gehört – anfechten kann, wenn diese Handlungen in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind. Sofern in diesem Zeitraum Lohnsteuern tatsächlich an das Finanzamt abgeführt worden sind, kann der Insolvenzverwalter also unter bestimmten Voraussetzungen die gezahlten Beträge vom Finanzamt zurückzufordern.

Der BFH hatte jetzt darüber zu befinden, ob ein GmbH-Geschäftsführer, der schuldhaft Lohnsteuern nicht entrichtet hat, eine Beschränkung seiner steuerlichen Haftung für den durch die Pflichtverletzung verursachten Schaden mit dem Einwand erreichen kann, dass etwaige Zahlungen vom Insolvenzverwalter ohnehin hätten angefochten werden können. Diesen Einwand weist der BFH nun mit seinem Urteil vom 5. Juni 2007 zurück. Denn im Rahmen einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme seien hypothetische Kausalverläufe unbeachtlich. Durch eine nur gedachte insolvenzrechtliche Anfechtung etwaiger Steuerzahlungen könne die vom Haftungsschuldner zu vertretene Ursache für den eingetretenen Steuerausfall nicht rückwirkend beseitigt werden. Auch der Schutzzweck der Haftungsnorm (§ 69 AO) sowie Praktikabilitätserwägungen sprächen dafür, hypothetische Kausalverläufe im Rahmen der Schadenszurechnung unberücksichtigt zu lassen.

Hat der Geschäftsführer die Lohnsteuer hingegen ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt, muss der Insolvenzverwalter darüber befinden, ob er die innerhalb des genannten Dreimonatszeitraums geleisteten Steuerzahlungen mit Erfolg anfechten und dadurch die gezahlten Beträge zur Insolvenzmasse ziehen kann. Das Finanzamt wird dabei stets ein sicherer Schuldner sein. Über Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Insolvenzanfechtung entscheiden allerdings nicht die Finanz-, sondern die Zivilgerichte, in letzter Instanz also der Bundesgerichtshof.