Steuerfreie Mahlzeiteneinnahme bei Betreuern eines Kinderheims

In der unentgeltlichen Gestellung von Mahlzeiten des Betreibers eines Kinderheims an die bei ihm angestellten Betreuer der Kinder liegt dann lediglich eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen und kein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn vor, wenn eine arbeitsvertraglich verpflichtende Weisung zur Teilnahme an den gemeinsam mit den Kindern einzunehmenden Mahlzeiten besteht und diese Maßnahme einerseits der Überwachung der Kinder während der Mahlzeiten dient, zum anderen mit der gemeinsamen Essensaufnahme das Ziel verfolgt wird, eine familienähnliche Alltagstrukturierung zu erreichen.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil von 23.01.2012, 5 K 64/11

Begründung:

Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die „für seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für die zur Verfügung stellende Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen . Der Arbeitslohncharakter kann dann verneint werden, wenn der Vorteil in ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt wird. Da eine betriebliche Veranlassung jeder Art von Lohnzahlung zu Grunde liegt, muss sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und insbesondere Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergeben, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesses des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, deshalb vernachlässigt werden kann. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Intensität des eigenbetrieblichen Interesses des Arbeitgebers und dem Ausmaß der Bereicherung des Arbeitnehmers. Je höher aus Sicht des Arbeitnehmers die Bereicherung anzusetzen ist, desto geringer zählt das aus der Sicht des Arbeitgebers vorhandene eigenbetriebliche Interesse.

Ob sich eine unentgeltliche oder verbilligt überlassene Sachzuwendung als geldwerter Vorteil oder als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ergibt die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, dass die Zuwendung ausschließlich oder ganz überwiegend der Entlohnung des Arbeitnehmers dient, ist der geldwerte Vorteil in voller Höhe Arbeitslohn. Ergibt die Würdigung demgegenüber, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor. Dies gilt auch, wenn die Zuwendung für den Arbeitnehmer mit angenehmen Begleitumständen verbunden ist (vgl. BFH, Urteil vom 11. März 2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010 763). In diesem Zusammenhang ist bspw. die ehrenamtlichen Helfern von Wohlfahrtsverbänden, die Kinder und Jugendliche auf Ferienreisen betreuen, unentgeltlich gewährte Unterkunft und Verpflegung nicht als steuerpflichtiger Sachbezug angesehen worden, wenn eine der wesentlichen Aufgaben der Helfer in der Überwachung der Teilnehmer während des Essens und Schlafens besteht und diese Tätigkeit während der gesamten Dauer des Aufenthalts ausgeübt werden muss (vgl. BFH, Urteil vom 28. Februar 1975 VI R 28/73, BFHE 115, 342, BStBl II 1976, 134). Demgegenüber wird in der Gewährung von Verpflegungsleistungen an Haus-, Hotel- oder Krankenhausangestellte in der Regel steuerpflichtiger Arbeitslohn gesehen.

Hiervon ausgehend hat der Beklagte zu Unrecht in der unentgeltlichen Gewährung der Mahlzeiten an die Betreuer einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil erblickt. Nach Würdigung der Gesamtumstände ist vielmehr anzunehmen, dass im Streitfall der in der unentgeltlichen Essensabgabe liegende Vorteil für die Betreuer nahezu ausschließlich eine notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung ist.

Geldwerter Vorteil bei Mahlzeiten durch den Arbeitgeber

Aufwendungen für Mahlzeiten, die zur Beköstigung der Arbeitnehmer anlässlich einer Auswärtstätigkeit (Fortbildungsveranstaltung) abgegeben werden, sind mit den tatsächlichen Werten und nicht mit den Werten der Sachbezugsverordnung anzusetzen.

Steuerfreie Bezüge sind in die Prüfung der Freigrenze gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht einzubeziehen.

§ 3 Nr. 16 EStG kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber nicht einen Geldbetrag, sondern die damit zu erlangende Leistung unmittelbar zuwendet.

BFH Beschluss vom 19. November 2008 VI R 80/06

Erläuterung:
Die Übernahme der Kosten für die im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen zur Verfügung gestellten Mahlzeiten durch die Klägerin stellt einen geldwerten Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Die Aufwendungen wurden nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin getätigt.

Die Bewertung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die Sachbezugsverordnung ist auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Senats werden von ihr nämlich nur Fälle erfasst, in denen auf eine gewisse Dauer gerichtet im üblichen Rahmen eines Arbeitsverhältnisses die Verpflegung als Teil des Arbeitslohns zur Verfügung gestellt wird. Die Sachbezugsverordnung findet keine Anwendung auf die Gewährung von Verpflegung aus einmaligem Anlass.

Bei der erforderlichen Bewertung der Verpflegung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist die Freigrenze des Satzes 9 der Vorschrift zu beachten.

Danach bleiben Sachbezüge außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 50 € im Kalendermonat nicht übersteigen..

Nach § 3 Nr. 16 EStG sind die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber u.a. zur Erstattung von Reisekosten erhalten, steuerfrei, soweit sie bei Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht überschreiten. Nach der Rechtsprechung des Senats greift die Steuerfreiheit auch dann, wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nicht einen Geldbetrag, sondern die damit zu erlangende Leistung unmittelbar zuwendet. Im Streitfall hat die Klägerin ihren Arbeitnehmern im Rahmen der Auswärtstätigkeiten eine solche steuerfreie Sachleistung, nämlich Kost bzw. Verpflegung verschafft.

Da die Sachbezüge nicht in die Freigrenze einzubeziehen sind, reduzieren sich die steuerpflichtigen Bezüge unter 50 € und bleiben steuerlich insgesamt unberücksichtigt, weil sie die Freigrenze von 50 € nicht überschreiten.