Nichtigkeit eines Schätzungsbescheides

Grobe Schätzungsfehler bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen führen regelmäßig nur zur Rechtswidrigkeit und nicht zur Nichtigkeit des Schätzungsbescheides. Anders verhält es sich allerdings, wenn das FA bewusst und willkürlich zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt.

BFH Beschluss vom 12.12.2013-XB 205/12 BFHNV 2014 S. 490

Begründung:

Der Kläger trägt vor, das FG habe willkürlich entschieden, indem es die Gewinnschätzungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt –FA–) gebilligt habe, obwohl diese gegen alle Erfahrungsgrundsätze und Denkgesetze verstießen. Das FA habe für das Jahr 2002 bei einem Umsatz von … EUR einen Gewinn in Höhe von … EUR und für das Jahr 2003 bei einem Umsatz in Höhe von … EUR einen Gewinn von … EUR geschätzt. Dieser Schätzung lägen keinerlei Parameter für mögliche Gewinnaufschläge eines Händlers und Bauhandwerkers, der Holzhäuser liefere und aufstelle, zugrunde.

Ein solcher Fehler liegt jedoch nicht vor, denn das FG hatte im Streitfall nicht die Rechtswidrigkeit, sondern die Nichtigkeit der Schätzungsbescheide zu beurteilen.

Wird eine Schätzung erforderlich, weil der Steuerpflichtige –wie im Streitfall– seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will. Verlässt eine überzogene Schätzung diesen Rahmen, hat dies im Allgemeinen nur die Rechtswidrigkeit der Schätzung, nicht aber bereits deren Nichtigkeit zur Folge. Nichtigkeit ist selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf einer Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen. Etwas anderes ist nach der Rechtsprechung allenfalls dann zu erwägen, wenn sich das FA nicht nach dem Auftrag des § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt hat. Willkürmaßnahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind, können einen besonders schweren Fehler i.S. von § 125 Abs. 1 AO abgeben.

Im Streitfall hat der Kläger keinerlei Gründe vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen würden, das FA habe die Besteuerungsgrundlagen bewusst zu seinem Nachteil geschätzt.

Grobes Verschulden des Steuerpflichtigen bei Schätzungsbescheiden

Der Steuerpflichtige handelt in aller Regel grob schuldhaft im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn er die Frist zur Abgabe der Steuererklärung versäumt und den Erlass eines Schätzungsbescheids veranlasst. Dieses Verschulden wirkt bis zur Bestandskraft des Schätzungsbescheides fort und wird nicht etwa durch ein späteres leichtes Verschulden des Steuerpflichtigen bei der Anfechtung dieses Bescheides verdrängt.

(BFH Urteil vom 16. September 2004 IV R 62/02)