Zur Verlängerung der Festsetzungsfrist bei Steuerhinterziehung

Der Frage, ob bei Steuerhinterziehung zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze gelten, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn die Anwendung dieser Grundsätze auf § 370 AO ist hinreichend geklärt.

Beruft sich die Finanzbehörde auf die Anwendung der zehnjährigen Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO, trägt sie die objektive Beweislast für das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 370 AO.

BFH Beschluss vom 21.08.2014 – VII B 191/13 BFHNV 2015 S.1

Begründung:

Entgegen der Behauptung der Beschwerde hat das FG nicht den Rechtssatz aufgestellt, eine Steuerhinterziehung i.S. des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO erfordere nicht zwangsläufig das Zusammentreffen von objektivem und subjektivem Tatbestand in einer Person. Vielmehr hat es lediglich darauf hingewiesen, es sei davon überzeugt, dass bei der Person, die den unzutreffenden Inhalt der Zollanmeldung veranlasst habe, zumindest ein bedingter Vorsatz vorliege. Diese Ausführungen lassen die Deutung zu, dass das FG von der Abgabe der Zollanmeldung bzw. von einer Veranlassung der Abgabe durch diejenige Person ausging, die auch für den unzutreffenden Inhalt der Anmeldung verantwortlich gewesen ist und mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Jedenfalls lässt sich den Ausführungen des FG der von der Klägerin behauptete Rechtssatz nicht entnehmen, so dass diesbezüglich auch keine Abweichung vom Urteil des BFH in BFHE 108, 286, BStBl II 1973, 273 vorliegen kann. Auch kommt der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfrage, die sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde, keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Soweit dem Vorbringen, aus den Urteilsgründen ergebe sich nicht, aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen das FG die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands einer Steuerhinterziehung angenommen habe, die Rüge einer mangelhaften Sachaufklärung entnommen werden könnte, genügen die Ausführungen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn die schlüssige Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegenden Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) erfordert Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine Aufklärung unter Berücksichtigung seines –insoweit maßgeblichen– Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen müssen; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Klägerin, die in der mündlichen Verhandlung keine Beweisanträge gestellt hat, nicht.

Sofern sich die Beschwerde dagegen wenden sollte, dass das FG die Feststellung der Erfüllung der objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 370 AO ohne eine Individualisierung des Täters hat ausreichen lassen, um zur Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zu gelangen, rügt sie im Kern ihres Vorbringens die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit des Urteils. Dieses Vorbringen kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen. Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision Denn das Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten.

Das FG hat den von der Klägerin gebildeten Rechtssatz nicht aufgestellt, dass es bei der Prüfung der Steuerhinterziehung im Rahmen der zehnjährigen Verjährungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auch bei erheblichen Zweifeln an der Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen keiner weiteren Darlegung und auch keiner erhöhten Beweisanforderungen zu Lasten der Finanzbehörde bedarf. Erhebliche Zweifel des FG an der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 370 AO sind der Entscheidung nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das FG aufgrund seiner nach den Vorschriften der FGO vorgenommenen Überzeugungsbildung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, es sei im Zusammenhang mit der Entstehung der streitgegenständlichen Einfuhrabgabenschuld eine Steuerhinterziehung begangen worden. Daher ist im Streitfall auch die von der Klägerin aufgeworfene Frage nicht klärungsbedürftig, inwieweit das Zollamt bei Anwendung des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO das Vorliegen objektiver und subjektiver Tatbestandsmerkmale beweisen und darzulegen hat. Denn nach der Überzeugungsbildung des FG würde sich diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Im Übrigen ist die Frage bereits dahingehend geklärt, dass die Finanzbehörde –wenn sie sich auf die zehnjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO beruft– die objektive Beweislast für das Vorliegen aller Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung zu tragen hat.

Steuerhinterziehung im Fall des Verkaufs und der Verwendung von Kassenmanipulationssoftware

Der Verkauf und die Verwendung von einer Kassenmanipulationssoftware erfüllt den Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 07.01.2015,5 V 2068/14

Begründung:

Nach § 71 AO 1977 haftet für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Er kann gemäß § 191 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.

Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines anderen (§ 27 Abs. 1 StGB). Als Hilfeleistung i.S. des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss (st. Rspr., vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs – BGH – vom 01.08.2000  5 StR 624/99, BStBl II 2001, 79).

Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht er nicht zu kennen. Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist nicht entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der Hilfeleistende dies weiß. Unter dieser Voraussetzung ist der Vorsatz selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn der Gehilfe dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Haupttat

Im Streitfall hat der Antragsteller die Haupttat objektiv unterstützt. Als verantwortlicher Geschäftsführer der GmbH hat er das Kassensystem “AriadneNT” an A verkauft, das mit der Manipulationssoftware Asteroids.exe verbunden war. Dabei hält es der Senat nicht für entscheidend, ob das Eiscafe kurz vor Jahresende 2002 oder erst zum Jahresbeginn 2003 eröffnet wurde, wann genau und durch wen die Installation und Einweisung in das Programm erfolgt sind und  ob der Antragsteller selbst oder ein Dritter die Manipulationssoftware entwickelt hat. Auch ist es nicht erforderlich, dass der Antragsteller als Gehilfe des A die technischen Details dieser Programme gekannt und verstanden hat. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung besteht im Streitfall vielmehr darin, dass der Antragsteller ein komplettes System an A verkauft hat und zwar in dem Wissen um die Möglichkeiten, die dieses System bietet und dies mit dem Ziel, A eine Steuerverkürzung zu ermöglichen. Nach den eindeutigen Angaben des A im Strafverfahren im Dezember 2012 sowie gegenüber der Steufa im Februar 2014 hat der Antragsteller die Verkaufsgespräche geführt und ihm detailliert die Möglichkeiten aufgezeigt und ihn in die Bedienung der Manipulationssoftware eingewiesen. Dies wäre dem Antragsteller ohne Kenntnis der Funktionsweise und des Zwecks des von ihm verkauften Produkts nicht möglich gewesen. Vielmehr hat er A das Kassensystem ausdrück­lich als völlig risikoloses Instrument zur Verkürzung von Steuern angeboten und verkauft. Ob der Antragsteller oder M die weitere Betreu­ung des A übernommen hat, ist unerheblich und ändert nichts an der Gehilfenstellung des Antragsteller.

Zeitpunkt der Bildung einer Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern

Eine Rückstellung für hinterzogene Mehrsteuern kann erst zu dem Bilanzstichtag gebildet werden, zu dem der Steuerpflichtige mit der Aufdeckung der Steuerhinterziehung rechnen musste.

BFH Urteil vom 22.8.2012, X R 23/10

Begründung:

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat der Kläger in seinen Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Auf diesen Grundsätzen beruht u.a. die Vorschrift des § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Danach sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden.

Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine betrieblich veranlasste, aber ungewisse Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entstehen und zu einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen führen wird, und die ihre wirtschaftliche Verursachung im Zeitraum vor dem Bilanzstichtag findet.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen sowohl Rückstellungen wegen zivilrechtlicher Schadensersatzverpflichtungen als auch wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erst gebildet werden, wenn derjenige, der Inhaber des gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Anspruchs ist, von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder eine solche Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht, so dass eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme reicht es nicht schon aus, dass es einen Gläubiger gibt; vielmehr muss dieser auch seinen Anspruch kennen. Aus dem Vorsichtsprinzip folgt lediglich, dass nicht nur die bestehende Kenntnis, sondern auch eine unmittelbar bevorstehende Kenntniserlangung des Gläubigers die Bildung einer Rückstellung rechtfertigt.

Bei Verpflichtungen, die aus Straftaten resultieren, entsteht die Verbindlichkeit nach den maßgebenden zivil- oder öffentlich-rechtlichen Grundsätzen zwar bereits mit Begehung der Tat. Solange der Steuerpflichtige aber davon ausgehen kann, dass die Tat unentdeckt bleibt, stellt die Verbindlichkeit für ihn keine wirtschaftliche Belastung dar.

Diese allgemein für die Bildung von Rückstellungen geltenden Grundsätze des Handels- und Steuerbilanzrechts werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch auf Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen aus von ihm hinterzogenen Steuern angewendet. Folglich darf für Bilanzstichtage, die –vorbehaltlich einer etwaigen Wertaufhellung bis zur Bilanzaufstellung– vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem die Aufdeckung der Tat unmittelbar bevorsteht, keine Rückstellung gebildet werden. Für die Rückstellungsbildung reicht es weder aus, dass der Steuerpflichtige selbst von der Steuerhinterziehung Kenntnis hat, noch dass nach allgemeiner Erfahrung im Anschluss an Außen- und Fahndungsprüfungen häufig mit der Festsetzung von Mehrsteuern zu rechnen ist. Eine Rückstellung ist vielmehr erst zu dem Bilanzstichtag zu bilden, zu dem der Steuerpflichtige aufgrund eines hinreichend konkreten Sachverhalts ernsthaft mit einer quantifizierbaren Steuernachforderung rechnen muss, also frühestens dann, wenn der Prüfer eine bestimmte Sachbehandlung beanstandet hat, was in der Rechtsprechung mit dem Begriff der "aufdeckungsorientierten Maßnahme" bezeichnet wird.

Steuerfreie Zigaretten für Familienangehörige

Nach dem Beschluss des BFH vom 8. September 2011 VII R 59/10 ist ein tabaksteuerfreier Eigenbedarf auch gegeben, wenn eine Privatperson in einem anderen Mitgliedstaat Zigaretten erwirbt, in das Steuergebiet verbringt und an Familienangehörige verschenkt.

BFH Beschluss vom 8.9.2011, VII R 59/10

Erläuterung (BFH):

Nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. September 2011 VII R 59/10 ist ein tabaksteuerfreier Eigenbedarf auch gegeben, wenn eine Privatperson in einem anderen Mitgliedstaat Zigaretten erwirbt, in das Steuergebiet verbringt und an Familienangehörige verschenkt.

Von der deutschen Tabaksteuer befreit sind in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union versteuerte Zigaretten, die Privatpersonen in diesem Mitgliedstaat für ihren Eigenbedarf erwerben und selbst in das Steuergebiet verbringen. Diese Regelung ist eine Errungenschaft des Binnenmarktes, der am 1. Januar 1993 mit dem Wegfall der Grenzkontrollen verwirklicht worden ist. Wer als Privatperson verbrauchsteuerpflichtige Waren, wie z.B. Zigaretten, Spirituosen oder Schaumweine, in einem anderen Mitgliedstaat einkauft, kann diese Waren steuerfrei in Deutschland verbrauchen. Nach den unionsrechtlichen Vorgaben der Verbrauchsteuersystemrichtlinie setzt die Steuerfreiheit im Bestimmungsland lediglich voraus, dass die Waren für den Eigenbedarf erworben und selbst befördert werden.

In dem vom BFH entschiedenen Streitfall waren die Großeltern und der Vater der Klägerin sowie die Klägerin selbst nach Polen gefahren, wo jedes Familienmitglied eine Stange Zigaretten einkaufte. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland schenkten die Großeltern und der Vater ihre Zigaretten der Klägerin. Auf der Heimreise geriet diese in eine mobile Zollkontrolle. Mit der Begründung, die Zigaretten seien in Polen nicht für den Eigenbedarf erworben worden und folglich in Deutschland zu versteuern, stellte der Zoll einen Großteil der Zigaretten sicher.

Der BFH hat sich der Verwaltungsauffassung jedoch nicht angeschlossen. Er urteilte, dass auch derjenige seinen Eigenbedarf deckt, der aus eigenem Entschluss Geschenke für nahe Familienangehörige einkauft. Das Steuerprivileg steht demnach nicht nur Rauchern zu, die sich für den eigenen Bedarf in anderen Mitgliedstaaten mit billigen Zigaretten eindecken. In den Genuss der steuerlichen Vorteile des Binnenmarkts kommen auch beschenkte Angehörige. Auch wenn die verbrauchsteuerpflichtigen Waren für Familienmitglieder bestimmt sind, ändert dieser Umstand nichts am persönlichen Charakter des Erwerbs. Wird der Transport nicht selbst durchgeführt, sondern ein Transportunternehmen mit der Beförderung beauftragt, entfällt allerdings die Steuerfreiheit. Denn in diesen Fällen fehlt es an der Voraussetzung des Selbstverbringens.


 

Fehlende Angaben über erhaltene Rentenbezüge

Fehlende Angaben über erhaltene Rentenbezüge können als Steuerhinterziehung gewertet werden.

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 23.03.2011, 2 K 1592/10

Begründung:

Das FG Rheinland-Pfalz war jedoch der Ansicht, dass das FA befugt und damit auch gleichzeitig verpflichtet gewesen sei, die Einkommensteuerfestsetzungen 1998 bis 2007 zu Lasten der Kläger zu ändern und wies die gegen die Änderungsbescheide gerichtete Klage insoweit ab. Ausgangspunkt der gerichtlichen Überprüfung war der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger den steuerlich relevanten Sachverhalt dem FA richtig, vollständig und deutlich zur Prüfung zu unterbreiten hat. Das Gericht war u.a. der Meinung, dass im Streitfall neue Tatsachen gegeben seien. Aus den Akten ergäben sich keine objektiven Hinweise auf einen Rentenbezug. Eine Rente der Klägerin werde an keiner Stelle erwähnt, in den Steuererklärungen sei als Beruf immer „Hausfrau“ und nicht „Rentnerin“ angegeben worden. Ein Hinweis, dass auf die genaue Deklaration der Rente wegen einer Auskunft, sie sei steuerfrei, verzichtet worden wäre, gebe es nicht. Dem FA sei der Rentenbezug daher nicht bekannt gewesen. Allein aus dem Alter der Klägerin und dem Vorliegen von Kindererziehungszeiten könne nicht ohne Weiteres auf einen Rentenbezug geschlossen werden. Die Kläger hätten damit unvollständige Angaben gemacht, obwohl auf Seite 1 der Anleitungen zu den Einkommensteuererklärungen alle Rentner mit dem Hinweis angesprochen würden, dass eine entsprechende Anlage abzugeben sei. Eine Änderung sei auch für 2007 zulässig. Zwar sei in der Steuererklärung erstmals ein Rentenbezug angegeben worden, die erforderliche Anlage sei aber nicht ausgefüllt worden.   

Für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2003 sei keine Verjährung eingetreten, denn im Streitfall sei vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung auszugehen (Verlängerung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre, also zurück bis einschließlich 1998). Für eine Steuerhinterziehung sei es ausreichend, wenn der Steuerpflichtige anhand einer u.U. laienhaften Bewertung der Tatsachen erkenne, dass ein Steueranspruch existiert, auf den er einwirken könne, denn sonst käme nur die Strafbarkeit von Steuerfachleuten in Betracht. Indem die Kläger in ihren Einkommensteuererklärungen keine Angaben zur Rente der Klägerin gemacht hätten, so dass deren steuerpflichtiger Teil bei der Einkommensteuerfestsetzung unberücksichtigt geblieben sei, hätten sie den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Dies sei nach Überzeugung des Senats auch in der Absicht geschehen, die entsprechenden Einkünfte zu verschleiern. Die Kläger hätten es von 1993 an unterlassen, die Rente der Klägerin zu erklären oder auch nur auf sie hinzuweisen, obwohl in den Anleitungen zur Einkommensteuererklärungen aller Streitjahre – dort gleich auf der ersten Seite – alle Rentner angesprochen und aufgefordert würden eine entsprechende Anlage abzugeben. In den von den Klägern abgegeben Anlagen zu Kapitaleinkünften sei auf deren Rückseite ausdrücklich nach sämtlichen Altersruhegeldern, getrennt nach Ehemann und Ehefrau, gefragt worden, ohne dass sich hieraus ein Hinweis auf irgendeine Mindestgrenze oder einen „Rentenfreibetrag“ herauslesen ließe. Zudem sei durchgängig als Beruf „Hausfrau“ und nicht „Rentnerin“ angegeben worden. Die von den Klägern angesprochene Auskunft, die Rente sei steuerfrei, sei demgegenüber nicht hinreichend erläutert worden. Die Kläger hätten eben nicht dargelegt (noch ergebe sich das aus den Verwaltungsakten), wer diese Auskunft wann, wo und bei welcher Gelegenheit gegeben habe solle.

Anordnung einer Außenprüfung auch zur Feststellung einer Steuerhinterziehung zulässig

Die Anordnung einer Außenprüfung ist auch zulässig, soweit ausschließlich festgestellt werden soll, ob und inwieweit Steuerbeträge hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind. Eine sich insoweit gegenseitig ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung besteht nicht.

BFH Beschluss vom 29.12.2010 – IV B 46/09 BFHNV 2011 S. 634

Begründung:

Die Klägerin hält sinngemäß die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam, ob das FA eine Betriebsprüfungsanordnung trotz Vorliegens eines steuerstrafrechtlichen Anfangsverdachts erlassen darf. Die Klägerin weist selbst auf die Rechtsprechung des BFH hin, wonach eine Außenprüfung auch dann zulässig ist, wenn festgestellt werden soll, ob Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind, da eine sich insoweit ausschließende Zuständigkeit von Außenprüfung und Steuerfahndung nicht besteht. Angesichts dieser gefestigten und immer wieder bestätigten Rechtsprechung genügt der allgemeine und nicht näher konkretisierte Hinweis auf abweichende Stimmen in der Literatur den Darlegungserfordernissen nicht.

 

 

Falsche Kilometer-Angaben können als Steuerhinterziehung gewertet werden.

Mit Urteil hat das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, welche steuerlichen Folgen aus überhöhten Entfernungsangaben (Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte) gezogen werden können.

FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 29. März 2011 (Az.: 3 K 2635/08) 

Sachverhalt

Im Streitfall erzielte die Klägerin als kaufmännische Angestellte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Sie wohnte in A und arbeitete 1996 in C. In der Anlage N zu ihrer Einkommensteuererklärung (EStErkl) 1996 gab sie bei den Werbungskosten hinsichtlich der Wege zwischen A und C an, sie sei über B gefahren, die einfache Entfernung, die sie mit ihrem eigenen PKW zurückgelegt habe, sei 28 km gewesen.

In den Anlagen N zu den EStErkl 1997 bis 2005 gab die Klägerin jeweils als Arbeitsort B und als einfache Entfernung ebenfalls jeweils 28 km an. Diesen Angaben wurde seitens des FA in allen Einkommensteuerbescheiden 1996 bis 2005 gefolgt. Bei der Bearbeitung der EStErkl 2006 fiel dem Bearbeiter des FA auf, dass die von der Klägerin angegebene Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit 28 km zu hoch angegeben war, die einfache Entfernung zwischen A und B betrug nur 10 km.

Begründung:

Die Klage hatte jedoch nur zu einem ganz geringen Teil (1996) Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, für 1996 könnten die subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung nicht angenommen werden. Es sei denkbar, dass die Klägerin die Eintragung der Wegstrecke von A nach C über B und die Angabe der Kilometer mit „28“ in der Annahme, die Entfernungskilometer entsprächen den tatsächlich gefahrenen Kilometern, lediglich versehentlich vorgenommen habe.

Für die anderen Streitjahre (1997 – 2005) ging das FG jedoch vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung aus, weil sich der Arbeitsplatz ab 1997 in dem der Wohnung näher gelegenen B befunden habe, die Klägerin aber gleichwohl – wie 1996 – die weitere Fahrtstrecke von 28 km angegeben habe. Der Klägerin müsse es auch unter Zugrundelegung einer laienhaften Bewertung für möglich gehalten haben, dass sie mit den falschen Angaben einen höheren als den ihr zustehenden Werbungskostenabzug erreiche.

Dem FA seien auch neue Tatsachen, nämlich die geringere Entfernung von A nach B, nachträglich bekannt geworden. Im Zeitpunkt des Erlasses der ursprünglichen ESt-Bescheide sei dem FA nämlich nicht bekannt gewesen, dass die zutreffende Entfernung nur 10 km betrage. Das sei erst im Rahmen der Veranlagung für 2006 seitens eines ortskundigen Mitarbeiters des FA bekannt geworden. Die unzutreffenden Angaben der Klägerin seien weder widersprüchlich noch zweifelhaft, sondern eindeutig gewesen, es habe kein Anlass bestanden, den Angaben der Klägerin von vorneherein mit Misstrauen zu begegnen.

Hinzu komme, dass Veranlagungsarbeiten von immer wieder wechselnden Bearbeitern erledigt würden, die nicht in jedem Fall über hinreichende Ortskenntnisse verfügten. Eine Änderung eines Bescheides könne zwar nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings müsse der Steuerpflichtige seinerseits seine Mitwirkungspflicht erfüllt haben, was hier gerade nicht der Fall sei. 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.

Doppelbezug von Kindergeld

Doppelter Bezug von Kindergeld kann als Steuerhinterziehung bewertet werden.

FG Rheinland Pfalz Urteil vom 21. Januar 2010  (Az.: 4 K 1507/09)

Erläuterung:

Im Streitfall war der Kläger (als beurlaubter Beamter) bei der DB-AG beschäftigt. Nach der Privatisierung der DB wurden die bisherigen Beamten statusmäßig in das Bundeseisenbahnvermögen (BV) versetzt, arbeiten aber bei dem jetzigen privaten Arbeitgeber DB-AG weiter.

Nach der Geburt seiner 1997 geborenen Tochter beantragte er für das Kind im Januar 1998 bei der Familienkasse Kindergeld. Ebenfalls im Januar 1998 reichte er beim BVbetragsidentische Zahlungen für Kindergeld sowohl von der Familienkasse als auch vom BV ein, wobei die Zahlung der Familienkasse ausdrücklich als Zahlung von Kindergeld bezeichnet war. – u.a. zuständig für beurlaubte Beamte – einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld ein. In der Folgezeit gingen ab Januar 1999 auf seinem Bankkonto neben den Gehaltszahlungen der DB-AG

Im Rahmen eines Datenabgleichs von Kindergeldbeziehern bei den Familienkassen und beim BV im Jahr 2008 fiel die Doppelzahlung des Kindergelds an den Kläger auf. Mit Bescheid vom Oktober 2008 hob die Familienkasse ihre Kindergeldfestsetzung ab Januar 1999 auf und forderte das für den Zeitraum Januar 1999 bis August 2008 von ihr gezahlte Kindergeld in Höhe von rd. 17.000.- € zurück.

 Der Kläger war dagegen der Ansicht, dass der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Zeiträume vor 2004 der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstehe. Er sei allerdings dahingehend vergleichsbereit, dass er ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das überzahlte Kindergeld für den nicht verjährten Zeitraum zurückzahle. Eine Steuerhinterziehung habe er nicht begangen, so dass nicht von einer zehnjährigen Verjährungsfrist auszugehen sei. Es hätte eine Abstimmung zwischen der Familienkasse und dem Arbeitgeber stattfinden müssen. Der Familienkasse sei ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Er – der Kläger – habe sich korrekt verhalten. Es habe ihm auch nicht zwangsläufig auffallen müssen, dass Doppelzahlungen erfolgt seien.

 Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, eine Mehrfachgewährung von Kindergeld für ein und dasselbe Kind komme nicht in Betracht. Die Familienkasse habe die Aufhebung zu Recht darauf gestützt, dass ihr – der Familienkasse – die Zahlungen des BV nicht bekannt gewesen seien. Wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung sei von einer zehnjährigen Verjährungsfrist auszugehen. Der Kläger habe gegenüber der Familienkasse irreführende Angaben gemacht. Die Behauptung, dass er über einen Zeitraum von nahezu 10 Jahren nicht bemerkt habe, dass er doppelt Kindergeld bezogen habe, nahm der Senat dem Kläger nicht ab.

Die Zahlungen der Familienkasse seien auf den Kontoauszügen ausdrücklich mit der Bezeichnung Kindergeld versehen worden. Auch wenn auf den Kontoauszügen die betragsidentischen Zahlungen des BV nicht ausdrücklich als Kindergeld bezeichnet worden seien, habe sich für den Kläger die Zweckbestimmung dieser Zahlungen aber eindeutig aus den vom BV monatlich erstellten Mitteilungen ergeben. Das Gericht ging davon aus, dass es dem Kläger bekannt gewesen sei, dass er nur an einer Stelle, dem BV, Kindergeld hätte beantragen können, das ergebe sich auch daraus, dass er schriftlich in beiden Kindergeldanträgen bestätigt habe, jeweils ein Merkblatt über Kindergeld erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Seiner Verpflichtung zur Korrektur des Sachverhalts sei er nicht nachgekommen. 

 Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen