Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen

Die Umbaukosten die auf Grund einer Behinderung notwendig werden sind als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig (eigener Leitsatz)

BFH Beschluss vom 25.5.2011, VI B 35/11

Begründung:

Die vom FA aufgeworfene Rechtsfrage, ob behinderungsbedingte Umbaukosten auch im Fall einer schleichenden Erkrankung im Hinblick auf die Erlangung eines Gegenwerts als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen seien, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Denn der erkennende Senat hat entschieden, dass Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit steht, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht .

Behinderungsbedingte Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen

Mehraufwand, der auf einer behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds beruht, steht stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt (Anschluss an BFH-Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280; entgegen BFH-Urteil vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491).

Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht (Fortentwicklung von BFH-Urteil in BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280).

Gegebenenfalls hat das FG zu der Frage, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines seiner Angehörigen veranlasst sind, und zur Quantifizierung der darauf entfallenden Kosten ein Sachverständigengutachten einzuholen.

BFH Urteil vom 24.2.2011, VI R 16/10

Erläuterungen des BFH:

Mit Urteil vom 24. Februar 2011 VI R 16/10 hat der Bundesfinanzhof (BFH) daran festgehalten, dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die krankheitsbedingte oder behindertengerechten Gestaltung des individuellen Wohnumfelds als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sein können, und zwar auch dann, wenn die bauliche Gestaltung langfristig geplant wird. Wie schon im Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09 (Pressemitteilung Nr. 109 vom 23. Dezember 2009) blieb ein durch die Aufwendungen etwa erlangter Gegenwert dabei außer Betracht.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag in bestimmtem Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen.

Im Streitfall ist eines der Kinder der Kläger von Geburt an schwerbehindert (Grad der Behinderung 100 %). Die Kläger, die zunächst zur Miete wohnten, erwarben im Jahr 2005 ein bebautes Grundstück zu einem Kaufpreis von 30.000 €. Das Gebäude (Baujahr ca. 1900) wurde anschließend für 193.800 € umgebaut und modernisiert. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 machten die Kläger rund 30.000 €, in der für das Jahr 2007 rund 4.000 € an Umbaukosten für den von dem behinderten Kind genutzten Wohnraum erfolglos als außergewöhnliche Belastungen geltend. Auch Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg, da die Kläger durch den Umbau einen Gegenwert erhalten hätten.

Der BFH hat nun das angefochtene Urteil aufgehoben und entschieden, dass Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung als außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG abziehbar sein können, denn es sind größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Diese Aufwendungen sind weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag (§ 32a Abs. 1 EStG, § 32 Abs. 6 EStG) noch durch den Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten und stehen stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände regelmäßig in den Hintergrund tritt. Es ist insbesondere nicht erforderlich, dass die Behinderung auf einem nicht vorhersehbaren Ereignis beruht und deshalb ein schnelles Handeln des Steuerpflichtigen oder seiner Angehörigen geboten ist. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stellt sich in solchen Fällen nicht. Allerdings sind nicht die gesamten Aufwendungen für den von dem Kranken oder Behinderten genutzten Wohnraum, sondern nur die auf die krankheits- oder behindertengerechte Ausgestaltung des individuellen Wohnumfelds beruhenden Mehrkosten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG abzugsfähig. Gegebenenfalls hat das Finanzgericht zu der Frage, welche baulichen Maßnahmen durch die Behinderung des Steuerpflichtigen oder eines seiner Angehörigen veranlasst sind, und zur Quantifizierung der darauf entfallenden Kosten ein Sachverständigengutachten einzuholen.

Behinderungsbedingte Umbau als außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.

BFH Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09

Erläuterungen:

Mit Urteil vom 22. Oktober 2009 VI R 7/09 ließ der Bundesfinanzhof (BFH) Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für den behindertengerechten Umbau seines Wohnhauses zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu. Ein durch die Aufwendungen etwa erlangter Gegenwert blieb dabei außer Betracht.

Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag in bestimmtem Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen. zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH ist diese Steuerermäßigung allerdings ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige durch seine Aufwendungen einen Gegenwert erhält.

Im Streitfall wurde der verheiratete Steuerpflichtige durch einen Schlaganfall im Jahre 1999 schwer behindert. Um ihm trotz seiner außergewöhnlich starken Gehbehinderung weiterhin ein Leben in seiner gewohnten Umgebung zu ermöglichen und ihm den Aufenthalt in einem Pflegeheim zu ersparen, nahmen die Ehegatten im Streitjahr (2000) verschiedene Umbaumaßnahmen an ihrem Einfamilienhaus vor. Die von der Krankenkasse nicht bezuschussten Kosten für den Bau einer Rollstuhlrampe, die Einrichtung eines behindertengerechten Bades sowie die Umwandlung des ebenerdigen Arbeitszimmers in einen Schlafraum, machten die Ehegatten in Höhe von ca. 140.000 DM in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastung geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab, gewährte jedoch den Behinderten-Pauschbetrag in Höhe von 7.200 DM und den Pflege-Pauschbetrag von 1.800 DM. Die dagegen gerichtete Klage der Erben des inzwischen verstorbenen Steuerpflichtigen wurde mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle an einer Belastung der Kläger, weil sie für ihre Aufwendungen einen Gegenwert erlangt hätten.

Mit Urteil vom 1. Oktober 2009 VI R 7/09 entschied der BFH nun, dass die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des Hauses als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind, weil sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass auch die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.

 

Umbau Großraumbüro

Aufwendungen für den Umbau eines Großraumbüros in vier Einzelbüros unter Verwendung von Rigips-Ständerwerk sowie für die Anpassung der Elektroinstallation im hierdurch notwendigen Umfang sind sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

BFH Urteil vom 16. Januar 2007 IX R 39/05

Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, sind dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

Die Herstellung eines (neuen) Wirtschaftsguts ist –neben der Schaffung eines bisher noch nicht vorhandenen Wirtschaftsguts (Erst-Herstellung) und der Wiedererstellung eines bereits vorhandenen, aber zerstörten oder unbrauchbar gewordenen Wirtschaftsguts (Zweit-Herstellung)– auch dann anzunehmen, wenn ein vorhandenes Wirtschaftsgut aufgrund von Baumaßnahmen in seiner Funktion bzw. seinem Wesen verändert wird (Funktions-/Wesensänderung). Ein solcher Fall der Wesensänderung ist bei einem vorhandenen Gebäude oder Gebäudeteil gegeben, wenn sich durch bauliche Maßnahmen dessen Funktion/Nutzung, d.h. die Zweckbestimmung ändert. Nicht erforderlich ist, dass sich durch den Umbau “die Nutzungsfunktion des ganzen Gebäudes verändert”; es genügt die Änderung der Nutzungsfunktion eines Gebäudeteils.

Eine reine Umgestaltung von vermieteten Räumen durch Verlegung und Entfernen von Zwischenwänden genügt danach nicht, solange die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude nicht das bautechnische Gepräge geben, z.B. wenn sie anders als im Streitfall verbrauchte Teile ersetzen, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind. Auf dieser Grundlage kann die Tatsache, dass die Einfügung solcher Zwischenwände für die Vermietbarkeit förderlich sein kann, entgegen der Ansicht des FG für sich allein nicht zur Annahme von Herstellungskosten führen.