Maßstäbe für die Zusammenballung von Einkünften nach § 34 EStG

Eine Entschädigung führt zu außerordentlichen Einkünften nach § 34 Abs. 2 EStG, wenn sie zusammengeballt zufließen, weil der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Entschädigung in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten würde (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung) .

Was der Steuerpflichtige bei normalem Ablauf der Dinge erhalten würde, kann nur aufgrund einer hypothetischen und prognostischen Beurteilung ermittelt werden; dabei ist nicht auf die Verhältnisse des Vorjahres abzustellen, wenn die Einnahmesituation durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen .

BFH Urteil vom 27.1.2010, IX R 31/09

 Begründung:

 Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf außerordentliche Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG (Fünftelregelung) zu berechnen. Als außerordentliche Einkünfte kommen nur die in § 34 Abs. 2 EStG aufgeführten Einkünfte in Betracht. Das bedeutet aber nicht, die –hier im Streitjahr vereinnahmte– Entschädigung (§ 24 Nr. 1 EStG) sei ohne weiteres ermäßigt zu besteuern. Vielmehr ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG entsprechend dem Normzweck, die Auswirkungen des progressiven Tarifs abzuschwächen, auf solche Einkünfte zu beschränken, die "zusammengeballt" zufließen. Davon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum einschließlich der Entschädigung insgesamt mehr erhält, als er bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge erhalten hätte.

 Die dafür notwendige, hypothetische und prognostische Betrachtung orientiert sich grundsätzlich an den Verhältnissen des Vorjahres, die dem Veranlagungszeitraum, in dem die Entschädigung zufließt, am nächsten liegen. Eine darauf aufbauende Vergleichsberechnung lediglich am Maßstab des Vorjahres ist aber keineswegs zwingend. Sie gilt nur für den Normalfall, in dem die Verhältnisse des Vorjahres –z.B. im Zuge einer normalen Gehaltsentwicklung– auch diejenigen des Folgejahres mit großer Wahrscheinlichkeit abbilden. Sie gilt aber dann nicht, wenn die Einnahmesituation des Vorjahres durch außergewöhnliche Ereignisse geprägt ist und sich daraus keine Vorhersagen für den (unterstellten) normalen Verlauf bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ableiten lassen. So beanstandet es der BFH insbesondere bei variablen Gehaltskomponenten nicht, wenn im Wege einer Prognoseentscheidung (auch) auf die Vorjahre zurückgegriffen wird.

 

 

Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften und dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften

Hat der Steuerpflichtige neben außerordentlichen Einkünften i.S. von § 34 Abs. 2 EStG auch steuerfreie Einnahmen i.S. von § 32b Abs. 1 EStG bezogen, so sind diese in der Weise in die Berechnung nach § 34 Abs. 1 EStG einzubeziehen, dass sie in voller Höhe dem verbleibenden zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden.

BFH Urteil vom 22. September 2009 IX R 93/07

Begründung:

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Einkommensteuer auf die im zu versteuernden Einkommen enthaltenen außerordentlichen Einkünfte nach der sog. Fünftelregelung zu berechnen. Gemäß § 32b EStG ist das zu versteuernde Einkommen mit einem besonderen Steuersatz zu versteuern, der sich für das zu versteuernde Einkommen zuzüglich bestimmter steuerfreier Einkünfte ergibt.

Die auf die außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer beträgt nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG das Fünffache des Unterschiedsbetrags zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich 1/5 dieser Einkünfte.

Die volle Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte bei der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG ist vom Gesetzgeber gewollt. Mit dem Progressionsvorbehalt soll eine Steuerentlastung verhindert werden, die sich daraus ergibt, dass aufgrund des progressiven Tarifverlaufs auf das zu versteuernde Einkommen infolge der Steuerfreiheit der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte ein niedrigerer Steuersatz anzuwenden wäre als bei einer Steuerpflicht dieser Einkünfte. Die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte werden daher bei der Ermittlung des für das zu versteuernde Einkommen maßgeblichen Steuersatzes, nicht aber in das zu versteuernde Einkommen selbst einbezogen.

Die nach § 34 Abs. 1 EStG zu saldierenden Steuerbeträge sind in der Weise zu ermitteln, dass auf das verbleibende zu versteuernde Einkommen bzw. auf das erhöhte verbleibende zu versteuernde Einkommen jeweils die allgemeinen Tarifvorschriften des § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG Anwendung finden. Die Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts beim verbleibenden zu versteuernden Einkommen und beim verbleibenden zu versteuernden Einkommen zuzüglich 1/5 der außerordentlichen Einkünfte führt dazu, dass genau die Progressionswirkung der außerordentlichen Einkünfte im dargelegten Sinne auf 1/5 beschränkt wird. So wird eine zielgenaue Umsetzung der ratio des Progressionsvorbehalts erreicht.

Auch bei einer vollen Berücksichtigung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden steuerfreien Einkünfte werden diese nicht besteuert. Der Progressionsvorbehalt führt lediglich zu einer Erhöhung der ansonsten begünstigten Besteuerung der außerordentlichen Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG, dies jedoch entsprechend der gesteigerten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit infolge des Bezugs auch steuerfreier Einkünfte.

§ 7 Abs. 1 Satz 4 EStG regelt lediglich, dass bereits in Anspruch genommene AfA nicht ein weiteres Mal beansprucht werden darf, und begrenzt nicht den Einlagewert auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Zusammenballung von Abfindungszahlung, Steuerbegünstigung trotz geringfügiger Teilleistung im anderen Veranlagungszeitraum

Eine die Anwendung von § 34 EStG rechtfertigende Zusammenballung von Einkünften kommt auch dann in Betracht, wenn zu einer Hauptentschädigungsleistung eine in einem anderen Veranlagungszeitraum zufließende minimale Teilleistung hinzukommt.

BFH Urteil vom 25. August 2009 IX R 11/09

Begründung:

Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen.

Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt

Gleichwohl ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Der Zweck des § 34 Abs. 1 EStG wird trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen nicht verfehlt, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird.