Mietkaution als nicht steuerbarer Schadensersatz

Entschädigungen an den Vermieter für die vorzeitige Räumung der Mieträume und die Aufgabe des noch laufenden Mietvertrags sind nicht ein – nicht umsatzsteuerbarer – Schadenersatz, sondern steuerbares Leistungsentgelt, weil der Vermieter auf eine ihm zustehende Rechtsposition verzichtet.

Von nicht steuerbarem Schadensersatz ist aber auszugehen, wenn der Mieter vertragswidrig die Mietzahlungen eingestellt, der Vermieter deswegen den Mietvertrag mit sofortiger Wirkung außerordentlich fristlos gekündigt hat, anschließend vom neuen Mieter eine niedrigere Miete als bisher erhalten und als Ausgleich für diesen künftigen Mietverlust (Differenz zwischen der vom bisherigen Mieter und der vom neuen Mieter gezahlten Miete) die Mietkaution als Schadensersatz einbehalten hat.

Veranlasst der Mieter durch die Nichtentrichtung des Mietzinses den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung, hat dieser den durch die Kündigung entstandenen Schaden auch zu ersetzen (BGH, Urteil v. 13.6.2007, VIII ZR 281/06). Dabei ist der geschädigte Vermieter so zu stellen, wie er stünde, wenn die Vertragsverletzung nicht erfolgt und es somit nicht zur fristlosen Kündigung gekommen, sondern der Mietvertrag fortgeführt worden wäre.

FG München v. 9.2.2017 -14 K 2480/14, EFG 2017, 781

Sachverhalt:

Das FG München hat sich mit der Frage beschäftig, ob eine Mietkaution der Umsatzsteuer unterliegt oder nicht. In dem Ausgangsrechtsstreit hatte die Klägerin ein Mietverhältnis außer-ordentlich gegenüber einem Mieter gekündigt. Sie behielt die Kaution für angefallene Mietausfälle ein.

Die zuständige Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging davon aus, dass es sich bei der einbehaltenen Kaution um ein umsatzsteuerpflichtiges Leistungsentgelt handelte. Nach Auffassung des FG unterliegt die Kaution nicht der Umsatzsteuer. Für die Besteuerung einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung im Rahmen der Umsatzsteuer muss ein Leistungsaustausch gegeben sein. Dazu muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert vorliegen.

Begründung:
Demgegenüber sind Entschädigungen oder Schadensersatz-zahlungen kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts. In diesen Fällen besteht nämlich kein Zusammenhang zwischen einer Lieferung oder sonstigen Leistung. Vielmehr muss der Zahlende nach Gesetz der aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung für einen Schaden und seine Folgen einzustehen. Diese Zahlungen sind dann nicht steuerbar. In diesen Fällen besteht nämlich kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung und der Leistung.

Entscheidend für die Frage der Steuerbarkeit ist, ob der zunächst nur als Sicherheit für den Vermieter hinterlegte Geldbetrag bei Einbehalt in unmittelbarem Zusammenhang mit einer vom Vermieter erbrachten Leistung stand.

Demgemäß sind Entschädigungen an den Vermieter für die vorzeitige Räumung der Mieträume und die Aufgabe des noch laufenden Mietvertrags nicht Schadenersatz, sondern Leistungsentgelt, weil der Vermieter auf eine ihm zustehende Rechtsposition verzichtet. In diesen Fällen verzichtet der Vermieter auf eine zustehende Rechtsposition.

Veranlasst der Mieter durch die Nichtentrichtung des Mietzinses den Vermieter zur außerordentlichen Kündigung (vgl. § 543 Abs.2 Nr.3 BGB), hat dieser den durch die Kündigung entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese Zahlung ist kein Entgelt im umsatzsteuerlichen Sinne und daher ist der Vorgang nicht steuerbar.

Merke:
Maßgeblich ist damit, ob der zunächst nur als Sicherheit für den Vermieter hinterlegte Geld- betrag bei Einbehalt in unmittelbarem Zusammenhang mit einer vom Vermieter erbrachten Leistung stand. In dem vorliegenden Fall war diese nicht gegeben, da das Mietverhältnis vorzeitig durch eine außerordentliche Kündigung beendet wurde. Damit liegt kein Verzicht auf eine Rechtsposition seitens des Vermieters vor. Vielmehr ist der Mieter zu Schadensersatz nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts verpflichtet. Es handelte sich bei der einbehaltenen Kaution daher um Schadensersatz, der nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

Zur Steuerbarkeit der in einem Freihafen zu behandelnden Umsätze innerhalb eines Organkreises

Leitsatz
§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG bewirkt nicht, dass eine im Freihafen ansässige Organgesellschaft als im Inland ansässig gilt.
Die Beschränkung der Wirkungen der Organschaft auf das Inland verstößt weder gegen Unionsrecht noch gegen Verfassungsrecht.
BFH v. 22.2.2017 – XI R 13/15, BFH/NV 2017,1001

Sachverhalt:
Der BFH sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Umsätze in einem Freihafen bei einer bestehenden Organschaft zu beurteilen sind. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war eine
Holding-Gesellschaft, die im Streitjahr 2007 sowohl unmittelbar als auch mittelbar Beteiligungen an diversen Produktions- und Vertriebsgesellschaften hielt. Zu den Tochtergesellschaften
der Klägerin gehörte auch eine im Hamburger Freihafen ansässige Gesellschaft.

Der Freihafen in Hamburg wurde zwischenzeitlich mit Wirkung zum 1.1.2013 aufgehoben.

Begründung:

Die Tochtergesellschaft erbrachte im Streit jahr vornehmlich Theaterleistungen i. S. d. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG. Den Vertrieb der Eintrittskarten übernahmen Gesellschaften, die eben-
falls dem Organkreis der Klägerin angehörten. Sie handelten dabei im fremden Namen und auf fremde Rechnung. Die Klägerin behandelte die Leistungen gegenüber der im Hamburger Freihafen ansässigen Gesellschaft als nicht steuerbare Umsätze im Rahmen des Organkreises.

Nach Ansicht des BFH sind die Leistungen gegenüber der im Freihafen ansässigen Tochtergesellschaft steuerbar und steuerpflichtig. Es handelt sich nicht um steuerbare Innenumsätze innerhalb eines Organkreises. Der Ort der durch die Klägerin erbrachten sonstigen Leistungen liegt gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG a. F. bzw. § 3a Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i.V. m. Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG
a. F. im Freihafen. Damit sind die Umsätze grundsätzlich nicht steuerbar, da der Freihafen nicht zum umsatzsteuerlichen Inland gehörte.

Allerdings sieht § 1 Abs.3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG davon eine Ausnahme vor. Die Umsätze sind “wie Umsätze im Inland” zu behandeln, wenn die Eingangsleistungen ausschließlich oder
zumindest zum Teil für eine nach § 4 Nr. 8 bis 27 steuerfreie (vorsteuerschädliche) Tätigkeit verwendet werden. Da hier die Leistungen für steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 20 UStG verwendet wurden, verlagert sich der Ort der Eingangsleistungen in das Inland. Damit liegen aufgrund dieser Fiktion im Inland steuerbare Umsätze der Klägerin vor, die auch nicht umsatzsteuerfrei
sind.

Darüber hinaus liegen aber auch nicht die Voraussetzungen für eine Organschaft gegenüber der Tochtergesellschaft im Freihafen vor. Zwar war die Tochter unstreitig finanziell, organisatorisch und wirtschaftlich in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert, jedoch beschränken sich die Auswirkungen der Organschaft auf das Inland (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG).

Für die Beurteilung der Organschaft liegt hier nach Auffassung des BFH kein im Inland gelegener Unternehmensteil vor. Der BFH wendet hier somit zwei unterschiedliche Inlandsbegriffe an. Für die Frage des Ortes der erbrachten sonstigen Leistungen liegt der Freihafen fiktiv im Inland.
In Bezug auf die umsatzsteuerrechtliche Organschaft liegt der Freihafen jedoch im Drittland, so dass die Wirkungen der Organschaft nicht durchgreifen können.

Umsatzsteuerlichen Organschaft in der Insolvenz

Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers endet die Organschaft.

Unabhängig von den Verhältnissen beim Organträger endet die Organschaft jedenfalls mit der Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft.
Die Bestellung eines Sachwalters im Rahmen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO in den Insolvenzverfahren des bisherigen Organträgers und der bisherigen Organgesellschaft ändert hieran nichts.

BFH v. 15.12.2016 – V R 14/16, BStBl. II 2017, 600

Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine GmbH, die insolvent wurde. Sie war unmittelbar bzw. über ihre Tochtergesellschaft als Alleingesellschafter an mehreren anderen GmbHs beteiligt. Die Klägerin war unternehmerisch im Sinne des § 2 UStG tätig. Sie wurde durch drei jeweils alleinvertretungs- berechtigte Geschäftsführer (A, Bund C) vertreten.
Die GmbH war als Alleingesellschafter im Einzelnen an den folgenden GmbHs beteiligt: E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH sowie J-GmbH. A war bei allen diesen Gesellschafter – mit Ausnahme der J-GmbH – alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Bei der J-GmbH waren C sowie eine Person, die zugleich bei der Klägerin in leitender Funktion tätig war, die Geschäftsführer.

Bis zum 12.5.2012 gingen die Klägerin und das zuständige Finanzamt übereinstimmend von einer umsatzsteuerlichen Organschaft in Bezug auf die genannten sechs Tochtergesellschaften aus. Aufgrund eines Insolvenzantrages durch die Klägerin selbst bestellte das zuständige Amtsgericht noch am Tag der Antragsstellung einen vorläufigen Sachwalter und setzte Gläubigerausschüsse ein. Die Kläger hatte beim Amtsgericht die Eigenverwaltung beantragt. Diesem Antrag
ist das Gericht grundsätzlich gefolgt, so dass die Klägerin auch weiterhin berechtigt war, unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters ihr Vermögen zu Verwaltung und ggf. darüber zu verfügen.

Im weiteren Verlauf eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin sowie zeitgleich über die sechs Tochtergesellschaften. Das Insolvenzgericht ordnete die Eigenverwaltung im Sinne des § 270 Abs.1 lnsO an. Der vorläufige Sachwalter wurde zum Sachwalter im eröffneten Insolvenzverfahren bestellt. Außerdem wurden Gläubigerausschüsse ein- gerichtet. In allen Eröffnungsbeschlüssen ordnete das Gericht an, dass die Verwaltungs- und
Verfügungsbefugnis bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe. Schuldbefreiende Leistungen sollten nur an diese erfolgen.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Organschaft auch in der Insolvenz der Klägerin weiter- hin bestünde. Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, dass die Organschaft mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet war.

Begründung:

Mit der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Organträgers endet hier die Organschaft. Die durch den Gesetzgeber vorgesehen Zusammenfassung der Unternehmen inner- halb eines Organkreises wird der Organträger – hier die Klägerin – zum Steuerschuldner der Umsatzsteuer für alle Leistungen der Organgesellschaften. Der Organträger übernimmt beispielsweise auch die strafrechtliche Verantwortung gemäß § 370 AO für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaften. Die eigentlich rechtlich selbständigen Unternehmensteile werden zusammengefasst. So sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen. Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug.

Die Zusammenfassung, die die Vorschriften der Organschaft vorsehen, übernimmt allerdings das Insolvenzrecht nicht. Es gibt dort keine Regelungen für den Fall einer Konzerninsolvenz. Die InsO sieht kein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften vor.

Der BFH geht davon aus, dass der Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festgesetzt werden kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Unternehmers – hier des Organträgers – handelt. Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit der Insolvenzmasse nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs.1 Nr.1 InsO, da es sich um eine durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründete Verbindlichkeit handelt. Dies trifft aber nur auf eigenen Umsatztätigkeit des bisherigen Organträgers zu. So- weit die Umsätze der Organgesellschaft betroffen sind, liegen keine Masseverbindlichkeiten vor. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit dieser Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse. Zur Insolvenzmasse des Organträgers gehört daher nur seine Beteiligung an der Organgesellschaft, nicht aber auch das Vermögen der Organgesellschaft.

Die Eigenverwaltung ist ohne Bedeutung, da sie nichts an der Trennung im Insolvenzverfahren ändert. Außerdem endet bei der Insolvenz der Organgesellschaft die finanzielle Eingliederung. Der Organträger muss finanziell in der Weise an der Organgesellschaft beteiligt sein, dass er seinen Willen durch Mehrheitsbeschluss in der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann. Bei der Bestellung eines Insolvenzverwalters endet ohnehin die finanzielle Eingliederung. Sie entfällt aber auch, wenn das Insolvenzgericht Eigenverwaltung nach §§ 270ff. InsO anordnet.

Zwar ist der Schuldner und damit die Organgesellschaft gem. § 270 Abs.1 Satz 1 InsO berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Die für die Organschaft erforderliche Eingliederung mit Durchgriffsmöglichkeit entfällt aber trotzdem.

Merke:
Die Organschaft bleibt spannend. Was eigentlich als Vereinfachungsregelung gedacht war, führt in der Praxis immer wieder zu größeren Problemen und vor allem zur Rechtsunsicherheit.

In diesem Zusammenhang ist dieses Urteil positiv zu sehen. Denn der BFH hat mit der Beendigung der Organschaft in diesen Insolvenzfällen eine klare Regelung getroffen. Im Rahmen einer komplexen Konzerninsolvenz aber auch aber auch bei weniger komplexen Strukturen – wie im in diesen Sachverhalt – verkomplizieren die Organschaftsregelungen die Insolvenzverwaltung nicht unnötig.

Steuerbarkeit einer Abmahnung durch Mitbewerber

Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, sind umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Wettbewerbern –und nicht als nicht steuerbare Schadensersatzzahlungen– zu qualifizieren.

BFH v. 21.12.2016 – XI R 27/14, BFH/NV 2017, 866

Sachverhalt:
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist eine GmbH, die mit Hard- und Software handelt. Außerdem übernahm sie für Kunden die Einrichtung und Wartung von Netzwerken sowie die Beratung, Schulung und Gutachtenerstellung in Fragen der elektronischen Datenverarbeitung. In den Streitjahren 2006 sowie 2007 mahnte sie mehrfach Mitbewerber wegen fehlerhafter Allgemeiner Geschäftsbedingungen ab. Sie beauftragte hierfür einen Rechtsanwalt, der in ihrem Namen die Mitbewerber aufforderte, eine Unterlassungserklärung abzugeben sowie die durch seine Einschaltung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstandenen Kosten zu erstatten. Umsatzsteuer war in den geltend gemachten Aufwendungen nicht enthalten.

Begründung:
Die abgemahnten Mitbewerber zahlten den geltend gemachten Aufwendungsersatz auf ein Konto des Rechtsanwalts, der der Klägerin seine Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung stellte.
Sein Vergütungsanspruch wurde mit den Zahlungen der abgemahnten Mitbewerber verrechnet, so dass die Klägerin lediglich noch die auf die Leistungen des Rechtsanwalts entfallende Umsatzsteuer zu entrichten hatte, die sie mit ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre als Vorsteuerbeträge abzog.

Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung ging die Finanzverwaltung davon aus, dass die Klägerin durch die Abmahnung ihrer Mitbewerber umsatzsteuerpflichtige Leistung erbracht habe. Sie änderte daher entsprechend die Umsatzsteuerfestsetzungen. .
Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sind unzulässig (§ 3 UWG).

Wer dem § 3 UWG vorsätzlich oder fahrlässig zuwiderhandelt, ist den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 9 Satz 1 UWG). Wer dem § 3 UWG zuwider- handelt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 8 Abs.1 Satz 1 UWG). Diese Ansprüche stehen gem. § 8 Abs.3 Nr.1 bis 4 UWG jedem Mitbewerber (Nr.1), bestimmten rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen (Nr. 2), bestimmten qualifizierten Einrichtungen
(Nr. 3) sowie den Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern r.4) zu.
Die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten sollen den Schuldner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen (§ 12 Abs.1 Satz 1 UWG). Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann der Ersatz
der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden (§ 12 Abs.1 Satz 2 UWG).

Der BFH hat mit seinem Urteil in BFHE 201, 339, BStBl1i 2003, 732 zu einem sog. Abmahnverein entschieden, dass dieser an den abgemahnten Unternehmer eine Leistung gegen Entgelt i. S. d.§ 1 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG erbringt, soweit er für diesen als Geschäftsführer ohne Auftrag tätig wird; zwischen der Geschäftsführungsleistung und dem Aufwendungsersatz, der dem Abmahn-
verein zusteht, bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang, der Aufwendungsersatz ist der Gegenwert für die Abmahnleistung des Vereins. Auch die Klägerin als Mitbewerberin i. S. d. § 8 Abs.3 Nr.1 UWG hat mit ihren Abmahnungen gegenüber Mitbewerbern steuerbare und steuer-pflichtige Leistungen erbracht.

Mit den Abmahnungen hat die Klägerin ihren Mitbewerbern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.

Es liegt daher auch in dem vorliegenden Fall eine steuerbare Leistung der Klägerin an die Abgemahnten Unternehmen vor. Die Rechtslage ist vergleichbar mit einem Abmahnungsverein. Das durch Direktbrechung der Zivilgerichte entwickelte Institut der außergerichtlichen Abmahnung wurde in § 12 Abs.1 UWG nachvollzogen. Nach dieser Rechtsprechung dient die durch eine Verletzungshandlung veranlasste Abmahnung im Regelfall dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien, da sie das Streitverhältnis auf einfache, kostengünstige Weise vorprozessual beenden.und einen Rechtsstreit vermeiden soll. Dementsprechend wird die Abmahnung in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich als Mittel zur außergerichtlichen Streitbeilegung . in Wettbewerbssachen bezeichnet, durch das der größte Teil der Wettbewerbsstreitigkeiten erledigt werde.

Zusammenfassung:
Auch zwischen Mitbewerbern kommt diese Regelung zum Tragen. Mit den Abmahnungen hat die Klägerin ihren Mitbewerbern einen Weg gewiesen, sie als Gläubigerin ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.

Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses

§ 4 Nr. 8 Buchst. g UStG sieht die Umsatzsteuerbefreiung für die Übernahme von Verbindlichkei¬ten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze vor. Sys¬tematisch ist die Vorschrift bei den Finanzdienstleistungsumsätzen angesiedelt. Der BFH wen¬det die Norm in einer aktuellen Entscheidung allerdings auf die Verpflichtung zur Eingehung eines Mietverhältnisses an. Dabei betrachtet der BFH den Sachverhalt wirtschaftlich. Letztlich kann es nach Auffassung des BFH keinen Unterschied machen, ob der Mieter gegen Entgelt ein Mietverhältnis begründet oder sich entgeltlich verpflichtet, in ein bestehendes Mietverhältnis einzutreten.
BFH Urteil vom 30.11. 2016 — V R 18/16

Sachverhalt:
Eine KG (Klägerin) war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem sich ein Gewerbegebäude be¬fand. Das Grundstück war teilweise vermietet und stand im Übrigen leer. Die KG beabsichtigte, das Grundstück zu veräußern. Allerdings wollte der Kaufinteressent das Objekt nur erwerben, wenn ein bestimmter Anteil der Leerstandsfläche zusätzlich für einen Zeitraum von fünf Jahren vermietet wurde.

Um diese Bedingung zu erfüllen, schloss die KG mit der Klägerin (eine Immobilienverwaltungs¬gesellschaft mbH) am 19.2.2007 einen Mietvertrag ab. Das Mietverhältnis sollte zum 1.4.2007 beginnen und auf fünf Jahre befristet sein. Die vereinbarte Monatsmiete betrug 15 000 € zzgl. Umsatzsteuer. Der Gesamtmietzins für den Monat betrug ca. 23 000 € einschließlich Betriebs-und Nebenkostenvorauszahlungen sowie Umsatzsteuer.
Zusätzlich vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin „unmittelbar gegenüber dem Käufer des Grundstücks” Mieterverpflichtungen gemäß dem Entwurf eines Mietvertrages übernehmen sollte. Für die Übernahme dieser Mieterverpflichtung sollte die Klägerin von der KG eine ein¬malige Vergütung i. H.v. 900 000 € erhalten. Dieser Betrag war an die Klägerin nach Eingang des Grundstückskaufpreises bei der KG zu zahlen.
Die KG veräußerte das Grundstück durch notariellen Vertrag v. 19.2.2007 an den Erwerber. Die¬ser trat in das zwischen der Klägerin und der KG begründete Mietverhältnis ein. Die KG zahlte im Streitjahr 2007 die mit der Klägerin vereinbarte Vergütung von 900 000 €. Die Klägerin legte den Betrag als Festgeld bei einer Bank an, die eine vertraglich vorgesehene Bürgschaft zuguns¬ten des Vermieters erteilte.
Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass die 900 000€ für eine steuerbare und steuerpflichti¬ge Leistung der Klägerin gezahlt wurden. Es unterwarf daher den von der KG an die Klägerin bezahlten Geldbetrag der Umsatzsteuer.
Begründung:
Zunächst einmal hat der BFH Zweifel, ob die durch die Klägerin erbrachte Leistung überhaupt steuerbar ist. Im Ergebnis nimmt er jedoch eine gem. § 4 Nr.8 Buchst. g UStG steuerfreie Leis¬tung an. Danach ist die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Si¬cherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei.

Die Vorschrift umfasst nach der Rechtsprechung des BFH auch beispielsweise die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie. Ebenso ist der steuerbare Verzicht auf eine Mietgarantie umsatzsteuerfrei, wenn die Einräumung der Mietgarantie nach § 4 Nr.8 Buchst. g UStG steuerfrei ist.
Zusammenfassung:
Der BFH geht hier davon aus, dass die Klägerin sich gegen Entgelt verpflichtet hat, ein Mietverhältnis einzugehen. Diese Leistung, sofern sie überhaupt steuerbar ist, ist nach Ansicht des BFH jedenfalls nach § 4 Nr.8 Buchst. g UStG steuerfrei. Gegenstand des Vertrages v. 19.02.2007 war die Eingehung eines Mietverhältnisses als Mieter durch die Klägerin. Gemäß § 535 Abs. 2 BGB war die Klägerin als Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Mit dieser Leistung gegen Entgelt hat die Klägerin somit i.S.v. §4 Nr.8 Buchst.g UStG eine Verbindlichkeit begründet und eine Geldverbindlichkeit übernommen.
Eine Einschränkung in der Weise, dass es sich um die Leistung an eine Person handeln muss, zu deren Lasten bereits eine Verpflichtung besteht, ist auch bei enger Auslegung des Befreiungstatbestands nicht erforderlich und würde zu einem Verstoß gegen das Neutralitätsprinzip führen. Somit macht es keinen Unterschied, ob die Klägerin die Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung der Klägerin ist daher ebenso steuerfrei wie wenn der Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit einem Dritten geschlossen hätte und sich die Klägerin zur Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte. Das Ergebnis des BFH überrascht zunächst. Bei näherer Betrachtung ist es jedoch einleuchtend. Die Zahlung erfolgte für die Eingehung des Mietverhältnisses. Im Ergebnis wurde wirtschaftlich betrachtet jedoch die Mietgarantie durch die Klägerin übernommen. Damit liegt die Übernahme einer Verbindlichkeit bzw. einer Sicherheit vor.

Unionsrechtskonformität des §4 Nr.28 UStG

Leitsatz
§ 4 Nr.28 UStG steht im Einklang mit dem Unionsrecht. Der Zweck des § 4 Nr.28 UStG gebietet es, Veräußerungsumsätze steuerfrei zu behandeln, wenn der Abzug der Vorsteuer aus der Anschaffung der veräußerten Gegenstände ausgeschlossen war.
BFH Urteil v. 21.9.2016 — V R 43/15

Sachverhalt:
Die Klägerin, eine Klinik, erwarb mehrere medizinische Geräte und eine Telefonanlage. Einen Vorsteuerabzug aus dem Erwerb machte sie nicht geltend. Später veräußerte die Klägerin im Rahmen eines sale-and-lease-back-Geschäfts die Geräte an eine GmbH und wies in den Rechnungen Umsatzsteuer gesondert aus. Später leaste die Klägerin die medizinischen Geräte und die Telefonanlage von der GmbH zurück. Zwei ältere medizinische Geräte, aus deren Erwerb sie ebenfalls keinen Vorsteuerabzug geltend gemacht hatte, veräußerte die Klägerin zudem ebenfalls mit offenem Umsatzsteuerausweis.

in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr behandelte die Klägerin die Veräußerungen der im Jahr zuvor erworbenen medizinischen Geräte und der beiden Altgeräte sowie der Telefonanlage als steuerpflichtige Umsätze und nahm gleichzeitig eine Vorsteuerberichtigung zu ihren Gunsten gem. § 15a UStG vor, weil sich durch die Veräußerung die umsatzsteuerlichen Verhältnisse geändert hätten.
Sowohl Finanzamt als auch Finanzgericht und BFH folgten der Auffassung der Klägerin größten¬teils nicht.

Bei der Veräußerung der medizinischen Geräte handele es sich um steuerfreie Lie-ferungen i.5. d. § 4 Nr.28 UStG. Damit liegen die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung i. S. d. § 15a UStG nicht vor. Dieses Ergebnis hat zur Folge, dass die bisher durch die Klägerin als steuerpflichtig abgerechneten Lieferungen zu einem unrichtigen Steuerausweis i. 5. d. § 14c Abs.1 UStG führten. Die Klägerin rügte, dass sie bei einer solchen Betrachtungsweise doppelt mit Umsatzsteuer belastet werde, nämlich beim Kauf der Geräte und beim Leasing. Dies versto¬ße gegen das Grundrecht und zudem entspreche die deutsche Fassung der Vorschrift des § 4 Nr.28 UStG nicht dem Unionsrecht.
Der BFH folgt der Auffassung der Klägerin nicht. § 4 Nr.28 UStG verstoße nicht gegen Unions¬recht, sondern setze Art.136 MwStSystRL zutreffend um, wonach die Mitgliedstaaten u. a. die Lieferungen von Gegenständen, die ausschließlich für eine aufgrund dieses Artikels oder des Art.28 Abs. 3 Buchst. b von der Steuer befreite Tätigkeit bestimmt waren, wenn für diese Gegen¬stände kein Vorsteuerabzug vorgenommen werden konnte, von der Steuer befreien.
Hinsichtlich der Telefonanlage läge im Übrigen eine Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 15a Abs.1 UStG vor, weil die Klägerin diese im Zeitpunkt des Erwerbs zur Ausführung sowohl steu¬erfreier als auch steuerpflichtiger Umsätze zu verwenden beabsichtigte, während der Verkauf in vollem Umfang steuerpflichtig war.
Praxistipp:

Gemäß § 4 Nr.28 UStG ist u. a. die Lieferung von Gegenständen von der Umsatzsteuer befreit, die ein Unternehmer ausschließlich für steuerfreie Tätigkeiten 1.5.d, § 4 Nr.8 bis 27 UStG ge¬nutzt hat. Ein Wahlrecht zu Inanspruchnahme der Steuerbefreiung besteht nicht. Häufig gerät die Steuerbefreiung des § 4 Nr.28 in Vergessenheit und birgt sodann die Gefahr eines unrichtigen Steuerausweises.
Das Tatbestandsmerkmal des § 4 Nr. 28 UStG „ausschließlich” wird von der Finanzverwaltung so ausgelegt, dass die Steuerbefreiung auch dann noch in Anspruch genommen werden kann, wenn der Unternehmer die Gegenstände im geringfügigen Umfang (höchstens 5 %) für Tätig¬keiten verwendet hat, die nicht nach § 4 Nr.8 bis 27 UStG befreit sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Unternehmer für diese Gegenstände keinen anteiligen Vorsteuerabzug geltend gemacht hat.

Ende der Berufsausbildung, wenn die Ausbildungszeit durch Rechtsvorschrift festgelegt ist

Eine Berufsausbildung endet nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, sondern erst mit Ablauf der Ausbildungszeit, wenn diese durch Rechtsvorschrift festgelegt ist.

BFH Urteil vom 14.9.2017, III R 19/16

Begründung (BFH):

Die Kindergeldgewährung aufgrund einer Berufsausbildung endet nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses einer Abschlussprüfung, sondern erst mit dem späteren Ablauf der gesetzlich festgelegten Ausbildungszeit. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 14. September 2017 III R 19/16 zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden.
Im Streitfall absolvierte die Tochter des Klägers eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilerziehungspflegerin, die nach der einschlägigen landesrechtlichen Verordnung drei Jahre dauert. Der Ausbildungsvertrag hatte dementsprechend eine Laufzeit vom 1. September 2012 bis zum 31. August 2015. Die Tochter bestand die Abschlussprüfung im Juli 2015; in diesem Monat wurden ihr die Prüfungsnoten mitgeteilt. Die Kindergeldgewährung setzte voraus, dass sich die Tochter in Berufsausbildung befand (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Die Familienkasse ging davon aus, dass eine Berufsausbildung bereits mit Ablauf des Monats endet, in dem das Prüfungsergebnis bekanntgegeben wird, so dass es nicht auf das Ende der durch Rechtsvorschrift festgelegten Ausbildungszeit ankommt.

Die Familienkasse hob daher die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2015 auf und verwies hierzu auf die Rechtsprechung des BFH, der zufolge eine Ausbildung spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet. Der Kläger wandte sich dagegen und erstritt vor dem Finanzgericht das Kindergeld für den Monat August. Die Revision der Familienkasse hatte keinen Erfolg.
Der BFH hat mit dem neuen Urteil seine Rechtsprechung zur Dauer der Berufsausbildung präzisiert. In den bislang entschiedenen Fällen war die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses der späteste in Betracht kommende Zeitpunkt des Ausbildungsverhältnisses. Hiervon unterscheidet sich der Streitfall, weil hier das Ausbildungsende durch eine eigene Rechtsvorschrift geregelt ist. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 der Heilerziehungspflegeverordnung des Landes Baden-Württemberg dauert die Fachschulausbildung zur Heilerziehungspflegerin drei Jahre. Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG), der zufolge eine Berufsausbildung vor Ablauf der Ausbildungszeit mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses endet, war nicht einschlägig, da die Ausbildung an einer dem Landesrecht unterstehenden berufsbildenden Schule absolviert wurde, so dass das BBiG nicht anwendbar war. Damit endete die Berufsausbildung nicht im Juli 2015, sondern erst mit Ablauf des Folgemonats.

Aufwendungen für heterologe künstliche Befruchtung in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft als außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation (IVF) sind als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) auch dann zu berücksichtigen, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.
Da die Aufwendungen dazu dienen, die Fertilitätsstörung der Steuerpflichtigen auszugleichen, sind sie als insgesamt –einschließlich der auf die Bereitstellung und Aufbereitung des Spendersamens entfallenden Kosten– auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden. Eine Aufteilung der Krankheitskosten kommt insoweit nicht in Betracht.

BFH Urteil vom 5.10.2017, VI R 47/15

Begründung:

Aufwendungen einer empfängnisunfähigen Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung führen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Oktober 2017 VI R 47/15 auch dann zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt.
Die Klägerin, die im Streitjahr (2011) in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebte, entschloss sich aufgrund ihrer Unfruchtbarkeit, ihren Kinderwunsch durch eine künstliche Befruchtung mit Samen eines anonymen Spenders zu verwirklichen (heterologe künstliche Befruchtung). Die Behandlung ließ sie in einer dänischen Klinik durchführen. In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin die Kosten dieser Behandlung von rund 8.500 € als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes geltend. Das Finanzamt ließ die Aufwendungen unter Hinweis auf die Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen nicht zum Abzug zu. So sah es im Ergebnis auch das Finanzgericht (FG).

Demgegenüber hob der BFH das Urteil des FG auf und gab der Klage in vollem Umfang statt. Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation führen als Krankheitskosten zu einer außergewöhnlichen Belastung. Dem steht nach dem Urteil des BFH nicht entgegen, dass die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Der BFH begründet seine Entscheidung damit, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang stehen muss. Maßnahmen zur Sterilitätsbehandlung führen daher nur zu einer außergewöhnlichen Belastung, wenn sie in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen werden. Dies bejaht der BFH für den Streitfall, da die Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen mehrerer Bundesländer der bei der Klägerin vorgenommenen Kinderwunschbehandlung nicht entgegenstanden. Der BFH geht zudem von einer Zwangslage zur Umgehung einer vorhandenen Sterilität aus. Diese könne auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht verneint werden. Der BFH sieht die Kosten dabei in vollem Umfang als abziehbar an. Eine Aufteilung komme nicht in Betracht, da die Aufwendungen insgesamt dazu dienten, die Fertilitätsstörung der Klägerin auszugleichen.

Zweifel an der Umsatzsteuerpflicht der förmlichen Zustellungen von Postsendungen

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften (Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln –§ 33 Absatz 1 des Postgesetzes–) eine Post-Universaldienstleistung nach Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 97/67/EG vom 15. Dezember 1997 (Post-Richtlinie)?
Sollte die Frage zu bejahen sein:

Ist ein Unternehmer, der die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchführt, ein “Anbieter von Universaldienstleistungen” im Sinne des Artikels 2 Nummer 13 der Richtlinie 97/67/EG vom 15. Dezember 1997, der die Leistungen des postalischen Universaldienstes ganz oder teilweise erbringt, und sind diese Leistungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem steuerfrei?

BFH Beschluss (EuGH-Vorlage) vom 31.5.2017, V R 8/16

Begründung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht der förmlichen Zustellung von Postsendungen und hat hierzu zwei Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet (BFH-Beschlüsse vom 31. Mai 2017 V R 8/16 und V R 30/15).
§ 4 Nr. 11b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ordnet in seiner heute geltenden Fassung unter Bezugnahme auf das unionsrechtlich harmonisierte Postrecht eine Umsatzsteuerfreiheit sog. Post-Universaldienstleistungen an.

Mit der Vorlage im ersten Fall (V R 8/16) soll geklärt werden, ob es sich bei der förmlichen Zustellung von Schriftstücken nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze über die Verwaltungszustellung nach § 33 Abs. 1 des Postgesetzes um eine Post-Universaldienstleistung handelt und ob diese Leistung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem als unionsrechtlicher Grundlage von § 4 Nr. 11b UStG steuerfrei ist. Die Vorlage im zweiten Fall (V R 30/15) bezieht sich auf eine frühere Gesetzesfassung von § 4 Nr. 11b UStG. Die Finanzverwaltung sieht derartige Leistungen allgemein als umsatzsteuerpflichtig an.
Die Umsatzsteuerfreiheit bezieht sich nach bisheriger Rechtsprechung auf postalische Dienstleistungen, die den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen und die damit den gesamten Universalpostdienst in einem Mitgliedstaat oder einem Teil davon gewährleisten.
Für eine Steuerfreiheit auf dieser Grundlage spricht aus Sicht des BFH, dass förmliche Zustellungen wie im behördlichen Postverkehr der nachprüfbaren Zustellung von amtlichen Schreiben dienen. Sie ermöglichen die nachprüfbare Zustellung von Klage- und Antragsschriften oder die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen, wodurch Rechtsmittelfristen in Lauf gesetzt werden. Förmliche Zustellungen sind unabdingbar für ein geordnetes Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren und tragen damit zu einer verlässlichen und ordnungsgemäßen Rechtspflege bei.
Gleichwohl hat der BFH Zweifel an der zutreffenden Auslegung des Unionsrechts, so dass eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen war.

Insolvenzbedingter Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG.
Von einem Forderungsausfall ist erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus.

BFH Urteil vom 24.10.2017, VIII R 13/15

Begründung:

Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust in der privaten Vermögenssphäre. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 24. Oktober 2017 VIII R 13/15 für den Fall der Insolvenzeröffnung beim Darlehensnehmer zu Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden.

Im Urteilsfall gewährte der Kläger einem Dritten in 2010 ein verzinsliches Darlehen. Seit August 2011 erfolgten keine Rückzahlungen mehr. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete die noch offene Darlehensforderung zur Insolvenztabelle an und machte den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Dem folgten Finanzamt und Finanzgericht (FG) nicht.
Die Revision hiergegen hatte Erfolg. Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Nach seinem Urteil soll mit der Einführung der Abgeltungsteuer seit 2009 eine vollständige steuerrechtliche Erfassung aller Wertveränderungen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht werden. Nach dem Urteil des BFH wird damit die traditionelle Trennung von Vermögens- und Ertragsebene für Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgegeben. In der Folge dieses Paradigmenwechsels führt der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu einem gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Verlust. Insoweit ist nunmehr eine Rückzahlung der Kapitalforderung, die -ohne Berücksichtigung der in § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gesondert erfassten Zinszahlungen- unter dem Nennwert des hingegebenen Darlehens bleibt, dem Verlust bei der Veräußerung der Forderung gleichzustellen.
Wie die Veräußerung ist nach dem Urteil des BFH auch die Rückzahlung ein Tatbestand der Endbesteuerung. Danach liegt ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus. Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird oder aus anderen Gründen feststeht, dass keine Rückzahlung mehr zu erwarten ist. Hierzu hat das FG in einem zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

Inwieweit diese Grundsätze auch für einen Forderungsverzicht oder etwa den Verlust aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft gelten, hatte der BFH nicht zu entscheiden. Auch in diesem Bereich dürfte jedoch die mit der Abgeltungsteuer eingeführte Quellenbesteuerung die traditionelle Beurteilung von Verlusten beeinflussen.