Leistungsbeziehungen bei der Herstellung von Erschließungsanlagen durch einen Unternehmer

Verpflichtet sich ein Unternehmer gegenüber einer Gemeinde und zusätzlich in privatrechtlichen Verträgen auch gegenüber den Grundstückseigentümern gegen Entgelt zur Herstellung von Erschließungsanlagen auf öffentlichen Flächen einer Gemeinde, erbringt der Unternehmer gegenüber der Gemeinde eine entgeltliche Werklieferung. Es liegt keine sonstige Leistung gegenüber den Eigentümern der im Erschließungsgebiet gelegenen Grundstücke vor (entgegen BMF-Schreiben vom 31. Mai 2002, BStBl I 2002, 631, unter II.2.c)        .

Zahlungen der Eigentümer an den Unternehmer im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erschließung sind Drittentgelte i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG .

BFH Urteil vom 22.7.2010, V R 14/09

 

 

Voraussetzungen für den Übergang wirtschaftlichen Eigentums, Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

Voraussetzungen für den Übergang wirtschaftlichen Eigentums, Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften

BFH Urteil vom 20.7.2010, IX R 38/09

Begründung:

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Hat der Veräußerer den veräußerten Anteil innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung unentgeltlich erworben, so gilt Satz 1 entsprechend, wenn der Veräußerer zwar nicht selbst, aber der Rechtsvorgänger innerhalb der letzten fünf Jahre i.S. von Satz 1 beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 4 EStG). Eine Veräußerung i.S. von § 17 EStG wird mit der Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf den Erwerber verwirklicht.

Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO auf einen Erwerber über, wenn der Käufer des Anteils

 

aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (ständige Rechtsprechung, und

 

die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht, sowie  das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer     Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.

 Ein   besitzloses   wirtschaftliches Eigentum setzt weiter voraus, dass der Inhaber des zivilrechtlichen Eigentums bezüglich des Wirtschaftsguts allein den Weisungen des anderen zu folgen verpflichtet ist und dieser jederzeit die Herausgabe (Übertragung des Eigentums an sich) verlangen kann.

 Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen. Eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts kann deshalb auch anzunehmen sein, wenn die vorstehend genannten Voraussetzungen nicht in vollem Umfang erfüllt sind. Demgemäß ist auch bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend.

 

 

Finanzamt kann Insolvenzforderung gegen Umsatzsteuervergütungsanspruch aus vom Verwalter freigegebener unternehmerischer Tätigkeit des Insolvenzschuldners aufrechnen

Hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzschuldner eine gewerbliche Tätigkeit durch Freigabe aus dem Insolvenzbeschlag ermöglicht, fällt ein durch diese Tätigkeit erworbener Umsatzsteuervergütungsanspruch nicht in die Insolvenzmasse und kann vom FA mit vorinsolvenzlichen Steuerschulden verrechnet werden .

BFH Beschluss vom 1.9.2010, VII R 35/08

Erläuterungen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 1. September 2010 VII R 35/08 entschieden, dass das Finanzamt (FA) einen Anspruch eines Insolvenzschuldners auf Vergütung von Umsatzsteuer mit zur Insolvenztabelle angemeldeten Steuerforderungen verrechnen darf, wenn der Insolvenzschuldner den Vergütungsanspruch durch Fortführung seines Unternehmens während des Insolvenzverfahrens erworben und der Insolvenzverwalter diese Tätigkeit aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hatte.

Vom Schuldner während des Insolvenzverfahrens erworbenes Vermögen gehört zwar grundsätzlich zur Insolvenzmasse und dient damit der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger (§ 35 der Insolvenzordnung -InsO-). Jedoch hat der Insolvenzverwalter bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners zu erklären, ob auch hieraus herrührendes Vermögen zur Insolvenzmasse gehören soll und ob Ansprüche aus dieser Tätigkeit im Insolvenzverfahren sollen geltend gemacht werden können. Gibt er dem Schuldner gegenüber die Erklärung ab, dass er die Aktiva und Passiva aus dem Insolvenzbeschlag freigibt, hat dies nach der Entscheidung des BFH zur Folge, dass das FA einen durch die Tätigkeit ggf. begründeten Umsatzsteuervergütungsanspruch gegen Steuerforderungen verrechnen kann, die in der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und unbefriedigt geblieben sind. Denn das Aufrechnungsverbot, das eine Verrechnung gegen Ansprüche, die ein Gläubiger während des Verfahrens zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, verbietet (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO), greife nicht ein; ebenso wenig sei der InsO ein ungeschriebenes allgemeines Verbot zu entnehmen, mit Insolvenzforderungen gegen Ansprüche des Schuldners aufzurechnen, die nicht in die Insolvenzmasse fallen. Die InsO weise also den Insolvenzgläubigern nicht etwa ausschließlich die Insolvenzmasse als Haftungssubstrat zu.

Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem der in Insolvenz geratene Schuldner während des Insolvenzverfahrens eine selbständige Tätigkeit aufgenommen und der Insolvenzverwalter den betreffenden Betrieb aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben hatte. Da der Schuldner Lieferungen und Leistungen erbrachte, für welche nicht er, sondern gemäß § 13b des Umsatzsteuergesetzes die Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldeten, entstanden erhebliche Überhänge an Vorsteuerbeträgen und damit Steuervergütungsansprüche. Gegen diese rechnete das FA mit seinen Forderungen aus vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandener Umsatzsteuer auf, so dass der Anspruch des Klägers erloschen war. Den hierüber erlassenen Abrechnungsbescheid hielt das Finanzgericht für rechtmäßig; dessen Urteil hat der BFH jetzt bestätigt.

Auswärtstätigkeit bei Beschäftigung in weiträumigem Waldgebiet

Ein weiträumiges Arbeitsgebiet ohne jede ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, wie etwa ein ausgedehntes Waldgebiet, ist keine regelmäßige Arbeitsstätte .

BFH Urteil vom 17.6.2010, VI R 20/09

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und (regelmäßiger) Arbeitsstätte Werbungskosten. Arbeitsstätte in diesem Sinne ist jede ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, das heißt fortdauernd und immer wieder aufsucht; dies ist regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers oder ein Zweigbetrieb.

Liegt keine solche Arbeitsstätte vor, auf die sich der Arbeitnehmer typischerweise in der aufgezeigten Weise einstellen kann, ist eine Durchbrechung der Abziehbarkeit beruflich veranlasster Mobilitätskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sachlich nicht gerechtfertigt. Dies ist insbesondere bei Auswärtstätigkeiten der Fall, weil ein auswärts tätiger Arbeitnehmer typischerweise nicht die vorgenannten Möglichkeiten hat, seine Wegekosten gering zu halten.

 

Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die im etwa 400 qkm großen Forstgebiet gelegene Tätigkeitsstätte des Klägers keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Der Kläger übt mit seiner Tätigkeit vielmehr eine Auswärtstätigkeit aus.

 

 

Absenkung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern verfassungsgemäß

Die Absenkung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern in der Berufsausbildung oder einer Übergangszeit oder Wartezeit durch das StÄndG 2007 war ebenso wie die dazu getroffene Übergangsregelung mit dem GG vereinbar .

BFH Urteil vom 17.6.2010, III R 35/09

Erläuterungen:

Der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 17. Juni 2010 III R 35/09 entschieden, dass die Absenkung der Altersgrenze für die Berücksichtigung von Kindern verfassungsgemäß ist.

Für Kinder, die sich in Ausbildung befinden, werden Kindergeld und Freibeträge nur bis zur gesetzlich geregelten Altersgrenze gewährt, die durch das Steueränderungsgesetz 2007 von der Vollendung des 27. auf die Vollendung des 25. Lebensjahres abgesenkt wurde. Die niedrigere Altersgrenze genügt dem verfassungsrechtlichen Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums, da Eltern ihre tatsächlichen Unterhaltsleistungen für ältere Kinder als außergewöhnliche Belastung abziehen können (§ 33a Abs 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG -). Sie enthält nach Ansicht des BFH auch keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung hinsichtlich derjenigen Kinder, die im Vertrauen auf die bisherige Altergrenze eine langwierige Ausbildung begonnen haben.

Wenn Kinder wegen Überschreitung der Altersgrenze nicht mehr berücksichtigt werden, entfallen dadurch auch andere steuerliche Vorteile wie z. B. der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG) und der Freibetrag zur Abgeltung des Sonderbedarfs wegen auswärtiger Unterbringung des Kindes (§ 33a Abs. 2 EStG); Nachteile können sich auch bei der Förderung der Altersvorsorge der Eltern oder bei der Beamtenbesoldung und -beihilfe ergeben. Ob diese Folgen verfassungsgemäß sind, hat der BFH nicht entschieden.

Es ist zu erwarten, dass im Streitfall oder einem der zugleich entschiedenen Parallelfälle Verfassungsbeschwerde eingelegt wird.

Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter ist erfolgsneutral

Die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter durch eine AG (Stock Options) im Rahmen eines Aktienoptionsplans, der mit einer bedingten Kapitalerhöhung verbunden ist, führt im Zeitpunkt der Einräumung der unentgeltlich gewährten Bezugsrechte nicht zu einem gewinnwirksamen Personalaufwand    .

BFH Urteil vom 25.8.2010, I R 103/09

Begründung:

Ein Grundtyp einer anteilsbasierten Vergütung ist die sog. reale Aktienoption, die dem begünstigten Arbeitnehmer das Recht gewährt, zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines bestimmten Zeitraums –und gegebenenfalls, wie im Streitfall, unter bestimmten einschränkenden Bedingungen (hier: einer bestimmten Wertentwicklung der Aktie und darüber hinaus dem Status des ungekündigten Arbeitsverhältnisses)– zu einem vorab bestimmten oder bestimmbaren Preis Anteile am arbeitgebenden Unternehmen zu erwerben; dabei kann das Unternehmen die bei Ausübung der Option zu übertragenden Aktien z.B. im Wege der bedingten Kapitalerhöhung (§ 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG) oder des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG beschaffen.

Die handelsbilanzielle Abbildung eines Aktienoptionsplans, der mit einer bedingten Kapitalerhöhung verbunden ist, ist –soweit es um den Zeitpunkt der der tatsächlichen Kapitalerhöhung vorausgehenden Ausgabe der Optionen geht– umstritten.

Das FG hat auch ohne Rechtsfehler entschieden, dass die Erfassung einer Verbindlichkeitsrückstellung (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) nicht in Betracht kommt. Es ist schon fraglich, ob bei der im Streitfall vereinbarten Planbedingung des zukünftigen Erreichens bestimmter Aktienkursziele überhaupt davon ausgegangen werden kann, dass der Optionsplan eine Vergütung bereits geleisteter Dienste (Arbeitsleistungen) darstellen kann.

Jedenfalls bestand für die bis zur Aufstellung des Aktienoptionsplans von den Arbeitnehmern evtl. erbrachte überobligationsmäßige Arbeitsleistung keine mit einer gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung verbundene tatsächliche Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern. Auch kann nicht mit Blick auf die zukünftige –völlig ungewisse– Arbeitsmehrleistung ein Erfüllungsrückstand aus dem Arbeitsverhältnis .

 

Keine Durchbrechung der Bestandskraft bei fehlerhafter Umsetzung von EU-Richtlinien

Ein Steuerbescheid ist auch bei einem erst nachträglich erkannten Verstoß gegen das Unionsrecht nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regelt die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend. Nach den Vorgaben des Unionsrechts muss das steuerrechtliche Verfahrensrecht auch keine weitergehenden Korrekturmöglichkeiten für Steuerbescheide vorsehen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 23. November 2006 V R 67/05, BFHE 216, 357, BStBl II 2007, 436)      .

BFH Urteil vom 16.9.2010, V R 57/09

Erläuterungen

Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16. September 2010 V R 57/09 sind Betreiber von Glücksspielautomaten nicht berechtigt, die Steuerfreiheit ihrer Umsätze nach der Sechsten Richtlinie zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste EG-Richtlinie) für Zeiträume geltend zu machen, für die bereits bestandskräftige Steuerbescheide ohne Vorbehalt der Nachprüfung vorliegen.

Das Urteil betrifft die früher geltende Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen aus dem Jahr 2006, nach der sich die Betreiber von Glücksspielautomaten gegen die nach nationalem Recht bestehende Steuerpflicht ihrer Leistungen unmittelbar auf eine Steuerfreiheit für Glücksspielumsätze nach der sog. Sechsten EG-Richtlinie berufen konnten, da Deutschland die Sechste EG-Richtlinie fehlerhaft umgesetzt hatte. Die Steuerfreiheit nach der Sechsten EG-Richtlinie ergab sich aus einem erst 2005 ergangenen Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Die betroffenen Unternehmer waren berechtigt, die sich aus diesem Urteil ergebende Steuerfreiheit auch rückwirkend für die Vergangenheit geltend zu machen.

In dem durch den BFH entschiedenen Streitfall ging es um die Frage, ob die sich aus der Sechsten EG-Richtlinie ergebende Steuerfreiheit rückwirkend auch für Besteuerungszeiträume beansprucht werden kann, für die bestandskräftige Steuerbescheide ohne Vorbehalt der Nachprüfung vorliegen.

Der BFH hat dies in seinem jetzt veröffentlichten Urteil –entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung– verneint. Die fehlerhafte Umsetzung der Sechsten EG-Richtlinie im nationalen Recht kann danach nur im Rahmen der allgemeinen Rechtsbehelfs- und Korrekturvorschriften für Steuerbescheide, wie sie nach der Abgabenordnung vorgesehen sind, geltend gemacht werden. Der BFH stützt dies auf die Rechtsprechung des EuGH. Danach kommt es nur darauf an, dass die fehlerhafte Umsetzung des Unionsrechts unter denselben Bedingungen gerügt werden kann, wie eine sich aus dem nationalen Recht ergebende Rechtswidrigkeit. Da für bestandskräftige Steuerbescheide, die nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung stehen, nach nationalem Recht keine Korrekturmöglichkeit zur Behebung bloßer Rechtsfehler besteht, konnte die Klägerin die aus dem EU-Recht folgende Steuerfreiheit aus verfahrensrechtlichen Gründen im Streitfall nicht mehr geltend machen.

 

 

Kein Antragsrecht auf Erstattung von Einfuhrabgaben für denjenigen, der sie wirtschaftlich getragen hat

Der Antrag auf Erstattung oder Erlass der Einfuhrabgaben kann nur von den in Art. 878 Abs. 1 ZKDVO genannten Personen gestellt werden. Zu diesen gehört derjenige, auf den die entrichteten Abgaben vom Zollschuldner wirtschaftlich abgewälzt worden sind, nicht .

Das Recht des Zollschuldners, den Erlass bzw. die Erstattung gesetzlich nicht geschuldeter Einfuhrabgaben zu beantragen, kann nicht einer anderen Person abgetreten werden .

BFH Beschluss vom 3.11.2010, VII R 20/09

Erläuterungen

Wird geltend gemacht, auf eingeführte Waren sei zu Unrecht Zoll erhoben worden, kann innerhalb bestimmter Fristen die Erstattung der entrichteten Abgaben beantragt werden. Mit Beschluss vom 3. November 2010 VII R 20/09 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein solcher Erstattungsantrag nur von bestimmten Personen gestellt werden kann, zu denen derjenige, auf den die entrichteten Abgaben wirtschaftlich abgewälzt worden sind, nicht gehört.

In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte der Inhaber eines Zolllagers dort Waren für die Klägerin gelagert, die Waren im eigenen Namen und für eigene Rechnung entnommen und zur Abfertigung zum freien Verkehr angemeldet. Das Hauptzollamt setzte die auf die Waren entfallenden Einfuhrabgaben (u.a. Antidumpingzoll) gegen den Lagerinhaber fest, der diese entrichtete und an die Klägerin weiterbelastete. Mit der Begründung, der Antidumpingzoll sei vom Hauptzollamt zu Unrecht erhoben worden, beantragte die Klägerin dessen Erstattung und legte eine Erklärung des Lagerinhabers vor, mit der dieser sämtliche sich aus der Warenentnahme aus dem Zolllager ergebenden Rechte und Pflichten an die Klägerin abtrat.

Die gegen die Ablehnung des Erstattungsantrags erhobene Klage wies das Finanzgericht mit der Begründung ab, die Klägerin sei nicht berechtigt, den Erstattungsantrag zu stellen – zu Recht, wie der BFH entschied. Nur der Zollschuldner oder derjenige, der die Abgaben entrichtet habe, könne nach dem einschlägigen Unionsrecht den Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben stellen. Zollschuldner sei jedoch der Lagerinhaber und nicht die Klägerin gewesen, und der Lagerinhaber habe die Abgaben auch entrichtet. Die Klägerin könne dem nicht entgegen halten, dass sie die Abgaben infolge der Weiterbelastung im Ergebnis wirtschaftlich getragen habe. Das Recht des Lagerinhabers, die Erstattung der von ihm entrichteten Einfuhrabgaben zu beantragen, habe auch nicht der Klägerin abgetreten werden können, denn die verfahrensrechtliche Stellung als Erstattungsbeteiligter unterliege nicht der Disposition der Parteien.

Wertermittlung nicht börsennotierter Aktien vor dem Börsengang

Wertermittlung nicht börsennotierter Aktien vor dem Börsengang

Urteil vom 29.7.2010, VI R 53/08

Begründung:

Die vom Arbeitgeber der Klägerin ausgegebenen Aktien der AG gelten als Vermögensbeteiligung i.S. von § 19a Abs. 3 Nr. 1 EStG. Diese sind gemäß § 19a Abs. 8 Satz 1 EStG mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Unterschreitet das von der Klägerin für die neuen Aktien geleistete Entgelt deren gemeinen Wert, ist insoweit ein Vorteil nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gegeben.

Maßgebend ist der gemeine Wert der Aktien im Zeitpunkt des Zuflusses. Zuflusszeitpunkt ist der Tag der Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die Aktien. Das ist regelmäßig der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot des Arbeitnehmers. Liegt der Vorteil darin, dass ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber im Rahmen einer Kapitalerhöhung verbilligt Aktien erhält, gelten die vorgenannten Grundsätze in gleicher Weise. Auch dann fließt der Vorteil erst zu, wenn der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die neuen Aktien erlangt. Das ist nach aktienrechtlichen Grundsätzen frühestens im Zeitpunkt der Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung der Fall. Erst zu diesem Zeitpunkt waren die neuen Mitgliedsrechte kraft Gesetzes entstanden und erst dann wurde die Klägerin kraft Gesetzes Aktionärin der Gesellschaft, ohne dass es dazu noch eines weiteren besonderen Rechtsaktes bedurfte.

Sollten die Feststellungen ergeben, dass die Aktien im Zeitpunkt des Zuflusses noch nicht börsennotiert waren, wird deren gemeiner Wert gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2  2. Alternative BewG in der im Streitjahr (1998) geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen sein.

Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung abziehbar

Krankheitskosten, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung mangelt, können zwangsläufig erwachsen, wenn der Steuerpflichtige an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung leidet, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht .

Dies gilt selbst dann, wenn sich der Steuerpflichtige für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet .

Ihre Grenze findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn die Behandlung von einer Person vorgenommen wird, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen ist .

BFH Urteil vom 2.9.2010, VI R 11/09

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 2. September 2010 VI R 11/09 entschieden, dass Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgezogen werden können.

Die Ehefrau des Klägers wurde wegen einer schweren Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse operiert. Im Anschluss an die Operation unterzog sie sich einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie mit Ukrain. Das Präparat ist weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern als Arzneimittel zugelassen. Zu der alternativen Krebsabwehrtherapie hatte der Hausarzt, ein Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, geraten, da eine konventionelle Chemotherapie wegen des geschwächten Gesundheitszustandes der Patientin und einer Tumorkachexie nicht möglich sei. In ihrer Einkommensteuererklärung machten der Kläger und seine später verstorbene Ehefrau die Behandlungskosten in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG geltend. Das Finanzamt ließ die geltend gemachten Aufwendungen nicht zum Abzug zu und wurde darin zunächst vom Finanzgericht bestätigt.

Auf die Revision des Klägers hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die streitigen Aufwendungen zum Abzug zugelassen. Damit hat er in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung anerkannt, dass auch Kosten für eine objektiv nicht zur Heilung oder Linderung geeignete Behandlung zwangsläufig erwachsen können, wenn eine Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung besteht, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht. Dies gilt nach Auffassung des BFH selbst dann, wenn sich der Erkrankte für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründe in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit nach § 33 EStG, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den "Griff nach jedem Strohhalm" gebiete. Ihre Grenze findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn die Behandlung von einer Person vorgenommen wird, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen ist.