Auflösung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses bei Eintritt in neues Arbeitsverhältnis mit externer Beschäftigungsgesellschaft

Ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird i.S. von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, selbst wenn der Arbeitnehmer mit dessen Aufhebung zugleich in ein neues (befristetes) Arbeitsverhältnis mit einer externen Beschäftigungs-Gesellschaft und Qualifizierungs-Gesellschaft eintritt .

Sind monatliche Zahlungen nach der Betriebsvereinbarung (Sozialplan) unter Berücksichtigung der maßgebenden Auslegungsgrundsätze zum Ausgleich der durch Kurzarbeit entstehenden Nachteile und für die Dauer der Kurzarbeit erbracht, stellen die gezahlten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld keine steuerfreie (ratierliche) Abfindung, sondern steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

BFH Urteil vom 20.7.2010, IX R 23/09

 Begründung:

Die Auflösung des Dienstverhältnisses verlangt dessen endgültige Beendigung. Im Falle des Wechsels des Arbeitgebers wird aber eine rein formale Betrachtung der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG (sozialpolitisch begründeter Ausgleich der Folgen eines Arbeitsplatzverlustes) nicht gerecht. Entscheidend ist vielmehr, wie die Beteiligten nach den Umständen des Einzelfalles die Umsetzung des Arbeitnehmers ausgestaltet haben. Wird das bestehende Dienstverhältnis bei Umsetzung eines Arbeitnehmers innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs zwar mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt, so ist ein die steuerfreie Abfindung rechtfertigender Arbeitsplatzverlust nicht gegeben.

Dagegen wird ein bestehendes Arbeitsverhältnis i.S. von § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, wenn die Arbeitsvertragsparteien –selbst im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang und ohne Umgehung der Rechtsfolgen des § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)– das Arbeitsverhältnis wirksam aufheben, auch wenn Arbeitnehmer zugleich  zur Vermeidung einer Entlassung in ein befristetes Arbeitsverhältnis mit einer (gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches –SGB– III auch betriebsorganisatorisch eigenständigen) externen Beschäftigungsgesellschaft eintreten.

Eine solche vom Arbeitgeber veranlasste Vertragsauflösung des Dienstverhältnisses liegt vor, wenn der Arbeitgeber die entscheidenden Ursachen für die Auflösung gesetzt hat. Das ist anhand der Umstände des Einzelfalls vom FG als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Dabei ist nicht die arbeitsrechtliche Beurteilung der Auflösung maßgeblich, sondern allein der Umstand, wer die Auflösung "betrieben" hat, von wem also die (Initiative zur) Beendigung des Dienstverhältnisses ausgegangen ist.

Abfindungen i.S. des § 3 Nr. 9 EStG sind Leistungen an den Arbeitnehmer, die Nachteile des Arbeitnehmers aus dem Verhalten des bisherigen Arbeitgebers ausgleichen sollen. Die Norm erfasst alle Leistungen zur Abgeltung von Interessen, die durch den Arbeitsplatzverlust infolge Auflösung des Dienstverhältnisses beeinträchtigt sind, soweit die Auflösung vom Arbeitgeber veranlasst oder gerichtlich ausgesprochen wurde. Unter § 3 Nr. 9 EStG fallen nur solche Leistungen, die gerade durch die Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses bedingt sind; der einfache Kausalzusammenhang genügt nicht. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang der Zahlung mit dem aufgelösten Dienstverhältnis.

So hat der BFH in einem Sachverhalt monatliche Zuzahlungen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld nicht als Abfindungen gemäß § 3 Nr. 9 EStG beurteilt, weil diese nicht wegen der Auflösung des Dienstverhältnisses, sondern wegen Kurzarbeit im Rahmen eines zwar bereits gekündigten, aber noch bestehenden Arbeitsverhältnisses gezahlt wurden.

Zwar ist das FG zutreffend von einer endgültigen Beendigung (Auflösung) des Arbeitsverhältnisses der Klägerin mit der K-GmbH ausgegangen. Dieses Arbeitsverhältnis wurde in Umsetzung des Sozialplans zur Vermeidung der mit einer Betriebsschließung verbundenen Entlassungen durch Aufhebungsvertrag vom 8. April 1998 mit Wirkung zum 30. April 1998 einvernehmlich beendet. Der zugleich abgeschlossene befristete Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der E-GmbH stellt sich –entgegen der Ansicht des FA– weder als hinausgezögerte Entlassung noch als bloße Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit der K-GmbH dar. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin –allerdings neben Qualifizierungsmaßnahmen– bei der E-GmbH weitgehend ihre frühere Tätigkeit ausgeübt haben mag und die Vereinbarungen des Sozialplans Gegenstand des befristeten Arbeitsvertrages waren. Auch die Tatsache, dass die von der E-GmbH übernommenen Arbeitnehmer in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit "K-GmbH" innerhalb der E-GmbH und in den angemieteten Räumlichkeiten der K-GmbH weiterbeschäftigt wurden, ist unter Berücksichtigung des sich aus dem Gesetz (§ 175 Abs. 1 SGB III) ergebenden Zwecks einer solchen Regelung unschädlich.

EuGH-Vorlage zur Umsatzbesteuerung bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen

Dem EuGH werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Liegt eine "Übertragung" eines Gesamtvermögens i.S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG vor, wenn ein Unternehmer den Warenbestand und die Geschäftsausstattung seines Einzelhandelsgeschäfts an einen Erwerber übereignet und ihm das in seinem Eigentum stehende Ladenlokal lediglich vermietet ?

Kommt es dabei darauf an, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist ?

BFH Entscheidung vom 14.7.2010, XI R 27/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Beschluss vom 14. Juli 2010 XI R 27/08 dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Fragen zu den Voraussetzungen der nicht der Umsatzsteuer unterliegenden Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgelegt. Die Fragen betreffen Fälle, in denen Warenbestand und Geschäftsausstattung veräußert, die Geschäftsräume aber nur an den Erwerber vermietet werden.

Nach § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

Diese Ausnahmevorschrift hat ihre unionsrechtliche Grundlage in Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 19 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie 2006/112/EG). Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.

Im Streitfall hatte die Klägerin ein Einzelhandelsgeschäft mit Sportartikeln in einem in ihrem Eigentum stehenden Ladenlokal betrieben. Später veräußerte sie den Warenbestand und die Geschäftsausstattung an eine GmbH, der sie das Ladenlokal auf unbestimmte Zeit vermietete. Der Mietvertrag über das Ladenlokal konnte von jeder Partei spätestens am dritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des folgenden Kalendervierteljahres gekündigt werden. Die Klägerin wies in ihrer Rechnung an die GmbH über die Veräußerung des Warenbestands und der Geschäftsausstattung keine Umsatzsteuer aus und unterwarf den Vorgang nicht der Umsatzsteuer, weil sie von einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen ausging. Dagegen setzte das Finanzamt Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest.

Da die Klägerin das Ladenlokal der GmbH nicht ebenfalls veräußert, sondern lediglich vermietet hatte, bestehen nach Auffassung des BFH Zweifel, ob in einem derartigen Fall von einer "Übertragung" eines Gesamtvermögens i. S. von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG ausgegangen werden kann. Diese Frage hat der BFH dem zur Auslegung des Unionsrechts zuständigen EuGH vorgelegt.

Für den Fall, dass im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Vermietung des Ladenlokals zu berücksichtigen ist, hat der BFH dem EuGH die weitere Frage vorgelegt, ob es dabei darauf ankommt, ob das Ladenlokal durch einen auf lange Dauer abgeschlossenen Mietvertrag zur Nutzung überlassen wurde oder ob der Mietvertrag –wie im Streitfall– auf unbestimmte Zeit läuft und von beiden Parteien kurzfristig kündbar ist.

Diese Frage ist ebenfalls unionsrechtlich nicht geklärt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH kann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung auch dann vorliegen, wenn einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind. Voraussetzung ist aber, dass sie dem Unternehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens durch den Übernehmer gewährleistet ist.

 

 

 

Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeug

Nach einer von der Finanzverwaltung getroffenen Vereinfachungsregelung kann der Unternehmer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzbesteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung seines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs von dem ertragsteuerrechtlichen Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ausgehen und von diesem Wert für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten einen pauschalen Abschlag von 20 % vornehmen .

Diese Vereinfachungsregelung ist eine einheitliche Schätzung, die von einem Unternehmer nur insgesamt oder gar nicht in Anspruch genommen werden kann .

Der Unternehmer darf nicht von dem ertragsteuerrechtlichen Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1 %-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ausgehen und sodann den prozentualen Abschlag für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten anhand der tatsächlichen Kosten ermitteln .

BFH Urteil vom 19.5.2010, XI R 32/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 19. Mai 2010 XI R 32/08 entschieden, dass die Umsatzbesteuerung der privaten Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten PKW entweder pauschal in Anlehnung an die ertragsteuerliche sog. 1 %-Regelung oder aber nach den tatsächlichen Kosten durchzuführen ist.

Die nichtunternehmerische Nutzung eines zum Unternehmen gehörenden PKW unterliegt der Umsatzsteuer. Bemessungsgrundlage für die Steuer sind grundsätzlich die anteilig auf die Privatnutzung entfallenden Kosten, soweit sie zum Abzug von Vorsteuern berechtigt haben. Aus Vereinfachungsgründen gestattet es die Finanzverwaltung aber, den zu versteuernden Betrag in Anlehnung an die ertragsteuerlich zulässige 1 %-Methode zu ermitteln. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird monatlich 1 % des Listenpreises des PKW als Entnahme behandelt.

Im Streitfall hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) für die private Kfz-Nutzung ihres Gesellschafters bei der Umsatzsteuer eine unentgeltliche Wertabgabe (früher: Eigenverbrauch) in Höhe von 823,19 € erklärt, die sie wie folgt ermittelt hatte: Ertragsteuerrechtlicher Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1 % Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (hier: Listenpreis in Höhe von 66.410 € x 1 % x 12 Monate = 7.969,20 €) x 64,56 % = 5.144,91 € x 16 % Umsatzsteuer (das war der im Streitjahr 2003 geltende Regelsteuersatz) = 823,19 €. Der dabei angesetzte Prozentsatz von 64,56 folgte aus einer Aufstellung der konkret entstandenen PKW-Kosten nach solchen, die vorsteuerbehaftet waren, und solchen, die dies nicht waren.

Der BFH billigte die Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung, hielt allerdings die Kombination verschiedener Methoden der Ermittlung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage nicht für statthaft. Er entschied, dass ein Unternehmer nicht von dem ertragsteuerrechtlichen Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1 % Regelung ausgehen und sodann den prozentualen Abschlag für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten anhand der tatsächlichen Kosten ermitteln dürfe.

Zimmer im Haus der Eltern als eigene Wohnung

Eigene Wohnung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG kann auch ein Zimmer im Haus der Eltern sein.

Ob die Wohnung den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.

BFH Urteil vom 22.10.2009 – III R 48/09

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Hat ein Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so sind die Wege von einer Wohnung, die nicht der Arbeitsstätte am nächsten liegt, nur zu berücksichtigen, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Arbeitnehmers bildet und nicht nur gelegentlich aufgesucht wird.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist eine Wohnung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG aber grundsätzlich nur eine eigene Wohnung des Steuerpflichtigen. Aufwendungen für Fahrten von einer anderen Stelle zur Arbeitsstätte sind nur in Ausnahmefällen zu berücksichtigen. Das ist der Fall, wenn die eigene Wohnung des Steuerpflichtigen aus objektiven Gründen überhaupt nicht benutzbar ist, so z.B. beim Übernachten in der Wohnung des Freundes, weil die eigene Wohnung renoviert wird, oder wenn die eigene Wohnung speziell zur Erreichung der Arbeitsstätte nicht geeignet ist, so z.B. bei Übernachtung im Hotel, weil die Wohnung vom Arbeitsort zu weit entfernt liegt und der Arbeitnehmer eine Zweitwohnung am Arbeitsort noch nicht gefunden hat. Eigene Wohnung i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG kann auch ein Zimmer im Haus der Eltern sein.

 

Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei Aktienkauf

Notwendige und hinreichende Voraussetzung für die Zurechnung einer Beteiligung i.S. des § 17 EStG ist das wirtschaftliche Eigentum.

Die allgemeinen Regeln, wonach Verträge unter nahen Angehörigen steuerlich nur anzuerkennen sind, wenn sie zivilrechtlich wirksam abgeschlossen sowie vereinbarungsgemäß durchgeführt worden sind und nach Inhalt und Durchführung einem Fremdvergleich standhalten, gelten grundsätzlich auch für die Beurteilung einer Anteilsveräußerung i.S. des § 17 EStG unter nahen Angehörigen.

BFH 06.10.2009 –IX R 4/09 BFHNV 2010 S. 623

Begründung:

Die allgemeinen Regeln, wonach Verträge unter nahen Angehörigen steuerlich nur anzuerkennen sind, wenn sie zivilrechtlich wirksam abgeschlossen sowie vereinbarungsgemäß durchgeführt worden sind und nach Inhalt und Durchführung einem Fremdvergleich standhalten, gelten grundsätzlich auch für die Beurteilung einer Anteilsveräußerung i.S. des § 17 EStG unter nahen Angehörigen; dabei müssen geringfügige Abweichungen der steuerlichen Anerkennung einer Übertragung nicht entgegenstehen. Eine Abweichung, die lediglich darin besteht, dass kein oder ein unüblich niedriger Kaufpreis vereinbart wird, steht der steuerlichen Anerkennung der Übertragung jedenfalls nicht entgegen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass der Geschäftsanteil (ggf. teilweise) unentgeltlich übertragen worden ist

Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften wird der Erwerber –im Streitfall der jeweils zeichnungsberechtigte Mitarbeiter der N-AG-Gruppe– wirtschaftlicher Eigentümer i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, wenn er aufgrund eines zivilrechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.

Zulässigkeit einer Außenprüfung, wenn regelmäßige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen ist

Eine Außenprüfung ist auch dann zulässig, wenn festgestellt werden soll, ob Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind und daher die verlängerte Festsetzungsfrist eingreift.

BFH Beschluss vom 13.01.2010 – X B 113/09 BFHNV 2010 S. 600

Begründung:

Es ist vielmehr in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des BFH davon ausgegangen, dass die Verjährung eines Steueranspruchs das der Finanzbehörde im Rahmen der §§ 193 f. der Abgabenordnung zustehende Ermessen nicht dahingehend einengt, auf eine Außenprüfung zu verzichten und eine Außenprüfung auch dann zulässig ist, wenn festgestellt werden soll, ob Steuern hinterzogen oder leichtfertig verkürzt worden sind und daher eine verlängerte Festsetzungsfrist greift.

Auch in der vom Kläger angesprochenen "Divergenzentscheidung" in BFHE 202, 206, BStBl II 2003, 827 hat der BFH diese Rechtsprechung bestätigt und festgestellt, dass es nicht grundsätzlich ausgeschlossen sei, eine Prüfung für solche Steuern anzuordnen, für die Festsetzungsverjährung eingetreten sei, weil sich die Frage der Verjährung vielfach erst nach der Klärung des Sachverhalts durch eine Außenprüfung zuverlässig beantworten lasse. Anders verhalte es sich nur, wenn der Eintritt der Festsetzungsfrist auf der Hand liege, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Festsetzungsfrist ausnahmsweise noch nicht abgelaufen sein könnte. Maßgeblich müsse sein, ob die Außenprüfung etwas zur Klärung des Verjährungseintritts beitragen könnte. Im Streitfall hat der Eintritt der Festsetzungsverjährung nach Auffassung des FG nicht auf der Hand gelegen. Das Gericht ist vielmehr davon ausgegangen, die Finanzbehörde habe hinreichende Anhaltspunkte für eine leichtfertige Steuerhinterziehung des Klägers vorgetragen. Selbst wenn das FG die Frage eines offensichtlichen Verjährungseintritts unzutreffend beantwortet haben sollte, käme die Zulassung der Revision wegen Divergenz zur Rechtsprechung des BFH nicht in Betracht, weil es in diesem Fall allenfalls die höchstrichterlichen Rechtsprechungsgrundsätze fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hätte.

 

Änderung der Einkommensteuerveranlagung

Ein Steuerpflichtiger handelt regelmäßig dann grob fahrlässig, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte Frage nicht beantwortet. Dies gilt auch, wenn er hinsichtlich der Frage der Abziehbarkeit der zu beurteilenden Aufwendungen einem Rechtsirrtum unterliegt.

BFH 10.12.2009 – X B 199/09 BFHNV 2010 S. 599

Begründung;

Der BFH hat erkannt, dass ein Steuerpflichtiger regelmäßig grob fahrlässig i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 der Abgabenordnung handelt, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet. Auf diesen Rechtssatz hat das FG sein Urteil jedenfalls auch gestützt.

Es hat in dem Urteil festgestellt, dass im Erklärungsformular für 2006 ausdrücklich nach den Pflichtbeiträgen von Nichtarbeitnehmern zur gesetzlichen Rentenversicherung gefragt wird. Diese Frage haben die Kläger nicht beantwortet. Diese Feststellungen des FG werden von den Klägern in ihrer Beschwerdebegründung nicht angegriffen.

Bei einer solchen Sachlage entspricht es der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass sich am Vorliegen eines groben Verschuldens auch dann nichts ändert, wenn die Steuerpflichtigen hinsichtlich der Frage der Abziehbarkeit der zu beurteilenden Aufwendungen einem Rechtsirrtum unterliegen.. Die Kläger waren daher gehalten, die von ihrem Steuerberater vorbereitete Steuererklärung daraufhin zu überprüfen, ob die in dem Steuerformular gestellten und sie betreffenden Fragen vollständig beantwortet waren.

 

 

Schätzung von Buchhaltung

Voraussetzungen für die Schätzung einer Buchhaltung und die Frage der Beweislast.(eigener Leitsatz)

BFH Beschluss vom 13.7.2010, V B 121/09

Begründung

Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Danach löst die –formelle– Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.

Ist diese Vermutung widerlegt, ergibt sich aus der gesetzlichen Einschränkung "soweit", dass die sachlich unrichtigen Teile der Buchführung richtig zu stellen sind. Es sind also nur die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Diese Korrektur darf erst dann durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO), eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist. Folglich besteht ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Steht danach ein bestimmter Sachverhalt fest, bedarf es keiner Schätzung, es sind vielmehr die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen. Ob diese Besteuerungsgrundlagen "unwahrscheinlich" sind oder außerhalb eines Schätzrahmens liegen, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig bedarf es der Überprüfung dieser Besteuerungsgrundlagen durch eine "Vergleichsrechnung".

Es ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass nach der sog. Beweislastgrundregel die Feststellungslast (objektive Beweislast) bei einer nicht mehr behebbaren Ungewissheit über den Sachverhalt  für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen die Finanzbehörde und für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen den Steuerpflichtigen trifft (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2005 XI B 111/04, BFH/NV 2006, 320, m.w.N.). Da es sich bei handschriftlichen Notizen über (höhere) Einnahmen bzw. Umsätze eines Steuerpflichtigen um steuererhöhende Tatsachen handelt, träfe im Falle einer Beweislastentscheidung die Finanzbehörde die Feststellungslast (objektive Beweislast).

m vorliegenden Fall beruht das Urteil des FG nicht auf der Unaufklärbarkeit eines bestimmten Sachverhalts (Beweislosigkeit), sondern auf der nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des FG, dass die Eintragungen in den Kalendern den tatsächlich erzielten Umsätzen aus dem Betrieb der Pizzerien entsprechen.

 

 

Geldwerter Vorteil aus der Veräußerung von Wandeldarlehen

Der Gewinn aus der Veräußerung eines Wandeldarlehens ist ein geldwerter Vorteil, soweit sich die bis dahin latent bestehende Möglichkeit zum verbilligten Aktienerwerb verwirklicht (Anschluss an BFH-Urteil vom 23. Juni 2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770).

Die Zurechnung des geldwerten Vorteils zu einem erst künftigen Dienstverhältnis ist zwar nicht ausgeschlossen, bedarf aber der Feststellung eines eindeutigen Veranlassungszusammenhangs, wenn sich andere Ursachen für die Vorteilsgewährung als Veranlassungsgrund aufdrängen.

BFH Urteil vom 20.5.2010, VI R 12/08

 Begründung:

 Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen.

 Vorteile werden "für" eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt wird und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Auch die Zuwendung durch einen Dritten kann Arbeitslohn sein. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Zuwendung ein Entgelt für eine Leistung des Arbeitnehmers ist, die er im Hinblick auf ein Dienstverhältnis erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Der Arbeitnehmer muss den gewährten Vorteil des Dritten wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber ansehen können.

 Kein Arbeitslohn liegt allerdings u.a. vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Als derartige Sonderrechtsbeziehungen kommen insbesondere entgeltlich auf Zeit übertragene Sachen oder Rechte in Betracht. Dazu gehören neben direkten Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers auch Darlehen der Arbeitnehmer. Der Veräußerungsgewinn einer solchen Kapitalbeteiligung führt jedenfalls nicht allein deswegen zu Arbeitslohn, weil der Beteiligte oder der Darlehnsgeber Arbeitnehmer des Unternehmens war und der Abschluss der Verträge auch nur Arbeitnehmern angeboten worden war.

 Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichtsteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist aufgrund einer in erster Linie der Tatsacheninstanz obliegenden tatsächlichen Würdigung zu entscheiden.

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass erst die Übertragung eines Wandeldarlehens zu einem geldwerten Vorteil führt. Die Einräumung des Wandlungsrechts selbst eröffnet lediglich die Chance zu einem preisgünstigen Vermögenserwerb und führt erst zu einem Zufluss und damit zu einer Einnahme, wenn der Berechtigte die Wandlung vollzieht. Im Zeitpunkt der Darlehensveräußerung realisiert sich die bis dahin latent bestehende Möglichkeit zum verbilligten Aktienerwerb zu einem festgelegten Wandlungspreis. Die Höhe des gewährten Vorteils ergibt sich aus dem vom Darlehenserwerber gezahlten Kaufpreis.

Wirksamkeit einer Klage mit eingescannter Unterschrift

Eine Klage kann mit eingescannter Unterschrift wirksam sein.

BFH Urteil vom 22.06.10   VIII R 38/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 22. Juni 2010 VIII R 38/08 entschieden, dass Klagen mit eingescannter Unterschrift des Bevollmächtigten jedenfalls dann den Schriftformanforderungen des § 64 Abs. 1 FGO entsprechen, wenn sie von dem Bevollmächtigten an einen Dritten mit der tatsächlich ausgeführten Weisung gemailt werden, sie auszudrucken und per Telefax an das Gericht zu senden.

Zwar wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, ob eine nur eingescannte Unterschrift dem Schriftformerfordernis bestimmender Schriftsätze entspricht. Ungeachtet dieses Streits muss aber eine solche Klageschrift ebenso wie eine nicht unterschriebene Klage als wirksam angesehen werden, wenn ihr trotz fehlender oder formal unzureichender Unterschrift nach den objektiven Gesamtumständen aus der maßgeblichen Sicht des Gerichts deren Inhalt sowie der Erklärende und dessen unbedingter Erklärungswille entnommen werden kann. Es reicht auch aus, wenn die Erklärung und ihr Inhalt durch Einschaltung Dritter ersichtlich wird. Denn der ausschließliche Zweck des Schriftlichkeitsgebots ist es, den Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person und ihren unbedingten Willen zur Absendung zuverlässig feststellen zu können.