Unternehmereigenschaft bei unentgeltlicher Überlassung eines Hotel-Appartements an Hotel-Betriebsgesellschaft

Sind die Miteigentümer eines Hotel-Appartements zugleich Gesellschafter einer Hotel-Betriebsgesellschaft in der Rechtsform einer OHG und verzichten sie ab einem bestimmten Zeitpunkt auf unbestimmte Zeit auf ein Entgelt für die Überlassung des Appartements, ist zweifelhaft, ob eine ernsthafte Einnahmeerzielungsabsicht der Gemeinschaft fortbestanden hat oder ob die Unternehmereigenschaft entfallen war.

BFH Urteil vom 20.01.2010  – XI R 13/08 BFHNV 2010 S. 1137

Steuerschuldnerschaft gem. § 13b Abs. 1 und 2 UStG

Steuerschuldnerschaft gem. § 13b Abs. 1 und 2 UStG auch für einen im Ausland ansässigen Leistungsempfänger

BFH Beschluss vom 6.4.2010, XI B 1/09

Begründung:

Die Klägerin ist ein schwedischer Reiseveranstalter. Die von ihr erbrachten Reiseleistungen enthalten eine Bündelung von Reisevorleistungen anderer Unternehmen sowie von Eigenleistungen. Diese erbringt sie an Privatkunden und Reisebüros in Schweden. Zu den Reisevorleistungen zählen u.a. auch die Beförderungsleistungen schwedischer Busunternehmen im In- und Ausland, darunter in Deutschland. Bei gemäß § 18 Abs. 11 des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) durchgeführten Kontrollen des Zolls hatten die Busfahrer die Klägerin als Beförderer angegeben.

Streitig ist, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) die in Schweden ansässige Klägerin zu Recht als Leistungsempfängerin gemäß § 13b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 UStG für die Umsatzsteuer auf diejenigen Beförderungsleistungen in Anspruch genommen hat, die ihr von den schwedischen Busunternehmern mit im Inland nicht zugelassenen Bussen in Deutschland erbracht worden sind.

Die Klägerin machte vor dem Finanzgericht (FG) geltend, § 13b Abs. 1 und 2 UStG seien nicht anzuwenden, wenn der Leistungsempfänger im Ausland ansässig und auch nicht im Inland registriert sei. Das ergebe sich zudem aus der Richtlinie. Das FG wies die Klage ab.

Aus dem Wortlaut des § 13b Abs. 1 und 2 UStG ergibt sich nichts dafür, dass –wie die Klägerin vorträgt– die Vorschrift nur auf solche Leistungsempfänger anzuwenden sei, die im Inland ansässig oder registriert sind oder für die eine Registrierung zumindest zumutbar sei. Nach § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG i.V.m. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG schuldet der Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die Steuer u.a. für steuerpflichtige Umsätze aus Werklieferungen und sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers. Danach macht es keinen Unterschied, ob der Leistungsempfänger im In- oder Ausland ansässig ist.

Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht entspricht die Regelung auch der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Denn nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten, wenn die steuerpflichtige Dienstleistung von einem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen erbracht wird, gemäß den von ihnen festgelegten Bedingungen vorsehen, dass der Empfänger der steuerpflichtigen Dienstleistung die Steuer schuldet. Auch diese Regelung, die es den Mitgliedstaaten freistellt, ob sie einen entsprechenden Übergang der Steuerschuldnerschaft in ihrem nationalen Recht vorsehen, unterscheidet nicht zwischen Leistungsempfängern im In- oder Ausland.

Versagung des Vorsteuerabzugs im Umsatzsteuerkarussell

Der Vorsteuerabzug ist zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

BFH Urteil vom 19.5.2010, XI R 78/07

Begründung:

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.

Im Streitfall verfügt die Klägerin nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG über den formalen Anforderungen des § 14 UStG genügende Rechnungen ihrer Lieferanten über die Lieferungen von CPUs. Die Lieferanten waren auch Unternehmer. Ferner sind die in den Rechnungen ausgewiesenen CPUs an die Klägerin tatsächlich geliefert und von dieser nach Veräußerung weitergeliefert worden.

Der Annahme von Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG an die Klägerin steht nicht entgegen, dass der Geschäftsführer ihrer Hauptlieferantin wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der Lieferung bei einem mit einem Mehrwertsteuerbetrug behafteten Umsatz nicht erfüllt (vgl. Urteil vom 21. Februar 2006 Rs. C-255/02 –Halifax–, Slg. 2006, I-1609, Randnr. 59). Es ist aber zu berücksichtigen, dass jeder Umsatz in einer Lieferkette für sich zu betrachten ist; Umsätze, die nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet sind, sind eine wirtschaftliche Tätigkeit eines Steuerpflichtigen und stellen Lieferungen dar (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-483, Randnrn. 47, 49 und 51). Die Lieferanten der Klägerin haben nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ihre Lieferungen in ihren Steuererklärungen angemeldet und die Umsatzsteuer abgeführt, sodass diese Umsätze nach zutreffender Auffassung der Vorinstanz nicht selbst mit einem Mehrwertsteuerbetrug behaftet und Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG sind.

Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen in Slg. 2006, I-483 und in Slg. 2006, I-6161 ist nach dem BFH-Urteil vom 19. April 2007 V R 48/04 (BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315) der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder wissen konnte bzw. hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war.

Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin hinsichtlich der Kenntnis oder des "Kennenmüssens" der objektiven Umstände, wonach sie an einem Umsatzsteuerkarussell beteiligt war, nicht nur das etwaige Wissen ihres Geschäftsführers als ihres gesetzlichen Vertreters nach § 35 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sondern auch das ihrer sonstigen Angestellten in analoger Anwendung von § 166 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zuzurechnen ist. Dies beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der sich zur Erfüllung seiner Verpflichtungen eines anderen bedient, nicht besser stehen darf als derjenige, der diese Verpflichtungen selbst erfüllt. Daher ist für die entsprechende Anwendung von § 166 BGB das Bestehen eines Vertretungsverhältnisses nicht maßgeblich.

Eine Wissenszurechnung kommt jedoch nach wertender Beurteilung nur für die Kenntnisse in Betracht, welche die Mitarbeiter infolge der vorgesehenen Arbeitsteilung und Organisation des Betriebs im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit erlangt haben oder hätten erlangen müssen.

Zuflusszeitpunkt bei Gutschrift von Beteiligungskapital

Wird Arbeitnehmern auf Beteiligungskonten Beteiligungskapital gutgeschrieben, ist Zufluss von Arbeitslohn bereits im Zeitpunkt der Gutschrift anzunehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Arbeitnehmer langfristig in der Verwendung der gutgeschriebenen Beträge beschränkt sind.

BFH Urteil vom 11.02.2010 – VI R 47/08 BFH NV 2010 S. 1094 ff.

Begründung:

Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht nicht streitig, dass die gutgeschriebenen Beträge einen geldwerten, der Entlohnung dienenden Vorteil darstellen.

Arbeitslohn, der –wie im Streitfall– nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) führt das Innehaben von Ansprüchen oder Rechten den Zufluss von Einnahmen regelmäßig noch nicht herbei. Der Anspruch auf die Leistung begründet noch keinen gegenwärtigen Zufluss von Arbeitslohn. Der Zufluss ist grundsätzlich erst mit der Erfüllung des Anspruchs gegeben. Ein Vorteil ist dem Arbeitnehmer erst dann zugeflossen, wenn der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt. So ist mit der Zusage des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer künftig Leistungen zu erbringen, der Zufluss eines geldwerten Vorteils erst in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das wirtschaftliche Eigentum an dem versprochenen Vorteil verschafft.

Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Jedoch kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldbuchverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verfügung steht. Allerdings muss der Gläubiger in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im Übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen. Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist bei den Arbeitnehmern ein Zufluss des jeweils gutgeschriebenen Beteiligungskapitals i.S. von § 11 Abs. 1 EStG im Zeitpunkt der Gutschrift zu bejahen.

Die Arbeitnehmer haben in der "Vereinbarung über eine stille Mitarbeiterbeteiligung" der Gutschrift auf den Beteiligungskonten zugestimmt. In der Überlassung der fälligen und verdienten Beträge liegt wirtschaftlich eine Vorausverfügung, die nicht anders behandelt werden kann als die Auszahlung und die Wiedereinzahlung auf die Beteiligungskonten. Zwar sind die Arbeitnehmer im Streitfall langfristig in der Verwendung der gutgeschriebenen Beträge beschränkt. Dies steht jedoch dem Zufluss nicht entgegen. Denn auch im vergleichbaren Fall des Erwerbs von Aktien zum verbilligten Kurs steht dem Zufluss nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer aufgrund einer Sperr- bzw. Haltefrist die Aktien für eine bestimmte Zeit nicht veräußern kann.

 

Ausgleichszahlung bei Ehescheidung

Die Ausgleichszahlung an den Ehegatten im Rahmen des Versorgungsausgleichs bei Ehescheidung durch Beamte sind Werbungskosten.

BFH Urteil vom 17.6.2010, VI R 33/08

Begründung;

Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG), auch wenn die mit dem Aufwand zusammenhängenden Einnahmen noch nicht erzielt werden. Voraussetzung für die Berücksichtigung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, der sich nach der wertenden Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments richtet.

Nach diesen Maßstäben ist die Ausgleichszahlung des Klägers an seine Ehefrau als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Der Kläger wandte sie auf, um nach seiner Zurruhesetzung weiterhin in den Genuss ungekürzter (beamtenrechtlicher) Versorgungsbezüge zu gelangen.

Damit steht die Ausgleichszahlung ersichtlich in wirtschaftlichem Zusammenhang mit künftigen Einnahmen des Klägers und ist sofort als (vorab entstandene) Werbungskosten abzuziehen. Die Zahlung ist nach § 11 Abs. 2 EStG bereits im Jahr ihrer Zahlung (hier dem Streitjahr) in voller Höhe als Erwerbsaufwand zu berücksichtigen. Das unterscheidet diese Aufwendung von Zahlungen zur Begründung einer Rentenanwartschaft, die als Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches jedenfalls nicht schon bei Zahlung steuerrechtlich zu berücksichtigen sind.

VGA durch Veräußerung eigener Anteile zum Buchwert an Gesellschafter

Es ist geklärt, dass eine vGA durch Veräußerung eigener Anteile auch dann gegeben sein kann, wenn die GmbH die eigenen Anteile proportional im Verhältnis der jeweiligen Beteiligung zu den Buchwerten an die bisherigen Gesellschafter veräußert.

Eine Steuerfolge ist auch dann zu beachten, wenn die betreffende Maßnahme mit einem vergleichbaren wirtschaftlichen Ergebnis zivilrechtlich anders hätte gestaltet werden können, ohne dass die Steuerfolge eingetreten wäre. Für einen Grundsatz der “Umkehrung des Missbrauchs” in Anlehnung an § 42 AO fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

BFH Beschluss vom 03.03.2010 – I B 102/09 BFHNV 2010 S. 1131f.

“Sphärentheorie”: Vorsteuerabzug eines Unternehmers aus der Begebung von Inhaberschuldverschreibung

Dient eine vom Unternehmer begebene Inhaberschuldverschreibung dazu, seine umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit zu finanzieren, ist der Unternehmer aus den bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibung entstehenden Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt.

BFH Urteil vom 6.5.2010, V R 29/09

Begründung:

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Soweit der Steuerpflichtige (Unternehmer) Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, ist er nach dieser Bestimmung befugt, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.

Für den Vorsteuerabzug kommt es zunächst darauf an, ob der erforderliche Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsumsätzen des Unternehmers (Steuerpflichtigen) vorliegt und ob diese Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigen. Besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, ist der Unternehmer (Steuerpflichtige) gleichwohl zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und –als solche– Bestandteile des Preises der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. EuGH-Urteile Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnrn. 23 und 31; vom 26. Mai 2005 C-465/03, Kretztechnik, Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 36, und Investrand in Slg. 2007, I-1315 Rdnr. 24). Voraussetzung ist hierfür allerdings, dass diese Gesamttätigkeit zu zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen führt.

Schuldverschreibungen sind Wertpapiere i.S. von § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG. Zwar definiert das UStG den Begriff des Wertpapiers nicht. § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG beruht jedoch auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend dieser Bestimmung sind neben Aktien insbesondere auch Schuldverschreibungen als Wertpapiere anzusehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zwischen der erstmaligen Begebung von Wertpapieren und der Übertragung bereits bestehender Wertpapiere (nach ihrer Begebung) zu unterscheiden. Während es sich z.B. bei der Aktienveräußerung durch einen Unternehmer um einen nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Umsatz handeln kann (EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 C-29/08, SKF, BFH/NV 2009, 2099, Leitsatz 2 zu Art. 135 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 347, 1), will eine Gesellschaft, die neue Aktien ausgibt (begibt), ihr Vermögen durch die Beschaffung zusätzlichen Kapitals vergrößern, wobei sie den neuen Anteilseignern ein Eigentumsrecht an einem Teil des auf diese Weise erhöhten Kapitals einräumt. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus besteht das Ziel im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stellt die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage (EuGH-Urteil Kretztechnik in Slg. 2005, I-4357 Rdnr. 26).

Da im Hinblick auf die Wertpapiereigenschaft nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht zwischen Schuldverschreibungen und Aktien zu differenzieren ist, kommt der originären Begebung von Schuldverschreibungen ebenso wenig Leistungscharakter zu wie der erstmaligen Ausgabe von Aktien. War die Tätigkeit der Klägerin bei der Ausgabe der Schuldverschreibungen somit bereits nicht steuerbar, stellt sich die Frage einer Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 8 UStG nicht.

Dass die Klägerin die von ihr für die Begebung der Schuldverschreibungen bezogenen Leistungen nicht unmittelbar für eine steuerbare Ausgangsleistung verwendet hat, steht dem Vorsteuerabzug der Klägerin nicht entgegen, da sie das durch die Schuldverschreibungen erhaltene Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Umsatztätigkeit zu verwenden beabsichtigte. Die Klägerin ist nicht bereits aufgrund ihrer Unternehmerstellung zum Vorsteuerabzug, sondern nur im Umfang ihrer besteuerten Umsätze zum Vorsteuerabzug berechtigt. Gibt der Unternehmer (Steuerpflichtige) aber nichtsteuerbare Aktien –oder wie im Streitfall Schuldverschreibungen– aus, um sein Kapital zugunsten seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Allgemeinen zu stärken, sind die Kosten der Dienstleistungen, die er hierfür bezieht, Teil seiner allgemeinen Kosten und gehören damit zu den Preiselementen seiner Produkte. Die bezogenen Dienstleistungen hängen dann direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Steuerfreiheit gemäß § 3b EStG trotz Vereinbarung eines durchschnittlichen Auszahlungsbetrags pro Stunde

Die Vereinbarung eines durchschnittlichen Auszahlungsbetrags pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde steht der Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht entgegen.

Der laufende Arbeitslohn (§ 3b Abs. 2 Satz 1 EStG) kann der Höhe nach schwanken.

§ 3b EStG subventioniert Arbeitnehmer und Arbeitgeber in gleicher Weise.

BFH Urteil vom 17.6.2010, VI R 50/09

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17. Juni 2010 VI R 50/09 entschieden, dass Zuschläge für geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit auch dann steuerfrei bleiben, wenn sie in einen zur Glättung von Lohnschwankungen durchschnittlich gezahlten Stundenlohn einkalkuliert werden.

Unter den Voraussetzungen des § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist u. a., dass die Zuschläge nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sind.

Im Streitfall beschäftigte die im Gastronomiebereich tätige Klägerin Arbeitnehmer in wechselnden Schichten rund um die Uhr. Sie vereinbarte mit ihren Arbeitnehmern neben einem sog. Basisgrundlohn einen gleichbleibenden Arbeitslohn pro tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde. Für den Fall, dass auf der Grundlage dieses Basisgrundlohns und unter Berücksichtigung der den Arbeitnehmern zustehenden Zuschläge im Sinne des § 3b EStG der vereinbarte Auszahlungsbetrag pro Stunde nicht erreicht wurde, gewährte sie eine sog. Grundlohnergänzung. Zur Berechnung bediente sie sich einer speziellen Abrechungssoftware. Ziel der Vergütungsvereinbarung war der Ausgleich von Lohnschwankungen, die sich sonst aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeitplanung ergeben hätten.

Das Finanzamt war von einer Steuerpflicht der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ausgegangen und hatte die Klägerin in Haftung genommen. Der BFH gab jedoch der Klägerin recht. Nach seiner Auffassung hat die Vereinbarung eines durchschnittlichen Effektivlohns zwar zur Folge, dass sich ein immer gleichbleibender Auszahlungsbetrag pro Stunde ergibt. Das bedeute jedoch nicht, dass die Zuschläge ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Arbeitsstunden berechnet würden. Die vom Gesetz verlangte Trennung von Grundlohn und Zuschlägen werde nicht deshalb aufgehoben, weil der Grundlohnergänzungsbetrag variabel gestaltet sei. Es handele sich bei dem Vergütungssystem um eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten. Der BFH wies auch daraufhin, dass § 3b EStG eine Subventionsnorm sei, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber in gleicher Weise begünstige.

Pflichtversicherung im Rahmen der Grenzbetragsprüfung bei gesetzlicher Rentenversicherung des Kindes

Beiträge des Kindes zur tarifvertraglich vorgesehenen VBL-Pflichtversicherung sind bei der Grenzbetragsprüfung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht von dessen Einkünften und/oder Bezügen abzuziehen, wenn das Kind gesetzlich rentenversichert ist .

BFH Urteil vom 17.6.2010, III R 59/09

Begründung:

Nach Auffassung des BVerfG verstößt jedoch die Berücksichtigung der –einkommensteuerrechtlich den Sonderausgaben zuzurechnenden– Sozialversicherungsbeiträge als Einkünfte des Kindes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), weil Eltern mit sozialversicherungspflichtigen Kindern, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nur wegen der als Einkünfte behandelten Sozialversicherungsbeiträge überschritten, gegenüber Eltern mit nicht sozialversicherungspflichtigen Kindern benachteiligt seien, deren Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überstiegen. Daher seien im Wege verfassungskonformer Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG Einkünfte –ebenso wie die Bezüge– nur zu berücksichtigen, soweit sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien.

Entsprechend diesen Grundsätzen hat der Senat durch Urteil vom 26. September 2007 III R 4/07 (BFHE 219, 112, BStBl II 2008, 738) entschieden, dass die Beiträge eines gesetzlich rentenversicherten Kindes zu privaten Rentenversicherungen bei der Ermittlung der kindergeldschädlichen Einkünfte und Bezüge nicht von den Einkünften abzuziehen seien. Bei den Beiträgen zu privaten Rentenversicherungen eines gesetzlich rentenversicherten Kindes handele es sich nicht um unvermeidbare Aufwendungen, weil sie nicht der aktuellen Existenzsicherung des Kindes, sondern einer über das staatliche Mindestmaß hinausgehenden Versorgung für künftige Zeiten dienen.

Die Beiträge zur VBL-Pflichtversicherung mindern die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ebenfalls nicht, wenn das Kind –wie im Streitfall– in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert ist. Die Einbeziehung der VBL-Pflichtversicherungsbeiträge in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Abziehbarkeit von Nachzahlungszinsen – Steuerpflicht von Erstattungszinsen

Zinsen i.S. von § 233a AO, die der Steuerpflichtige an das Finanzamt zahlt (Nachzahlungszinsen), gehören zu den nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbaren Ausgaben .

Zinsen i.S. von § 233a AO, die das Finanzamt an den Steuerpflichtigen zahlt (Erstattungszinsen), unterliegen beim Empfänger nicht der Besteuerung, soweit sie auf Steuern entfallen, die gemäß § 12 Nr. 3 EStG nicht abziehbar sind (Änderung der Rechtsprechung).

BFH Urteil vom 15.6.2010, VIII R 33/07

Erläuterung

Gesetzliche Zinsen, die das Finanzamt (FA) aufgrund von Einkommensteuererstattungen an den Steuerpflichtigen zahlt (sog. Erstattungszinsen) unterliegen nicht der Einkommensteuer. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung teilweise geändert.

Bis 1999 konnten Nachzahlungszinsen, die der Steuerpflichtige an das Finanzamt zu zahlen hatte, als Sonderausgaben abgezogen werden. Nachdem diese Regelung ersatzlos entfallen war, mussten die Erstattungszinsen nach wie vor versteuert werden, während die Nachzahlungszinsen nicht mehr abgezogen werden durften. Das war bei vielen Steuerpflichtigen auf Unverständnis gestoßen. Nach der Änderung der Rechtsprechung sind nun gesetzliche Zinsen, die im Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen und FA für Einkommensteuernachzahlungen oder erstattungen entstehen, insgesamt steuerrechtlich unbeachtlich.

Im Streitfall machte ein Steuerpflichtiger, der aufgrund desselben Einkommensteuerbescheids nicht abziehbare Nachzahlungszinsen an das FA zu leisten und zugleich vom FA bezogene Erstattungszinsen als Einahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern hatte, in erster Linie geltend, das in § 12 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelte Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen sei verfassungswidrig.

Der BFH hat dieses gesetzliche Abzugsverbot als verfassungsgemäß bestätigt, aber die Beurteilung von Erstattungszinsen teilweise geändert. Erstattungszinsen wurden bisher in jedem Fall als steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen angesehen. Der Steuerpflichtige überlasse dem Finanzamt mit der letztlich nicht geschuldeten (und deshalb später zu erstattenden) Steuerzahlung Kapital zur Nutzung und erhalte dafür als Gegenleistung vom Finanzamt die Erstattungszinsen. An dieser Rechtsprechung hält der BFH im Grundsatz zwar fest. Das gilt jedoch nicht, wenn die Steuer wie hier die Einkommensteuer und darauf entfallende Nachzahlungszinsen gemäß § 12 Nr. 3 EStG vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind mit der Folge, dass die Steuererstattung beim Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen führt. Diese gesetzliche Wertung strahlt auf die damit zusammenhängenden Zinsen in der Weise aus, dass Erstattungszinsen ebenfalls nicht steuerbar sind.