Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens bei unberechtigtem Steuerausweis

Die für eine Berichtigung des unberechtigten Steuerausweises erforderliche Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens kommt in Betracht, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist.

Die Gefährdung des Steueraufkommens kann auch dann beseitigt sein, wenn der Rechnungsempfänger wegen einer Umsatzsteuersonderprüfung an der Durchführung des begehrten Vorsteuerabzugs tatsächlich gehindert war.

BFH Beschluss vom 03.11.2016 – V B 81/16 BFHNV 2017 S. 330
Begründung:

Danach ist die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Gefährdung des Steueraufkommens i.S. von § 14c Abs. 2 Satz 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) beseitigt ist, wenn ein Vorsteuerabzug schon deshalb nicht vorgenommen wurde, weil der Rechnungsempfänger wegen der Durchführung einer –ergebnisoffenen– Umsatzsteuersonderprüfung an der Geltendmachung des begehrten Vorsteuerabzugs faktisch gehindert war, nicht klärungsbedürftig.

Denn die Antwort auf diese Rechtsfrage lässt sich schon § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG entnehmen, wonach die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Da diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach lediglich darauf abstellt, ob ein Vorsteuerabzug im Ergebnis nicht durchgeführt wurde, ist sie unabhängig davon anwendbar, weshalb der Vorsteuerabzug letztlich nicht geltend gemacht werden konnte. Dies bedeutet entgegen der Auffassung des Klägers, dass sie auch eingreift, wenn der Rechnungsempfänger im Einzelfall –wie hier– wegen einer –ergebnisoffenen– Umsatzsteuersonderprüfung an der Durchführung des begehrten Vorsteuerabzugs tatsächlich gehindert war.

Der Kläger hat auch keine Anhaltspunkte vorgetragen, die eine erneute Prüfung und Entscheidung des BFH erforderlich machen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass durch das von ihm angegriffene Urteil des Finanzgerichts (FG) nun eine “Gefährdung” i.S. von § 14c UStG in allen Fällen ausgeschlossen wäre, in denen an “irgendeiner Stelle des für den Rechnungsempfänger zuständigen Finanzamtes Zweifel an dessen Berechtigung des Vorsteuerabzuges aufgekommen sind”. Denn das FG hat im Streitfall ersichtlich lediglich eine Einzelfallentscheidung getroffen, bei der die Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG vorlagen.

Mit der behaupteten Divergenzentscheidung hat der BFH entschieden, dass eine Gefährdung des Steueraufkommens nicht i.S. von § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG beseitigt ist, wenn die zuständige Steuerfahndungsstelle Zweifel daran hat, ob in Rechnung gestellte Leistungen tatsächlich ausgeführt worden sind.

Bedeutung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer für Umsatzsteuerfreiheit

Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist keine materiellrechtliche Voraussetzung der innergemeinschaftlichen Lieferung, sie erlangt aber Bedeutung für die Steuerfreiheit aufgrund des Beleg- und Buchnachweises sowie für die Steuerfreiheit aufgrund Vertrauensschutzes.

Soweit die Steuerfreiheit aufgrund Vertrauensschutzes u.a. voraussetzt, dass der Unternehmer den gesetzlichen Nachweispflichten ihrer Art nach nachgekommen ist, kommt es auf die formelle Vollständigkeit, nicht aber auf die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben an. Diese Verpflichtung erfüllt der Unternehmer u.a. durch Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers.

BFH Beschluss vom 02.11.2016 – V B 72/16 BFHNV 2017 S. 328

Begründung:

Das BZSt bestätigt auf Anfrage dem Unternehmer i.S. des § 2 UStG die Gültigkeit einer USt-Id-Nr. sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die USt-Id-Nr. von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde.

Die USt-Id-Nr. (§ 27a UStG) bzw. die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer (Art. 214 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG) sind zwar keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung, sie erlangen aber Bedeutung für die Steuerfreiheit aufgrund des Beleg- und Buchnachweises (§ 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung –UStDV–) sowie für die Steuerfreiheit aufgrund Vertrauensschutzes (§ 6a Abs. 4 UStG).

Die USt-Id-Nr. des Abnehmers (§ 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV) ist Teil des vom Unternehmer zu führenden Buchnachweises. Aufzuzeichnen ist die richtige USt-Id-Nr. des wirklichen Abnehmers; diese muss im Zeitpunkt der Lieferung noch gültig sein. Im Streitfall hat die Klägerin zwar die bei Lieferung noch gültige USt-Id-Nr. des MP aufgezeichnet. Da es sich aber bei dieser Firma –was unstrittig ist– um keinen Unternehmer handelt, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann daher insoweit nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

Die Steuerfreiheit aufgrund Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG setzt u.a. voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist. Maßgeblich hierfür ist die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt. Dafür genügt die Aufzeichnung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-Id-Nr. des Abnehmers, sodass die –im Streitfall erfolgte– rückwirkende Löschung dieser USt-Id-Nr. nach Ausführung der Lieferung nicht zulasten des gutgläubigen Lieferers berücksichtigt werden kann. Denn es widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Verkäufer allein deshalb zur Mehrwertsteuer heranzuziehen, weil die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer des Erwerbers rückwirkend aus dem Register gelöscht wurde.

Selbst wenn ganz erhebliche und auf den ersten Blick erkennbare Unterschiede hinsichtlich der Unterschrift auf den Abholbelegen für drei PKW und dem Reisepass vorhanden sind und diese Abweichungen allein oder zusammen mit den verschiedenen Angaben der Klägerin über den Abholvorgang für die vier am 31. August 2010 verkauften PKW geeignet wären, Zweifel hinsichtlich der Person des tatsächlichen Abnehmers und der unternehmerischen Verwendung der verkauften PKW im übrigen Gemeinschaftsgebiet zu begründen, sind keinerlei Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass die Klägerin bereits bei dem davor liegenden Verkauf vom 18. August 2010 und dem danach erfolgten Verkauf vom 23. Oktober 2010 die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht beachtet hätte. Die bloße Vermutung, dass die Geschehnisse am 31. August 2010 zwischen der Klägerin und MP “möglicherweise” bereits am 18. August 2010 abgesprochen worden seien, ist jedenfalls nicht ausreichend, um einem Steuerpflichtigen den aufgrund der seinerzeit gültigen USt-Id-Nr. bestehenden Vertrauensschutz auch für solche Lieferungen zu versagen, in denen zu besonderer Sorgfalt veranlassende Umstände weder festgestellt noch offensichtlich sind.

Zur Versagung des Vorsteuerabzugs aus Gutschriften, weil in der Gutschrift nicht der leistende Unternehmer genannt wird

Auch ein “Strohmann” kann leistender Unternehmer sein, sofern er aus dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis berechtigt und verpflichtet wird.

Unbeachtlich ist dagegen das nur zum Schein abgeschlossene, vorgeschobene Strohmanngeschäft.

BFH Urteil vom 20.10.2016 – V R 36/14 BFHNV 2017 S. 327

Begründung:

Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Kläger das Recht auf Vorsteuerabzug aus den Gutschriften an B nicht ausüben durfte, weil die abgerechneten Lieferungen nicht von B ausgeführt wurden.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Eine solche Rechnung muss nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UStG unter anderem den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

Als Rechnung gilt nach § 14 Abs. 5 Satz 1 UStG auch eine Gutschrift. Dafür muss sie nach § 14 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 UStG die in § 14 Abs. 1 Satz 2 UStG vorgeschriebenen Angaben enthalten.

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis. Daher kann auch ein “Strohmann” leistender Unternehmer sein, sofern er aus den diesem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Vereinbarungen zivilrechtlich berechtigt und verpflichtet ist.

Unbeachtlich ist das “vorgeschobene” Strohmanngeschäft nach § 41 Abs. 2 AO aber, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d.h. wenn die Vertragsparteien –der “Strohmann” und der Leistungsempfänger– einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem “Hintermann” eintreten sollen. Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will.

Der Kläger hat in diesem Zusammenhang substantiiert vorgetragen, er habe sich vor Beginn der Geschäftsbeziehung zu B dessen Eigenschaft als Unternehmer und seine Berechtigung, Umsatzsteuer gesondert auszuweisen, durch ein Schreiben des für B zuständigen Finanzamts nachweisen lassen. Zudem sei B bei allen Lieferungen persönlich in den Geschäftsräumen des Klägers anwesend gewesen, habe sich durch Vorlage des Wiegescheins als Anlieferer zu erkennen gegeben und habe die abgerechneten Zahlungen persönlich entgegengenommen und quittiert. Trifft das zu, spricht das dafür, dass nach der Vorstellung des Klägers die Rechtswirkungen der Geschäfte zwischen ihm und B eintreten sollten. Der vom FG hervorgehobene Umstand, dass B keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben habe, ist demgegenüber für die Annahme, es hätten keine Rechtsbeziehungen zu B begründet werden sollen, zumindest dann nicht ausreichend, wenn dieser Umstand –wie hier– für den Kläger nicht erkennbar war.

Bestimmung von Leistungsinhalt und Person des Leistungsempfängers

Der Leistungsinhalt und die Person des Leistungsempfängers sind grundsätzlich nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu bestimmen.

BFH Urteil vom 20.10.2016 – V R 33/14 BFHNV 2017 S. 325

Begründung:

Die Klägerin hat gegenüber ihren Kleinkunden insoweit geleistet, als sie deren Ausgangspost abholte und in das Briefzentrum der D gegen den Pauschalfestpreis einlieferte. Damit entfällt der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D und der F. Die angegriffenen Steuerfestsetzungen enthalten daher keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Klägerin.

Die Klägerin hat an die Kleinkunden nur das Abholen der Ausgangspost und deren Einlieferung in das Briefzentrum gegen den Pauschalfestpreis als steuerpflichtige Leistung erbracht. Das Porto war daher kein Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung der Klägerin an die Kleinkunden, sondern für die Briefbeförderung der D.

Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Voraussetzung dafür ist ein Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger. Der Leistungsinhalt und die Person des Leistungsempfängers sind grundsätzlich nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu bestimmen.

Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG war Gegenstand der Verträge zwischen der Klägerin und den Kleinkunden nur die Einlieferung der Ausgangspost bei D, nicht die weitere Beförderung ab dem Briefzentrum. Auch die Klägerin selbst gibt an, gegenüber den Kleinkunden nur eine Beförderungsleistung bis zum Briefzentrum erbracht zu haben. Die weitere Beförderung ab dem Briefzentrum war damit kein Bestandteil einer Leistung der Klägerin an die Kleinkunden.

Für ihre Leistung hat die Klägerin nur den Pauschalfestpreis als Entgelt erhalten. Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

Diese Leistung war auch steuerpflichtig. Voraussetzung für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 Buchst. b UStG wäre unter anderem, dass die Klägerin eine Verpflichtung nach § 4 Nr. 11 Buchst. b Satz 2 UStG eingegangen wäre. Dafür ist nichts ersichtlich. Die Klägerin ist nicht zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der D berechtigt.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Unionsrechtliche Grundlage ist Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (Mehrwertsteuersystemrichtlinie). Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige danach berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, von dem Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete und entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden, abzuziehen.

Für die Steuer aus den Rechnungen der D an die Klägerin sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt, da es schon an einer Leistung der D an die Klägerin fehlt. Nach dem vom FG in Bezug genommenen Vertrag zwischen D und der Klägerin sollte die Klägerin Sendungen verschiedener Absender bündeln, für diese Leistungen bestimmte Leistungen der Briefbeförderungskette selbst erbringen und diese Sendungen dann in die Beförderungskette der D einspeisen. Danach liegt nur eine Leistung der Klägerin an D vor.

Hinsichtlich der unter Beteiligung der F beförderten Sendungen gilt im Ergebnis nichts anderes. Auf Grundlage der Feststellungen des FG geht der Senat davon aus, dass F in einer Leistungskette zwischen der Klägerin und D stand. Diese Zwischenschaltung der F lässt sowohl den Inhalt der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und den Kleinkunden als auch die Vorsteuerabzugsberechtigung hinsichtlich des Briefportos unberührt.

Keine Berichtigungsmöglichkeit bei fehlerhafter Eintragung von Beiträgen an Versorgungswerke

Leitsatz
Wird eine Eintragung in einem Steuererklärungsformular in einer falschen Zeile vorgenommen, so kommt eine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO nur in Betracht, wenn ein Rechtsfehler ausgeschlossen ist.
Eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet aus, wenn dem Steuerpflichtigen grobes Verschulden zuzurechnen ist, sei es bei der Erstellung der Steuererklärung, sei es bei der Prüfung des Steuerbescheids
BFH Urteil vom 26.10.2016 – X R 1/14, BFHNV 2017 S. 257

Begründung:

Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Berichtigung der streitigen Einkommensteuerbescheide nach § 129 AO abgelehnt (unter 1.) und zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung der Bescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich ist.

Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

Offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Die Berichtigungsmöglichkeit gemäß § 129 AO setzt voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt.

Das FG hat in der Nichtberücksichtigung der Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG keine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO gesehen, weil die Unrichtigkeit der Erklärung für den zuständigen Bearbeiter des Finanzamts nur erkennbar gewesen wäre, wenn er entweder beim Kläger nachgefragt hätte, zur Klärung dieser Frage den Erlass des BMF in BStBl I 2007, 262 hinzugezogen hätte oder ihm die Erlasslage sicher bekannt gewesen wäre. Das FG hat damit auf die vermeintliche Kenntnis bzw. fehlende Kenntnis des zuständigen Sachbearbeiters abgestellt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Unrichtigkeit hingegen dann offenbar, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist.

Doch auch bei Zugrundelegung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ist im Streitfall eine Berichtigung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 129 AO unter Berücksichtigung der zugrunde zu legenden Verhältnisse des Einzelfalls nicht möglich.

Einbeziehung geschätzter Einkünfte aus einem Grundlagenbescheid in die Bemessung des Verspätungszuschlags

Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass bei verspäteter Abgabe einer Einkommensteuererklärung ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden kann, wenn zu den Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich festzustellende Einkünfte gehören, für die im Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuererklärung noch keine Feststellungserklärung abzugeben ist.

Es ist nicht klärungsbedürftig, dass bei der Bemessung der Höhe eines Verspätungszuschlags gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 AO, die u.a. an die festgesetzte Steuer und die Höhe der Abschlusszahlung anknüpft, auch gemäß § 162 Abs. 5 AO geschätzte Einkünfte aus einem noch nicht ergangenen Grundlagenbescheid einbezogen werden können.

BFH Beschluss vom 02.11.2016 – VIII B 17/16 BFHNV 2017 S. 260

Begründung:

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) halten sinngemäß die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob bei Steuerpflichtigen in der Einkommensteuerveranlagung Beteiligungseinkünfte geschätzt festgesetzt werden können und bei verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung in die Bemessung eines Verspätungszuschlags mit einzubeziehen sind, wenn die Feststellungserklärung für den noch zu erlassenden Grundlagenbescheid noch nicht abzugeben ist und die Beteiligungseinkünfte bei Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht bekannt sind.

So hat der BFH zur Befugnis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt –FA–), einen Verspätungszuschlag festsetzen zu können, geklärt, dass ein Verspätungszuschlag wegen Nichtabgabe einer Einkommensteuererklärung gemäß § 152 der Abgabenordnung (AO) gegenüber dem Steuerpflichtigen festgesetzt werden kann, wenn Feststellungserklärungen für eine Mitunternehmerschaft, der dieser angehört, noch nicht erstellt sind.

Hinsichtlich der Einbeziehung der gemäß §§ 155 Abs. 2, 162 Abs. 5 AO geschätzten, weil noch nicht gesondert und einheitlich festzustellenden, Einkünfte des Klägers in die Festsetzung der Steuer und die Bemessung des Verspätungszuschlags gemäß § 152 Abs. 2 AO ist die von den Klägern aufgeworfene Rechtsfrage ebenfalls nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich aus dem Gesetz heraus eindeutig beantworten.

Aus der Einbeziehung geschätzter Besteuerungsgrundlagen in die festgesetzte Steuer und die Höhe der zu leistenden Schlusszahlung in die Bemessung des Verspätungszuschlags erleiden die Kläger im Übrigen auch nicht zwangsläufig einen endgültigen Nachteil. Knüpft der Verspätungszuschlag maßgeblich auch an die Höhe der Abschlusszahlung an, ist bei einem auf Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ergehenden Änderungsbescheid, der zu einer Herabsetzung der Steuerschuld und damit der Abschlusszahlung führt, erneut zu prüfen, in welchem Umfang die für die Festsetzung des Verspätungszuschlags maßgebenden Gesichtspunkte noch gegeben sind, weil sich durch die Herabsetzung der Steuerschuld die für die Ausübung des Ermessens maßgebenden Gesichtspunkte ändern können.

Bestreiten des Zugangszeitpunkts

Es ist höchstrichterlich geklärt und damit nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung, dass nicht jedes beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunkts die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 AO außer Kraft setzt, sondern der Empfänger vielmehr substantiiert Tatsachen vortragen muss, die schlüssig auf den verspäteten Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen.

Dies gilt auch für einen Bevollmächtigten, der seine Akten nur noch elektronisch führt.

BFH Beschluss vom 23.11.2016 – IX B 54/16 BFHNV 2017 S. 264

Begründung:

Es ist höchstrichterlich geklärt und damit nicht mehr von grundsätzlicher Bedeutung, dass nicht jedes beliebige Bestreiten des Zugangszeitpunkts die Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) außer Kraft setzt, sondern der Empfänger vielmehr substantiiert Tatsachen vortragen muss, die schlüssig auf den verspäteten Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen.

Dies gilt auch für einen Bevollmächtigten, der seine Akten nur noch elektronisch führt. Dieser kann seiner Darlegungslast betreffend einer verspäteten Postaufgabe und damit eines verspäteten Posteingangs eines Bescheids oder einer Einspruchsentscheidung in seiner Kanzlei auch dergestalt nachkommen, indem er im Rahmen der ihm obliegenden Beweisvorsorge den dazugehörigen Briefumschlag einscannt und dem Finanzamt oder dem Finanzgericht (FG) den entsprechenden Scanbeleg zukommen lässt.

Zudem hat das FG Zweifel an der Zugangsvermutung nicht allein aufgrund des fehlenden Briefumschlags verneint. Stattdessen hat es sich in seiner Entscheidung umfangreich mit dem Vorbringen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) und den von ihr vorgelegten Unterlagen befasst. Das FG ist nach der Würdigung des Vorbringens der Beteiligten aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) zu dem Ergebnis gekommen, die Einspruchsentscheidung sei am 6. November 2015 zur Post und am 9. November 2015 bekannt gegeben worden. Soweit sich die Klägerin gegen diese Schlussfolgerung des FG wendet, richtet sich ihr Vorbringen im Wesentlichen gegen die tatsächliche und rechtliche Richtigkeit der Entscheidung. Damit wird die grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht dargelegt.

Tägliches Auszählen einer offenen Ladenkasse

Die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung erfordert bei Bareinnahmen, die mittels einer offenen Ladenkasse erfasst werden, einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. Ein “Zählprotokoll”, in dem die genaue Stückzahl der vorhandenen Geldscheine und -münzen aufgelistet wird, ist nicht erforderlich.

BFH Beschluss vom 16.12.2016 – X B 41/16 BFHNV 2017 S. 310

Begründung:

Die Klägerin hatte E zum Beweis der Tatsache benannt, dass die Einnahmen vollständig auf den Tageseinnahmeblättern erfasst und dem Steuerberater vollständig gemeldet worden waren. Das FG hatte das Unterbleiben der Beweisaufnahme damit begründet, es sei gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 (gemeint wohl: Satz 5) FGO nicht an Beweisanträge gebunden. Die Vernehmung des E erscheine dem FG nicht notwendig. Die Überprüfung der Buchführungsunterlagen habe eindeutig ergeben, dass gerade nicht sämtliche Einnahmen erklärt worden seien.

Zwar hat der BFH entschieden, dass die Benennung von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft nicht geeignet ist, um einen Beweis zur Höhe des von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinns zu führen. Die Höhe des Gewinns sei vielmehr durch eine geordnete Buchführung, nicht aber durch Aussagen der Gesellschafter nachzuweisen. Vorliegend ist E jedoch nicht lediglich zur Bezeugung der “Höhe des Gewinns” benannt worden. Vielmehr richtete sich der Beweisantrag auf konkrete Tatsachen, wie die vollständige Erfassung der Einnahmen auf den Tageseinnahmeblättern und die vollständige Meldung an den Steuerberater um damit die materielle Richtigkeit der Buchführung zu belegen. Solche Tatsachen sind einem Zeugenbeweis jedenfalls nicht von vornherein unzugänglich.

Die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung erfordert bei Bareinnahmen, die ähnlich einer offenen Ladenkasse erfasst werden, einen täglichen Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. An derartigen Unterlagen fehlte es im Betrieb der Klägerin nach den Feststellungen des FG offensichtlich.

Soweit die vom erkennenden Senat gewählte Formulierung in der Praxis teilweise dahingehend missverstanden wird, dass über den Kassenbericht hinaus ein “Zählprotokoll” gefordert werde, in dem die genaue Stückzahl der vorhandenen Geldscheine und -münzen aufgelistet werde, stellt der Senat klar, dass die dortige Formulierung –die im Übrigen den Begriff “Zählprotokoll” nicht enthält– nicht als Neuorientierung der Rechtsprechung angesehen werden kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist.

Aufwendungen eines Kundendienstmonteurs für die Wege zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb des Arbeitgebers

Ein Kundendienstmonteur, der arbeitstäglich mit seinem privaten PKW zum Betrieb des Arbeitgebers fährt, sich dort sowohl zu Beginn als auch zum Ende seiner Arbeitszeit jeweils zwischen 15 bis 20 Minuten aufhält und im Übrigen auf auswärtigen Baustellen tätig ist, die er mit einem auf dem Betriebsgelände stationierten Firmenfahrzeug anfährt, kann die Aufwendungen für die Wege zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb des Arbeitgebers nach Dienstreisegrundsätzen als Werbungskosten berücksichtigen, weil der Kundendienstmonteur schwerpunktmäßig auswärts und nicht an einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG tätig ist.

BFH Urteil vom 31.08.2016 – VI R 14/16 BFHNV 2016 S. 273

Begründung:

Streitig ist, ob Aufwendungen für die Wege zwischen der Wohnung des Steuerpflichtigen und dem Betrieb des Arbeitgebers nach Dienstreisegrundsätzen oder nach Maßgabe der Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung nur begrenzt nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist die dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers.

Eine Arbeitsstätte ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat. Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers befindet. Dort liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte, die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit. Allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers nachhaltig (arbeitstäglich) aufsucht, kann dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründen.

Das FG hat –für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)– festgestellt, dass im Streitfall der qualitative Mittelpunkt der eigentlichen Arbeitstätigkeit des Klägers in den auswärtigen Gebäuden und auf den auswärtigen Baustellen lag, weil er dort die ihm aufgegebenen Arbeiten verrichtete. Damit war er schwerpunktmäßig auswärts und nicht an einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG tätig. Das Urteil kann daher keinen Bestand haben.

Regelmäßige Arbeitsstätte eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei

Ein Polizeibeamter der Autobahnpolizei verfügt in dem Revierkommissariat, das er arbeitstäglich höchstens eine Stunde aufsucht, um dort insbesondere seinen Dienstwagen für den Streifeneinsatzdienst zu übernehmen, nicht über eine regelmäßige Arbeitsstätte.

Das aus verschiedenen Autobahnabschnitten bestehende Einsatzgebiet eines Polizeibeamten der Autobahnpolizei im Streifeneinsatzdienst stellt keine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte dar.

BFH Urteil vom 19.10.2016 – VI R 32/15 BFHNV 2017 S. 281

Begründung:

Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen des Klägers für die Fahrten von seiner Wohnung zum Revierkommissariat in X in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Der Kläger kann auch den Abzug der geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen beanspruchen.

Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen sind grundsätzlich auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings sind die Aufwendungen dafür nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nur begrenzt nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Mehraufwendungen für die Verpflegung des Steuerpflichtigen sind nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 EStG grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar. Wird der Steuerpflichtige jedoch vorübergehend von seiner Wohnung und dem Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt beruflich tätig, so ist nach Satz 2 der Vorschrift für jeden Kalendertag, an dem der Steuerpflichtige wegen dieser vorübergehenden Tätigkeit von seiner Wohnung und seinem Tätigkeitsmittelpunkt über eine bestimmte Dauer abwesend ist, ein nach dieser Dauer gestaffelter Pauschbetrag abzuziehen.

Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG und (regelmäßige) Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist die dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig, fortdauernd und immer wieder aufsucht. Das ist regelmäßig der Betrieb, Zweigbetrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers.

Eine (regelmäßige) Arbeitsstätte ist allerdings nicht jeder beliebige Tätigkeitsort, sondern der Ort, an dem der Arbeitnehmer typischerweise seine Arbeitsleistung im Schwerpunkt zu erbringen hat. Insoweit ist entscheidend, wo sich der ortsgebundene Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers befindet. Dort liegt die eine regelmäßige Arbeitsstätte, die ein Arbeitnehmer nur haben kann. Dieser Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte im Einzelnen wahrnimmt oder wahrzunehmen hat, sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit.

Nach ständiger Senatsrechtsprechung kommt auch ein größeres, räumlich geschlossenes Gebiet als regelmäßige Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (und damit beim Verpflegungsmehraufwand als Tätigkeitsmittelpunkt i.S. des § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG) in Betracht, wenn es sich um ein zusammenhängendes Gelände des Arbeitgebers handelt, auf dem der Arbeitnehmer auf Dauer und mit einer gewissen Nachhaltigkeit tätig wird. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Werksgelände oder ein Waldgebiet eine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte bzw. einen Tätigkeitsmittelpunkt darstellen.

Das Einsatzgebiet des Klägers auf den Bundesautobahnen A Y und A Z sowie auf der Bundesstraße B W stellte –entgegen der Ansicht des FG– auch keine großräumige (regelmäßige) Arbeitsstätte dar. Bei den Autobahnabschnitten und der Bundesstraße handelte es sich nicht um dauerhafte, betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers. An den vorgenannten Straßenabschnitten befand sich auch keine Einrichtung des Arbeitgebers, die nach ihren infrastrukturellen Gegebenheiten mit einem Betriebssitz oder einer sonstigen betrieblichen Einrichtung vergleichbar war. Das Revierkommissariat in X befand sich nach den tatsächlichen Feststellungen des FG nicht an den Bundesautobahnen A Y und A Z bzw. an der Bundesstraße B W, sondern war mit diesen Straßenabschnitten lediglich über öffentliche Verkehrswege verbunden.

Entgegen der Auffassung des FG kann allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer eine betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers nachhaltig (arbeitstäglich) aufsucht, dort keine regelmäßige Arbeitsstätte begründen. Der Einwand, auch in solchen Fällen sei es dem Arbeitnehmer möglich, sich auf die Wegekosten einzustellen und auf deren Minderung hinzuwirken, selbst wenn er dort ein Fahrzeug übernimmt und auf diesem auswärts tätig wird, trifft zwar in der Sache zu, vermag diese Fälle aber nicht aus dem Regeltypus einer “Auswärtstätigkeit” (Leistungsort außerhalb des Betriebs oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers) herauszulösen. Im Übrigen weist der Senat nochmals darauf hin, dass die Vorhersehbarkeit wechselnder Tätigkeitsstätten und die “Möglichkeit”, Wegekosten zu mindern, nicht Tatbestandsmerkmale der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale sind. Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch eine entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann, beschreibt lediglich generalisierend und typisierend den Regelfall, nach dem sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip erweist. Individuelle Zufälligkeiten und Besonderheiten in der tatsächlichen Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses bleiben hierbei unberücksichtigt.

Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 26. Juni 2014 5 C 28.13 (BVerwGE 150, 108) ergibt sich keine abweichende rechtliche Beurteilung des Streitfalls. Das BVerwG hat in jenem Urteil entschieden, dass Fahndungsfahrten eines Polizeivollzugsbeamten bei der Autobahnpolizei keine Dienstreisen i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Hessischen Reisekostengesetzes (HRKG) seien. Der Begriff der Dienstreise im reisekostenrechtlichen Sinne (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HRKG) in der Auslegung, die das BVerwG in seinem Urteil in BVerwGE 150, 108 gefunden hat, entspricht damit nicht dem Regeltypus der ertragsteuerlichen “Auswärtstätigkeit” nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, für die ein Leistungsort außerhalb des Betriebs oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers kennzeichnend ist. Mit der –im Streitfall allein maßgeblichen– steuerlichen Einordnung der Fahrtätigkeit von Polizeivollzugsbeamten hat sich das BVerwG in seinem Urteil in BVerwGE 150, 108 nicht befasst.