Erfüllungsrückstand wegen Nachbetreuungspflichten

Erfüllungsrückstand wegen Nachbetreuungspflichten bei einem für einen Versicherungsmakler tätigen Handelsvertreter.

BFH Urteil vom 16.09.2014 X R 38/13

Sachverhalt

Der Kläger hat sowohl eine gewerberechtliche Zulassung gemäß § 34c der Gewerbeordnung (GewO) als auch gemäß § 34d GewO. Für diese Versicherungen wurde, anders als bei Sachversicherungen, bei Vertragsabschluss eine Einmalprovision an den Makler gezahlt.

Für die Streitjahre erklärte der Kläger Gewinne aus seiner Tätigkeit als A-Vermögensberater und Verluste aus der Tätigkeit als Geschäftsstellenleiter. Bei der Gewinnermittlung der beiden Gewerbebetriebe hatte er jeweils Rückstellungen für eine nachlaufende Betreuung der Kranken- und Lebensversicherungsverträge gebildet.

Begründung:

Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Kläger keine Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes für Nachbetreuungspflichten bilden durfte. Gemäß § 5 Abs. 1 EStG sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden; geboten ist ein Bilanzausweis u.a. aber bei Vorleistungen und Erfüllungsrückständen.

Es entspricht der gefestigten BFH-Rechtsprechung, dass Rückstellungen wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden sind, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrages erhält.

Der Kläger war weder als A-Vermögensberater vertraglich oder gesetzlich noch als Leiter der Geschäftsstelle (unter 4.) verpflichtet, die von ihm oder den seiner Geschäftsstelle zugeordneten Vermögensberatern vermittelten Kranken- und Lebensversicherungsverträge zu betreuen.

Rückstellung wegen Erfüllungsrückstand

Ob ein Versicherungsvertreter, der von der Versicherung nicht nur eine Abschlussprovision, sondern auch eine Bestandspflegeprovision erhält, wegen der Bestandspflege eine Rückstellung bilden darf, hängt davon ab, ob die Abschlussprovision von der Versicherung in rechtlicher Hinsicht auch wegen der noch zu erbringenden Bestandspflege geleistet wird und aus diesem Grund eine Vorleistung gegeben ist.

BFH Beschluss vom 08.11.2011 – X B 221/10 (NV) BFH NV 2012 S. 217 f.

Begründung:

Es entspricht der gefestigten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass eine Rückstellung gebildet werden kann, wenn im Rahmen schwebender Geschäfte, zu denen auch Dauerschuldverhältnisse gehören können, ein Erfüllungsrückstand besteht. Das Bestehen eines solchen Erfüllungsrückstands bestimmt sich danach, ob die noch zu erbringende Leistung nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern durch Vergangenes abgegolten wird. Der so definierte Erfüllungsrückstand setzt eine Verpflichtung voraus, die sich als vom Vertragspartner durch dessen erbrachte Vorleistung erdient und eine am Bilanzstichtag des Steuerpflichtigen somit rückständige Gegenleistung darstellt.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der BFH entschieden, dass eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden ist, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält. Ob eine solche Rückstellung auch gebildet werden kann, wenn der Versicherungsvertreter von der Versicherung nicht nur eine Abschlussprovision, sondern auch eine Bestandspflegeprovision erhält, hat der BFH zwar nicht entschieden. Diese Rechtsfrage bedarf indessen nicht der grundsätzlichen Klärung, weil sie in Anwendung der allgemeinen Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage des Erfüllungsrückstands zu beantworten ist.

Danach genügt es für die Bildung einer solchen Rückstellung nicht, dass die Versicherung zur Pflege des Versicherungsbestands verpflichtet ist. Vielmehr muss sich auch feststellen lassen, dass die Abschlussprovision von der Versicherung in rechtlicher Hinsicht auch wegen der noch zu erbringenden Bestandspflege geleistet wird, sich also im Hinblick hierauf als Vorleistung darstellt. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den gegebenen vertraglichen Bestimmungen.

Da es um das Vorliegen eines Verpflichtungsüberhangs geht, kann die erlangte Abschlussprovision nicht allein mit der Begründung als Vorleistung für die zu erbringende Bestandspflege angesehen werden, die vertraglich vereinbarten Bestandspflegeprovisionen seien nicht kostendeckend. Von diesen Grundsätzen geht ersichtlich auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung aus.