Meldung als Arbeitsuchender

Wird ein Kind nach Ende der Berufsausbildung arbeitslos und teilt es dies im Rahmen des Antrags auf Bezug von Leistungen nach dem SGB II der dafür zuständigen Stelle mit, ist gleichzeitig eine Meldung als Arbeitsuchender i.S. des § 122 SGB III anzunehmen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 78/08, BFH/NV 2012, 204).

BFH Urteil vom 26.7.2012, VI R 98/10

Begründung:

Gemäß § 62Abs. 1, § 63Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.

Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der §§ 118 ff. SGB III vorliegen. Die Meldung als Arbeitsuchender kann allerdings nicht nur bei einer Agentur für Arbeit im Inland, sondern auch bei einer nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Stelle –wie im Streitfall der ARGE– erfolgen (BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 78/08, BFH/NV 2012, 204). Dabei kommt der Registrierung des arbeitsuchenden Kindes bzw. der daran anknüpfenden Bescheinigung keine (echte) Tatbestandswirkung für den Kindergeldanspruch zu. Entscheidend ist vielmehr, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung als Arbeitsuchender gemeldet bzw. diese Meldung alle drei Monate erneuert hat.

Neben der Bescheinigung der Meldung als Arbeitsuchender durch die Agentur für Arbeit dient auch der Nachweis der Arbeitslosigkeit oder des Bezugs von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch als Nachweis der Meldung als Arbeitsuchender.

 

Bei Rückforderung von Kindergeld greift kein Vertrauensschutz

Die Weiterzahlung des Kindergeldes reicht selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht aus. Dem Verhalten der Familienkasse muss darüber hinaus die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergelds nicht zu rechnen braucht.

BFH Beschluss vom 06.02.2012 – VI B 147/11 (NV) BFHNV 2012 Seite 944

Begründung: In der Rechtsprechung des BFH ist bereits geklärt, dass die Weiterzahlung des Kindergeldes selbst bei Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes allein nicht ausreicht. Hinzukommen müssen vielmehr besondere Umstände, die die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Bei einem Massenverfahren wie im Kindergeldrecht ist dabei ein besonders eindeutiges Verhalten der Familienkasse zu fordern, dem zu entnehmen ist, dass sie auch nach Prüfung des Falls unter Berücksichtigung veränderter Umstände von einem Fortbestehen des Kindergeldanspruchs ausgeht, und ein anderer Eindruck bei dem Kindergeldempfänger nicht entstehen kann. Dem Verhalten der Familienkasse muss also die konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des Kindergeldes nicht zu rechnen brauche.

Kein Kindergeld während einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen Ausbildungsabschnitt und gesetzlichem Pflichtdienst

Die gesetzliche Ausgestaltung der Berücksichtigungstatbestände in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, wonach ein Kind, das die Viermonatsfrist zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Beginn eines gesetzlichen Pflichtdienstes überschreitet, während dieser Übergangszeit nicht berücksichtigt wird, ist weder lückenhaft noch verstößt sie gegen das Grundgesetz.

BFH Urteil vom 24.05.2012 – III R 25/09 BFH NV 2012 Seite 1437

Begründung:

Die Revision der Klägerin ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Klägerin für die Übergangszeit von sechs Monaten (August 2007 bis Januar 2008) zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn des Zivildienstes kein Anspruch auf Kindergeld für S zusteht.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (s. § 118 Abs. 2 FGO) scheidet eine Berücksichtigung des S nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG aus, weil er nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet war.

 

Berücksichtigung als Kind trotz Vollzeitbeschäftigung

Berücksichtigung als Kind trotz Vollzeitbeschäftigung

BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 20/11

Begründung:

Kindergeld wird nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 EStG u.a. für Kinder gewährt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und einen der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Tatbestände erfüllen. Darüber hinaus dürfen die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht den Grenzbetrag überschreiten, der sich im Jahr 2008 auf 7.680 EUR belief (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Im Streitfall war S im gesamten Jahr als Kind zu berücksichtigen, sofern die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überschritten haben sollten. In den Monaten Januar bis Juni 2008 sowie in den Monaten September bis Dezember 2008 wurde S für einen Beruf ausgebildet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), in den beiden Monaten Juli und August 2008 erfüllte er den Tatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten), möglicherweise auch den nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG (Warten auf einen Ausbildungsplatz).

Die in den Monaten Juli und August 2008 ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit steht einer Berücksichtigung des S als Kind nicht entgegen. Nach dem BFH  das erst nach Ergehen des angefochtenen Urteils veröffentlicht worden ist, schließt die Vollzeiterwerbstätigkeit eines Kindes dessen Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder c EStG nicht aus.

Kein Kindergeld während einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten

Kein Kindergeld während einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen Ausbildungsabschnitt und gesetzlichem Pflichtdienst.

BFH Urteil vom 24.5.2012, III R 25/09

Begründung:

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (s. § 118 Abs. 2 FGO) scheidet eine Berücksichtigung des S nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG aus, weil er nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet war.

Ebenso kann S nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als Kind berücksichtigt werden. Nach dieser Vorschrift wird ein Kind, das das 18., aber –wie S im Streitzeitraum– noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es sich u.a. in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes befindet. Im Streitfall lag jedoch eine Übergangszeit von sechs Monaten (August 2007 bis Januar 2008) zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn des Zivildienstes vor. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift kommt bei einem Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht.

 

Nachweis eines Ablehnungsbescheid durch die Kindergeldstelle

Trotz vorheriger Ablehnung kann Kindergeld gewährt werden, wenn die Familienkasse die Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides nicht nachweisen kann.

FG FInanzgericht Rhrinland Pfalz Urteil vom 4. Juni 2012 , Az. 5 K 2591/10 (Az.: 5 K 2591/10)

Begründung (FG):

Im Streitfall hatte die Familienkasse der Klägerin mitgeteilt, dass ihre im April 1991 geborene Tochter T in Kürze 18 Jahre alt werde und dass deshalb die Kindergeldzahlungen mit dem Monat April 2009 enden würden. Eine Weiterzahlung sei möglich, wenn sich T z.B. noch in der Schulausbildung befinde. Dem Schreiben war ein Antragsvordruck beigefügt, den die Kl im April 2009 unterzeichnete und an die Familienkasse übersandte. Die Klägerin gab an, dass sich T noch bis Sommer 2010 in Schulausbildung befinde, worauf die Familienkasse in einem weiteren Schreiben entgegnete, es fehle noch die Schulbescheinigung für die Zeit ab Mai 2009. Im Januar 2010 wurde der Antrag der Klägerin mit der (unzutreffenden) Begründung abgelehnt, dass die notwendigen Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Darauf hin beantragte die Klägerin im August 2010 erneut Kindergeld und teilte mit, dass die notwendigen Unterlagen bereits vorliegen müssten. Mit Bescheid vom September 2010 wurde dann Kindergeld für die Zeit ab Februar 2010 festgesetzt. Da der frühere Antrag auf Kindergeld mit Bescheid vom Januar 2010 abgelehnt worden sei, könne für die Zeit Mai 2009 bis einschließlich Januar 2010 auch nicht nachträglich Kindergeld festgesetzt werden, weil der Ablehnungsbescheid vom Januar 2010 insoweit eine zeitliche Sperrwirkung bis zum Zeitpunkt seines Ergehens – also Januar 2010 – entfalte.

Das empfand die Klägerin als ungerecht, weil mittlerweile klar war, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld im Zeitraum vom Mai 2009 bis Januar 2010 vorgelegen hatten und das Kindergeld nur wegen der Sperrwirkung des Ablehnungsbescheides vom Januar 2010 nicht rückwirkend gezahlt werden könne.

Die Klage, mit der die Klägerin vorgetragen hatte, sie hätte die verlangten Schulbescheinigungen sogar mehrfach an die Familienkasse geschickt, sie habe sich mehrfach telefonisch nach dem Sachstand erkundigen wollen, was ihr jedoch nicht gelungen sei, weil stets neue Sachbearbeiter zuständig gewesen seien, die nichts hätten sagen können, war erfolgreich.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, Kindergeld sei auch für den Zeitraum vom Mai 2009 bis Januar 2010 zu gewähren. Es sei unstreitig, dass die Voraussetzungen zur Gewährung von Kindergeld wegen des Schulbesuchs der T vorlägen. Die Familienkasse sei auch nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen gehindert, für den o.g. Zeitraum Kindergeld festzusetzen, weil sich die Bekanntgabe des die Sperrwirkung entfaltenden Bescheides vom Januar 2010 nicht feststellen lasse. Im Zweifel habe die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Aus dem Bescheiddatum lasse sich nicht auf den Tag der Aufgabe zur Post schließen. Da sich die Aufgabe von Verwaltungsakten zur Post im  Wissen- und Verantwortungsbereich der Behörde abspiele, habe sie insoweit die erforderliche Beweisnähe. Im Streitfall enthalte der Bescheid keinen Absendevermerk der Poststelle und auf Hinweis des Gerichts, dass fraglich sei, ob der Bescheid bekannt gegeben worden sei, weil der Absendevermerk fehle, habe sich die Beklagte nicht geäußert. Aus den Ausführungen der Klägerin könnten Anhaltspunkte für den Zugang nicht entnommen werden. Das Gericht gehe nicht davon aus, dass die Klägerin den Zugang des Bescheides (versehentlich oder bewusst) nicht angegeben habe, denn ihre Ausführungen im Übrigen seien jedenfalls vollständig und wahrheitsgemäß, bzw. glaubhaft. Damit entfalte der Bescheid vom Januar 2010 mangels Bekanntgabe gegenüber der Klägerin keine Wirksamkeit und stehe somit der beantragten Kindergeldfestsetzung nicht entgegen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.

 

Kindergeldanspruch für ein nur im Niedriglohnsektor beschäftigtes Kind

Ein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist nicht allein deshalb zu verneinen, weil das behinderte Kind einer Erwerbstätigkeit nachgeht.

Ist das behinderte Kind trotz seiner Erwerbstätigkeit nicht in der Lage, seinen gesamten Lebensbedarf zu bestreiten, hat das FG unter Würdigung der Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden, ob die Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt in erheblichem Maße (mit-)ursächlich ist.

BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 29/09

Erläuterung (BFH):

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 15. März 2012 III R 29/09 entschieden, dass sich ein behindertes Kind nicht schon allein deshalb selbst unterhalten kann, weil es einer Erwerbstätigkeit nachgeht.

Das seit seiner Geburt gehörlose Kind der Klägerin besuchte zunächst eine Gehörlosenschule und erlernte anschließend in einem Bildungswerk für Hör- und Sprachgeschädigte den Beruf der Beiköchin. Beiköche arbeiten nach Anleitung und unter Aufsicht erfahrener Köche. Sie werden üblicherweise in Großküchen von Krankenhäusern, Altenheimen und ähnlichen Einrichtungen tätig. Das Kind war nach Abschluss seiner Ausbildung zunächst als Köchin tätig. Nach einer Phase der Arbeitslosigkeit fand es dann eine Anstellung als Küchenhilfe in einer Fleischerei. Trotz der jeweiligen Erwerbstätigkeit war es nicht in der Lage, mit den hieraus erzielten Einkünften seinen gesamten Lebensbedarf zu decken.

Die steuerliche Berücksichtigung eines behinderten Kindes setzt nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes voraus, dass das Kind wegen seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das Finanzgericht (FG) entschied, dass der Klägerin danach kein Kindergeld zustehe. Da ihr Kind einer Erwerbstätigkeit nachgehe, sei es in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Dass der Verdienst des Kindes nicht ausreiche, um den gesamten Lebensbedarf zu decken, liege nicht an der Behinderung, sondern an den geringen Löhnen, die im Beruf der Beiköchin gezahlt würden.

Der BFH folgte dieser Betrachtungsweise nicht. Seines Erachtens ist primär die Frage zu stellen, warum ein Kind, das arbeitet, von seiner Hände Arbeit dennoch nicht leben kann. Das kann auf unterschiedlichsten Gründen beruhen. So kann das allgemeine Lohnniveau so niedrig liegen, dass auch ein nicht behinderter Mensch nicht in der Lage wäre, mit einer Vollzeittätigkeit seinen Lebensunterhalt zu decken (z.B. prekäres Arbeitsverhältnis). In diesem Fall könnte das Kind steuerlich nicht berücksichtigt werden, weil nicht die Behinderung, sondern die schlechte Arbeitsmarktsituation ursächlich dafür ist, dass das Geld zum Leben nicht reicht. Es kann aber auch so sein, dass das Kind von vornherein in Folge seiner Behinderung in der Berufswahl dermaßen eingeschränkt ist, dass ihm nur eine behinderungsspezifische Ausbildung mit späteren ungünstigen Beschäftigungsmöglichkeiten offensteht. Wenn man wegen seiner Behinderung überhaupt nur im Niedriglohnsektor eine bezahlte Arbeit findet, dann ist die Behinderung die eigentliche Ursache für die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. Nichts anderes gilt, so der BFH weiter, wenn das Kind wegen seiner Behinderung in seiner Leistungsfähigkeit derart eingeschränkt ist, dass es von vornherein nur einer Teilzeitbeschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen kann. Welche Ursache letztendlich für die Unfähigkeit des Kindes, sich selbst zu unterhalten, verantwortlich ist, hat das FG als Tatsachengericht festzustellen. Der BFH hat daher die Rechtssache an das FG zurückverwiesen.

 

Berufsausbildung bei Au-Pair-Aufenthalt im Ausland

Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses sind grundsätzlich nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn sie von einem durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden (Bestätigung der Rechtsprechung). Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (z.B. Blockunterricht oder Lehrgänge).

Darüber hinaus können Auslandsaufenthalte im Einzelfall als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vorbereitung und Nachbereitung hinausgehenden zusätzlichen Zeitaufwand erfordert (z.B. fachlich orientierter Sprachunterricht, Vorträge des Kindes in der Fremdsprache).

Auslandsaufenthalte, die von einer Ausbildungsordnung oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen (z.B. TOEFL oder IELTS), können unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein.

BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 58/08

Begründung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 15. März 2012 III R 58/08 seine Rechtsprechung bestätigt, dass Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses im Ausland grundsätzlich nur dann als Berufsausbildung anzusehen sind, wenn sie von einem durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden.

Für volljährige Kinder wird Kindergeld u.a. dann gezahlt, wenn sie für einen Beruf ausgebildet werden. Eine Berufsausbildung dient dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Sie braucht weder in einer Ausbildungs- oder Studienordnung geregelt noch zur Erreichung eines bestimmten Berufsziels unerlässlich zu sein. Der Sprachunterricht von Au-pairs wird aber vom BFH für erforderlich gehalten, weil auch Auslandsaufenthalte, die nicht Ausbildungszwecken dienen, regelmäßig zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führen.

Die Tochter des Klägers hielt sich nach dem Abitur von August 2006 bis Juni 2007 als Au-pair in England auf. Die Klage auf Kindergeld hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg, denn der BFH ging in Übereinstimmung mit dem Finanzgericht davon aus, dass die Tochter weniger als zehn Unterrichtsstunden wöchentlich erhalten hatte, weil der Zeitaufwand für Hausarbeiten nicht einbezogen werden durfte und der Kläger keine näheren Angaben zu einer behaupteten sprachlichen Unterweisung durch die Gastmutter gemacht hatte.

Auslandsaufenthalte können allerdings unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, wenn sie von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen (z.B. TOEFL oder IELTS). Die Tochter des Klägers hatte aber lediglich eine Sprachprüfung abgelegt, die für die Integration von Einwanderern konzipiert wurde und für die Zulassung zu einem Ausbildungsgang oder Beruf nicht unmittelbar nützlich war.

 

Unfähigkeit zum Selbstunterhalt eines studierenden Kindes, Nachweis der Behinderung eines Kindes

Kann ein Kind aufgrund einer Behinderung sich nicht selber versorgen, wird das Kindergeld über das 27. Lebensjahr hinaus gezahlt.

BFH Urteil vom 9.2.2012, III R 47/08

Begründung:

Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG besteht für ein volljähriges Kind ein Anspruch auf Kindergeld, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 27. (jetzt des 25.) Lebensjahres eingetreten ist.

Die Behinderung muss nach den Gesamtumständen des Einzelfalles für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sein. Dem Kind muss es daher objektiv unmöglich sein, seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten.

m Zusammenhang mit einem arbeitslosen behinderten Kind hat der Senat entschieden, dass nicht jede einfache Mitursächlichkeit ausreicht, sondern dass die Mitursächlichkeit der Behinderung vielmehr erheblich sein muss. Die Frage, ob eine Behinderung für die mangelnde Fähigkeit des behinderten Kindes zum Selbstunterhalt in erheblichem Umfang mitursächlich ist, hat das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.

Ist A zwar psychisch krank, nicht aber behindert, scheidet ein Kindergeldanspruch bereits aus diesem Grund aus. Liegt jedoch eine seelische Behinderung bei A vor, so ist es  möglich, dass die Behinderung allein oder zumindest in erheblichem Umfang mitursächlich für den wiederholten Studienfachwechsel und damit für die über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus dauernde Ausbildung ist.

Der Nachweis der Behinderung kann dabei nicht nur durch Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder Feststellungsbescheids gemäß § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie eines Rentenbescheids erfolgen, sondern auch in anderer Form wie beispielsweise durch Vorlage einer Bescheinigung bzw. eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder auch eines ärztlichen Gutachtens erbracht werden.

Kein Kindergeld während einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen Schulzeit und gesetzlichem Wehr- oder Zivildienst

Die gesetzliche Ausgestaltung der Tatbestände in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, wonach ein Kind, das nach Beendigung der Schulzeit –unabhängig davon, ob absehbar oder nicht– länger als vier Monate auf den Beginn des Zivildienstes wartet, während dieser Übergangszeit nicht berücksichtigt wird, ist weder lückenhaft noch verstößt sie gegen das Grundgesetz.

BFH Urteil vom 22.12.2011, III R 5/07

Erläuterung (BFH):

Mit Urteilen vom 22. Dezember 2011 III R 5/07 und III R 41/07 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der anspruchsberechtigte Elternteil für ein Kind, das nach Beendigung seiner Schulzeit – unabhängig davon, ob absehbar oder nicht – länger als vier Monate auf den Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst wartet, während dieser Übergangszeit kein Kindergeld erhält.

Der Kindergeldberechtigte kann u.a. für ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. (ab Veranlagungszeitraum 2007: 25.) Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld erhalten, wenn es sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen der Beendigung eines Ausbildungsabschnitts und dem Beginn der Ableistung eines Pflichtdienstes (gesetzlicher Wehr- oder Zivildienst) befindet. In den vom BFH entschiedenen Fällen begehrten die Kläger Kindergeld, obwohl ihre Kinder die gesetzlich geregelte Übergangszeit von vier Monaten überschritten hatten. Sowohl die beklagten Familienkassen als auch die Finanzgerichte lehnten einen Kindergeldanspruch mit Blick auf den klaren Gesetzeswortlaut ab. Diese Beurteilung entsprach im Übrigen auch der bisher zu dieser Rechtsfrage ergangenen Rechtsprechung des BFH.

Nunmehr bestätigte der BFH in den genannten Urteilen seine bisherige Rechtsprechung. Die im Gesetz geregelte Viermonatsfrist dürfe nicht verlängert werden, weil die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen keine Regelungslücke enthielten. Damit sei es den Gerichten versagt, Kinder auch dann zu berücksichtigen, wenn sie die genannte Viermonatsfrist überschritten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Verfassungsrecht. Insbesondere habe der Gesetzgeber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen, weil er Kinder, die sich in einer längeren als vier monatigen Übergangszeit befänden, unberücksichtigt ließe. Vielmehr sei darin eine zulässige Typisierung des Gesetzgebers zu sehen.

Der Vollständigkeit halber bleibt darauf hinzuweisen, dass aktuell eine Übergangszeit zwischen der Beendigung eines Ausbildungsabschnitts und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes nicht mehr möglich ist. Der Gesetzgeber hat die gesetzliche Wehrpflicht und auch den verpflichtenden Zivildienst mit Wirkung zum 1. Juli 2011 ausgesetzt.