Nur eingeschränkte Rechte des Bundesfinanzministeriums bei Beteiligung an Revisionsverfahren

Das BMF ist zur Stellung eines Antrags auf mündliche Verhandlung gegen einen Gerichtsbescheid nicht berechtigt.

BFH  Beschluss vom 16.12.2015, IV R 15/14

Begründung (BFH):

Akzeptiert der Kläger die Zurückweisung seiner Revision durch einen Gerichtsbescheid des Bundesfinanzhofs (BFH), indem er von seinem Recht auf Beantragung einer mündlichen Verhandlung keinen Gebrauch macht, kann das Bundesministerium der Finanzen (BMF) keine mündliche Verhandlung erwirken, auch wenn es die Begründung, auf die der BFH seine Entscheidung stützt, nicht für richtig hält. Dies entschied der BFH mit Beschluss vom 16. Dezember 2015 IV R 15/14 und lehnte damit einen vom BMF gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung ab.

An einem Revisionsverfahren vor dem BFH ist grundsätzlich von Seiten der Finanzverwaltung nur das beklagte Finanzamt (FA) beteiligt. Allerdings kann das BMF bei einer bundesgesetzlich geregelten Steuer –wie hier der Einkommensteuer– einem Verfahren beitreten (§ 122 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung) und erhält damit die Rechtsstellung eines Beteiligten. Diese Stellung gibt dem BMF aber nach der Rechtsprechung des BFH nicht dieselben Rechte wie sie die Hauptbeteiligten haben. Das BMF kann beispielsweise nicht auf mündliche Verhandlung bestehen, wenn die Hauptbeteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Im Fall des jetzt ergangenen Beschlusses hatten die Beteiligten zwar zunächst einen solchen Verzicht nicht erklärt, weshalb der BFH im schriftlichen Verfahren nur einen Gerichtsbescheid erlassen konnte. Dieser wirkt als Urteil, wenn nicht innerhalb eines Monats mündliche Verhandlung beantragt wird. Macht keiner der Hauptbeteiligten von diesem Antragsrecht Gebrauch, ist die Prozesslage mit der eines anfänglichen Verzichts auf mündliche Verhandlung vergleichbar. Deshalb kann das BMF auch in diesem Fall keine mündliche Verhandlung erzwingen.

Sollte das FA mit dem Gerichtsbescheid nicht vollständig Erfolg haben, könnte es allerdings vom BMF zur Stellung eines Antrags auf mündliche Verhandlung veranlasst werden. Diese Möglichkeit bestand aber im jetzt entschiedenen Fall nicht, weil das FA den Rechtsstreit im Ergebnis voll gewonnen hatte. Wer einen Rechtsstreit im schriftlichen Verfahren gewinnt, hat wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses keinen Anspruch auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

Organschaft mit Tochterpersonengesellschaften

Neben einer juristischen Person kann auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger nur Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind (Änderung der Rechtsprechung).

BFH Urteil vom 2.12.2015, V R 25/13

Begründung:

Bislang musste es sich bei der Tochtergesellschaft um eine juristische Person handeln. Entgegen bisheriger Rechtsprechung lässt der BFH nunmehr eine Organschaft auch mit Tochterpersonengesellschaften zu (V R 25/13). Voraussetzung ist, dass Gesellschafter der Personengesellschaft nur der Organträger und andere vom Organträger finanziell beherrschte Gesellschaften sind.

Die Einschränkung der Organschaft auf abhängige juristische Personen ist dem Grunde nach sachlich gerechtfertigt, weil nur so einfach und rechtssicher über die Beherrschungsvoraussetzungen der Organschaft entschieden werden kann. Bei der juristischen Person ist dies durch das dort geltende Mehrheitsprinzip und die rechtliche Ausgestaltung von Gesellschaftsgründung und Anteilsübertragung gewährleistet. Demgegenüber gilt bei Personengesellschaften grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip. Zudem lassen sich Personengesellschaften im Grundsatz ohne Formzwang gründen, wobei Gesellschaftsanteile ebenso formfrei übertragen werden können.

Nach dem Urteil des BFH rechtfertigen diese Unterschiede aber nicht den Ausschluss auch von Tochterpersonengesellschaften, an denen nur der Organträger und andere von ihm finanziell beherrschte Gesellschaften beteiligt sind. Die Beherrschung kann dann nicht in Frage gestellt werden. Damit erweitert sich der Kreis der in die Organschaft einzubeziehenden Tochtergesellschaften.

Im konkreten Fall ging es um steuerbare und steuerpflichtige Leistungen der Muttergesellschaft an ihre Tochterpersonengesellschaften, die ihrerseits steuerfrei Altenheime betrieben und nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt waren. Das Finanzgericht muss im zweiten Rechtsgang prüfen, ob eine Organschaft zwischen Muttergesellschaft und deren Tochterpersonengesellschaften vorliegt. Dann sind die Leistungen untereinander nicht steuerbar und entsteht keine für die Töchter nicht als Vorsteuer abziehbare Umsatzsteuer.

Gutschrift auf Kapitalkonto II einer Personengesellschaft bedeutet keine Gewährung von Gesellschaftsrechten

Überträgt der Kommanditist einer KG dieser ein Wirtschaftsgut, dessen Gegenwert allein seinem Kapitalkonto II gutgeschrieben wird, liegt keine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, sondern eine Einlage vor, wenn sich nach den Regelungen im Gesellschaftsvertrag der KG die maßgeblichen Gesellschaftsrechte nach dem aus dem Kapitalkonto I folgenden festen Kapitalanteil richten (gegen BMF-Schreiben vom 11. Juli 2011 IV C 6-S 2178/09/10001, BStBl I 2011, 713, unter I.2

BFH  Urteil vom 29.7.2015, IV R 15/14

Begründung:

Bringt der Gesellschafter einer Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut gegen Gutschrift eines Betrags ausschließlich auf dem sogenannten Kapitalkonto II in die Gesellschaft ein, ist dieser Vorgang nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Juli 2015 IV R 15/14 als Einlage und nicht als entgeltliches Geschäft zu behandeln. Damit hat der BFH eine schon lange streitige Frage geklärt und dabei ausdrücklich der Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Finanzen widersprochen.

Im Urteilsfall hatte ein Landwirt den Abbau eines Bodenschatzes auf einem eigenen Grundstück durch eine eigens dafür gegründete Personengesellschaft vorgenommen. Er übertrug das Grundstück aus seinem landwirtschaftlichen Betrieb auf die Gesellschaft, eine GmbH & Co. KG, und erhielt dafür eine Gutschrift auf dem Kapitalkonto II. Welchen Anteil der Gesellschafter am Vermögen der Gesellschaft hatte und welche Gewinnbezugs- und Stimmrechte ihm zustanden, ergab sich allein aus dem Kapitalkonto I. Daraus folgerte der BFH, dass der Gesellschafter keine Gegenleistung für die Einbringung des Grundstücks erhalten habe, auch nicht in Gestalt von Gesellschaftsrechten. Die Gesellschaft war –gestützt auf veröffentlichte Verwaltungsanweisungen– der Meinung, auch das Kapitalkonto II weise Gesellschaftsrechte aus, so dass sie das Grundstück und den Bodenschatz entgeltlich erworben habe und auf die Anschaffungskosten des Bodenschatzes bei dessen Abbau Abschreibungen vornehmen könne. Das Finanzamt (FA) teilte zwar die Auffassung, dass ein entgeltlicher Erwerb stattgefunden habe, lehnte aber die Abschreibung aus anderen Gründen ab. Im Ergebnis bestätigte der BFH das FA, stützte die Versagung der Abschreibung aber auf das Fehlen von Anschaffungskosten. Einbringungen in Personengesellschaften gegen Buchung auf einem Gesellschafterkonto sind danach nur dann entgeltliche Vorgänge, wenn ein Kapitalkonto angesprochen wird, das Maßstab für die Anteile des Gesellschafters am Vermögen, am Gewinn oder an den Stimmrechten ist (in der Regel Kapitalkonto I) oder das Forderungen oder Verbindlichkeiten zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ausweist.

Voraussetzungen der Organschaft

Eine juristische Person ist i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell eingegliedert, wenn der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt.

Für die organisatorische Eingliederung muss der Organträger im Regelfall mit der juristischen Person über deren Geschäftsführung personell verflochten sein.

BFH Urteil vom 2.12.2015, V R 15/14

Begründung:

Der BFH hält weiter daran fest, dass die Organschaft eine eigene Mehrheitsbeteiligung des Organträgers an der Tochtergesellschaft voraussetzt und dass zudem im Regelfall eine personelle Verflechtung über die Geschäftsführung der Personengesellschaft bestehen muss (V R 15/14).

Damit bleibt es beim Erfordernis einer Beherrschung der Tochtergesellschaft durch den Organträger. Der BFH lehnt es ausdrücklich ab, die Organschaft aus Gründen des Unionsrechts auf lediglich eng miteinander verbundene Personen zu erweitern. Eine Organschaft zwischen Schwestergesellschaften bleibt damit weiterhin ausgeschlossen.

Im Streitfall scheiterte eine Organschaft. Daher erbrachte die Klägerin, eine GmbH, steuerpflichtige Leistungen an ihre Schwestergesellschaft, eine KG, die ohne Recht auf Vorsteuerabzug ein Wohn- und Pflegheim betrieb.

 

Kein Abzug bei gemischt genutzten Räumen

Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.

BFH  Beschluss vom 27.7.2015, GrS 1/14

Begründung:

Ein häusliches Arbeitszimmer setzt neben einem büromäßig eingerichteten Raum voraus, dass es ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird. Fehlt es hieran, sind die Aufwendungen hierfür insgesamt nicht abziehbar. Damit scheidet eine Aufteilung und anteilige Berücksichtigung im Umfang der betrieblichen oder beruflichen Verwendung aus. Dies hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) entschieden (Beschluss vom 27. Juli 2015 GrS 1/14).

Die Grundsatzentscheidung betrifft die durch das Jahressteuergesetz 1996 eingeführte Abzugsbeschränkung für häusliche Arbeitszimmer. In seiner heute geltenden Fassung sind Aufwendungen hierfür nur unter der Voraussetzung abziehbar, dass für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Höhe der abziehbaren Aufwendungen ist dabei grundsätzlich auf 1.250 € begrenzt; ein weiter gehender Abzug ist nur möglich, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG-).

In dem der Entscheidung des Großen Senats zugrunde liegenden Verfahren war streitig, ob Kosten für einen Wohnraum, der zu 60 % zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und zu 40 % privat genutzt wird, anteilig als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind.

Der Große Senat begründet seine Entscheidung neben dem allgemeinen Wortverständnis damit, dass der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzgebungsmotive ausdrücklich an den herkömmlichen Begriff des „häuslichen Arbeitszimmers“ angeknüpft hat. Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt aber seit jeher voraus, dass der Raum wie ein Büro eingerichtet ist und ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur Erzielung von Einnahmen genutzt wird.

Diese Auslegung dient nach Auffassung des Großen Senats dazu, den betrieblich/beruflichen und den privaten Bereich sachgerecht voneinander abzugrenzen, Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden und den Verwaltungsvollzug zu erleichtern. Im Fall einer Aufteilung sind diese Ziele nicht zu erreichen, da sich der Umfang der jeweiligen Nutzung innerhalb der Wohnung des Steuerpflichtigen nicht objektiv überprüfen lässt. Der BFH sieht insbesondere ein Nutzungszeitenbuch nicht als geeignete Grundlage für eine Aufteilung an, da die darin enthaltenen Angaben keinen über eine bloße Behauptung des Steuerpflichtigen hinausgehenden Beweiswert hätten. Ebenso mangelt es an Maßstäben für eine schätzungsweise Aufteilung der jeweiligen Nutzungszeiten. Eine sachgerechte Abgrenzung des betrieblichen/beruflichen Bereichs von der privaten Lebensführung wäre daher im Fall einer Aufteilung nicht gewährleistet.

Die vom BFH abgelehnte Aufteilung steht in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BStBl II 2010, 672. Danach sind Reiseaufwendungen bei gemischt beruflich/betrieblichen und privat veranlassten Reisen nach Maßgabe der Zeitanteile der Reise aufteilbar. Dem kam keine Bedeutung zu, da § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG eine allgemeinen Grundsätzen vorgehende Spezialregelung ist.

Offenlassen konnte der Große Senat daher die vom X. Senat des BFH aufgeworfene Frage, ob es sich bei derartigen Aufwendungen mangels objektiv nachprüfbarer Kriterien dem Grunde nach überhaupt um anteilige Werbungskosten oder Betriebsausgaben handelt.

Geklärt ist dagegen, dass Aufwendungen für eine sog. „Arbeitsecke“ nicht abzugsfähig sind, da derartige Räume schon ihrer Art und ihrer Einrichtung nach erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen.

Auswirkungen auf Unternehmensübertragungen

Überträgt ein Einzelunternehmer sein Unternehmensvermögen mit Ausnahme des Anlagevermögens auf eine KG, die seine bisherige Unternehmenstätigkeit fortsetzt und das Anlagevermögen auf eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die das Anlagevermögen ihrem Gesellschaftszweck entsprechend der KG unentgeltlich zur Verfügung stellt, liegt nur im Verhältnis zur KG, nicht aber auch zur GbR eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) vor.

BFH Urteil vom 3.12.2015, V R 36/13

Begründung:

Nach dem weiteren BFH-Urteil vom 3. Dezember 2015 V R 36/13 kann die Organschaft auch bei Unternehmensübertragungen von Bedeutung sein.

Unternehmensübertragungen sind als sog. Geschäftsveräußerung nicht steuerbar. Dies setzt grundsätzlich die Übertragung auf einen Unternehmenserwerber voraus. Eine Aufspaltung des einheitlichen Unternehmens auf zwei Erwerber ist bei einer bloßen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern demgegenüber nicht begünstigt.

Im Streitfall hatte ein Einzelunternehmer im Wege der Generationennachfolge sein Unternehmen auf zwei Personengesellschaften, eine Betriebs- und eine Besitzgesellschaft, übertragen. Gesellschafter waren der Einzelunternehmer und seine beiden Söhne.

Nach dem Urteil des BFH ist nur die Übertragung auf die Betriebsgesellschaft als Geschäftsveräußerung anzusehen, nicht aber auch die Übertragung auf die Besitzgesellschaft.

Zwischen Betriebs- und Besitzgesellschaft lag auf der Grundlage der BFH-Urteile vom 2. Dezember 2015 auch keine Organschaft vor. Diese scheiterte insbesondere am Erfordernis einer eigenen Mehrheitsbeteiligung (V R 15/14). Bei Annahme einer Organschaft wäre demgegenüber steuerrechtlich von einer Übertragung auf einen Erwerber auszugehen gewesen, so dass auch die zivilrechtliche Übertragung auf die Besitzgesellschaft als Geschäftsveräußerung nichtsteuerbar gewesen wäre.

Haushaltsnahe Dienstleistungen sind für Aufwendungen für ein Notrufsystem in einer Seniorenresidenz

Für ein mit der Betreuungspauschale abgegoltenes Notrufsystem, das innerhalb einer Wohnung im Rahmen des “Betreuten Wohnens” Hilfeleistung rund um die Uhr sicherstellt, kann die Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG in Anspruch genommen werden.

BFH  Urteil vom 3.9.2015, VI R 18/14

Begründung:

Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 3. September 2015 VI R 18/14 entschieden, dass Aufwendungen für ein Notrufsystem, das innerhalb einer Wohnung im Rahmen des “Betreuten Wohnens” Hilfeleistung rund um die Uhr sicherstellt, als haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß § 35a Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) die Einkommensteuer ermäßigen können.

Der Kläger bewohnt eine Drei-Zimmer-Wohnung im Rahmen des “Betreuten Wohnens” in einer Seniorenresidenz. Neben dem Mietvertrag mit dem Eigentümer der Wohnung schloss er mit dem Betreiber der Residenz einen Seniorenbetreuungsvertrag ab. Darin verpflichtete sich der Betreiber u.a. dazu, dem Kläger 24 Stunden pro Tag ein Notrufsystem zur Verfügung zu stellen, einschließlich des für die Nachtwache und die Soforthilfe im Notfall erforderlichen Fachpersonals.

In seiner Steuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger 1.357 € (76 % der Betreuungspauschale) als Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen nach § 35a EStG geltend. Das Finanzamt gewährte dem Kläger nur eine Steuerermäßigung in Bezug auf die Aufwendungen für den Hausmeister und die Reinigung.

Der BFH bestätigte die Vorinstanz und hat entschieden, dass es sich bei den Aufwendungen für das mit der Betreuungspauschale abgegoltene Notrufsystem um solche für eine haushaltsnahe Dienstleistung i.S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG handelt. Durch die Rufbereitschaft werde sichergestellt, dass ein Bewohner, der sich im räumlichen Bereich seines Haushalts aufhalte, im Notfall Hilfe erhalten könne. Eine solche Rufbereitschaft leisteten typischerweise in einer Haushaltsgemeinschaft zusammenlebende Familien- oder sonstige Haushaltsangehörige. Es handele sich damit um haushaltsnahe Dienstleistungen im Sinne der Vorschrift. Diese würden nach Auffassung des BFH auch in dem Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht. Da der Leistungserfolg in der Wohnung des Steuerpflichtigen eintrete, werde die Leistung auch im räumlichen Bereich des Haushalts erbracht. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Notrufzentrale sich außerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen befindet.

Verzinsung ab dem Zeitpunkt ihrer Zahlung

Abgaben, die auf der Grundlage einer für ungültig erklärten Unionsverordnung erhoben wurden, sind ab dem Zeitpunkt der Zahlung der unionsrechtswidrig erhobenen Abgabe zu verzinsen.

BFH Urteil vom 22.9.2015, VII R 32/14

Begründung:

Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Urteil vom 22. September 2015 VII R 32/14 entschieden, dass unionsrechtliche Abgaben, soweit sie zu Unrecht erhoben wurden und dem Abgabepflichtigen deshalb zu erstatten sind, ab dem Zeitpunkt ihrer Zahlung durch den Abgabepflichtigen zu verzinsen sind.

Die Klägerin des Streitfalls ist ein Zucker erzeugendes Unternehmen, das für mehrere Wirtschaftsjahre eine auf Unionsrecht beruhende marktordnungsrechtliche Produktionsabgabe zu zahlen hatte. Die der Abgabenerhebung zugrundeliegende unionsrechtliche Verordnung zur Festsetzung der Produktionsabgaben im Zuckersektor wurde später vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) für nichtig erklärt, weil die Methode der Abgabenberechnung zu einer überhöhten Belastung der Zuckererzeuger geführt hat. Der Rat der EU trug diesem EuGH-Urteil Rechnung und erließ eine neue Verordnung, die zu einer für die Klägerin geringeren Produktionsabgabe führte.

Das beklagte Hauptzollamt erstattete daraufhin der Klägerin den zu viel entrichteten Abgabenbetrag und berechnete ab Rechtshängigkeit, d.h. ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung, Zinsen auf diesen Erstattungsbetrag. Die Klägerin verlangte hingegen, Zinsen bereits von dem Tag an zu berechnen, an dem sie die Produktionsabgabe entrichtet hatte.

Das im Streitfall hinsichtlich der Frage der Verzinsung anzuwendende nationale Recht, nämlich die Abgabenordnung, sieht für den Fall, dass Abgaben aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zu erstatten sind, vor, dass der Erstattungsbetrag vom Tag der Rechtshängigkeit an zu verzinsen ist. Allerdings hat der EuGH in einem Urteil vom 18. April 2013 entschieden, das nationale Recht dürfe nicht dazu führen, dass dem Abgabepflichtigen eine angemessene Entschädigung für diejenigen Einbußen vorenthalten werde, die er durch eine zu Unrecht gezahlte unionsrechtliche Abgabe erlitten habe. Zinsen auf Erstattungsbeträge müssten deshalb für den Zeitraum berechnet werden, in welchem die Mittel dem Abgabepflichtigen nicht zur Verfügung gestanden hätten.

 

Der BFH hat keinen Grund gesehen, im Streitfall von dieser EuGH-Rechtsprechung abzuweichen. Für den Fall, dass die Finanzbehörden aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung Abgaben zu erstatten haben, wird daher für die Berechnung der Zinsen auf den Erstattungsbetrag künftig zwischen unionsrechtlichen und nationalen Abgaben zu unterscheiden sein.

 

Strafprozesskosten nach Verkehrsunfall auf Dienstreise sind steuerlich nicht absetzbar

Strafprozesskosten nach Verkehrsunfall auf Dienstreise sind weder als Werbungskosten noch als außergewühnliche Belastungen steuerlich absetzbar.

zu FG Rheinland-Pfalz , Urteil vom 22.01.2016 – 4 K 1572/14

Begründung:

Die Kosten eines Strafprozesses wegen einer vorsätzlichen Straftat, die auf einem Verkehrsunfall beruht, sind auch dann nicht steuerlich absetzbar, wenn sich der Unfall bei einer Dienstreise ereignet hat. Die Prozesskosten seien weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Das Gericht führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass die Strafverteidigerkosten seien nicht als Werbungskosten bei den Arbeitseinkünften des Klägers abzugsfähig. Ein Werbungskostenabzug komme nicht in Betracht, weil die Kosten in erster Linie durch die Straftat und die rücksichtslose Verkehrsgesinnung des Klägers verursacht worden seien. Sie seien deshalb nicht der beruflichen Sphäre zuzuordnen und insbesondere nicht mit “Unfallkosten” vergleichbar, die unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich abzugsfähig seien (zum Beispiel Reparaturkosten).

Dies gilt auch für den Abzug dieser Kosten als außergewöhnliche Belastung. Eine außergewöhnliche Belastung liege nur dann vor, wenn es sich um zwangsläufige, unausweichliche Aufwendungen handle. Eine vorsätzliche Straftat sei nicht unausweichlich.

Führt die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit

Führt die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, die der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Steuerberatungs-GmbH gegenüber einem Mandanten der GmbH übernommen hatte, zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.

FG Münster, Urteil vom 15.10.2015. 3 K 472/14 E

Begründung:

Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt wurden (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2011 VI R 97/10, BStBl. II 2012, 343 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Nicht abzugsfähig sind privat veranlasste Aufwendungen.

Privat veranlasste Aufwendungen liegen im Streifall nicht vor. Der Senat kann unter Berücksichtigung der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen des Klägers nicht feststellen, dass zwischen dem Kläger und seinem Mandanten ein verwandtschaftliches oder freundschaftliches Näheverhältnis bestand, aufgrund dessen der Kläger sich zur Übernahme der Bürgschaft bereit erklärt hat. Vielmehr sind dem Kläger die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Mandatsbearbeitung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater entstanden. Allein die Tatsache, dass sich die Bürgschaftsübernahme letztlich als wirtschaftliche Fehlentscheidung erwiesen hat und der Kläger tatsächlich in Anspruch genommen wurde, führt nicht dazu, dass die Aufwendungen dem nicht einkunftsrelevanten Bereich zuzuordnen wären.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Sie sind der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu anderen Einkünften verdrängt. Ist der Geschäftsführer einer GmbH in einem nicht nur unbedeutenden Umfang an der Gesellschaft beteiligt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (vgl. BFH, Urteile vom 26.11.1993 VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242; vom 05.10.2004 VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54; vom 25.11.2010 VI R 34/08, BStBl. II 2012, 24;vom 16.11.2011 VI R 97/10, BStBl. II 2012, 343, jeweils mit weiteren Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind sämtlich zu Fallgestaltungen entwickelt worden, in denen ein Gesellschafter – Geschäftsführer bzw. ein Geschäftsführer mit dem Bestreben, als Gesellschafter aufgenommen zu werden, „ihrer“ GmbH eine finanzielle Stützungsmaßnahme (Darlehn, Bürgschaft, verlorener Zuschuss) gewährt haben. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein fremder, nicht durch eine Beteiligung mit der Gesellschaft verbundener Arbeitnehmer im Regelfall weniger bereit sein wird, das Risiko einer derartigen Maßnahme einzugehen, als ein an der Gesellschaft beteiligter Arbeitnehmer, der auch Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft nehmen kann (vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1993 VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242).

Der vorliegend zu entscheidende Fall unterscheidet sich maßgeblich von diesen Konstellationen, da hier der Kläger nicht „seiner“ Gesellschaft eine finanzielle Stützungsmaßnahme gewährt, sondern die Bürgschaft für einen von ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Steuerberater betreuten Mandanten übernommen hat. Trotz der Stellung des Klägers als nicht nur gering beteiligter Gesellschafter der SteuerberatungsGmbH liegt insofern eine Verbindung der Bürgschaftsübernahme mit der Gesellschaftsbeteiligung nicht auf der Hand wie bei einer Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft selbst. Aufgrund dieser anders gelagerten Konstellation im vorliegenden Fall scheidet deshalb nach Auffassung des Senats der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beschriebene Regelfall der Zuordnung der Aufwendungen zum Gesellschaftsverhältnis und damit zu etwaigen Einkünften gem. § 17 EStG aus.

Es ist zwar zutreffend, dass mit der Stützung eines Mandanten auch die Gesellschaft gestützt wird, indem das Mandat und der damit zusammenhängende Umsatz auf weitere Zeit oder sogar auf Dauer erhalten bleiben. Dies führt aber letztlich nur zu einem mittelbaren Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Gesellschafter, insbesondere, weil es sich nicht um ein Mandat gehandelt hat, von dem der wirtschaftliche Bestand der Gesellschaft und damit die Gesellschafterstellung des Klägers abhängig bzw. betroffen gewesen wäre. Unmittelbar und deshalb vorrangig ist dagegen der Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers. Denn die Aufwendungen sind durch die berufliche Beratungstätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem konkreten Mandat entstanden. Sie sind deshalb der beruflichen Sphäre des Klägers zuzuordnen. Darüber hinaus hat der Kläger auch einen direkten Einfluss der Aufwendungen auf die von ihm erzielten Einnahmen dargelegt. Denn ein Ausfall der Honorarforderung wäre zu Lasten der von ihm als Teil seines Arbeitslohns bezogenen Tantieme gegangen. Das ergibt sich aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung.

Soweit der Beklagte meint, die Bürgschaftsübernahme zugunsten eines Mandanten sei deshalb dem gesellschaftsrechtlichen Bereich und damit den Einkünften gem. § 17 EStG zuzuordnen, weil ein angestellter Steuerberater eine derartige Bürgschaft üblicherweise nicht übernehme, teilt der Senat diese Sichtweise nicht. Denn derartige Bürgschaftsübernahmen gehören -wenn auch nicht als Regelfall, jedoch in diversen Einzelfällen- zur Mandatsbetreuung im Rahmen einer umfassenden steuerrechtlichen und wirtschaftsberatenden Tätigkeit. So hat auch der Kläger auf einen weiteren Fall eines Kollegen hingewiesen. Im Übrigen meint der Senat, dass für einen etwaigen Fremdvergleich auch nicht zwingend auf den Fall eines angestellten Steuerberaters zurückzugreifen ist. Denn die Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, in der die Gesellschafter ihre steuerberatende Tätigkeit als angestellte Geschäftsführer ausüben, ist nach Auffassung des Senats das Pendant zur Freiberufler-Sozietät, deren Gesellschafter infolge ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater Einkünfte gem. § 18 EStG erzielen. In dieser Konstellation würde die Inanspruchnahme aus einer zugunsten eines Mandanten übernommenen Bürgschaft zu Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 4 EStG führen und nicht die Vermögensebene betreffen.