AfA auf Mietereinbauten nach Maßgabe der Laufzeit eines Pachtvertrages

Herstellungskosten für ein Gebäude können mit den für dieses Gebäude maßgebenden AfA-Sätzen und nicht nach der mutmaßlichen kürzeren Dauer des Pachtverhältnisses abgesetzt werden.

Mietereinbauten sind am Ende der Pachtdauer nicht wirtschaftlich verbraucht, wenn der Verpächter ihren Zeitwert zu vergüten hat.

BFH Beschluss vom 19.06.2015- IIIB 2/14 BFH/NV 2015, 1385

Sachverhalt:

Die Tochter der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb im Jahr 2001 ein mit einem sanierungsbedürftigen Gutshaus bebautes Grundstück, das sie im November 2002 an die Klägerin verpachtete. Der Pachtvertrag begann im November 2002 und sollte mit Ablauf des 31. Dezember 2014 enden. Alle Pächtereinbauten sollten mit Vertragsablauf entschädigungslos auf die Verpächterin übergehen.

Begründung:

Der BFH hat entschieden, dass Herstellungskosten für ein Gebäude mit den für dieses Gebäude maßgebenden AfA-Sätzen und nicht nach der mutmaßlichen kürzeren Dauer des Pachtverhältnisses abgesetzt werden können, da § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ausdrücklich auf die (voraussichtliche) tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes und nicht auf eine davon ggf. abweichende kürzere Dauer des Miet- oder Pachtverhältnisses abstelle. Kommt es auf die Pachtdauer aber nicht an, so ist unerheblich, ob sie aufgrund einer Option vom Pächter verlängert werden könnte.

Ein Steuerpflichtiger kann sich gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG zudem auf eine die technische Nutzungsdauer unterschreitende wirtschaftliche Nutzungsdauer nur berufen, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist. Daran würde es im Streitfall schon deshalb fehlen, weil die Verpächterin nach der Vertragsänderung den Zeitwert der Mietereinbauten zu vergüten hat, denn die Erzielung eines erheblichen Veräußerungserlöses steht einem wirtschaftlichen Verbrauch entgegen.

Das den Umbau einer Bäckerei zu einem Antiquitätengeschäft hat eine technische Nutzungsdauer von 20 Jahren angenommen, weil es sich im Wesentlichen nicht um langlebigere Bestandteile, sondern um Kosten technischer Einrichtungen wie Heizungsleitungen, Heizungskessel und Elektroinstallation sowie die Holzfenster und Fußboden gehandelt habe, und weiter ausgeführt, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer nicht weniger als 20 Jahre betrage, weil der Mietvertrag eine Mindestmietdauer von zehn Jahren und eine Verlängerungsoption um jeweils ein Jahr vorsehe, wenn keine vorherige Kündigung erfolge.

Betriebsaufspaltung mit einer vermögensverwaltenden GmbH

Durch die entgeltliche Überlassung eines Grundstücks an eine GmbH wird bei gegebener personeller Verflechtung eine (unechte) Betriebsaufspaltung begründet, auch wenn sich die Geschäftstätigkeit der GmbH auf die Vermietung des Grundstücks beschränkt.

Die Begründung einer unechten Betriebsaufspaltung mit einer vermögensverwaltenden GmbH stellt keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar.

BFH Urteil vom 18.06.2015 – IV R 11/13, BFH/NV 2015, 1398

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Grundstücksgemeinschaft in der Rechtsform einer GbR, ist Eigentümerin des mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstücks in X (im Weiteren Grundstück). An dem Gesellschaftsvermögen der Klägerin sind AB mit 80 % und CB mit 20 % beteiligt. Bis einschließlich 1998 erzielte und erklärte die Klägerin aus der Grundstücksvermietung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Ab dem 1. Januar 1999 verpachtete die Klägerin das Grundstück an die Y GmbH, die in die bereits bestehenden Miet- und Pachtverträge eintrat. Am Stammkapital der Y GmbH sind AB mit 90 % und CB mit 10 % beteiligt

Begründung:

Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung verneint Anhand der bisher getroffenen Feststellungen kann aber nicht abschließend beurteilt werden, in welcher Höhe für die Klägerin in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb und vortragsfähige Gewerbeverluste festzustellen sind.

Die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung –sachliche und personelle Verflechtung  und damit eines gewerblichen Besitzunternehmens i.S. von § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) liegen im Streitfall vor. Das ist vorliegend für die personelle Verflechtung von Betriebs- und Besitzunternehmen unter Heranziehung der Personengruppentheorie unstreitig, gilt aber auch für die sachliche Verflechtung. Das an die Y GmbH zur Weiterverpachtung/-vermietung verpachtete Grundstück stellt nach den für die Betriebsaufspaltung geltenden Grundsätzen entgegen der Auffassung des FG eine wesentliche Grundlage für den Betrieb der Y GmbH dar.

Ein der Betriebsgesellschaft überlassenes und von dieser genutztes Grundstück stellt nach der neueren Rechtsprechung des BFH eine wesentliche Betriebsgrundlage dar, wenn das Grundstück für die Betriebsgesellschaft wirtschaftlich von nicht nur geringer Bedeutung ist. So verhält es sich, wenn der Betrieb auf das Grundstück angewiesen ist, weil er ohne ein Grundstück dieser Art nicht fortgeführt werden könnte. Eine besondere Gestaltung für den jeweiligen Unternehmenszweck der Betriebsgesellschaft (branchenspezifische Herrichtung und Ausgestaltung) ist nicht erforderlich; notwendig ist allein, dass das Grundstück die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Betriebsgesellschaft bildet und es dieser ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Die Zuordnung eines Grundstücks zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen scheitert auch nicht daran, dass das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Objekt kaufen oder mieten kann.

Da die sachliche Verflechtung bereits bei der Überlassung (nur) einer wesentlichen Betriebsgrundlage zu bejahen, kann ein Betriebsunternehmen mit mehreren Besitzunternehmen, die der Betriebsgesellschaft ihrerseits wesentliche Betriebsgrundlagen überlassen, jeweils weitere Betriebsaufspaltungen begründen. Weiterhin ist das wirtschaftliche Gewicht eines überlassenen Grundstücks im Falle der gleichartigen Nutzung weiterer Fremdgrundstücke durch die Betriebsgesellschaft nicht ausschließlich nach dem Verhältnis der Nutzflächen oder nach den einzelnen auf und mit den Grundstücken erzielten Umsätzen und Gewinnen zu bestimmen.

Nach diesen Grundsätzen stellt das von der Klägerin der Y GmbH überlassene Grundstück eine wesentliche, die sachliche Verflechtung begründende Betriebsgrundlage bei der Y GmbH dar. Anders als das FG meint, sind die von der Rechtsprechung bei einem Filialunternehmen angewandten Grundsätze auch auf das hier zu beurteilende Vermietungsunternehmen zu übertragen. Ebenso wie bei einem Filialunternehmen eröffnet die vorliegende Betriebsstruktur, die Anmietung/-pachtung und Weitervermietung/-verpachtung einer Vielzahl von Grundstücken, die Möglichkeit, das unternehmerische Risiko objektübergreifend zu diversifizieren. Dabei ist ausschließlich auf die Sicht des Betriebsunternehmens, hier der Y GmbH, abzustellen. Entgegen der Auffassung des FG kommt es nicht darauf an, dass mit der Überlassung der Grundstücke durch die 23 Grundstücksgesellschaften Rationalisierungseffekte nicht eingetreten sind, weil sich die Y GmbH bezüglich der Verwaltung aller Grundstücke, ebenso wie zuvor die Klägerin und die anderen Grundstücksgesellschaften, der Z GmbH bedient hat. Aus der insoweit allein maßgeblichen Sicht der Y GmbH wird durch die vorliegende Betriebsstruktur ihr unternehmerisches Risiko, welches insbesondere in drohenden Mietausfällen bei Zahlungsunfähigkeit der Mieter/Pächter oder längeren Leerstandszeiten der verschiedenen Miet-/Pachtobjekte besteht, durch die Vielzahl der von ihr für die Weitervermietung/-verpachtung angemieteten Grundstücke diversifiziert. Anders als das FA meint, dient deshalb grundsätzlich jedes der Y GmbH überlassene Grundstück deren unternehmerischer Tätigkeit. Die überlassenen Grundstücke werden auch eigenbetrieblich von der Y GmbH genutzt. Denn Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit der Y GmbH ist gerade die Vermietung und Verpachtung eben dieser Grundstücke. Die Anmietung der Grundstücke durch die Y GmbH ist daher die notwendige Grundlage ihrer unternehmerischen Tätigkeit.

Auch der Umstand, dass die Vermietung und Verpachtung der Grundstücke nur kraft Rechtsform gemäß § 8 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) als gewerbliche Tätigkeit der Y GmbH zu qualifizieren ist, steht der Beurteilung der Grundstücke als wesentliche Betriebsgrundlage im Rahmen einer Betriebsaufspaltung nicht entgegen. Der Senat vermag dem Einwand des FA nicht zu folgen, dass das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung keine Anwendung finden könne, wenn die Betriebsgesellschaft eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit ausübe und die Begründung der gewerblichen Tätigkeit ausschließlich gemäß § 8 Abs. 2 KStG kraft Rechtsform erfolge. Die Rechtsfigur der Betriebsaufspaltung ist von der Rechtsprechung zunächst entwickelt worden, um das Gewerbesteueraufkommen unabhängig davon sicherzustellen, ob die Person oder Personengruppe ihre dem Grunde nach einheitliche gewerbliche Betätigung in Gestalt eines oder mehrerer Unternehmen ausübt. Als Gewerbebetrieb wird die bei isolierter Beurteilung nur vermögensverwaltende Tätigkeit des Besitzunternehmens nur deshalb eingestuft, weil die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, weshalb auch die Tätigkeit des Besitzunternehmens (über das Betriebsunternehmen) auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung gerichtet ist.

Dies hat zugleich zur Folge, dass die dem Betriebsunternehmen überlassenen Wirtschaftsgüter zum notwendigen Betriebsvermögen des Besitzunternehmens gehören und die in diesen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven (weiterhin) steuerverhaftet sind. Ist die Grundstücksvermietung einer Kapitalgesellschaft aber kraft Rechtsform stets eine gewerbliche Tätigkeit, kann nichts anderes gelten, wenn sich, wie im Streitfall, die hinter der Grundstücksgesellschaft stehenden Gesellschafter durch die Nutzungsüberlassung der Grundstücke an die Kapitalgesellschaft deren besonderer gesellschaftsrechtlicher Risikostruktur bedienen und über die Kapitalgesellschaft ihre unternehmerische Tätigkeit ausüben

Die Feststellungen des FG lassen nicht den Schluss zu, dass die gewählte Vertragsgestaltung als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO zu beurteilen sein könnte. Die Ausführungen des FG, es dränge sich der Verdacht auf, dass die Y GmbH nur zu dem Zweck zwischengeschaltet worden sei, um eine steuerlich besonders günstige Gestaltung erreichen zu können, sind nicht geeignet, einen Missbrauchsvorwurf i.S. des § 42 AO zu begründen. Denn es bleibt einem Steuerpflichtigen grundsätzlich unbenommen, das angestrebte wirtschaftliche Ergebnis, hier die Minderung des Haftungsrisikos durch Einschaltung einer GmbH, durch entsprechende zivilrechtliche Vereinbarungen möglichst steueroptimierend zu gestalten.

Keine Tarifbegünstigung bei Teilzahlung

Erfolgt die Auszahlung einer Gesamtabfindung in mehreren Veranlagungszeiträumen in etwa drei gleich großen Teilbeträgen, kommt eine Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG nicht in Betracht. Dies gilt unabhängig davon, dass die Ratenzahlung durch die Insolvenz der Arbeitgeberin verursacht ist.

BFH Urtei vom 14.04.2015 – IX R 29/14

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war bei der A-OHG nichtselbständig beschäftigt. Mit Aufhebungsvertrag vom 22. August 2006 wurde das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2006 wegen dringender betrieblicher Gründe aufgelöst und eine Ende Januar 2007 fällige Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 158.500 EUR vereinbart. Nachdem vor Auszahlung der Abfindung über das Vermögen der A-OHG im Januar 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, meldete der Kläger diese Forderung neben weiteren Ansprüchen gegenüber seiner früheren Arbeitgeberin zur Tabelle an. Die Abfindungsforderung wurde vom Insolvenzverwalter in vollem Umfang anerkannt. Am 15. April 2009 erhielt der Kläger einen Teilbetrag von 55.474 EUR (34.272,80 EUR netto). Ein weiterer Teilbetrag von 50.264,24 EUR wurde in 2011 ausbezahlt.

Begründung:

Zu Recht hat das FG entschieden, dass die dem Kläger im Streitjahr zugeflossene Teilabfindung nicht nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern ist. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der BFH in solchen Fällen für geboten, in denen –neben der Hauptentschädigungsleistung– in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Soziale Fürsorge ist dabei allgemein im Sinne der Fürsorge des Arbeitgebers für seinen früheren Arbeitnehmer zu verstehen. Ob der Arbeitgeber zu der Fürsorge arbeitsrechtlich verpflichtet ist, ist unerheblich. Derartige ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als einer zusammengeballten Entschädigung. Diese Auslegung leitet der BFH aus einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab.

Der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum ist nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Nach seinem Zweck ist § 34 Abs. 1 EStG trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen auch dann anwendbar, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird. Wollte man in derartigen Fällen an einem ausnahmslosen Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum festhalten, so würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt.

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall von einer einheitlichen, nicht gemäß § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernden Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes des Klägers auszugehen. Zweck der Tarifbegünstigung des § 34 EStG ist es, eine für den Steuerpflichtigen außergewöhnliche Progressionsbelastung auszugleichen. Schon an einer solchen fehlt es im Streitfall. Es geht hier nicht darum, veranlagungszeitraumübergreifend eine gleichmäßige progressive Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu verwirklichen.

Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG knüpft an die Progressionsbelastung durch zugeflossene Einnahmen an, nicht etwa an einen geplanten oder vereinbarten Zufluss. Bei einem Zufluss in mehreren Veranlagungszeiträumen entgegen einer eindeutigen Vereinbarung kommt im Rahmen von § 163 AO eine Rückbeziehung der späteren Teilleistung in den Veranlagungszeitraum in Betracht, in dem die –grundsätzlich begünstigte– Hauptentschädigungsleistung zugeflossen ist (so das BMF, a.a.O.). Typischer Fall hierfür ist die Korrektur einer versehentlich zu niedrigen Auszahlung durch Nachzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum. Demgegenüber fehlt es im Streitfall schon an der Hauptleistung, da zwei (ggf. drei) in etwa gleich hohe Teilzahlungen vorliegen.

 

Die Insolvenz der Arbeitgeberin ist zwar ursächlich dafür, dass der Kläger seine Abfindung nicht in einem Betrag erhalten hat. Dies hat aber gleichzeitig dazu geführt, dass es einer Progressionsentlastung nicht bedarf. Dass der Insolvenzverwalter, sobald es ihm möglich war, sozial motiviert, die erste Teilzahlung geleistet hat, macht den Streitfall nicht den Fallgestaltungen von aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit gewährter Entschädigungszusatzleistungen vergleichbar. Denn es geht im Streitfall nicht um ergänzende Zusatzleistungen zur Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, sondern um eine –wenn auch sozial motivierte– Aufteilung dieser Entschädigung.

Gewöhnlicher Aufenthalt während mehrerer aufeinanderfolgender Entsendungen

Ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten i.S. des § 9 Satz 2 AO kann auch dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer während dieses Zeitraums mehrfach aufeinanderfolgend in das Inland entsandt wird, sofern objektive Umstände vorliegen, die für einen solchen Zusammenhang und eine Fortdauer des Anlasses sprechen.

BFH Beschluss vom 19.06.2015 – III B 143/14, BFH/NV 2015, 1386

Sachverhalt:

Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Seine Ehefrau und die beiden im Dezember 1989 und August 1994 geborenen Söhne leben am gemeinsamen Familienwohnsitz in Polen. Der ältere Sohn befand sich im streitigen Zeitraum April und Mai 2009 in einer Berufsausbildung.

Der Kläger stand in einem Arbeitsverhältnis zu einer polnischen Firma, das ab 1. März 2002 zunächst auf sechs Monate befristet, anschließend unbefristet und vom 18. September 2009 bis 17. September 2011 erneut befristet war. Von seiner Arbeitgeberin wurde der Kläger vom 1. Juni 2004 bis 20. März 2009, 1. Juni 2009 bis 31. März 2011, 1. Juni 2011 bis 31. März 2013 und 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2015 zu jeweils demselben Betrieb in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) entsandt. Er wohnte während dieser Zeiten in einer Sammelunterkunft, die während der Unterbrechungszeiten anderen Arbeitnehmern zur Verfügung stand. Sozialversichert war der Kläger dabei weiterhin in Polen. Im Jahr 2009 bezog der Kläger bis einschließlich März und wieder ab Juni Gehalt. Auf der Lohnsteuerbescheinigung bescheinigte der Arbeitgeber ein ganzjähriges Arbeitsverhältnis. Der Bruttoarbeitslohn 2009 betrug 24.892,16 EUR. Das zuständige Finanzamt in Deutschland veranlagte den Kläger für 2009 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer. Das Kindergeld wurde nicht ganzjährig gewährt.

Begründung:

Die Familienkasse hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob eine kurzfristige und damit unbeachtliche Unterbrechung des gewöhnlichen Aufenthalts vorliegt, wenn ein Arbeitnehmer kurze Zeit nach Beendigung seiner Entsendung ins Inland erneut hierhin entsendet wird.

Nach § 9 Satz 1 AO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist dabei stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt (§ 9 Satz 2 AO). Nach dem vom FG und der Familienkasse in Bezug genommenen BFH-Urteil  ist ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten i.S. des § 9 Satz 2 AO dann gegeben, wenn der Aufenthalt über diese Zeitspanne hinaus erfolgt; kurzfristige Unterbrechungen werden bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Der „äußerlich erkennbare Zusammenhang” dieses Aufenthalts ist nicht durch eine konkrete und in ihrem Maß an der Sechsmonats-Grenze orientierte Zeitgrenze für die (unschädliche) Abwesenheit zu ergänzen. Vielmehr ist eine einzelfallbezogene zeitliche Gewichtung der kurzfristigen Unterbrechung unter Berücksichtigung der Dauer des Gesamtaufenthalts maßgebend.

Aus den Ausführungen der Familienkasse wird nicht deutlich, weshalb der äußerlich erkennbare Zusammenhang eines Aufenthalts im Falle aufeinanderfolgender Entsendungen –in Abweichung von diesen Grundsätzen– nicht unter einzelfallbezogener zeitlicher Gewichtung der Gesamtaufenthaltsdauer auf der einen und der Unterbrechungsdauer auf der anderen Seite beurteilt werden soll. Vielmehr stellt die Familienkasse lediglich einerseits die Behauptung auf, dass eine Entsendung immer nur vorübergehenden Charakter habe, während sie andererseits Unterbrechungsgründe (z.B. Urlaub, Abbau von Überstunden) darlegt, die eher gegen einen vorübergehenden Aufenthalt sprechen. Ein weiterer Klärungsbedarf lässt sich auch nicht aus dem Argument ableiten, dass durch eine dem Verständnis der Familienkasse widersprechende Auslegung des § 9 Satz 2 AO eine Umgehung der Sozialversicherungspflicht gefördert werde. Insoweit wird aus dem Vortrag der Familienkasse nicht deutlich, weshalb es Aufgabe des einkommensteuerrechtlichen Kindergeldrechts sein sollte, auf solche Gestaltungen zu reagieren, obwohl das Sozialversicherungsrecht dies offenbar nicht tut.

Im Übrigen hat der BFH indirekt bestätigt, dass auch mehrere aufeinanderfolgende Entsendungszeiträume einen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt i.S. des § 9 Satz 2 AO bilden können, sofern objektive Umstände festgestellt werden, die für einen solchen Zusammenhang und eine Fortdauer des Anlasses sprechen

 

Fahrtkosten eines Selbständigen zur Betriebsstätte eines Kunden

Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der Ort, an dem ein selbständig Tätiger seine Leistungen gegenüber den Kunden erbringt; eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung ist dafür – anders als bei § 12 AO – nicht erforderlich.

Der Arbeitsplatz eines Gewerbetreibenden oder sonstigen Selbständigen ist keine Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, wenn er einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bildet. Dies trifft auch dann zu, wenn sich die zu Wohnzwecken und die betrieblich genutzten Räume in einem ausschließlich vom Steuerpflichtigen genutzten Zweifamilienhaus befinden und zwischen ihnen keine der Allgemeinheit zugängliche oder von fremden Dritten benutzte Verkehrsfläche liegt.

BFH Urteil vom 13.05.2015 – III R 59/13, BFH/NV 2015, 1365

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt als Unternehmensberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–), die er durch Einnahmen-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) ermittelt. Im Streitjahr 1999 war er wie bereits in den Vorjahren ausschließlich bei der X AG in A tätig. Er war dort im Jahr 1997 an 223 Tagen, 1998 an 228 Tagen und im Streitjahr an 205 Tagen mit der Einführung von EDV-Programmen befasst und arbeitete im Auftrag der Y GmbH (im Folgenden: GmbH), deren alleinige Gesellschafterin seine Ehefrau ist.

Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer des von ihnen bewohnten Zweifamilienhauses in B. Die ca. 98 qm große Dachgeschosswohnung besteht aus drei Räumen, Küche und Bad und wird sowohl von der GmbH als auch vom Kläger genutzt. Die Möblierung des ca. 50 qm großen Raumes besteht aus einem Schreibtisch, Computer, Schränken, Regalen, einer Polstergruppe mit drei Sesseln sowie einem Tisch mit Stühlen. Der 13 qm große Raum enthält ein Bett und Schränke, der ca. 15 qm große Raum ein Doppelbett und einen Schrank. Für die Wohnung bestand bis Ende 1998 –zunächst mit dem Kläger, danach mit der GmbH– ein Mietvertrag. Im Streitjahr wurde keine Miete mehr entrichtet. Der Kläger beschäftigte im Streitjahr seine Schwägerin als Hilfskraft. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte nicht; die Schwägerin wurde nach geleisteten Arbeitsstunden entlohnt.

Begründung:

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Betriebsausgaben des Klägers für die Fahrten zwischen seiner Wohnung in B und dem 92 km entfernten Tätigkeitsort A nur beschränkt abgezogen werden können.

Aufwendungen für Fahrten des Steuerpflichtigen zwischen Wohnung und Betriebsstätte dürfen den Gewinn gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 % des inländischen Listenpreises i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG des Kfz im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 oder Absatz 2 EStG ergebenden Betrag (sog. Entfernungspauschale) nicht mindern; ermittelt der Steuerpflichtige die private Nutzung des Kfz nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG (Fahrtenbuchmethode), so treten an die Stelle des mit 0,03 % des inländischen Listenpreises je Entfernungskilometer ermittelten Betrags für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte die auf diese Fahrten entfallenden tatsächlichen Aufwendungen.

Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der Ort, an dem ein selbständig Tätiger seine Leistung gegenüber den Kunden erbringt. Der Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist somit weiter als der in § 12 der Abgabenordnung (AO), der eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen über die von ihm genutzte Einrichtung voraussetzt. Danach sind z.B. Unterrichtsräume in öffentlichen Schulen und Kindergärten, in denen ein selbständiger Lehrer seine Leistungen gegenüber Kunden erbringt, Betriebsstätten i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG. An dieser Definition der Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist ungeachtet der neueren Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zu dem in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG (i.d.F. bis 2013) verwendeten Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte festzuhalten, denn das vom VI. Senat für Zwecke der Besteuerung von Arbeitnehmern entwickelte Differenzierungskriterium, ob deren Arbeitgeber bei dem Kunden, in dessen Räumen der Arbeitnehmer tätig sei, eine eigene Betriebsstätte unterhalte oder nicht, kann auf die Gewinneinkünfte nicht übertragen werden.

Die vom Kläger –wie bereits in den Vorjahren– an fast allen Arbeitstagen aufgesuchten Räume des Kunden in A waren mithin Betriebsstätte i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG, ohne dass es z.B. darauf ankäme, ob dem Kläger dort ein eigener Raum zugewiesen war und er diesen aus eigenem Recht nutzte.

Aus der mit der Begrenzung des Fahrtkostenabzugs in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angestrebten Gleichbehandlung des Betriebsausgabenabzugs von Selbständigen mit dem entsprechenden Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern folgt, dass die für Arbeitnehmer geltenden Ausnahmen von den Abzugsbeschränkungen der Fahrtkosten bei gleich liegenden Sachverhalten grundsätzlich auf selbständig Tätige zu übertragen sind. Der Senat hat daher die Fahrten einer selbständigen Musiklehrerin nicht der Abzugsbegrenzung unterworfen, weil sie an mehreren Schulen unterrichtete und dies der Situation eines Arbeitnehmers mit ständig wechselnden Tätigkeitsstätten entsprach, bei dem keiner dieser Stätten eine hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommt. Eine derartige Ausnahmesituation ist beim Kläger, der stets in denselben Räumen tätig wurde, jedoch nicht gegeben.

Kindergeldanspruch bei dualer Ausbildung

Setzt sich ein Kind nach dem erfolgreichen Abschluss einer in das Grundstudium an einer Hochschule integrierten Berufsausbildung, die für den seit Beginn des Studiums angestrebten Abschluss zum „Bachelor” notwendig ist, sein parallel zur Ausbildung betriebenes Bachelorstudium planmäßig nahtlos fort, ist auch das Studium bis zum „Bachelor” noch Teil der Erstausbildung des Kindes.

BFH Urteil vom 16.06.2015 – XI R 1/14

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) für seine am …. August 1990 geborene Tochter A im Streitzeitraum (Januar bis März 2012) noch Kindergeld zusteht, obwohl A bereits im Mai 2011 eine Berufsausbildung zur Fachinformatikerin erfolgreich beendet hat.

Begründung:

Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass A im Streitzeitraum Januar bis März 2012 als Kind des Klägers nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen ist, weil sie das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte und für einen Beruf ausgebildet wurde.

Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des AmtshilfeRLUmsG, der rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist und den das FG seinem Urteil zugrunde gelegt hat, wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.

Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führen soll oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach der systematischen Stellung, dem Zweck der Vorschrift und der Funktion des Familienleistungsausgleichs darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs. Auch im Rahmen der durch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG erfolgten Abgrenzung zwischen der steuerrechtlich zu berücksichtigenden Unterhaltsverantwortung der Eltern für „eine” Ausbildung des Kindes und der Verantwortung des Kindes für die eigene Unterhaltssicherung darf bei mehraktigen Ausbildungen das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel nicht außer Betracht gelassen werden.

Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Abzustellen ist dabei darauf, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

Gründung einer Betriebsstätte ohne Verfügungsrecht über die Räumlichkeiten

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann eine Betriebsstätte auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten begründet werden; Letzteres gilt insbesondere dann, wenn die in Frage stehenden Gesellschaften von den nämlichen Personen geführt werden (Identität der Leitungsorgane).

BFH Beschluss vom 08.06.2015 – IB 3/14, BFH /NV 2015, 1553

Sachverhalt:

Für die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) –eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (A-B.V.), die Urlaubsreisen in Europa veranstaltet und vertreibt– wurde im November 2003 im Handelsregister des Amtsgerichts in X eine Zweigniederlassung unter der Firma „… (A-B.V.)” eingetragen und zum Niederlassungsleiter F bestellt. Die Klägerin unterhielt in X keine Geschäftsräume und beschäftigte auch kein eigenes Personal. Die Führung der Zweigniederlassung wurde auf der Grundlage eines Kooperationsvertrags der A-GmbH übertragen, deren Geschäftsführer gleichfalls F war. Nach dem Kooperationsvertrag, der die Rechte und Pflichten der Beteiligten sowie die Planungsvorgaben der Klägerin im Einzelnen regelte, wurde die A-GmbH auf Kosten und im Namen der Klägerin tätig und mit der treuhänderischen Verwaltung des Bankkontos der Klägerin beauftragt.

Begründung:

Der Vortrag, der Frage, welche „Anforderungen an die Begründung einer Betriebsstätte unter Berücksichtigung einer Verfügungsmacht über fremde Räumlichkeiten” zu stellen sind, komme i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung zu, ist offensichtlich unschlüssig. Die Klägerin hat es nicht nur mit Rücksicht darauf, dass sie nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO in einem Revisionsverfahren bindenden Feststellungen der Vorinstanz die A-GmbH faktisch an einem Wechsel ihrer Räumlichkeiten hindern konnte, versäumt, die Entscheidungserheblichkeit ihres Vorbringens darzulegen. Hinzu kommt vor allem, dass –wie in der Beschwerdeschrift selbst ausgeführt– nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Betriebsstätte auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten begründet werden kann; Letzteres gilt insbesondere dann, wenn –wie vorliegend im Sinne einer Identität der Leitungsorgane– die in Frage stehenden Gesellschaften von den nämlichen Personen geführt werden. Demgemäß wäre es für eine schlüssige Rüge erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeschrift ausgehend von den konkreten Umständen des anhängigen Streitfalls aufzeigt, ob und mit welchen Auswirkungen für ein etwaiges Revisionsverfahren die vorgenannte Rechtsprechung zu überprüfen ist. Allgemeine Erwägungen zu deren Geltungsgrenzen oder die bloße Behauptung einer rechtlich fehlerhaften Vorentscheidung genügen dem erkennbar nicht.

Verlust einer Darlehensforderung sowie Aufwendungen zur Tilgung einer Bürgschaftsverpflichtung

Der Verlust einer Darlehensforderung sowie Aufwendungen zur Tilgung einer Bürgschaftsverpflichtung und Zahlungen auf Lieferantenverbindlichkeiten können auch dann zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn der Arbeitnehmer einer GmbH in einem Verwandtschaftsverhältnis zum alleinigen Gesellschafter steht.

BFH Urteil vom 07.05.2015 – VI R 55/14

Sachverhalt:

Streitig ist, ob Aufwendungen eines angestellten Geschäftsführers im Zusammenhang mit einer Bürgschaft und einem Darlehen sowie die Zahlung diverser Rechnungen zugunsten des Arbeitgebers einkünftemindernd zu berücksichtigen sind.

Begründung:

Die bisherigen Feststellungen des FG tragen nicht dessen Schlussfolgerung und Gesamtwürdigung, dass die Zins- und Tilgungsleistungen (einschließlich der Kosten der notariellen Zwangsvollstreckungsunterwerfung) des Klägers an die D-Bank aus der Bürgschaftsverbindlichkeit vom … November 2004, der Verlust seiner Darlehensforderung gegenüber der GmbH in Höhe von 50.000 EUR und die laufenden Zinsaufwendungen zur Refinanzierung dieses Darlehens sowie die Zahlung diverser Rechnungen der GmbH für den Wareneinkauf und die Inanspruchnahme sonstiger Dienstleistungen nicht zu Werbungskosten bei dessen Einkünften aus § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führen.

Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Diese Grundsätze gelten auch für nachträgliche Werbungskosten, die entstehen können, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses Aufwendungen im Zusammenhang mit demselben erbringen muss. In einem solchen Fall muss bereits zu dem Zeitpunkt, in dem der Grund für die Aufwendungen gelegt wird, der dargestellte berufliche Zusammenhang bestehen.

Danach können grundsätzlich auch Ausgaben zur Tilgung einer Bürgschaftsverbindlichkeit (einschließlich der damit in Zusammenhang stehenden Nebenleistungen) Werbungskosten sein. Werden sie als nachträgliche Werbungskosten geltend gemacht, muss demgemäß bereits die Übernahme der Bürgschaftsverpflichtung beruflich veranlasst gewesen sein.

Ist der Steuerpflichtige nicht nur Arbeitnehmer einer Gesellschaft, sondern auch deren Gesellschafter, kann die Übernahme einer Bürgschaft allerdings auch durch seine Gesellschafterstellung veranlasst sein. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie, sofern –wie im Streitfall– keine gesetzliche Kollisionsregelung besteht, bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Maßgebend sind insoweit die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls (im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft). Dabei ist die Höhe der Beteiligung –neben anderen Umständen nur ein wesentliches Sachverhaltselement mit Indizwirkung hinsichtlich des Veranlassungszusammenhangs.

Allerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass die Übernahme einer Bürgschaft oder anderer Sicherheiten durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer mit nicht nur unwesentlicher Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft regelmäßig weniger durch die berufliche Tätigkeit, sondern eher durch die Gesellschafterstellung veranlasst ist. Denn ein fremder, nicht mit dem Arbeitgeber durch eine Kapitalbeteiligung verbundener Arbeitnehmer wird nur in Ausnahmefällen bereit sein, zugunsten seines offenbar gefährdeten Arbeitsplatzes das Risiko einer Bürgschaft zu übernehmen. Diese Beurteilung (Regelvermutung) entspricht auch der überwiegenden Meinung in der Literatur.

Von einer durch das Arbeitsverhältnis veranlassten Bürgschaftsübernahme kann daher bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit nicht nur unwesentlicher Beteiligung nur ausnahmsweise beim Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall ausgegangen werden. Sie kann z.B. gegeben sein, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer sich im Hinblick darauf verbürgt, dass er sich in seiner spezifischen Funktion als Arbeitnehmer (Geschäftsführer) schadensersatzpflichtig gemacht hat, oder wenn er sich im Hinblick auf eine Tätigkeit als Geschäftsführer verbürgt hat, die seine Inanspruchnahme als Haftender rechtfertigen würde. Solche besonderen Umstände sind allerdings nicht nur dann anzunehmen, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer sich in seiner Funktion als Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig gemacht hat oder in dieser Funktion als Haftender in Frage kommt; es können vielmehr auch andere Gründe in Betracht kommen. Daher ist nach der Rechtsprechung des Senats auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalles abzustellen.

Von den gleichen Grundsätzen ist nach dem Urteil des Senats bei der Übernahme einer Bürgschaft durch einen Geschäftsführer einer GmbH auszugehen, der mit der GmbH nicht gesellschaftsrechtlich, sondern durch private –etwa wie im Streitfall familiäre– Beziehungen verbunden ist.

Auch der Verlust eines an den Arbeitgeber ausgereichten Arbeitnehmerdarlehens kann zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führen, wenn der Arbeitnehmer das Risiko des Darlehensverlusts aus beruflichen Gründen bewusst auf sich genommen hat. Als Indiz für solche beruflichen Gründe gilt nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats etwa der Umstand, dass ein außenstehender Dritter, insbesondere eine Bank, kein Darlehen mehr gewährt hätte und daher jedenfalls nicht die Nutzung des Geldkapitals zur Erzielung von Zinseinkünften im Vordergrund steht. Allerdings kann auch in diesen Fällen der Steuerpflichtige aus anderen, nicht im Arbeitsverhältnis liegenden Gründen das Darlehen gegeben haben, wenn er etwa mit seinem Arbeitgeber und Darlehensnehmer auch gesellschaftsrechtlich oder aufgrund privater Beziehungen verbunden und das Darlehen gesellschaftsrechtlich/privat veranlasst ist. Um in diesen Fällen entscheiden zu können, ob das Darlehen aus im Arbeitsverhältnis, aus im Gesellschaftsverhältnis liegenden oder aus privaten Gründen gewährt worden ist, ist eine Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls erforderlich. Dabei ist u.a. die Höhe der Beteiligung des Arbeitnehmers bzw. das außersteuerliche Näheverhältnis, das Verhältnis der Höhe der Lohneinkünfte im Vergleich zu den möglichen Beteiligungserträgen (Renditeentwicklungen und -erwartungen) sowie die Frage, welche Konsequenzen sich für den Arbeitnehmer hätten ergeben können (z.B. der Verlust des Arbeitsplatzes), wenn er seinem Arbeitgeber die entsprechende Finanzierungsmaßnahme nicht gewährt hätte, zu berücksichtigen. Auch ist danach zu fragen, ob ein fremder, nicht beteiligter oder nicht privat verbundener Arbeitnehmer nach Maßgabe dieser Grundsätze bereit gewesen wäre, dem Arbeitgeber ein entsprechend risikobehaftetes Darlehen auszureichen.

Nach diesen Maßstäben hält die Entscheidung des FG, die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen seien nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen, revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die bislang festgestellten Tatsachen tragen nicht die Würdigung des FG, dass der Kläger die streitigen Aufwendungen nicht aus beruflichen, sondern aus diese „überlagernden” familiären Gründen getragen hat. Mangels Spruchreife geht die Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

Kein Betriebsausgabenabzug für Steuerberatungskosten zur Erstellung der Erklärung der gesonderten und einheitlichen Feststellung

In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass Aufwendungen, die der Steuerberater für die Übertragung der Ergebnisse der Gewinnermittlung in die Vordrucke der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von steuerpflichtigen Einkünften in Rechnung stellt (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 der Steuerberatergebührenordnung – heute Steuerberatervergütungsordnung), nicht als Betriebsausgaben der Gesellschaft abgezogen werden können.

Dies gilt auch nach Abschaffung des Sonderausgabenabzugs für nicht einkünftebezogene Steuerberatungskosten nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

BFH Beschluss vom 28.05.2015 – VIII B 40/14, BFH/NV 2015, 1565

Sachverhalt:

Die beiden Gesellschafter der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) sind als Ärzte tätig. Diese Einkünfte der Klägerin aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG–) werden vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt –FA–) nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) gesondert und einheitlich festgestellt.

Begründung:

Die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob Steuerberatungskosten, die auf die Erstellung der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung entfallen, als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Inder Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass Aufwendungen, die der Steuerberater für die Übertragung der Ergebnisse der Gewinnermittlung in die Vordrucke der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von steuerpflichtigen Einkünften in Rechnung stellt (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 2 StBGebV), nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können, da es sich bei der Pflicht zur Abgabe der Gewinnfeststellungserklärung (§ 181 Abs. 2 AO) nicht um eine betriebliche Verbindlichkeit der Gesellschaft, sondern um eine private Verpflichtung der Gesellschafter handelt.

Zweck der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften ist es, die der Einkommensbesteuerung dienenden Grundlagen, die mehrere Personen betreffen, gemeinsam und mit Wirkung für und gegen alle Beteiligten bindend festzustellen. Da die Einkommensteuer keine Betriebssteuer ist und daher die Abgabe der Einkommensteuererklärung auch nicht als betriebliche Verpflichtung angesehen werden kann, muss dies auch für die Verpflichtung zur Erstellung der Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gelten. Deren Kosten sind daher –wie Steuerberatungskosten zur Erstellung der Einkommensteuererklärung (vgl. § 24 Abs. 1 Nr. 1 StBGebV)– nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.

Es ist ebenfalls geklärt, dass Steuerberatungskosten dann als Betriebsausgaben –oder Werbungskosten– abzugsfähig sind, wenn und soweit sie im Zusammenhang mit der Ermittlung der Einkünfte bzw. des Gewinns stehen. Betriebsausgaben sind Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Eine solche Veranlassung ist dann gegeben, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind

 

Vorweggenommene Werbungskosten bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts

Fallen Aufwendungen schon an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird.

Die (tatsächlich durchgeführte) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts (§ 346 Abs. 1 BGB) stellt kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Dies gilt erst recht, wenn die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird.

BFH Urteil vom 16.06.2015 – IX R 21/14, BFH/NV 2015, 1567

Sachverhalt:

Zwischen den Beteiligten ist im Revisionsverfahren noch streitig, in welcher Höhe der Kläger und Revisionskläger (Kläger) in den Jahren 2005 und 2006 vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen kann und ob der Kläger aus der Veräußerung von zwei Grundstücken „Flurstücke 1 und 2”) Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat.

Begründung:

Die Entscheidung des FG, die vom Kläger geltend gemachten Werbungskostenüberschüsse aus dem Umbau des Mehrfamilienhauses dem Grunde nach bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen, jedoch um einen der Selbstbenutzung vorbehaltenen Anteil zu kürzen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der beabsichtigten Vermietung eines (leerstehenden) Wohngrundstücks an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung später nicht aufgegeben hat. Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden.

Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Veräußerung der maßgeblichen Grundstücke die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG von zehn Jahren noch nicht abgelaufen war.  Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung von Grundstücken oder ihnen gleichgestellten Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Es handelt sich hierbei um einen sog. gestreckten Steuertatbestand, dessen Verwirklichung mit der Anschaffung des Wirtschaftsgutes beginnt und mit dessen Veräußerung endet.

Als Anschaffung und Veräußerung werden im Regelfall der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsgutes auf eine andere Person aufgefasst. Darüber hinaus können aber auch andere marktoffenbare Vorgänge als Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG zu beurteilen. Demgegenüber liegt eine Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht vor, wenn sich das ursprüngliche Anschaffungsgeschäft lediglich in ein Abwicklungsverhältnis verwandelt. Denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes stellt hierbei keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar.

Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH grundsätzlich der Zeitpunkt maßgebend, in dem der obligatorische (Kauf-)Vertrag abgeschlossen wird; allerdings kann auch schon vor Abschluss eines notariell beurkundeten Kaufvertrages wirtschaftlich der Vollzug eines Erwerbs gegeben sein. Dies setzt voraus, dass dem Erwerber bereits zu diesem früheren Zeitpunkt wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt –bei Grundstücken regelmäßig durch Übergang von Gefahr, Nutzen und Lasten– übertragen wird.

Der Kläger hat die maßgeblichen Grundstücke durch die schuldrechtlichen Vereinbarungen im Grundstückstauschvertrag und durch die Eintragung als (zivilrechtlicher) Eigentümer im Grundbuch im Jahr 1981 erworben (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches –BGB–). In steuerrechtlicher Hinsicht liegt bereits in dem Abschluss des obligatorischen Grundstückstauschvertrages eine „Anschaffung” der genannten Wirtschaftsgüter i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Mit der Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 hat sich das ursprüngliche, auf die Verschaffung des Eigentums an den Grundstücken gerichtete (und insoweit auch in vollem Umfang vollzogene) Vertragsverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis verwandelt (§ 346 Abs. 1 BGB). Der Rücktritt betrifft –in zivilrechtlicher Hinsicht– nur das schuldrechtliche Verpflichtungsverhältnis; demgegenüber bleiben zur Erfüllung schuldrechtlicher Verpflichtungen vorgenommene (dingliche) Verfügungen in Kraft und müssen durch gegenläufige Verfügungen rückabgewickelt werden. In steuerrechtlicher Hinsicht folgt hieraus, dass mit der (tatsächlich durchgeführten) Rückabwicklung eines Anschaffungsgeschäfts kein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht wird; denn die Herausgabe des zuvor angeschafften Wirtschaftsgutes ist keine Veräußerung im Sinne der genannten Vorschrift. Dies gilt erst recht, wenn –wie im Streitfall– die Rückabwicklung trotz eines titulierten Anspruchs nicht durchgeführt wird. Danach hat der Kläger die im Jahr 1981 angeschafften Grundstücke durch die Abgabe seiner Rücktrittserklärung im Jahr 1990 nicht wieder an den ursprünglichen Verkäufer (zurück-)veräußert.