Abgrenzung des Erwerbs einer Vertragsarztpraxis vom Erwerb nur des wirtschaftlichen Vorteils aus einer Vertragsarztzulassung

Wird vom Erwerber einer Vertragsarztpraxis ein Zuschlag zum Verkehrswert (Überpreis) gezahlt, spricht dies wie eine Zahlung, die sich ausschließlich am Verkehrswert orientiert, dafür, dass Gegenstand der Übertragung die Praxis des Auch in diesem Fall ist in einem durch den Kaufpreis abgegoltenen Praxiswert der Vorteil aus der Zulassung als Vertragsarzt untrennbar enthalten.

Der Erwerb einer Praxis als Chancenpaket im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 234, 286, BStBl II 2011, 875 kann auch vorliegen, wenn eine Gemeinschaftspraxis (Personengesellschaft) eine Einzelpraxis erwirbt und die Vertragsarztzulassung des Einzelpraxisinhabers vom Zulassungsausschuss einem Gesellschafter der Personengesellschaft erteilt wird. Dies kann auch dann gelten, wenn die Gemeinschaftspraxis nicht beabsichtigt, die ärztliche Tätigkeit in den bisherigen Räumen des Einzelpraxisinhabers fortzusetzen.

BFH Urteil vom 21,02.2917 VIII R 7/14

Begründung:

Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Entgegen der Würdigung des FG hat die GbR die Anschaffungskosten in Höhe von… EUR zum Erwerb der materiellen Wirtschaftsgüter der Praxis des S und eines Praxiswerts aufgewendet. Sie kann daher in den Streitjahren Betriebsausgaben in Form von AfA für diese in Anspruch nehmen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist für die Ermittlung der AfA nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG zwischen dem Erwerb des Betriebs einer Vertragsarztpraxis als Sachgesamtheit (mit sämtlichen materiellen Wirtschaftsgütern und einem Praxiswert) und dem Erwerb nur des immateriellen Wirtschaftsguts des “mit einer Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils” zu unterscheiden,

Erwirbt der Käufer eine Vertragsarztpraxis (den “Betrieb”) als einheitliches Chancenpaket, lassen sich die Anschaffungskosten –soweit sie nicht auf die erworbenen materiellen Wirtschaftsgüter zu verteilen sind– nicht in solche für den Erwerb des immateriellen Wirtschaftsguts “Praxiswert” und andere immaterielle Wirtschaftsgüter (wie den “Vorteil aus einer Vertragsarztzulassung” oder einen Patientenstamm) aufteilen. Das mit der Praxis erworbene Chancenpaket setzt sich aus den verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammen (Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe etc.) und wird –neben den einzeln bewertbaren materiellen Wirtschaftsgütern der Praxiseinrichtung– in der Regel hauptsächlich durch den als immaterielles Wirtschaftsgut abschreibbaren Praxiswert repräsentiert. In dem erworbenen immateriellen Wirtschaftsgut “Praxiswert” sind somit insbesondere der “Vorteil aus der Vertragsarztzulassung” und der Patientenstamm “mitenthalten”.

Wie beim Geschäftswert des Betriebs eines Gewerbetreibenden handelt es sich auch beim Praxiswert um einen Inbegriff einer Anzahl von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren. Eine gesonderte Bewertung des Vorteils aus der Zulassung neben oder statt des Praxiswerts kommt aus Gründen der Praktikabilität nicht in Betracht, weil ein sachlich begründbarer Aufteilungs- und Bewertungsmaßstab nicht ersichtlich ist.
Zahlt der Erwerber einen Preis in Höhe des Verkehrswerts der Vertragsarztpraxis, indiziert dies, dass die Praxis als Chancenpaket Gegenstand der Übertragung ist, da sich der Kaufpreis in diesem Fall maßgeblich nach der Patientenstruktur und der damit verbundenen Ertragskraft der Praxis richtet.

Wird vom Erwerber sogar ein Zuschlag zum Verkehrswert (Überpreis) gezahlt, kann –entgegen der Ansicht des FG– nichts anderes gelten. Die Zahlung eines solchen Zuschlags zum Verkehrswert indiziert erst recht, dass Gegenstand der Übertragung die Praxis als Chancenpaket ist. Denn der Erwerber vergütet neben der Ertragskraft des Patientenstamms dann noch weitere wertbildende Faktoren der Praxis, die durch das Wirtschaftsgut Praxiswert verkörpert werden. Auch bei Zahlung eines Zuschlags zum Verkehrswert ist die Vertragsarztzulassung untrennbarer Bestandteil des veräußerten und erworbenen Wirtschaftsguts “Praxiswert”.

Wird der erfolgreiche Übergang der Vertragsarztzulassung auf den Praxiserwerber im Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Abs. 4 SGB V von den Parteien zur Bedingung oder Geschäftsgrundlage für das Zustandekommen des Praxisübernahmevertrags gemacht, hat diese vertragliche Gestaltung keine Indizwirkung dafür, dass es dem Erwerber um den Erwerb nur des wirtschaftlichen Vorteils aus der Zulassung geht. Eine vertragliche Verzahnung zwischen der Bindungswirkung des zivilrechtlichen Kaufvertrags und dem Ausgang des Nachbesetzungsverfahrens ist Ausfluss der Regelung des § 103 Abs. 4 SGB V und des Umstands, dass das öffentlich-rechtliche Nachbesetzungsverfahren und die zivilrechtliche Praxisübernahme voneinander unabhängige Rechtsakte sind.

Der Erwerb einer Praxis als Chancenpaket im Sinne des BFH- kann entgegen der Auffassung des FG auch vorliegen, wenn eine Gemeinschaftspraxis (Personengesellschaft) eine Einzelpraxis samt der wertbildenden Faktoren erwirbt und die Vertragsarztzulassung des Übergebers vom Zulassungsausschuss einem Gesellschafter der Personengesellschaft neu erteilt wird. Dass als Folge dieser Entscheidung des Zulassungsausschusses eine “Praxis vom Markt genommen” und der Kreis der Anbieter für die betroffenen ärztlichen Leistungen eingeengt wird, ist für sich betrachtet kein Indiz dafür, dass es den Parteien des Praxisübergabevertrags ausschließlich um die Überleitung der wirtschaftlichen Vorteile aus einer Zulassung im Zulassungsbereich geht.
Für den beabsichtigten Erwerb der Vertragsarztpraxis des S mit den wertbildenden Faktoren spricht im Streitfall bereits maßgeblich die Zahlung eines Kaufpreises in Höhe eines Zuschlags zum Verkehrswert, von dem das FG im Streitfall ausgegangen ist (s. unter II.2.a). Auch in diesem Fall orientiert sich der Kaufpreis an der Ertragskraft und Patientenstruktur der Praxis des Veräußerers. Die vom FA in der mündlichen Verhandlung betonte Auffassung, bei einem auf Überweisungen beruhenden Patientenzulauf in einer Facharztpraxis könne kein Patientenstamm veräußert und erworben werden, weshalb quasi zwingend nur die Zulassung Übertragungsgegenstand sei, teilt der Senat nicht. Entscheidend ist, ob die Parteien des Übertragungsvertrags die Praxis als solche übertragen wollen und deshalb einen Kaufpreis in Höhe des Verkehrswerts oder darüber vereinbaren. Ob sich der Verkehrswert nach der Ertragskraft eines dauerhaften Patientenstamms oder überzuleitender sog. Zuweiserbindungen bemisst, spielt für die Beurteilung des Vertragsgegenstands keine Rolle.

Nach alledem steht fest, dass die GbR die Praxis des S als Chancenpaket erworben hat und die Anschaffungskosten in Höhe von… EUR auf die erworbenen materiellen Wirtschaftsgüter der Praxis und einen Praxiswert aufzuteilen sind.

Zuordnung der Anschaffungskosten für den wirtschaftlichen Vorteil aus einer Vertragsarztzulassung

Trägt der Neugesellschafter einer Gemeinschaftspraxis, der Inhaber des höchstpersönlichen Statusrechts der Vertragsarztzulassung ist, selbst die Anschaffungskosten für den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung, ist das Wirtschaftsgut von ihm angeschafft und seinem Sonderbetriebsvermögen zuzuordnen.

Bei unmittelbarer Zahlung des Kaufpreises durch die Gesellschaft kann nach den Umständen des Einzelfalls der wirtschaftliche Vorteil aus der Vertragsarztzulassung von der Gesellschaft erworben werden und das Wirtschaftsgut auf Ebene der Gesamthand zu erfassen sein.
Zahlungen der Gesellschaft an den Veräußerer des wirtschaftlichen Vorteils aus der Zulassung können nach den Grundsätzen des Drittaufwands jedoch auch als vom Gesellschafter selbst getragene Anschaffungskosten zu würdigen sein, die wiederum zur Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters führen.

Das immaterielle Wirtschaftsgut des wirtschaftlichen Vorteils aus einer Vertragsarztzulassung ist weder abnutz- noch abschreibbar.

BFH Urteil vom 21.02.2017 –VIII R 24/16 BFH/NV 2017, 899

Begründung:

Die Würdigung des FG, dass Gegenstand des Erwerbs in den Streitjahren 2004 und 2006 nicht die Praxen des M und des P, sondern jeweils nur der wirtschaftliche Vorteil aus der Vertragsarztzulassung war, da nur dieser im Sinne des BFH-Urteils zum Gegenstand des Veräußerungs- und Erwerbsvorgangs gemacht wurde, ist aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Zudem hat das FG das immaterielle Wirtschaftsgut des “wirtschaftlichen Vorteils aus einer Vertragsarztzulassung” zutreffend –entgegen dem Hilfsantrag der Kläger– als ein nicht abnutzbares und damit nicht gemäß § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut behandelt.

Wird der wirtschaftliche Vorteil aus einer Vertragsarztzulassung –wie im Streitfall– zum Gegenstand eines Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäfts gemacht, ist Erwerber dieses immateriellen Wirtschaftsguts derjenige, der die Anschaffungskosten hierfür trägt oder dem sie steuerrechtlich zuzuordnen sind. Trägt der Neugesellschafter einer Gemeinschaftspraxis, der Inhaber des höchstpersönlichen Statusrechts der Vertragsarztzulassung ist, selbst die Anschaffungskosten für den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung, ist das Wirtschaftsgut von ihm angeschafft und seinem Sonderbetriebsvermögen zuzuordnen.

Eine unmittelbare Zahlung des Kaufpreises für den wirtschaftlichen Vorteil aus der Zulassung durch die Gesellschaft an den Veräußerer kann entgegen der Auffassung der Kläger auf einen Erwerb des wirtschaftlichen Vorteils durch die Gesellschaft selbst hindeuten. Kommen zu der Zahlung durch die Gesellschaft weitere Begleitumstände, z.B. das Führen von Vertragsverhandlungen durch die Gesellschaft mit dem Zulassungsveräußerer für einen von ihr auszuwählenden und zu bezeichnenden Zulassungsempfänger, hinzu, ist von einem Erwerb des Vorteils durch die Gesellschaft auszugehen, da offenbar das Interesse der Gesellschaft (der Altgesellschafter) im Vordergrund steht, das Leistungs- und Abrechnungsvolumen auf der Gesellschaftsebene zu erhalten oder zu erweitern. Der erworbene wirtschaftliche Vorteil aus der Vertragsarztzulassung ist in diesem Fall als immaterielles und nicht abschreibbares Wirtschaftsgut auf Ebene der Gesamthand zu erfassen. Die Auffassung der Kläger, dass sich ein von der Gesellschaft erworbener wirtschaftlicher Vorteil auf der Gesamthandsebene unter sinngemäßer Anwendung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 9. August 2011 VIII R 13/08 untrennbar mit einem originär geschaffenen Praxiswert der Gesellschaft vereinige und die Aufwendungen zum Erwerb des Vorteils deshalb als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben zur Erhöhung des Praxiswerts der Gesellschaft zu behandeln sind, teilt der Senat nicht. Das Auseinanderfallen der Abrechnungsberechtigung der GbR und der Zulassungsinhaberschaft des Arztes führt nicht dazu, dass kein selbständiges Wirtschaftsgut vorliegt.

Zahlungen der Gesellschaft an den Veräußerer des wirtschaftlichen Vorteils aus der Zulassung können nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Abgrenzung echten und unechten Drittaufwands durch eine Abkürzung des Vertrags- oder Zahlungswegs jedoch auch als vom Gesellschafter selbst getragene Anschaffungskosten zu würdigen sein. Ist die Zahlung der Gesellschaft dem Gesellschafter nach diesen Grundsätzen als Tragung eigener Anschaffungskosten zuzurechnen, erwirbt der Neugesellschafter den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung in seinem Sonderbetriebsvermögen.

Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes durch ein im Ausland studierendes Kind

Die Beibehaltung einer inländischen Wohnung lässt sich nicht daraus herleiten, dass ein Kind, das im Herkunftsland seiner Familie ausgebildet wird, dort mit seinen Eltern Urlaube verbringt; Aufenthalte der im Inland lebenden Eltern mit den Kindern außerhalb Deutschlands haben regelmäßig keine Bedeutung für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das Kind.

BFH Beschluss vom 17.05.2017 – III B 92/16

Begründung:

Wie der Kläger zutreffend ausführt lautet der erste Leitsatz des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) “Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Berufsausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt…. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringt.” und der erste Leitsatz des Urteils “Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Berufsausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt”.

Dem widerspricht das angefochtene Urteil nicht. Den vorgenannten Senatsurteilen ist nicht, wie der Kläger meint, zu entnehmen, dass ein im Ausland studierendes Kind seinen inländischen Wohnsitz dadurch beibehält, dass es mit seinen Eltern einen Erholungsurlaub im Ausland verbringt. Denn es kommt gerade nicht auf die persönliche Beziehung zu den Eltern, sondern auf die Beziehung zur elterlichen Wohnung.

Die Beantwortung der Frage, ob ein Kind, das sich zu Ausbildungszwecken im Ausland aufhält, seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält, liegt weitgehend auf tatsächlichem Gebiet unter Berücksichtigung der objektiven Umstände des jeweiligen Falles, so dass sich generelle Regeln nicht ohne Weiteres aufstellen lassen. Die Umstände müssen aber nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass das Kind die Wohnung innehat, um sie als solche zu nutzen. Anhaltspunkte dafür sind nach der Rechtsprechung des Senats neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort auf der einen und im Elternhaus auf der anderen Seite, dem Zweck des Auslandsaufenthalts und den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern einerseits und am Ausbildungsort andererseits vornehmlich Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte. Die Innehabung und Beibehaltung einer inländischen Wohnung lässt sich danach nicht daraus herleiten, dass ein Kind, dass im Herkunftsland seiner Familie ausgebildet wird, dort mit seinen Eltern Urlaube verbringt. Aufenthalte der Eltern mit den Kindern außerhalb Deutschlands haben regelmäßig keine ausschlaggebende Bedeutung für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes.

Daran fehlt es vorliegend, denn die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Kind, das sich zu einer mehrjährigen Ausbildung im Ausland aufhält, seinen Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung beibehält, sind durch die Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Dauer der zwischenzeitlichen Inlandsaufenthalte.

Abgrenzung eines häuslichen Arbeitszimmers von einer Betriebsstätte

Die Qualifikation eines in die häusliche Sphäre eingebundenen Raums als Betriebsstätte setzt eine nach außen erkennbare Widmung für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr voraus.

BFH Beschluss vom 09.05.2017 – X B 23/17

Begründung:

Dem Kläger ist allerdings insoweit recht zu geben, als der BFH in seinen Urteilen für die Qualifikation einer Betriebsstätte in Abgrenzung zu einem häuslichen Arbeitszimmer mit den dort gewählten Formulierungen “Widmung für den Publikumsverkehr” und “für einen intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr geöffnet” nur eine entsprechende Zweckbestimmung dieser Räumlichkeiten verlangt hat, nicht aber, dass ein solcher intensiver Publikumsverkehr auch stattfinden muss. Der Einwand des FA, dies setze begrifflich eine tatsächliche entsprechende Nutzung voraus, überzeugt nicht. Es ist gerade Charakter einer Zweckbestimmung, auf ein Ziel gerichtet zu sein, dieses aber noch nicht unbedingt erreichen oder verwirklichen zu müssen. Die jeweils kurz darauf folgenden Formulierungen “in der/denen naturgemäß Publikumsverkehr stattfindet” sind nach dem Kontext eindeutig mit einem Rückschluss der Art zu erklären, dass Räumlichkeiten, in denen solch Publikumsverkehr tatsächlich stattfindet, auch eine entsprechende Zweckbestimmung aufweisen (dürften). Das zeigt sich insbesondere daran, dass das Urteil darauf abstellt, ob die Räumlichkeit der damaligen Klägerin für Patientenbesuche “vorgesehen” war. Eine Einschränkung des zuvor Gesagten ist dem nicht zu entnehmen. Die Rechtsprechung hat auch in der Folgezeit an diesen Grundsätzen festgehalten.

Von diesen Aussagen ist die Frage zu trennen, ob dann, wenn ein intensiver und dauerhafter Publikumsverkehr fehlt, regelmäßig auch ein Rückschluss auf eine entsprechende fehlende Zweckbestimmung zulässig ist und welche Anforderungen zu stellen sind, um eine derartige Mutmaßung zu widerlegen.

Das FG ist, insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH, davon ausgegangen, dass es außerdem einer nach außen erkennbaren Widmung der Räumlichkeiten für den Publikumsverkehr bedürfe. Selbst im Falle einer Notfallpraxis hat es der BFH für schädlich gehalten, wenn ein Besucher erst einen dem Privatbereich zuzuordnenden Flur oder eine Diele durchqueren muss. Dies gilt erst recht für ein Büro, das dem äußerlichen Typus des häuslichen Arbeitszimmers entspricht. Das FG hat eine derartig enge Verbindung zum Wohnbereich bejaht. Diese für sich genommen tragende Begründung hat der Kläger nicht mit Zulassungsrügen angegriffen. Auf die Frage des Publikumsverkehrs kam es trotz des breiten Raums, den das FG ihr gewidmet hat, für die Entscheidung im Ergebnis nicht mehr an.
Aus den dargestellten Gründen kam und kommt es auf die Frage, wie viel Kundenverkehr für einen “intensiven und dauerhaften Publikumsverkehr” erforderlich ist (was im Übrigen keine Frage der Sachaufklärung, sondern eine Rechtsfrage ist), auf den Beweiswert der Werbebroschüre aus dem Jahre 2009, auf die in der mündlichen Verhandlung verbliebenen Unklarheiten bezüglich bestimmter Kunden und damit auf die begehrte Schriftsatzfrist und schließlich auch auf den Inhalt etwaiger Zeugenaussagen zur Intensität des Publikumsverkehrs nicht mehr an. All diese Punkte beziehen sich auf die Frage der Widmung des Raums für den Publikumsverkehr. Die Beschwerde ist insoweit ebenfalls unzulässig, da der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der nach seiner Auffassung noch aufzuklärenden Punkte nicht dargelegt hat. Sie liegt auch nicht vor.

Berücksichtigung eines Verlusts aus der Veräußerung von unentgeltlich erworbenen Kapitalgesellschaftsanteilen

Die bei Verträgen unter fremden Dritten bestehende Vermutung für das Vorliegen eines entgeltlichen Geschäfts ist im Fall der Übertragung eines Kapitalgesellschaftsanteils, für den der Zuwendende hohe Anschaffungskosten getragen hat, nicht alleine wegen eines Freundschaftsverhältnisses zwischen dem Zuwendenden und dem Empfänger als widerlegt anzusehen.

BFH Urteil vom 09.05.2017 – X B 23/17

Begründung;

Das FG hat seine Entscheidung, wonach eine unentgeltliche Übertragung nicht nur vereinbart gewesen sei, sondern auch wirtschaftlich vorgelegen habe, maßgeblich auf den Umstand gestützt, dass den Kläger und D eine langjährige, aus der Nachbarschaft erwachsene Freundschaft verbinde.

Indem das FG das Verhältnis zwischen Freunden ohne weitere Feststellungen mit demjenigen von Verwandten gleichgesetzt und daraus abgeleitet hat, dass die Vermutung für das Vorliegen einer entgeltlichen Übertragung nicht anwendbar sei, hat es die Reichweite dieses Erfahrungssatzes verkannt. Ein den Gleichklang wirtschaftlicher Interessen indizierendes, den Einzelfall bestimmendes Näheverhältnis kann zwar ausnahmsweise im Einzelfall auch bei nicht verwandtschaftlich verbundenen Personen gegeben sein. In einem solchen Fall bedarf es aber weiterer besonderer, objektiver Anhaltspunkte, aus denen auf die Entkräftung der Vermutung einer entgeltlichen Übertragung geschlossen werden kann. Solche Umstände hat das FG indes nicht festgestellt. Da dem Urteil des FG ein allgemeiner Erfahrungssatz zugrunde liegt, der so nicht besteht, ist der BFH an die tatsächliche Würdigung nicht gebunden.

Die tatsächliche Vermutung, dass fremde Personen einander im Geschäftsleben nichts zu schenken pflegen, kann von dem die objektive Beweislast (Feststellungslast) tragenden Steuerpflichtigen (Kläger) durch unmittelbaren Beweis oder mit Hilfe eines Indizienbeweises widerlegt werden. Das FG hat dabei aber zu berücksichtigen, dass die genannte Vermutung umso stärker ausfällt, je wirtschaftlich werthaltiger der übertragene Gesellschaftsanteil für den Übertragenden und den Empfänger ist. Könnte sich das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nicht mit der dafür erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass die Übertragung unentgeltlich war, würde dies zu Lasten des Klägers gehen, der sich auf die Unentgeltlichkeit beruft. Käme das FG bei der Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die Unentgeltlichkeit der Übertragung an den Kläger als nachgewiesen anzusehen wäre, müsste es im Zusammenhang mit der möglichen Anwendbarkeit des § 42 AO (Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten) insbesondere den Fragen nachgehen, warum der erst am 23. Dezember 2010 an den Kläger zugewendete Geschäftsanteil bereits am 29. Dezember 2010 an die kurz zuvor gegründete F-GmbH veräußert worden ist, und ob dieser Sachverhalt bei einer Gesamtschau eine unangemessene rechtliche Gestaltung darstellt. Der Senat weist schließlich darauf hin, dass das FG bislang keine substantiierten Feststellungen zur Höhe der Anschaffungskosten des D für seinen Anteil an der A-GmbH getroffen hat.

Ausgleichszahlung zur Abfindung des Versorgungsausgleichs

Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs konnte im Jahre 2006 bei dem Verpflichteten steuerlich nicht berücksichtigt werden.
Eine Ausgleichszahlung für den Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs im Wege des Splittings oder des Quasi-Splittings war im Jahre 2006 bei dem Verpflichteten dem Grunde nach als Werbungskosten abziehbar. Die für die Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen begründete Rechtsprechung ist auf alle Formen des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs anwendbar.

Der Werbungskostenabzug ist begrenzt auf den künftig der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente bei Rentenbeginn.

BFH Urteil vom 23.11.2016 – XR 60/14

Begründung:

Der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich wird entweder durch unmittelbare Aufteilung der Anrechte oder durch Begründung von Anrechten für den Versorgungsausgleichsberechtigten in der gesetzlichen Rentenversicherung zu Lasten der sonstigen Anrechte des Versorgungsausgleichsverpflichteten verwirklicht.

Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung wurden nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. durch anteilige Übertragung der Rentenanwartschaften aufgeteilt (Splitting). Bei Versorgungsanwartschaften aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen begründete das Familiengericht nach § 1587b Abs. 2 BGB a.F. für den ausgleichsberechtigten Ehegatten Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung (Quasi-Splitting). Sonstige Anwartschaften wurden nach § 1 Abs. 2 VAHRG im Wege der Realteilung (wie nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F.) anteilig übertragen, soweit die für das Anrecht des Verpflichteten maßgebende Regelung dies vorsah. War hingegen die Realteilung des Anrechts nicht möglich und richtete sich das Anrecht gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger, galten nach § 1 Abs. 3 VAHRG die Vorschriften über den Ausgleich von Anrechten aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis sinngemäß (analoges Quasi-Splitting). Das bedeutet, dass das Familiengericht in sinngemäßer Anwendung des § 1587b Abs. 2 BGB a.F. für den ausgleichsberechtigten Ehegatten Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung begründete.

In der gesetzlichen Rentenversicherung war der Ausgleich jedoch begrenzt. Nach § 76 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) wurde der zugunsten oder zu Lasten von Versicherten durchgeführte Versorgungsausgleich innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung durch einen Zuschlag oder Abschlag von Entgeltpunkten berücksichtigt. Die Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften zugunsten von Versicherten (und damit zugunsten von Versorgungsausgleichsberechtigten) führte nach § 76 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zu einem Zuschlag an Entgeltpunkten. Dieser Zuschlag durfte nach § 76 Abs. 2 Satz 3 SGB VI zusammen mit den in der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit bereits vorhandenen Entgeltpunkten den Wert nicht übersteigen, der sich ergibt, wenn die Anzahl der Kalendermonate der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit durch sechs geteilt wird; eine Übertragung oder Begründung von Rentenanwartschaften war nur bis zu dem entsprechenden Höchstbetrag wirksam.

Wird zum Ausschluss eines Versorgungsausgleichs eine Abfindungszahlung geleistet, so hat die Rechtsprechung für deren steuerliche Behandlung bisher zwischen der betrieblichen Altersversorgung auf der einen Seite und der Beamtenversorgung auf der anderen Seite differenziert.

Zahlungen für den Ausschluss eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wegen des Bestehens einer Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung können im Streitjahr 2006 steuerlich nicht berücksichtigt werden.

Sie sind keine mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Zusammenhang stehenden Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Dies hat der Senat bereits entschieden. Es fehlt an dem erforderlichen Veranlassungszusammenhang mit dieser Einkunftsart. Der (abgelöste) schuldrechtliche Versorgungsausgleich hätte nicht zur Folge gehabt, dass dem Anspruchsberechtigten niedrigere steuerpflichtige Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG zugeflossen wären. Die ungekürzten Versorgungsbezüge wären steuerlich eigene Einkünfte des Verpflichteten geblieben, da die Verpflichtung, sie zum Teil an den versorgungsausgleichsberechtigten Ehegatten weiterzuleiten, ein Vorgang im Bereich der Einkommensverwendung ist.

Sie sind auch keine dauernden Lasten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG. Zwar werden laufende Zahlungen aufgrund eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs wegen des darin liegenden Transfers steuerlicher Leistungsfähigkeit nach dieser Vorschrift als Sonderausgaben berücksichtigt, soweit sie auf steuerbaren Einkünften beruhen. Das gilt jedoch nicht für Zahlungen, die den Transfer beenden oder ihn, wie es die Abfindungszahlung bezweckt, von vornherein verhindern.

Demgegenüber kann ein Ausgleichsverpflichteter, der als Beamter oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen einen Anspruch auf eine Altersversorgung hat und der aufgrund einer Vereinbarung gemäß § 1587o BGB a.F. an den anderen Ehegatten Zahlungen leistet, um Kürzungen seiner nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu versteuernden Versorgungsbezüge zu vermeiden, diese ebenso wie Auffüllungszahlungen an den Dienstherrn sofort als (vorab entstandene) Werbungskosten abziehen. Die Zahlung vermeidet die Kürzung der später zufließenden Pensionsbezüge nach § 57 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) und sichert somit den ungeschmälerten Zufluss der nachträglichen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit. Bliebe die Zahlung unberücksichtigt, käme es zu einer doppelten Besteuerung. Der Steuerpflichtige wendet aus versteuertem Einkommen etwas auf (die Ausgleichszahlung oder die Wiederauffüllungszahlung), was später voll der Besteuerung unterliegt.

Ob sich eine Abfindungszahlung nach den Grundsätzen unter II.2.a ausschließlich auf der privaten Ebene abspielt oder nach den Grundsätzen unter II.2.b abziehbar ist, bestimmt sich danach, ob der Versorgungsausgleich, wäre er durchgeführt worden, lediglich eine Form der Einkommensverwendung gewesen wäre oder die dem Ausgleichsverpflichteten zuzurechnenden steuerpflichtigen Einkünfte gemindert hätte.

Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht bei Ferienwohnungen, wenn ortsübliche Vermietungszeiten nicht feststellbar sind

Für die Beurteilung der Absicht, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige den Werbungskostenüberschuss hinnimmt.

Ist bei objektiver Betrachtung ein Totalüberschuss nicht zu erwarten, kann die Einkünfteerzielungsabsicht nicht deshalb bejaht werden, weil private Motive oder persönliche Neigungen für die Renovierung und den Ausbau der Ferienwohnung nicht feststellbar sind.

BFH Urteil vom 31.01.2017 – IX R 23/16 BFH/NV 2017, 897

Begründung:
Das FG hat nicht erkannt, dass es im Fall eines bei objektiver Betrachtung nicht zu erwartenden Totalüberschusses für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht darauf ankommt, aus welchen Gründen die Klägerin den Werbungskostenüberschuss hinnimmt.

Das FG hat die Einkünfteerzielungsabsicht unzutreffend bejaht und deshalb § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verletzt. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend von der Absicht des Steuerpflichtigen auszugehen, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften. Dies gilt bei ausschließlich an Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnungen, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen –abgesehen von Vermietungshindernissen– nicht erheblich. Denn das Vermieten einer Ferienwohnung ist mit einer auf Dauer angelegten Vermietung nur dann vergleichbar, wenn die Ferienwohnung im ganzen Jahr –bis auf ortsübliche Leerstandszeiten– an wechselnde Feriengäste vermietet wird. Nur so zeigt sich in nachprüfbarer Weise, dass die Steuerpflichtigen die Ferienwohnung in geeigneter Form am Markt angeboten und alle in Betracht kommenden Interessenten berücksichtigt haben. So wie der Begriff “ortsüblich” im Übrigen im Gesetz verwendet wird müssen die individuellen Vermietungszeiten mit denen verglichen werden, die bezogen auf den gesamten Ort im Durchschnitt erzielt werden. Dabei ist “Ort” nicht identisch mit dem Gebiet einer Gemeinde; er kann –wie sich auch aus § 558c Abs. 2 BGB ergibt– je nach der Struktur des Ferienwohnungsmarktes das Gebiet einer oder mehrerer vergleichbarer Gemeinden sowie lediglich Teile davon umfassen.

Liegen die genannten zusätzlichen Voraussetzungen bei einer Ferienimmobilie nicht vor oder können –wie zwischen den Beteiligten im Streitfall unstreitig ist– ortsübliche Vermietungszeiten nicht festgestellt werden, ist die Vermietung an Feriengäste mit einer auf Dauer ausgerichteten Vermietungstätigkeit nicht vergleichbar. Das bedeutet, es fehlt in Ermangelung einer auf Dauer ausgerichteten Vermietungstätigkeit die Basis, auf Grund derer das Gesetz die Einkünfteerzielungsabsicht typisiert. Die Einkünfteerzielungsabsicht muss dann durch eine Prognose überprüft werden, die den Anforderungen des BFH-Urteils vom 6. November 2001 IX R 97/00 entspricht. Die Feststellungslast für die Voraussetzungen der Typisierung obliegt dem Steuerpflichtigen.

Die Absicht, einen Totalüberschuss zu erzielen, kann als sog. innere Tatsache, wie alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge, nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden. Entscheidend ist, ob die Vermietungstätigkeit bei objektiver Betrachtung einen Totalüberschuss erwarten lässt. Ist dies zu verneinen, können die Steuerpflichtigen gleichwohl nachweisen, dass sie zum maßgeblichen Zeitpunkt (Beginn der Vermietung) die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet haben, zunächst angefallene Werbungskostenüberschüsse würden im Laufe der Tätigkeit durch Einnahmeüberschüsse ausgeglichen und insgesamt werde ein positives Gesamtergebnis erzielt. Die Steuerpflichtigen, die für das Vorhandensein der Überschusserzielungsabsicht die Feststellungslast tragen, müssen hierzu die objektiven Umstände vortragen, aufgrund derer sie im Beurteilungszeitraum erwarten konnten, einen Gesamtüberschuss zu erzielen, schon das Streben nach einem nur “bescheidenen Überschuss” reicht aus.

Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht, so dass es aufzuheben ist. Zwar wurde die Ferienwohnung ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehalten. Da sich aber ortsübliche Vermietungszeiten nicht feststellen lassen, muss die Einkünfteerzielungsabsicht durch eine Prognose überprüft werden. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffenen und daher den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG (Urteil, Seite 13) hätte die beabsichtigte Vermietungstätigkeit bei objektiver Betrachtung nicht zur Erzielung eines Totalüberschusses geführt. Danach betrugen die jährlichen Vermietungsumsätze höchstens ca. 1.300 EUR (Streitjahr 2012). Dieser Betrag konnte jedoch nicht einmal die jährliche Gebäudeabschreibung in Höhe von 2,5 % (2.461 EUR im Jahr 2012) kompensieren. Das FG konnte auch keine Anhaltspunkte feststellen, die auf eine erhebliche Umsatzsteigerung in den Folgejahren hätten schließen lassen. Bei einem nach objektiver Betrachtung nicht zu erwartenden Totalüberschuss, kommt es aber –anders als das FG meint– für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht darauf an, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige den Werbungskostenüberschuss hinnimmt. Es ist daher nicht maßgebend, ob für die Renovierung und den Ausbau der Ferienwohnung private Motive oder persönliche Neigungen nicht feststellbar waren. Vielmehr hätte das FG prüfen müssen, ob die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt (Beginn der Vermietung) die objektiven Gegebenheiten verkannt und erwartet hat, die Werbungskostenüberschüsse würden im Laufe der Tätigkeit durch Einnahmeüberschüsse ausgeglichen und insgesamt werde ein positives Gesamtergebnis erzielt.

Wechsel der Steuerklassenkombination bei Ehegatten

§ 39 Abs. 6 Satz 3 EStG verletzt nicht Art. 6 Abs. 1 GG. Die Verpflichtung des Gesetzgebers, Ehe und Familie unter besonderen Schutz zu stellen, verbietet es nicht, die die Eheleute gegenüber nicht verheirateten Paaren bevorzugende Ausnahmeregel zum Wechsel der Steuerklassen auf den einmaligen Wechsel im Laufe eines Kalenderjahrs zu beschränken.

Eheleute, die die Begünstigung durch den Wechsel der Steuerklassen in Anspruch nehmen, müssen daher die Folgen eines solchen Wechsels bedenken. Die Nutzung von Steuervergünstigungen bleibt grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Steuerpflichtigen.

BFH Beschluss vom 09.03.2017 – VI S 21/16 BFH/NV 2017, 904

Begründung:

Das FG hat auch nicht in greifbar gesetzwidriger Weise Art. 6 Abs. 1 GG verletzt. Die sich für den Gesetzgeber aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebende Verpflichtung, Ehe und Familie unter besonderen Schutz zu stellen, verbietet es nicht, die die Eheleute gegenüber nicht verheirateten Paaren bevorzugende Ausnahmeregel zum Wechsel der Steuerklassen auf den einmaligen Wechsel im Laufe eines Kalenderjahrs zu beschränken. Mit § 39 Abs. 6 Satz 3 EStG eröffnet der Gesetzgeber eine nur Eheleuten zugängliche Gestaltungsmöglichkeit, auf schlichten Antrag die Steuerklassen zu wechseln. Die den Eheleuten damit eingeräumte Gestaltungsfreiheit korrespondiert allerdings mit ihrer eigenverantwortlichen Ausübung.

Die Eheleute, die diese Begünstigung durch den Wechsel der Steuerklassen in Anspruch nehmen, müssen daher die Folgen eines solchen Wechsels bedenken. Die Nutzung von Steuervergünstigungen bleibt grundsätzlich im Verantwortungsbereich der Steuerpflichtigen; der aus Art. 6 Abs. 1 GG sich ergebenden Verpflichtung entspricht der Gesetzgeber jedenfalls dann, wenn er den Eheleuten Gestaltungsformen an die Hand gibt, die die Begünstigung erreichbar bleiben lässt. Dies ist mit dem (einmaligen) Wechsel der Steuerklassen der Fall. Aus Art. 6 Abs. 1 GG folgt aber keine Verpflichtung für den Gesetzgeber, Steuerpflichtige vor den Folgen ihrer selbst gewählten, möglicherweise weniger vorteilhaften Gestaltungsformen zu bewahren. Der Gesetzgeber muss den Eheleuten daher nicht die Möglichkeit einräumen, auf schlichten Antrag die Steuerklassen zweimal im Kalenderjahr zu wechseln, und ihnen damit gestatten, eine einmal getroffene Wahl noch im Laufe desselben Kalenderjahrs wieder zu ändern.

Entschädigung für Überspannung eines Grundstücks mit einer Stromleitung

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine einmalige Entschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, zu den nach dem EStG steuerbaren Einkünften zählt.

BFH Beschluss vom 11.04.2017 – IX R 31/16 BFH/NV 2017, 968

Begründung:

Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang eine einmalige Entschädigung, die für die Überspannung eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks mit einer Hochspannungsleitung gezahlt wird, nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes steuerbar ist, wenn der Grundstückseigentümer hierfür eine Grunddienstbarkeit bewilligen muss. Der Senat hält es für angezeigt, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung).

Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand einer Wohnung bei vergebliche und nicht durchsetzbare Bemühungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft

Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand einer Wohnung

Kann ein Steuerpflichtiger eine in seinem Eigentum stehende Wohnung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen dauerhaft nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzen und zur Vermietung bereitstellen, ist es nicht zu beanstanden, wenn das FG nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen vom Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht ausgeht.

BFH Urteil vom 31.01.2017 – IX R 17/16 BFH/NV 2017, 829

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen; sie sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abzuziehen, wenn sie durch sie veranlasst sind. Fallen Aufwendungen mit der im Zusammenhang beabsichtigten Vermietung einer (leerstehenden) Wohnung an, bevor mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen erzielt werden, können sie als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart besteht, in deren Rahmen der Abzug begehrt wird. Die Berücksichtigung von Aufwand als (vorab entstandene) Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung setzt voraus, dass der Steuerpflichtige sich endgültig entschlossen hat, aus dem Objekt durch Vermieten Einkünfte nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen und diese Entscheidung nicht aufgegeben hat.

Danach sind Aufwendungen für Wohnungen, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leer stehen, auch während der Zeit des Leerstands als Werbungskosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der jeweiligen Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. Die Einzelfallumstände, aus denen sich der endgültige Entschluss zu vermieten ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen. Für die Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Vermietungsbemühungen als Voraussetzungen einer (fort-)bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht, deren Feststellung und Würdigung im Wesentlichen dem FG als Tatsacheninstanz obliegt, trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast. Das FG entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung, ob im Einzelfall eine Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt; es ist bei seiner tatrichterlichen Würdigung nicht an starre Regeln für das Gewichten einzelner Umstände gebunden.
Diese Maßstäbe, die der Senat zur Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei langjährigem Leerstand von Wohnungen entwickelt hat, sind in Fällen, in denen –wie im Streitfall– die Betriebsbereitschaft des Objekts nach vorangegangener Vermietung in der Leerstandszeit wegfällt, entsprechend anzuwenden. Danach hat das FG die Berücksichtigung der Werbungskostenüberschüsse in den Streitjahren zu Recht versagt.
Das FG hat zutreffend eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers im Streitzeitraum für die streitige Wohnung Nr. 9 in dem Objekt verneint. Denn nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG befand sich die Wohnung in den Streitjahren –unstreitig– nicht mehr in einem vermietbaren Zustand. Dies hat das FG aus zahlreichen Tatsachen, u.a. auch dem Zustand der Immobilie hergeleitet (vgl. zu einer Würdigung bei fehlender Vermietbarkeit auch Urteil des Bundesfinanzhofs. Der Kläger hat selbst eingeräumt, eine Vermietung wäre erst nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen möglich gewesen, deren Durchführung in den Streitjahren jedoch nicht möglich war. Dabei war für das FG auch maßgeblich, dass der Zustand der fehlenden Betriebsbereitschaft kein vorübergehender war, sondern im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung seit mehr als 17 Jahren und damit besonders lang andauerte und das Ende dieses Zustands auch nicht konkret abgeschätzt werden konnte.
Das FG hat dabei zutreffend in seine Würdigung einbezogen, dass der Kläger sich um eine Sanierung und damit Fertigstellung der Wohnung auch in den Streitjahren –durchaus intensiv und auch durch Beteiligung an den beschlossenen (Sonder-)Umlagen– bemüht hat. Es hat aber ebenfalls darauf abgestellt, dass der Kläger offenbar nicht in der Lage gewesen ist, eine Vermietung des Objekts zu erreichen. Denn zum Erreichen dieses Ziels war der Kläger auf die anderen Miteigentümer angewiesen, deren tatsächliche und finanzielle Mitwirkung in den Streitjahren nicht vorlag. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass für die Durchführung der Sanierungsmaßnahmen sowohl in der Wohnung des Klägers als auch im Bereich des Gemeinschaftseigentums die Zustimmung in den Eigentümerversammlungen und finanzielle Beteiligung der übrigen Wohnungseigentümer der Anlage notwendig waren, deren Einholung in den Streitjahren mehrfach gescheitert und auch zukünftig (mehr als) unsicher und auch zeitlich nicht absehbar war.
Ausgehend von diesen objektiven Umständen ist der Schluss des FG, der Kläger habe die Einkünfteerzielungsabsicht für die streitige Wohnung bereits vor Beginn des Streitzeitraums aufgegeben und bis zum Ende des Streitzeitraums nicht wieder aufgenommen, nach dem eingeschränkten Maßstab revisionsrechtlicher Kontrolle (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 Rz 30) nicht zu beanstanden. Nach der vom FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise getroffenen Gesamtwürdigung steht fest, dass es dem Kläger spätestens seit 2005 nicht möglich war, die Vermietbarkeit der Wohnung herzustellen. Denn nach den Feststellungen des FG hatte der Kläger wegen der fehlenden Mitwirkung der übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft nicht die Macht (d.h. die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit), die Betriebsbereitschaft des Objekts herzustellen und damit eine Vermietung der Immobilie zu erreichen. In diese Gesamtwürdigung des FG fügt sich ein, dass nach den Feststellungen des FG die über Hausverwaltungen und Makler vorgenommenen Vermietungsbemühungen in den Streitjahren nicht ernsthaft und nachhaltig gemeint waren. Sie konnten aufgrund des Zustands der Anlage nach den Feststellungen des FG nur ins Leere laufen und dienten, was der Kläger in seiner Revisionsbegründung auch nicht über Verfahrensrügen in Streit zieht, lediglich der Prüfung, ob überhaupt Mietinteressenten vorhanden sind. Das FG hat damit die fehlende Möglichkeit des Klägers, aufgrund des Zustands der Immobilie und der ausbleibenden Mitwirkung der anderen Wohnungseigentümer die Vermietbarkeit des Objekts herzustellen, und die nicht ernsthaft gemeinten Vermietungsbemühungen zu seiner Überzeugungsbildung herangezogen. Diese Würdigung ist, wenngleich nicht zwingend, so doch möglich und lässt weder einen Verstoß gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze erkennen; sie bindet gemäß § 118 Abs. 2 FGO den Senat.