Steuererlass aus Billigkeitsgründen nach dem sog. Sanierungserlass des BMF

Mit dem unter den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer verstößt das BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
BFH Beschsluss vom 28.11.2016 – GrS 1/15 BFH/NV 2017, 498

Sachverhalt:
Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluss vom 25. März 2015 X R 23/13 (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
“Verstößt das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?”
II. Sachverhalt und Ausgangsverfahren
1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb ein Einzelunternehmen. Seine Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergaben für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2006 Verluste.
Nach einer zwischen dem Kläger und einer Sparkasse im November 2005 getroffenen Vereinbarung, die fällige Zahlungsansprüche der Sparkasse sowie einer Bankengruppe gegen den Kläger betraf, erklärten jene, auf “die nicht bedienbaren Forderungen” verzichten zu wollen, falls der Kläger seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung ordnungsgemäß und termingerecht nachkomme. Nachdem der Kläger eine sog. Vergleichszahlung geleistet hatte, unterrichtete ihn die Sparkasse im Dezember 2007 über den seitens der Bankengruppe erklärten Verzicht auf die Restforderung.
Der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2007 (Streitjahr) legte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb gemäß dem eingereichten Jahresabschluss zugrunde, der Erträge aus den genannten Forderungsverzichten der Banken enthielt, und setzte mit Steuerbescheid vom 17. Februar 2009 Einkommensteuer gegen den Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau fest.
B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen
I. Keine mündliche Verhandlung
Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Entscheidung durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Die Vorlagefrage und die Auffassungen, die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten werden, sind im Vorlagebeschluss eingehend dargestellt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zur Vorlagefrage Stellung zu nehmen.
II. Zulässigkeit der Vorlage
Entscheidungsreife des Revisionsverfahrens
Der vorlegende X. Senat war nicht gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO verpflichtet, die zusammen mit dem Kläger veranlagte Ehefrau, die im Einspruchsverfahren hinzugezogen war (§ 360 Abs. 3 AO), im Revisionsverfahren beizuladen oder die Sache an das FG zur Nachholung der Beiladung zurückzuverweisen, denn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO liegen nicht vor, wenn einer der zusammen veranlagten Ehegatten die Steuerfestsetzung anficht oder –wie im Streitfall– Verpflichtungsklage auf eine abweichende Steuerfestsetzung oder einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen erhebt.
2. Vorlagegrund
Der vorlegende Senat hat eine Entscheidung des Großen Senats wegen grundsätzlicher Bedeutung der Vorlagefrage gemäß § 11 Abs. 4 FGO erbeten, weil diese Frage in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet werde und auch der VIII. Senat in einem Kostenbeschluss vom 28. Februar 2012 VIII R 2/08 (BFH/NV 2012, 1135) zu erkennen gegeben habe, er könnte hinsichtlich dieser Frage möglicherweise zu einer anderen Rechtsauffassung als der vorlegende X. Senat gelangen. An die Auffassung des vorlegenden Senats, die Vorlagefrage habe aus den genannten Gründen grundsätzliche Bedeutung, ist der Große Senat gebunden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, m.w.N.).
3. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage
Ob die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, hängt von der Vorfrage ab, welche Rechtswirkung der sog. Sanierungserlass im finanzgerichtlichen Verfahren entfaltet.
Verwaltungsvorschriften, zu denen der sog. Sanierungserlass gehört, sind keine die Gerichte bindenden Rechtsnormen. Daran ändert auch der Umstand grundsätzlich nichts, dass der sog. Sanierungserlass –wie der vorlegende Senat meint– eine Ermessensrichtlinie der Finanzverwaltung ist, mit der das BMF “die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert”, denn sowohl im Fall einer Anfechtungs- als auch einer Verpflichtungsklage kann das angerufene Gericht die in Ermessensrichtlinien niedergelegten Regeln, unter welchen Umständen die Verwaltung das ihr eingeräumte Ermessen in welcher Weise ausüben soll, für ermessensfehlerhaft halten und die auf der Grundlage der Richtlinie ergangene Ermessensentscheidung im Fall der Anfechtungsklage aufheben und im Fall der Verpflichtungsklage die Behörde zur Neubescheidung verpflichten. An der dem Gericht nach § 102 Satz 1 FGO obliegenden Prüfung, ob die Behörde mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, ändert sich also nichts, wenn die Behörde mit ihren Ermessenserwägungen und ihrer Entscheidung einer Ermessensrichtlinie gefolgt ist.
Rechtliche Bedeutung können Ermessensrichtlinien im finanzgerichtlichen Verfahren allein insofern erlangen, als sie –soweit sie tatsächlich angewandt werden– die Finanzverwaltung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) binden (sog. Selbstbindung der Verwaltung, vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG– vom 11. Mai 1988 2 B 58.88, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 2907). Den für die Entscheidung des Einzelfalls zuständigen Finanzbehörden ist es danach verwehrt, die Anwendung einer Ermessensrichtlinie in einem Fall, der von der Richtlinie gedeckt ist, ohne triftige Gründe abzulehnen. Nur insoweit hat der Steuerpflichtige einen auch von den Finanzgerichten zu beachtenden Rechtsanspruch, nach Maßgabe der Ermessensrichtlinie behandelt zu werden.
Dies gilt wegen der Bindung der Gerichte an die gesetzlichen Vorschriften und der gemäß § 102 Satz 1 FGO in jedem Fall gebotenen Rechtsprüfung allerdings nur, soweit die Ermessensrichtlinie eine ausreichende Rechtsgrundlage hat und sie der Gesetzeslage nicht widerspricht Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis.
vorlegende Senat geht von einem Fall der Selbstbindung der Verwaltung durch das BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) aus. Wie seine Ausführungen in Rz 59 bis 74 des Vorlagebeschlusses (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) deutlich machen, sieht er die Bejahung sachlicher Unbilligkeit unter den im sog. Sanierungserlass beschriebenen Voraussetzungen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und meint, das BMF habe mit dem sog. Sanierungserlass die für den Fall des Billigkeitserlasses entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert; deshalb sei die Steuer zu stunden, niedriger festzusetzen oder zu erlassen, wenn im Streitfall die im sog. Sanierungserlass genannten Voraussetzungen vorlägen, was allerdings in tatsächlicher Hinsicht noch der Klärung durch das FG bedürfe.
Darüber hinaus ist dem Vorlagebeschluss die Ansicht des vorlegenden Senats zu entnehmen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns sei nur unter den im sog. Sanierungserlass beschriebenen Voraussetzungen sachlich unbillig, denn nach seiner Ansicht müsse die Revision zurückgewiesen werden, wenn der Große Senat die Vorlagefrage bejahe. Andere Gründe sachlicher Unbilligkeit der Besteuerung sieht der vorlegende Senat im Streitfall offenbar nicht.
Geht es um die Entscheidungserheblichkeit einer dem Großen Senat vorgelegten Rechtsfrage, ist die Beantwortung der hierfür maßgeblichen rechtlichen Vorfragen ausschließlich Sache des vorlegenden Senats. Der Große Senat muss daher über die Entscheidungserheblichkeit einer vorgelegten Rechtsfrage auf der Grundlage der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats zu den Vorfragen befinden..
Da der vorlegende Senat eine Selbstbindung der Finanzverwaltung durch den sog. Sanierungserlass bejaht und außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegende Billigkeitsgründe im Streitfall verneint, ist die Sache ausgeführt– an das FG zurückzuverweisen, falls die Vorlagefrage verneint wird, dagegen ist die Revision zurückzuweisen, falls die Vorlagefrage bejaht wird.
Die Vorlagefrage ist somit entscheidungserheblich.
C. Entscheidung des Großen Senats über die Vorlagefrage
I. Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen – Gesetzeshistorie und Rechtsprechung
1. Gesetzeshistorie
Gesetzliche Regelungen zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen wurden durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) veranlasst, durch Forderungsverzicht der Gläubiger entstandene Mehrungen des Geschäftsvermögens seien nicht einkommensteuerpflichtig, weil die auf einer Vereinbarung zwischen den Gläubigern beruhende Vermögensmehrung außerhalb des Geschäftsbetriebs des Steuerpflichtigen liege. Allerdings werde ein ohne die Berücksichtigung des Sanierungsgewinns vorhandener Verlust beseitigt, soweit die Sanierung reiche (RFH-Urteil vom 21. Oktober 1931 VI A 968/31, RFHE 29, 315). Da der für die Körperschaftsteuer zuständige I. Senat eine andere Ansicht vertrat und lediglich die Möglichkeit eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen in Betracht zog den Abzug des Sanierungsgewinns vom körperschaftsteuerlichen Einkommen ein.
Auch nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 KStG i.d.F. vom 5. September 1949 das nur für einige Bundesländer galt und durch Art. V Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 (BGBl 1950, 95) auch in den übrigen Bundesländern in Kraft gesetzt wurde, waren Vermögensmehrungen, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen.
Diese Regelung wurde in den folgenden Jahren wortgleich beibehalten und fand sich zuletzt in § 11 Nr. 4 KStG i.d.F. vom 13. Oktober 1969 –KStG a.F.– (BGBl I 1969, 1869).
Die Neufassung des KStG –KStG 1977– gemäß Art. 1 des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 –KStRG– (BGBl I 1976, 2597) enthielt keine solche Vorschrift. Stattdessen wurde durch Art. 2 Nr. 1 Buchst. b KStRG § 3 EStG um die Nr. 66 erweitert. Steuerfrei waren danach “Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden”. Diese Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen galt über § 8 Abs. 1 KStG 1977 ebenso für die Körperschaftsteuer. Die Änderungen waren ab dem Veranlagungszeitraum 1977 anzuwenden.
§ 3 Nr. 66 EStG a.F. wurde durch Art. 1 Nr. 1 UntStRFoG aufgehoben. Die Vorschrift war nach § 52 Abs. 2i EStG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121) letztmals auf Erhöhungen des Betriebsvermögens anzuwenden, die in dem Wirtschaftsjahr entstehen, das vor dem 1. Januar 1998 endet.
2. BFH-Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen
Obwohl bis zum Veranlagungszeitraum 1977 eine dem § 11 Nr. 4 KStG a.F. entsprechende Vorschrift für das Einkommensteuerrecht fehlte, führte der BFH die RFH-Rechtsprechung –wenn auch mit anderer Begründung– fort und sah den Sanierungsgewinn nunmehr kraft Gewohnheitsrechts und wegen der sowohl im Körperschaft- als auch im Einkommensteuerrecht übereinstimmenden Grundsätze der Gewinnermittlung als nicht einkommensteuerpflichtig an.
Allerdings hielt der BFH zunächst auch an der Rechtsprechung des RFH fest, dass ein Sanierungsgewinn, der in die Jahre der Entstehung oder Absetzbarkeit eines betrieblichen Verlustes falle, diesen Verlust verbrauche. Es sei nicht gerechtfertigt, über die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns hinaus einen Verlust, den der Steuerpflichtige wegen der Sanierung wirtschaftlich nicht zu tragen brauche, trotzdem beim Steuerpflichtigen abzuziehen.
Diese BFH-Rechtsprechung wurde für die Körperschaftsteuer mit Beschluss des Großen Senats) aufgegeben. Danach war ein nach § 11 Nr. 4 KStG a.F. körperschaftsteuerfreier Sanierungsgewinn weder mit einem ohne ihn in demselben Veranlagungszeitraum entstehenden Verlust noch mit einem abzugsfähigen Verlust aus einem früheren Veranlagungszeitraum zu verrechnen. Den Verlust oder Verlustabzug durch einen Sanierungsgewinn zu beseitigen, sei mit dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren, denn der Sanierungsgewinn würde im Ergebnis besteuert, wenn man ihn mit einem Verlust des laufenden Veranlagungszeitraums oder einem Verlustabzug verrechne. Dass es mit dem Nebeneinander von steuerfreiem Sanierungsgewinn und Verlustausgleich oder Verlustabzug zu einer doppelten Vergünstigung für den Steuerpflichtigen kommen könne, sei ein vom Gesetzgeber gewolltes Ergebnis.
Für die Einkommensteuer schloss sich der VI. Senat mit Urteil in BFHE 94, 186, BStBl II 1969, 102 dieser Auffassung des Großen Senats an.
Für die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.F. (ab dem Veranlagungszeitraum 1977) mussten nach ständiger Rechtsprechung des BFH folgende Voraussetzungen erfüllt sein: die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, der volle oder teilweise Erlass seiner Schulden, die insoweit bestehende Sanierungsabsicht der Gläubiger sowie die Sanierungseignung des Schuldenerlasses.
Die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens war nach den Verhältnissen zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Forderungsverzicht vereinbart wurde. Maßgebend waren insoweit die Ertragslage und die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die Möglichkeiten zur Zahlung von Steuern und sonstiger Schulden, d.h. das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast, die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und die Höhe des Privatvermögens.. Die Sanierungsbedürftigkeit war zu vermuten, wenn sich mehrere Gläubiger an einer Sanierung beteiligten.
Hinsichtlich der Sanierungseignung war zu prüfen, ob der Schuldenerlass allein oder zusammen mit anderen –auch nicht steuerbefreiten– Maßnahmen das Überleben des Betriebs zu sichern geeignet war. Aber auch die Aufgabe des Unternehmens hinderte die Annahme der Sanierungseignung nicht; vielmehr sollte es (unter Hinweis auf RFH-Rechtsprechung) insoweit genügen, wenn der Schuldenerlass einen Einzelunternehmer in den Stand versetzte, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiterbestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein. Für die Annahme der Sanierungseignung war entscheidend, ob die Sanierung im Zeitpunkt des Schuldenerlasses zu erwarten war; nachträglich eingetretene Umstände, die das Gelingen der Sanierung verhinderten, rechtfertigten keine andere Beurteilung Als ungeeignet wurden aber Maßnahmen angesehen, die von vornherein erkennbar nicht ausreichten, das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens sicherzustellen.
Zur Voraussetzung der Sanierungsabsicht der Gläubiger war die BFH-Rechtsprechung nicht einheitlich. Teilweise wurde vertreten, die Sanierungsabsicht sei zu verneinen, wenn der Gläubiger Schulden erlasse, weil er erkennbar besonders an der Fortführung seiner Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner interessiert sei oder er durch einen Teilerlass den Erhalt der Restforderung sichern wolle. Demgegenüber hieß es in anderen Entscheidungen, an das Vorliegen der Sanierungsabsicht seien keine strengen Anforderungen zu stellen; vielmehr sei es ausreichend, wenn neben eigennützigen Motiven des Gläubigers wie etwa der Rettung eines Teils der Forderung oder des Erhalts der Geschäftsverbindungen die Sanierungsabsicht mitentscheidend gewesen. Bei einem gemeinschaftlichen Erlass mehrerer Gläubiger sei die Sanierungsabsicht in der Regel zu unterstellen .
II. Billigkeitserlass der auf Sanierungsgewinne entfallenden Steuer – Rechtsprechung, Schrifttum und Verwaltungsauffassung
Seit Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. haben Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG keine Sonderstellung mehr. Eine Steuerbefreiung solcher Sanierungsgewinne kann nur durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall erreicht werden.
1. Rechtsprechung zum Billigkeitserlass bei Sanierungsgewinnen
Rechtsprechung des BFH
Der vorlegende Senat hat die –jene Entscheidung allerdings nicht tragende– Ansicht vertreten, die im sog. Sanierungserlass wiedergegebene Auffassung der Finanzverwaltung, Sanierungsgewinne könnten nach § 227 AO erlassen werden, tangiere nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Der Ansicht des FG München, die Finanzverwaltung habe mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 eine Verwaltungspraxis contra legem eingeführt, könne “in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden”. Auch für das Urteil des vorlegenden Senats war die dort ebenfalls vertretene Auffassung, der sog. Sanierungserlass tangiere nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht tragend.
Der VIII. Senat des BFH hat es als zweifelhaft angesehen, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen wegen sachlicher Unbilligkeit gemäß dem sog. Sanierungserlass beansprucht werden könne. Die von der Vorinstanz vertretene Auffassung, ein Erlass der Einkommensteuer auf Sanierungsgewinne wegen sachlicher Unbilligkeit komme wegen des durch die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. zum Ausdruck gebrachten abweichenden Willens des Gesetzgebers nicht in Betracht, sei “nicht von vornherein abzulehnen”.
Der I. Senat des BFH hat die Fragen, ob der Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots uneingeschränkt genügt, offen gelassen.
des Bundesgerichtshofs
Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Haftungsfall, in dem der beklagte Steuerberater seinen Mandanten nicht auf die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses nach dem sog. Sanierungserlass hingewiesen hatte, die Frage, “ob der Sanierungserlass gesetzeswidrig ist”, offen gelassen, weil ein Steuerberater auch für Schäden einzustehen habe, die dem Mandanten entstanden sind, weil dieser sich durch schuldhaftes Handeln des Steuerberaters eine Behördenpraxis nicht hat zunutze machen können, die sich im Nachhinein als rechtswidrig erweist (BGH-Urteil vom 13. März 2014 IX ZR 23/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 2014, 638).
Rechtsprechung der Finanzgerichte
Die im Vorlagebeschluss eingehend dargestellte Rechtsprechung der Finanzgerichte lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die im Streitfall vom 1. Senat des Sächsischen FG mit Urteil in EFG 2013, 1898 vertretene Auffassung, mit dem sog. Sanierungserlass werde gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen, entspricht im Ergebnis derjenigen des 5. Senats des Sächsischen FG (Urteil vom 14. März 2013 5 K 1113/12, Deutsches Steuerrecht –DStR– 2014, 190) sowie derjenigen des 6. Senats des Sächsischen FG (Urteil vom 15. Juli 2015 6 K 1145/12, EFG 2016, 1582). Diese Auffassung wird mit ähnlicher Wortwahl (“Verwaltungspraxis contra legem”) vom FG München geteilt (Urteil in EFG 2008, 615).
Mit Beschluss vom 20. Januar 2014 4 V 1794/12 (juris) hat der 4. Senat des Sächsischen FG die Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses als in jenem Fall nicht glaubhaft gemacht angesehen und die Frage, ob der sog. Sanierungserlass überhaupt einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme begründen kann, offen gelassen. In gleicher Weise wird diese Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen vom FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 7. Januar 2014 6 K 6209/11, EFG 2014, 975), vom FG Hamburg (Urteil vom 8. August 2012 2 K 104/11, juris), vom Hessischen FG (Urteil vom 11. Februar 2010 3 K 351/06, Steuerrecht kurzgefasst 2010, 345) sowie vom 13. Senat des FG Köln (Urteil vom 16. Juni 2016 13 K 984/11, EFG 2016, 1756).
Keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des sog. Sanierungserlasses haben der 6. Senat des FG Köln (Urteil vom 24. April 2008 6 K 2488/06, EFG 2008, 1555), das FG Düsseldorf (Urteil vom 16. März 2011 7 K 3831/10 AO, EFG 2011, 1685) und das FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 14. November 2013 6 K 1267/11, EFG 2014, 721). Das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18. April 2012 12 K 12179/09, 12 K 12177/10, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst –DStRE– 2013, 413) und das Niedersächsische FG (Urteil vom 31. Januar 2012 8 K 34/09, EFG 2012, 1523) wenden den sog. Sanierungserlass an, ohne die streitige Rechtsfrage zu erörtern. Das FG Münster hält unter den Voraussetzungen, die denjenigen des sog. Sanierungserlasses entsprechen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns für sachlich unbillig (Urteil vom 27. Mai 2004 2 K 1307/02 AO, EFG 2004, 1572).
Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte
Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich (vgl. dazu die Nachweise bei Krumm, Sanierungsgewinne und Gewerbesteuer, Der Betrieb –DB– 2015, 2714). Zumeist wird der sog. Sanierungserlass als für die Gemeinden nicht verbindlich angesehen und eine Ermessensreduktion auf Null verneint (Sächsisches Oberverwaltungsgericht –OVG–, Beschluss vom 21. Oktober 2013 5 A 847/10, juris; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. Juli 2012 5 A 293/12.Z, Zeitschrift für Kommunalfinanzen –ZKF– 2013, 20). Das OVG Lüneburg hat es dagegen offen gelassen, ob der sog. Sanierungserlass die Verwaltung bindet; sein Inhalt sei aber bei der Entscheidung über den Erlassantrag zu beachten (Beschluss vom 1. April 2011 9 ME 216/10, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report 2011, 508).
Das Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg sieht ebenfalls keine Bindungswirkung des sog. Sanierungserlasses für die Gemeinden und hält die Ablehnung eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen unter Hinweis auf die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. für ermessensfehlerfrei (Urteil vom 25. Februar 2014 2 A 193/12, juris). Dagegen berücksichtigt das VG Köln die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht (Urteil vom 27. August 2014 24 K 2780/13, juris). Das VG Halle verneint ebenfalls die Bindung der Gemeinde an den sog. Sanierungserlass, bejaht aber die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung unter den dort beschriebenen Voraussetzungen (Urteil vom 22. Juni 2011 5 A 289/09, juris). Auch das VG Düsseldorf meint, die Gemeinde dürfe den Inhalt des sog. Sanierungserlasses bei der Ermessensausübung berücksichtigen, sie dürfe aber ermessensfehlerfrei auch weitere Erwägungen anstellen wie z.B. die regionalwirtschaftliche oder fiskalische Bedeutung eines Unternehmens, die Verhinderung städtebaulich unerwünschter Leerstände oder die Rettung von Arbeitsplätzen (Urteil vom 28. Juli 2014 25 K 6763/13, FR 2014, 942). Das VG Münster meint, die von der Gemeinde im Anschluss an das Urteil des FG München in EFG 2008, 615 vertretene Auffassung, nach Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. begründe ein Sanierungsgewinn als solcher keine sachliche Unbilligkeit und das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 sei deshalb mit höherrangigem Gesetzesrecht nicht vereinbar, sei nicht zu beanstanden (Urteil vom 21. Mai 2014 9 K 1251/11, DStRE 2015, 626).
Auffassungen im Schrifttum
Schon vor Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. hat Groh (Abschaffung des Sanierungsprivilegs?, DB 1996, 1890) die Besteuerung eines trotz Ausschöpfung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinns für sachgerecht gehalten. Ebenso hielt Kroschel die Aufhebung der Steuerfreiheit für richtig, allenfalls eine zeitweilige Zurückstellung des Steueranspruchs für gerechtfertigt, und sprach sich gegen einen Steuererlass im Billigkeitsweg aus (Rechtskritische Anmerkungen zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen, DStR 1999, 1383). Heinicke hat bereits anlässlich der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. die Auffassung vertreten, wegen des ausdrücklich abweichenden Willens des Gesetzgebers entfalle nunmehr im Regelfall auch der vor Einführung der Vorschrift von Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte Erlass der Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit (in Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 3, ABC “Sanierungsgewinn”). Er hält auch nach Bekanntgabe des sog. Sanierungserlasses an dieser Auffassung fest (in Schmidt, EStG, 35. Aufl., § 4 Rz 460 “Sanierungsgewinne”). Erhard (in Blümich, EStG, § 3 Nr. 66 a.F. Rz 3) sieht die gesetzliche Grundlage des sog. Sanierungserlasses ungeklärt. Bareis/Kaiser (Sanierung als Steuersparmodell?, DB 2004, 1841) sehen in dem sog. Sanierungserlass eine Kompetenzüberschreitung seitens des BMF und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung tangiert. Maus meint, der Steuererlass habe den Zweck, im Einzelfall die Fehler des generalisierenden Gesetzgebers zu korrigieren; die explizite Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. könne aber nicht als Fehler des Gesetzgebers gesehen werden, der durch die Finanzverwaltung zu korrigieren sei (Die Besteuerung des Sanierungsgewinns, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht –ZIP– 2002, 589). In gleicher Weise sieht v. Groll im sog. Sanierungserlass eine gesetzesvertretende Verwaltungsvorschrift, die allgemein und abstrakt die Behandlung von Sanierungsgewinnen regele und eine aufgehobene gesetzliche Regelung teilweise ersetzen wolle (in Hübschmann/Hepp/Spitaler –HHSp–, § 227 AO Rz 32). Eine gesetzliche Regelung ebenfalls für erforderlich halten Diffring (Umwandlung von Forderungen zur Sanierung von Kapitalgesellschaften, Berlin 2012) sowie Kanzler (Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns durch Billigkeitserlass…, FR 2003, 480), der jedenfalls 2003 noch feststellte, die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, das Sanierungsprivileg aufzuheben, werde durch den Sanierungserlass des BMF konterkariert.
Die Verwaltungsauffassung, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns sei unter den Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses sachlich unbillig, wird geteilt von Frotscher (in Schwarz, AO, § 163 Rz 132), Musil (in Herrmann/Heuer/ Raupach –HHR–, § 4 EStG Rz 134), Seer (Der sog. Sanierungserlass vom 27.3.2003 als Rechtsgrundlage für Maßnahmen aus sachlichen Billigkeitsgründen, FR 2010, 306), derselbe (Insolvenz, Sanierung und Ertragsteuern…, FR 2014, 721), Kahlert (Ertragsbesteuerung in Krise und Insolvenz, FR 2014, 731), Kahlert/Rühland (a.a.O., Rz 2.10 f.), Wiese/Lukas (Sanierungsgewinne und Gewerbesteuer, DStR 2015, 1222), Hageböke/ Hasbach (Gewerbesteuerliche Kompetenzfragen beim Sanierungserlass, DStR 2015, 1713), Sonnleitner/Strotkemper (Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen: Quo vadis?, Betriebs-Berater –BB– 2015, 2395), Krumm (DB 2015, 2714), derselbe (in Blümich, § 5 EStG Rz 959), Keuthen/Hübner (Aktuelle steuerliche Fragen bei Sanierungsgewinnen, FR 2015, 865), Buschendorf/Vogel (Der Anspruch auf Billigkeitserlass bei Sanierungsgewinnen, DB 2016, 676), Kanzler –anders als 2003– (Anmerkung zum Urteil des FG München vom 12. Dezember 2007 1 K 4487/06, FR 2008, 1114, 1117), Mitschke (Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12. Dezember 2013 X R 39/10, FR 2014, 658, 661), Hoffmann-Theinert/Häublein (Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen bei Forderungsverzichten, FU Berlin, online-Dokument). Weitere dem sog. Sanierungserlass zustimmende Autoren sind in Rz 50 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696 aufgeführt.
Auffassung der Verwaltung
Die Finanzverwaltung hält am sog. Sanierungserlass fest und meint, dieser verletze nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
III. Auffassung des Großen Senats
Der Große Senat bejaht die Vorlagefrage. Die im sog. Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen beschreiben keinen Fall sachlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO. Soweit der sog. Sanierungserlass gleichwohl den Erlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer vorsieht, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
1. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
Art. 20 Abs. 3 GG bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Hieraus abgeleitet –zum Teil auch mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung synonym gebraucht– wird das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes, dem zufolge das Gesetzesrecht Vorrang hat gegenüber von der Exekutive gesetzten Normen und anderen Verwaltungsentscheidungen (Grzeszick in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 20 V Rz 98, Art. 20 VI Rz 72); untergesetzliche Normen und andere Maßnahmen der Verwaltung dürfen gesetzlichen Rechtsnormen nicht widersprechen (Grzeszick, a.a.O., Art. 20 VI Rz 73; Schnapp, in: v. Münch/ Kunig, GGK, 6. Aufl., 2012, Rz 65 zu Art. 20). Ein Verstoß gegen dieses aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Verfassungsprinzip kommt danach in Betracht, wenn eine der Verwaltungsmaßnahme entgegenstehende gesetzliche Vorschrift existiert (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 28. Oktober 1975 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74, BVerfGE 40, 237, 247).
Im Abgabenrecht hat der vorgenannte Verfassungsgrundsatz seinen Niederschlag in § 85 Satz 1 AO gefunden. Nach dieser Vorschrift sind die Finanzbehörden verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Dieser für das gesamte Verfahren geltende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist der für das Steuerrecht einfachrechtlich formulierte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung i.S. des Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Schmitz in Schwarz, a.a.O., § 85 Rz 8; Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 85 Rz 1). § 85 Satz 1 AO enthält das im Steuerrecht geltende Legalitätsprinzip.
Die Finanzbehörden sind danach nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die wegen Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestands entstandenen Steueransprüche (§ 38 AO) festzusetzen und die Steuer zu erheben. In dem von den Grundsätzen der Gleichheit und der Gesetzmäßigkeit geprägten Steuerschuldverhältnis entspricht der Pflicht des Schuldners zur gesetzmäßigen Steuerzahlung die Pflicht der Finanzbehörden zur gesetzmäßigen Steuererhebung (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271). Die mit dem Vollzug der Steuergesetze beauftragte Finanzverwaltung hat die Besteuerungsvorgaben in strikter Legalität umzusetzen und so Belastungsgleichheit zu gewährleisten (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 271).
Die im Rahmen einer Ermessensausübung anzustellenden Zweckmäßigkeitserwägungen spielen daher bei der Steuerfestsetzung und -erhebung grundsätzlich keine Rolle. Einen im Belieben der Finanzverwaltung stehenden, freien Verzicht auf Steuerforderungen gibt es nicht. Auch im Wege von Verwaltungserlassen dürfen die Finanzbehörden Ausnahmen von der gesetzlich vorgeschriebenen Besteuerung nicht zulassen (Schmitz, a.a.O., § 85 Rz 10; Klein/Rätke, a.a.O., § 85 Rz 8), denn auch der Verzicht auf den Steuereingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage (Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 3 Rz 235 ff.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 2; BVerwG-Urteil vom 18. April 1975 VII C 15.73, BVerwGE 48, 166, BStBl II 1975, 679). Fehlt diese, können die Finanzbehörden von der Festsetzung und Erhebung gemäß § 38 AO entstandener Steueransprüche nicht absehen. Anderenfalls verstoßen sie gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Satz 1 AO) und damit gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG).
Gesetzliche Grundlagen für Billigkeitsmaßnahmen
Die rechtlichen Grundlagen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen finden sich in den Vorschriften der §§ 163, 227 AO, auf die sich der sog. Sanierungserlass ausdrücklich bezieht.
Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
Diese gesetzlichen Ermächtigungen der Finanzbehörden, das steuerliche Ergebnis im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit zu korrigieren, sind aus der früher in nur einer Gesetzesvorschrift enthaltenen und nahezu gleichlautenden Billigkeitsregelung des § 131 der Reichsabgabenordnung (RAO) hervorgegangen. Wegen der durch die AO vorgegebenen Trennung von Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren finden sich mit dem im Vierten Teil des Gesetzes enthaltenen § 163 Satz 1 AO und mit dem im Fünften Teil enthaltenen § 227 AO zwei gleichartige Vorschriften, die es ermöglichen, die Steuer im Einzelfall abweichend festzusetzen oder Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu erlassen, wobei der in § 163 Satz 1 AO verwendete Begriff der “Unbilligkeit” mit dem in § 227 AO verwendeten identisch ist (BFH-Urteil vom 24. August 2011 I R 87/10, BFH/NV 2012, 161). Die Unbilligkeit der Erhebung der Steuer oder der Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis kann daher sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren geltend gemacht werden und ist dementsprechend in beiden Verfahren zu prüfen.
Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein voraussetzungsloses Ermessen. Vielmehr setzen die abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 Satz 1 AO und der Erlass nach § 227 AO voraus, dass die Erhebung bzw. Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Besteuerung kann sich nach allgemeiner Auffassung aus persönlichen oder sachlichen Gründen ergeben (vgl. statt vieler: Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 32, 36).
Auf eine Vorlage des BVerwG hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) mit Beschluss vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70 (BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603) auf die ihm vorgelegte Frage geantwortet, die nach § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO zu treffende Entscheidung der Finanzbehörde, ob die Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig ist, sei eine Ermessensentscheidung und von den Gerichten nach den für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätzen zu prüfen. Allerdings rage der Begriff “unbillig” in den Ermessensbereich hinein und bestimme damit zugleich Inhalt und Grenzen der Ermessensausübung.
Die Auffassung des GmS-OGB wird in der Kommentarliteratur zur AO fast einhellig abgelehnt. Frotscher (in Schwarz, a.a.O., § 163 Rz 35) bezeichnet sie als fragwürdig, weil der unbestimmte Rechtsbegriff “Unbilligkeit” der Rechtsauslegung zugängig sei. V. Groll sieht die “Unbilligkeit” als Tatbestandsvoraussetzung und in § 163 und § 227 AO jeweils eine Koppelungsvorschrift mit einem unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestands- sowie einer Ermessensermächtigung auf der Rechtsfolgenseite (in HHSp, § 227 AO Rz 110, 115). Dem entspricht die Kommentierung von Krabbe (in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 227 Rz 8). Ähnlich formuliert es auch Oellerich (in Beermann/Gosch, AO, § 163 Rz 185). Ebenso meint Loose, der unbestimmte Rechtsbegriff “Unbilligkeit” sei Tatbestandsvoraussetzung; auf der Tatbestandsseite könne aber kein Verwaltungsermessen eingeräumt werden (Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 Rz 22 bis 24). Rüsken teilt die Kritik und meint im Anschluss an Loose, die Auslegung und Anwendung des Begriffs “Billigkeit” seien nicht dem Ermessen der Finanzbehörde überlassen, sondern Rechtsanwendung (Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 20). In gleicher Weise meint v. Wedelstädt, der Begriff “unbillig” sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der als Rechtsfolgevoraussetzung Rechtsentscheidung sei und vom Gericht ohne die Einschränkung des § 102 FGO überprüft werden könne (in: Kühn/ v. Wedelstädt, 21. Aufl., AO, § 163 Rz 6). Allein Cöster und Fritsch (beide in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 163 Rz 16 bzw. § 227 Rz 11) geben die vom GmS-OGB vertretene Auffassung unkommentiert wieder.
Die vorstehend beschriebenen unterschiedlichen Auffassungen führen allerdings nicht zu voneinander abweichenden Ergebnissen. Geht man mit der Formulierung des GmS-OGB davon aus, dass “der Begriff ‘unbillig’ in den Ermessensbereich hineinragt und damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung bestimmt”, kann es sich nur um einen Rechtsbegriff handeln, welcher der Definition bedarf, und zwar in derselben Weise, wie es bei einem Tatbestandsmerkmal erforderlich ist. Daher kommt auch der GmS-OGB mit seiner Entscheidung in BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 zu dem Schluss, es mache “vom Ergebnis her keinen bedeutsamen Unterschied”, ob man von einem Tatbestandsmerkmal und einer Rechtsentscheidung ausgehe oder von einer Ermessensentscheidung, die auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Billigkeit geprüft werde.
Dem entspricht die ständige Rechtsprechung des BFH, der seinen Entscheidungen zu §§ 163 und 227 AO stets den Beschluss des GmS-OGB in BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 zugrunde legt und dementsprechend davon ausgeht, dass die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung ist, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. aus jüngerer Zeit: BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 II R 4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237), und im Anschluss daran –wie im Schrifttum zutreffend vermerkt wird (vgl. v. Groll in HHSp, § 227 AO Rz 117; Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 20)– vollen Umfangs prüft, ob die Besteuerung im jeweiligen Streitfall unbillig ist. Bescheidungsurteile des BFH sind deshalb auf wenige Ausnahmefälle, in denen noch sachlicher Klärungsbedarf gesehen wurde, beschränkt geblieben (BFH-Urteile vom 6. Februar 1980 II R 7/76, BFHE 130, 186, BStBl II 1980, 363; vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259, und vom 9. Juli 2003 V R 57/02, BFHE 203, 8, BStBl II 2003, 901).
Bestätigt der BFH die Behördenentscheidung und verneint er die Unbilligkeit der Besteuerung, weist er die Revision des Klägers zurück oder ändert auf die Revision der Finanzbehörde die Vorentscheidung.
Bejaht der BFH dagegen die Unbilligkeit der Besteuerung, kommt er im zweiten Schritt durchweg dazu, eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen, oder er problematisiert die Frage des Ermessens nicht und weist entweder die Revision der Finanzbehörde zurück oder ändert auf die Revision des Klägers die Vorentscheidung und verpflichtet die Finanzbehörde zum Erlass.
In gleicher Weise geht die Rechtsprechung des BVerwG zu Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 oder § 227 AO von einer uneingeschränkten Überprüfbarkeit des Merkmals der “Unbilligkeit” aus. Mit den BVerwG-Urteilen vom 29. September 1982 8 C 48.82 (BStBl II 1984, 236) und vom 9. März 1984 8 C 43.82 (HFR 1985, 481) wurde die Entscheidung der Behörde, die geltend gemachte sachliche Unbilligkeit der Einziehung der Lohnsummensteuer sei nicht gegeben, voll überprüft. Mit seinen Urteilen vom 4. Juni 1982 8 C 90.81 (HFR 1984, 595), 8 C 126.81 (HFR 1984, 594) und 8 C 106.81 (ZKF 1982, 194) hat das BVerwG die sachliche Unbilligkeit der Einziehung der Grundsteuer in jenen Fällen verneint, ohne den Begriff des “Ermessens” zu erwähnen. Ebenso hat das BVerwG in einem aktuellen Urteil vom 19. Februar 2015 9 C 10.14 (BVerwGE 151, 255) die in jenem Fall geltend gemachte sachliche Unbilligkeit der Einziehung der Gewerbesteuer eingehend geprüft und verneint, ohne ein behördliches Ermessen und eine daraus folgende nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der Behördenentscheidung zu erwähnen.
Ist somit nach den vorstehend beschriebenen Rechtsauffassungen in Literatur und Rechtsprechung das in §§ 163 und 227 AO verwendete Merkmal “unbillig” ein im gerichtlichen Verfahren überprüfbarer Rechtsbegriff oder mit anderen Worten –wie auch der vorlegende Senat mit Urteil in BFHE 248, 485, BStBl II 2016, 117 ausführt– die “gesetzliche Voraussetzung” einer Ermessensentscheidung, kommt ein dieses Merkmal einschließendes behördliches Ermessen nicht in Betracht und deshalb auch keine durch eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift herbeigeführte Ermessensreduktion auf Null. Wäre die Bejahung oder Verneinung der Unbilligkeit der Erhebung und Einziehung der Steuer eine Ermessensentscheidung, läge der Steuererlass gänzlich im Ermessen der Finanzbehörden, was –wie ausgeführt– mit dem in § 85 Satz 1 AO steuerrechtlich begründeten Legalitätsprinzip und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar wäre.
Soweit daher das BMF mit dem sog. Sanierungserlass die Auffassung vertritt, unter den dort beschriebenen Voraussetzungen sei die Erhebung der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer sachlich unbillig i.S. des § 163 Abs. 1 Satz 1 und des § 227 AO, handelt es sich um eine norminterpretierende (nämlich das Merkmal sachlicher Unbilligkeit konkretisierende) Verwaltungsvorschrift, welche die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern soll. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben nach ständiger BFH-Rechtsprechung keine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren. Sie stehen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung, der allein es obliegt zu entscheiden, ob die Auslegung der Rechtsnorm durch die Finanzverwaltung im Einzelfall Bestand hat (vgl. dazu aus jüngerer Zeit: BFH-Urteil vom 16. September 2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 25, m.w.N.).
Nach alledem lässt sich der Steuererlass in Fällen, in denen die Unbilligkeit der Besteuerung i.S. der §§ 163 und 227 AO nicht gegeben ist, auch nicht mit einer durch Verwaltungsvorschrift geschaffenen Selbstbindung der Finanzverwaltung und einem darauf gestützten Anspruch des Steuerpflichtigen auf Gleichbehandlung begründen (so auch Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO Rz 55, 62, 128), denn Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt –wie ausgeführt– nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf Anwendung einer
Voraussetzungen sachlicher Unbilligkeit
Für die Prüfung einer auf den sog. Sanierungserlass gestützten Billigkeitsmaßnahme kommt es danach allein darauf an, ob sich unter den dort genannten Voraussetzungen die sachliche Unbilligkeit der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer bejahen lässt. Das ist jedoch nicht der Fall.
Die Voraussetzungen sachlicher Unbilligkeit der Besteuerung, um die es sowohl im Streitfall als auch im sog. Sanierungserlass allein geht, sind durch eine langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung definiert worden, mit der sich der sog. Sanierungserlass nicht auseinandersetzt.
Eine sachliche Billigkeitsmaßnahme stellt immer auf den Einzelfall ab und ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Das bedeutet zwar nicht, dass sie allein für singulär auftretende Fälle vorgesehen ist; sie kann vielmehr auch in durch besondere Ausnahmevoraussetzungen gekennzeichneten Fallgruppen gewährt werden. Die Voraussetzungen einer Billigkeitsmaßnahme sind aber im Fall einer solchen Gruppenregelung dieselben wie bei einer Einzelfallentscheidung der Finanzbehörde: Die Erhebung oder Einziehung muss gemäß § 163 Satz 1 und § 227 AO “nach Lage des einzelnen Falls” unbillig sein. Eine Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle kann daher mit dem Ziel einer einheitlichen Behandlung zusammenfassend beurteilt werden, doch müssen hinsichtlich all dieser Einzelfälle die Voraussetzungen der sachlichen Unbilligkeit vorliegen Typisierende Billigkeitsregelungen in Gestalt subsumierbarer Tatbestände kommen deshalb nicht in Betracht; sie können allein Bestandteil einer gesetzlichen Regelung sein (Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 163 Rz 32; Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 6 f.).
Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (vgl. die Nachweise in Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 32). Gründe außerhalb des Steuerrechts wie z.B. wirtschafts-, arbeits-, sozial- oder kulturpolitische Gründe können einen Billigkeitsentscheid somit nicht rechtfertigen
Soweit der vorlegende Senat sowie Stimmen im Schrifttum Fälle eines durch Forderungsverzicht entstandenen Sanierungsgewinns für im vorgenannten Sinn atypische Einzelfälle halten, weil der Sanierungsgewinn nicht zu einem Liquiditätszufluss oder einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit führe (Seer, FR 2014, 721, 727; Buschendorf/Vogel, DB 2016, 676, 679; ebenso Rz 62 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696), folgt der Große Senat dieser Ansicht nicht.
Ein aus betrieblichen Gründen erklärter Verzicht auf eine betriebliche Darlehensforderung ist –ungeachtet der Art der Gewinnermittlung und ungeachtet dessen, ob sie mit der Erhöhung der Liquidität oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist– als Betriebseinnahme zu erfassen (§ 4 Abs. 1 und 3 EStG; ggf. i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG und § 8 Abs. 1 KStG); auch handelt es sich hierbei nicht um eine atypische, vom Gesetzgeber nicht gewollte Gewinnerhöhung oder Verlustminderung. Vielmehr zeigt sich gerade im Fall der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG), dass die Besteuerung des durch einen solchen Forderungsverzicht entstandenen Gewinns die notwendige Folge der gesetzlich vorgegebenen Gewinnermittlungsart ist. Letztere umfasst die Forderungen und Verbindlichkeiten als Teil des positiven und negativen Betriebsvermögens mit der Folge, dass der mit dem Forderungsverzicht des Gläubigers ausgelöste und betrieblich veranlasste Wegfall der Schuld das Nettovermögen des Schuldners mehrt und damit seinen Gewinn sowie die hierdurch ausgedrückte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht. Hierbei ist unerheblich, dass der Forderungsverzicht als solcher die Liquidität des begünstigten Unternehmers nicht (unmittelbar) erhöht. Demgemäß ist es auch ausgeschlossen, eine hierauf beruhende Besteuerung als ungewollte und “überschießende” Folge einer typisierenden gesetzlichen Regelung zu qualifizieren.
Darüber hinaus trifft es nicht zu, dass der durch den Forderungsverzicht eines Gläubigers entstandene Gewinn nur bilanzieller Natur und nicht mit einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist. Vielmehr ist eine solche Steigerung auf Seiten des Steuerpflichtigen faktisch bereits mit der ursprünglichen Leistung des Gläubigers eingetreten, die allerdings wegen des bilanziellen Ausweises einer Verbindlichkeit zunächst gewinnneutral blieb, weshalb nunmehr, nachdem der Steuerpflichtige die Leistung wegen des Forderungsverzichts endgültig behält, die frühere Steigerung seiner Leistungsfähigkeit in Gestalt einer Gewinnerhöhung ertragsteuerlich zu berücksichtigen ist.
Dies ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn der Forderungsverzicht in Sanierungsabsicht erklärt wird. Der in der Literatur vertretenen Ansicht, der einem wirtschaftlich notleidenden Unternehmen in Sanierungsabsicht gewährte Schuldenerlass verhindere lediglich den endgültigen Zusammenbruch des Unternehmens und führe daher nicht zu einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit (Seer, FR 2014, 721, 727; Krumm, DB 2015, 2714; Buschendorf/Vogel, DB 2016, 676, 679 ff.; Gondert/Büttner, Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen, DStR 2008, 1676), ist nicht zu folgen. Vielmehr verfolgt gerade der in Sanierungsabsicht gewährte Schuldenerlass den Zweck, dem angeschlagenen Unternehmen durch Steigerung seiner Leistungsfähigkeit wieder aufzuhelfen, indem z.B. erwirtschaftete Erträge nicht mehr für den Schuldendienst verwendet werden müssen, sondern für notwendige Investitionen verbleiben. Könnte hingegen ein seitens der Gläubiger gewährter Schuldenerlass nichts an der mangelnden Leistungsfähigkeit und der prekären Liquidität des in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Unternehmens ändern, fehlte es schon an der Sanierungseignung des Forderungsverzichts, die der sog. Sanierungserlass (im Anschluss an die frühere BFH-Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a.F.) nach wie vor fordert. Unbeschadet der vorstehend unter aa) aufgeführten Gründe ist daher gerade im Fall eines in Sanierungsabsicht gewährten und für die Sanierung geeigneten Schuldenerlasses eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des nunmehr ganz oder teilweise entschuldeten Unternehmens bereits mit dem Fortfall der Verbindlichkeit zu bejahen.
Soweit gleichwohl in Fällen eines in Sanierungsabsicht erklärten Forderungsverzichts die steuerliche Begünstigung des auf Seiten des Steuerpflichtigen entstehenden Gewinns für erforderlich gehalten wird, um die beabsichtigte (und für erstrebenswert erachtete) Sanierung eines notleidenden Unternehmens nicht zu hindern und die Gläubiger nicht vom Verzicht auf ihre Forderungen abzuhalten (vgl. statt vieler: Krumm, DB 2015, 2714, 2715; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676; Fritsche, Die Streichung von § 3 Nr. 66 EStG…, DStR 2000, 2171, 2172; vgl. auch Groh, DB 1996, 1890; Kroschel, DStR 1999, 1383; s.a. Rz 72 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696), liegen diese wirtschafts-, ggf. auch arbeitsmarktpolitischen Gründe außerhalb des Steuerrechts und können –wie ausgeführt– keine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen.
Dass die Besteuerung des Sanierungsgewinns für das betroffene Unternehmen problematisch ist, weil der durch den Forderungsverzicht gewonnene wirtschaftliche Spielraum wieder eingeengt wird und die steuerliche Belastung das Unternehmen “zur Unzeit” trifft (so Krumm, DB 2015, 2714, 2715), führt ebenfalls nicht zu sachlicher Unbilligkeit, denn sachliche Gründe für eine Billigkeitsentscheidung sind unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 30. August 1963 III 112/60 U, BFHE 77, 522, BStBl III 1963, 511). Die Pflicht der Finanzverwaltung, Steueransprüche durchzusetzen, ist nicht schon deshalb sachlich unbillig, weil sie zu einer erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Steuerschuldners führt (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552).
Darüber hinaus sieht der sog. Sanierungserlass, soweit er gleichwohl Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163 und 227 AO für Sanierungsgewinne anordnet, keine Einzelfallprüfung vor, sondern enthält typisierende Regelungen, welche die sachliche Unbilligkeit unter den dort beschriebenen Voraussetzungen ohne Rücksicht auf die Höhe des Sanierungsgewinns und der darauf entfallenden Steuer sowie ungeachtet einer zu befürchtenden Gefährdung der Unternehmenssanierung als gegeben unterstellen.
Gerade bei der vom sog. Sanierungserlass unter Nr. III geforderten vorrangigen Verlustverrechnung kann der nach Verrechnung verbleibende Sanierungsgewinn so gering sein, dass seine Besteuerung eine Gefährdung der Unternehmenssanierung nicht befürchten lässt. Gleichwohl gewährt der sog. Sanierungserlass in jedem Fall eines verbleibenden Sanierungsgewinns den Steuererlass. Die auch in Fällen sog. Gruppenunbilligkeit erforderliche Prüfung der Unbilligkeit im Einzelfall (vgl. BFH-Urteil in BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696) unterbleibt.
Eine weitere Typisierung enthält das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240, unter Nr. II, soweit die geforderten Voraussetzungen eines Sanierungsgewinns (Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des Schuldenerlasses und Sanierungsabsicht der Gläubiger) als gegeben angesehen werden, wenn ein Sanierungsplan vorliegt. Diese Typisierung geht auf die (bereits dargestellte) frühere BFH-Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. zurück. Im Rahmen der damaligen gesetzlichen Regelung war sie zulässig; im Rahmen eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen ist sie es nicht.
Da eine Regelung, die der Gesetzgeber abstrakt hätte treffen können, nicht Gegenstand von Billigkeitsmaßnahmen sein kann (BFH-Urteil in BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696), spricht gegen die mit dem sog. Sanierungserlass angenommene sachliche Unbilligkeit des Weiteren, dass die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns über viele Jahre hinweg –zunächst im KStG, dann im EStG– auf einer gesetzlichen Regelung beruhte.
Vor allem aber kam mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. der Wille des Gesetzgebers klar und deutlich zum Ausdruck, Sanierungsgewinne künftig nicht mehr steuerlich zu privilegieren. Ein Sanierungsgewinn ist danach steuerlich genauso zu behandeln wie jeder andere durch Vermögensvergleich ermittelte Gewinn. Damit sind Billigkeitsmaßnahmen in Einzelfällen nicht von vornherein ausgeschlossen (wie die Vorinstanz mit Urteil in EFG 2013, 1898 und das FG München mit Urteil in EFG 2008, 615 möglicherweise meinen), sondern kommen in Fällen sachlicher Unbilligkeit durchaus in Betracht. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung zur Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. abschließend (vgl. BTDrucks 13/7480, 192): “Einzelnen persönlichen oder sachlichen Härtefällen kann im Stundungs- oder Erlasswege begegnet werden.”
Gleichwohl lässt sich nicht annehmen, gerade diejenigen Voraussetzungen, die bisher nach langjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns führten (Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, Forderungsverzicht der Gläubiger in Sanierungsabsicht sowie Sanierungseignung des Forderungsverzichts) und die dem Gesetzgeber bei Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. bekannt waren, könnten nach Aufhebung dieser Vorschrift die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung eines Sanierungsgewinns begründen. So hat auch der vorlegende Senat mit Urteil in BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 sowie mit Beschluss vom 8. Juni 2011 X B 209/10 (BFH/NV 2011, 1828) zu Recht entschieden, Billigkeitsmaßnahmen könnten nicht nach den Kriterien einer Vorschrift beurteilt werden, die der Gesetzgeber bewusst aufgehoben habe.
Auch die nunmehr zusätzlich neben die früheren Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. tretenden Bedingungen, die der sog. Sanierungserlass stellt, können den Steuererlass aus Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen.
Soweit auf die vom sog. Sanierungserlass unter III. geforderte vorrangige und vollständige Verrechnung des Sanierungsgewinns mit Verlustvorträgen und negativen Einkünften verwiesen und vertreten wird, jedenfalls die Besteuerung eines solchen, nicht mehr durch Verlustverrechnung reduzierbaren Sanierungsgewinns sei als sachlich unbillig anzusehen, weil der zur Zeit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. unbegrenzt mögliche Verlustvortrag mittlerweile durch § 10d Abs. 2 EStG in Gestalt einer sog. Mindestbesteuerung wieder beschränkt worden sei (Krumm, DB 2015, 2714, 2716; Seer, FR 2014, 721, 727; Vorlagebeschluss in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696, Rz 65), folgt der Große Senat dieser Auffassung aus mehreren Gründen nicht.
(1) Die Annahme, die Besteuerung eines nach vollständiger Verlustverrechnung verbleibenden Sanierungsgewinns laufe den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, weil nach der Begründung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1999 der CDU/CSU- und FDP-Fraktion (BTDrucks 13/7480, 192) mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. allein eine sog. “Doppelbegünstigung” (Steuerbegünstigung des Sanierungsgewinns bei zugleich unbegrenzt möglichem Verlustvortrag) habe vermieden werden sollen (vgl. z.B. Krumm, DB 2015, 2714, 2716; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676; Braun/Geist, Zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, BB 2009, 2508; Vorlagebeschluss in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696, Rz 60, 61, 65), trifft nicht zu. Vielmehr waren nach der Begründung des vorgenannten Gesetzentwurfs mehrere Motive für die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ausschlaggebend, wobei an erster Stelle hervorgehoben wurde, dass die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und Steuervergünstigungen abzuschaffen seien und dass die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns nach den Grundprinzipien des Einkommensteuerrechts systemwidrig sei, da der durch den Erlass der Verbindlichkeiten entstehende Gewinn entgegen den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln nicht besteuert werde. Anschließend wurde in der Begründung zwar auf den seinerzeit unbegrenzt möglichen Verlustvortrag verwiesen, daneben aber auch das Motiv der Steuervereinfachung genannt (vgl. BTDrucks 13/7480, 192). Dass darüber hinaus die Generierung eines höheren Steueraufkommens ein weiteres zentrales Motiv für die Streichung der Steuervergünstigung war, zeigt die damalige Schätzung der finanziellen Auswirkungen, in der die durch die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. veranschlagten Mehreinnahmen für das Jahr 2001 mit 42 Mio. DM ausgewiesen wurden (BTDrucks 13/7480, 165; s.a. Bericht des Finanzausschusses vom 24. Juni 1997, BTDrucks 13/8023, 43). Der Vorschlag, § 3 Nr. 66 EStG a.F. aufzuheben, wurde schließlich vorgezogen und zur Gegenfinanzierung der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 aufgenommen.
Es ist nicht zulässig, aus diesem Bündel gesetzgeberischer Motive für die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. allein die Vermeidung einer sog. “Doppelbegünstigung” herauszulösen und als Begründung für eine angebliche sachliche Unbilligkeit der Besteuerung für solche Fälle zu verwenden, in denen Sanierungsgewinne trotz Verrechnung mit Verlusten verbleiben. Damit blieben zum einen die übrigen Motive des Gesetzgebers und infolgedessen zum anderen die ständige Rechtsprechung des BFH sowie des BVerwG unbeachtet, der zufolge eine steuerliche Belastung, die der Wertentscheidung des Gesetzgebers entspricht, weil er sie auch in Anbetracht der Umstände des betreffenden Einzelfalls in Kauf genommen hat, grundsätzlich hinzunehmen ist und nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme beseitigt werden kann (BFH-Urteile vom 5. Oktober 1966 II 111/64, BFHE 88, 382, BStBl III 1967, 415; vom 26. April 1979 V R 67/74, BFHE 127, 556, BStBl II 1979, 539; vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663, und vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505, jeweils m.w.N.; BVerwG-Urteile in HFR 1984, 595, und in HFR 1985, 481).
Darüber hinaus gibt es im Hinblick auf die Zeitpunkte weder der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. noch der Aufnahme einer Mindestbesteuerung in § 10d EStG Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe seinerzeit die Möglichkeit auch nach Verlustverrechnung gleichwohl verbleibender Sanierungsgewinne übersehen. Schon unter der Geltung sowohl des § 11 Nr. 4 KStG a.F. als auch des § 3 Nr. 66 EStG a.F. gab es nämlich bis zum Beschluss des Großen Senats in BFHE 93, 75, BStBl II 1968, 666 eine langjährige BFH-Rechtsprechung, der zufolge nur nach Verlustverrechnung verbleibende Sanierungsgewinne steuerlich begünstigt waren. Diese Rechtsprechung kann nicht übersehen worden sein.
Jedenfalls hätte mit der Neufassung des § 10d EStG das Problem trotz Verlustverrechnung verbleibender Sanierungsgewinne wieder in den Blick rücken müssen, denn spätestens zu jenem Zeitpunkt war klar, dass sich die bei Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. gegebene Möglichkeit eines uneingeschränkten Verlustvortrags geändert hatte und es vermehrt zu nicht verrechenbaren Sanierungsgewinnen kommen könnte. Gleichwohl wurden keine Sonderreglungen für Sanierungsgewinne geschaffen.
Ob hierin zu Recht ein Versäumnis oder ein widersprüchliches Verhalten des Gesetzgebers gesehen wird (vgl. insoweit die Stellungnahme des beigetretenen BMF; ebenso Seer, FR 2010, 306, 308; Braun/Geist, BB 2009, 2508), bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls war und ist es vor dem Hintergrund einer nunmehr wieder beschränkten Verlustverrechnung allein Sache des Gesetzgebers, die aufgehobene Privilegierung von Sanierungsgewinnen neu zu überdenken. Es liegt hingegen nicht in der Kompetenz der Finanzverwaltung, vermeintlich unschlüssige Gesetzesänderungen durch Billigkeitsmaßnahmen zu korrigieren.
Darüber hinaus wird ein den Billigkeitsvorschriften der §§ 163, 227 AO fremdes Motiv deutlich, soweit der sog. Sanierungserlass die vorrangige umfassende Verlustverrechnung sowie bei später auftretenden Verlusten den Verlustrücktrag zwingend vorsieht und für den Fall eines hiervon abweichenden Verhaltens des Steuerpflichtigen die Rücknahme seines Erlassantrags fingiert (Nr. III Abs. 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240), denn die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung folgt –wie ausgeführt– aus dem den Sinn und Zweck einer steuerrechtlichen Vorschrift verfehlenden Ergebnis in einem atypischen Einzelfall und kann nicht –wie es der sog. Sanierungserlass vorsieht– von bestimmten dem Steuerpflichtigen abverlangten Handlungen und der Wahrnehmung anderer Möglichkeiten des Steuersparens abhängig sein.
Dies gilt umso mehr, als der sog. Sanierungserlass diese Maßnahmen zum Teil ohne Rücksicht auf entgegenstehende gesetzliche Verrechnungsbeschränkungen verlangt, was von Stimmen in der Literatur als “schlicht rechtswidrig” bezeichnet wird (Janssen, Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne, DStR 2003, 1055; kritisch auch Siebert/Lickert, Handels- und steuerrechtliche Behandlung eines Forderungsverzichts mit Besserungsschein und eines Rangrücktritts bei der GmbH, online-Dokument, S. 19). Daran zeigt sich, dass es beim sog. Sanierungserlass nicht um die Abwendung steuerlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO geht, sondern ein anderes Ziel verfolgt wird, nämlich die steuerliche Subventionierung der Sanierung notleidender Unternehmen. Eine solche Subvention kann von bestimmten Bedingungen wie der vorrangigen totalen Verlustverrechnung abhängig gemacht werden. Billigkeitsmaßnahmen mit solchen Bedingungen zu verknüpfen, kommt hingegen nicht in Betracht.
Auch soweit der sog. Sanierungserlass unter Nr. I.1. nur unternehmensbezogene, nicht aber unternehmerbezogene Billigkeitsmaßnahmen vorsieht, unterscheidet er sich zwar von der früheren Rechtslage unter der Geltung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. Jedoch lässt sich auch hieraus kein die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung rechtfertigender Grund herleiten. Vielmehr spricht gerade diese Voraussetzung gegen die im sog. Sanierungserlass liegende Billigkeitsregelung, denn es kann unter Annahme sachlicher Unbilligkeit der Erhebung oder Einziehung einer Steuer keinen Unterschied machen, wem die sich daraus ergebende Billigkeitsmaßnahme zugutekommt. Erweist sich die Besteuerung im Einzelfall als sachlich unbillig, sind die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass unabhängig davon gegeben, ob das Unternehmen oder der Unternehmer von diesem profitiert.
Gerade diese Beschränkung des Billigkeitserlasses auf das betroffene Unternehmen, indem der sog. Sanierungserlass (von einem Ausnahmefall abgesehen) verlangt, dass das Unternehmen fortgeführt wird (Nr. I.2. des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240), zeigt wiederum deutlich, dass es nicht um steuerliche Unbilligkeit geht, sondern um das wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Ziel, die Sanierung eines wirtschaftlich notleidenden Unternehmens nicht zu erschweren und Arbeitsplätze zu erhalten (so auch Bareis/Kaiser, DB 2004, 1841; Hoffmann-Theinert/Häublein, a.a.O.). Ob es aber mit Blick auf wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Ziele geboten ist, sich seitens des Fiskus daran zu beteiligen, Unternehmen vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragfähig zu machen, ist keine Entscheidung, welche die Finanzverwaltung ohne gesetzliche Grundlage im Wege eines Erlasses treffen kann. Diese politische Entscheidung obliegt dem Gesetzgeber.
Sind nach alledem die neben die Erzielung eines Sanierungsgewinns tretenden Bedingungen, die der sog. Sanierungserlass für einen Billigkeitserlass zusätzlich fordert, nicht geeignet, die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung zu begründen, verbleibt die Feststellung, dass die Finanzverwaltung mit dem sog. Sanierungserlass, der sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht ausdrücklich an die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. anknüpft (Nr. IV des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240), die vom Gesetzgeber aufgehobene Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne jedenfalls im Ergebnis durch Verwaltungsvorschrift wieder eingeführt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. dazu: BVerfG-Beschluss in BVerfGE 40, 237).
Daran ändert auch die im sog. Sanierungserlass unter Nr. III Abs. 1 vertretene Ansicht des BMF nichts, die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. sei sachlich unbillig, weil sie mit den Zielen der InsO in Konflikt stehe (so auch statt vieler: Kahlert, FR 2014, 731, 733; ebenso Rz 71 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696).
Das mit der InsO verfolgte Ziel, insolvente Unternehmen zu erhalten und die außergerichtliche Sanierung zu fördern, zwingt nicht zu der Folgerung, der Fiskus habe sich mit Steuersubventionen an Sanierungen zu beteiligen. Im Übrigen waren dem Gesetzgeber im Zeitpunkt der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. im Jahr 1997 die Vorschriften der InsO und ihre Ziele bekannt, denn die InsO ist zwar erst am 1. Januar 1999 in Kraft getreten (Art. 110 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl I 1994, 2911), war jedoch bereits 1994 verabschiedet und im BGBl I 1994, 2866 verkündet worden. Wenn aber der Gesetzgeber die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.F. in Kenntnis des neuen Insolvenzrechts beseitigte, ist anzunehmen, dass er dessen Regelungen für ausreichend hielt, die Sanierung insolventer Unternehmen zu fördern.
Darüber hinaus kann auch bei Annahme eines gesetzgeberischen Zielkonflikts, wie er im sog. Sanierungserlass beschrieben ist, nicht angenommen werden, er könne durch Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung gelöst werden. Lassen sich gesetzgeberische Ziele nicht miteinander vereinbaren, kommen regelmäßig mehrere Möglichkeiten der Konfliktlösung in Betracht. Die Entscheidung, welcher Weg der Konfliktlösung zu beschreiten und welchem Ziel der Vorrang einzuräumen ist, ist allein vom Gesetzgeber zu treffen und kann nicht Gegenstand einer Verwaltungsvorschrift sein. Wenn in diesem Zusammenhang im Schrifttum zustimmend vermerkt wird, das BMF habe mit dem sog. Sanierungserlass den Zielkonflikt zugunsten der InsO gelöst (vgl. Kahlert, FR 2014, 731, 733), fehlt die Auseinandersetzung mit der Frage, ob diese Art der Konfliktlösung in der Kompetenz der Finanzverwaltung liegt.
Liegen somit in Fällen durch Schuldenerlass erzielter Sanierungsgewinne, wie sie der sog. Sanierungserlass beschreibt, die Voraussetzungen sachlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO nicht vor, lässt sich der nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 vorgesehene Steuererlass aus Billigkeitsgründen auch nicht mit dem Vorbringen des dem Streitfall beigetretenen BMF rechtfertigen, solche Billigkeitsmaßnahmen entsprächen dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers, weil in verschiedenen Begründungen zu Gesetzentwürfen Billigkeitsmaßnahmen im Allgemeinen oder der sog. Sanierungserlass im Besonderen erwähnt würden (vgl. insoweit auch: Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 163 Rz 132; HHR/Musil, § 4 EStG Rz 134; Kanzler, FR 2008, 1116, 1117; Geist, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen, BB 2008, 2658; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676; Hoffmann-Theinert/Häublein, a.a.O.; Buschendorf/Vogel, DB 2016, 676, 679 ff.; s.a. Rz 66 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696).
Diesen Auffassungen, die sich auf den Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 27. März 2007 (BTDrucks 16/4841, 76), auf die Empfehlungen der Ausschüsse zum Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 23. März 2009 (BRDrucks 168/1/09, 33) und die diesbezügliche Stellungnahme des Bundesrates vom 22. April 2009 (BTDrucks 16/12674, 10) stützen, in denen Billigkeitsmaßnahmen bzw. die Möglichkeit der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gemäß dem sog. Sanierungserlass des BMF erwähnt werden, folgt der Große Senat nicht.
Zum einen sind derartige Äußerungen in deutlich späteren Begründungen zu Gesetzentwürfen von Parlamentsfraktionen oder in Stellungnahmen von Ausschüssen nicht geeignet, auf einen mutmaßlichen Willen des historischen Gesetzgebers zu schließen. Zum anderen ist der verfassungsrechtliche Aspekt des insbesondere im Steuerrecht geltenden Legalitätsprinzips zu beachten: Bedürfen Steuervergünstigungen für Sanierungsgewinne einer gesetzlichen Regelung, weil das Tatbestandsmerkmal sachlicher Unbilligkeit der §§ 163, 227 AO, auf das sich der sog. Sanierungserlass stützt, nicht vorliegt, ist es ohne Bedeutung, ob sich in bestimmten Gesetzesmaterialien Hinweise finden, dass der Gesetzgeber den sog. Sanierungserlass stillschweigend oder konkludent billigt. Die notwendige, aber fehlende rechtliche Grundlage für eine steuerrechtliche Begünstigung von Sanierungsgewinnen kann nicht durch die Erwägung ersetzt werden, dass der Gesetzgeber in Anbetracht einer vorhandenen Problemlösung durch Verwaltungsvorschrift keinen Anlass sieht, tätig zu werden.
Zusammenfassung und Ergebnis
Das von der Finanzverwaltung und von Teilen der Rechtsprechung sowie des Schrifttums als richtig erkannte Ziel, Sanierungsgewinne generell, jedenfalls aber nachdem sie mit Verlusten verrechnet worden sind, nicht zu besteuern, lässt sich mit einem Billigkeitserlass nach § 163 Satz 1 oder § 227 AO nicht erreichen. Die nach der BFH-Rechtsprechung für das Merkmal sachlicher Unbilligkeit maßgebenden Kriterien rechtfertigen keine Billigkeitsmaßnahmen für die im sog. Sanierungserlass beschriebenen Fälle. Auf besondere, außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche Billigkeitsgründe gestützte Billigkeitsmaßnahmen bleiben allerdings unberührt.
Der sog. Sanierungserlass gewährt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen eine steuerliche Begünstigung, die durch den Umstand veranlasst wird, dass die Gläubiger mit ihrem Forderungsverzicht zu erkennen gegeben haben, dass sie die Unternehmenssanierung für erforderlich und die ergriffenen Maßnahmen für erfolgversprechend halten. Das Bedürfnis für eine solche Begünstigung wird aus dem wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Interesse am Erfolg der eingeleiteten Unternehmenssanierung hergeleitet. Ob sich der Fiskus in Anbetracht eines solchen Interesses an der Sanierung von Unternehmen beteiligt und in welcher Weise er dies tut, d.h. welche der verschiedenen in Betracht kommenden steuerlichen Erleichterungen für Sanierungsgewinne gewährt werden (vgl. zu unterschiedlichen gesetzlichen Lösungen in anderen Ländern: Maus, ZIP 2002, 589), ist eine allein dem Gesetzgeber obliegende politische Entscheidung.
Indem das BMF durch sein Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) mit im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen nicht zulässigen typisierenden Regelungen die vom Gesetzgeber aufgehobene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen unter (leicht) modifizierten Bedingungen wieder einführt, um (u.a.) einen angeblichen Zielkonflikt mit der InsO zu bereinigen, wird es in gesetzesvertretender Weise tätig. Mit der Schaffung typisierender Regelungen für einen Steuererlass außerhalb der nach §§ 163 und 227 AO im Einzelfall möglichen Billigkeitsmaßnahmen nimmt das BMF eine strukturelle Gesetzeskorrektur vor und verstößt damit gegen das sowohl verfassungsrechtlich (Art. 20 Abs. 3 GG) als auch einfachrechtlich (§ 85 Satz 1 AO) normierte Legalitätsprinzip.
D. Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage
Mit dem unter den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer verstößt das BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
Damit bedarf es keiner Stellungnahme des Großen Senats zu sich im Zusammenhang mit dem sog. Sanierungserlass stellenden beihilferechtlichen Fragen.

Wirtschaftliches Eigentum an Leasinggegenständen im Rahmen von Sale-and-lease-back-Gestaltungen

Wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO des Leasingnehmers an dem Leasinggegenstand kommt nicht in Betracht, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit ist und dem Leasinggeber ein Andienungsrecht eingeräumt ist.
BFH Urteil vom 13.10.2016 – IV R 33/13 BFH/NV 2017, 494
Sachverhalt:
Die KG wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 12. Dezember 2006 gegründet. Der Kläger war an der KG als einziger Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 160.000 EUR beteiligt. Alleinige persönlich haftende Gesellschafterin war zunächst die X-GmbH. Ihr oblag die Geschäftsführung und Vertretung der KG. Sie war am Kapital der KG nicht beteiligt und erhielt u.a. eine jährliche Geschäftsführungs- und Haftungsvergütung in Höhe von 4.000 EUR sowie Aufwendungsersatz. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss vom… Dezember 2008 schied die X-GmbH –wie im Gesellschaftsvertrag vereinbart– aus der KG aus. An ihre Stelle trat durch Vertrag vom 25. August 2008 die Y-GmbH.
Gegenstand des von der KG betriebenen Unternehmens war das Verleasen von Wirtschaftsgütern. Im Streitjahr 2007 gewann die KG die A-GmbH und die B-GmbH als Leasingnehmerinnen, von denen sie die Leasinggegenstände ankaufte und sogleich an diese als Leasinggeberin zurückverleaste (“Sale-and-lease-back-Verfahren”).
Die A-GmbH stellte aus erworbenen Komponenten elektronische Informationssysteme bestehend aus Plasmabildschirmen, Medienrechnern und Wandhalterungen zusammen, die zur Ausstrahlung von Informationsprogrammen und Werbesendungen an werbewirksamen Standorten aufgestellt wurden. Der Neupreis der verschiedenen Hardware-Komponenten eines Informationssystems belief sich auf ca. 3.000 EUR. Die KG erwarb im April 2007 zwölf und im Juli 2007 ein weiteres dieser Informationssysteme zum Preis von jeweils… EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Auf die Rechnungsbeträge von brutto gesamt… EUR zahlte die KG Teilbeträge von gesamt… EUR. In Höhe der Restkaufpreise von gesamt… EUR gewährte die A-GmbH der KG ein Lieferantendarlehen, das in seiner jeweiligen Höhe mit 4,5 % jährlich zu verzinsen war. Die Darlehen sollten in 48 gleichbleibenden –Zins und Tilgung enthaltenden– Raten zurückgeführt werden. Aufgrund von im April und August 2007 geschlossenen Leasingverträgen überließ die KG die erworbenen Informationssysteme der A-GmbH zur Nutzung. Die Leasingverträge hatten eine Laufzeit von 48 Monaten. Die monatliche Leasingrate pro Gerät belief sich auf… EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Ferner schloss die KG mit der A-GmbH Rückkaufvereinbarungen ab. Danach war die A-GmbH auf Verlangen der KG verpflichtet, die Leasingobjekte bei Beendigung des Leasingvertrags zurückzukaufen. Bei Ausübung des Rückkaufverlangens zum Ende der vereinbarten Leasinglaufzeit sollte der Rückkaufpreis 20 % des Nettoverkaufspreises abzüglich eventueller Zulassungs- und Überführungskosten betragen. Durch Beschluss des Amtsgerichts im Oktober 2009 wurde über das Vermögen der A-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, so dass es nicht zu einer vollständigen Durchführung der Verträge kam.
Die B-GmbH stellte Bakterienkulturen her, die im Bereich der Aquaristik eingesetzt wurden, um die für die Aufzucht und Erhaltung der Fischpopulationen erforderlichen Bedingungen zu schaffen. Die Bakterienkulturen konnten dem Wasser entweder in Tablettenform oder in flüssiger Form zugeführt werden. Die Zuführung in flüssiger Form erfolgte durch Dosierautomaten, die vor allem in Zoofachhandlungen aufgestellt wurden und dort zugleich als Verkaufsautomaten für die flüssigen Bakterienkulturen dienten. Die KG schloss im März 2007 mit der B-GmbH Verträge ab, die den mit der A-GmbH getroffenen Vereinbarungen entsprachen. Sie erwarb 46 Dosierautomaten zum Stückpreis von… EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Über zwei Drittel des Nettokaufpreises gewährte die Verkäuferin der KG ein mit 4,5 % jährlich zu verzinsendes und in 48 Monatsraten zurückzuführendes Lieferantendarlehen. Die Laufzeit des Leasingvertrags betrug ebenfalls 48 Monate, die Leasingrate belief sich auf monatlich… EUR zuzüglich Umsatzsteuer. Am Ende der Vertragslaufzeit war die B-GmbH auf Verlangen der KG verpflichtet, die Dosierautomaten zu einem Preis von… EUR zuzüglich Umsatzsteuer zurückzukaufen.
Im Juni 2010 reichte die KG bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–) für das Jahr 2007 (Streitjahr) eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen und einen Jahresabschluss auf den 31. Dezember 2007 ein. In der Bilanz waren die Leasinggegenstände (Informationssysteme und Dosierautomaten) als ihr Anlagevermögen ausgewiesen. In den erklärten Einkünften aus Gewerbebetrieb (Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft) in Höhe von./…. EUR war die der Komplementärin zustehende Geschäftsführungs- und Haftungsvergütung in Höhe von 4.000 EUR enthalten, so dass sich die Höhe des laufenden –allein dem Kläger zuzurechnenden– Gesamthandsgewinns auf./…. EUR belief. Bei der Ermittlung der Einkünfte hatte die KG auf die Leasinggegenstände degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 30 % der Anschaffungskosten vorgenommen. Dies entsprach einem Betrag von… EUR.
In dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) 2007 vom 5. August 2010 stellte das FA u.a. einen laufenden Gesamthandsgewinn der KG in Höhe von… EUR fest. Darin nicht berücksichtigt war die als Betriebsausgabe erklärte AfA in Höhe von… EUR, da die Leasinggegenstände nach Ansicht des FA nicht der KG zuzurechnen seien. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2011 als unbegründet zurück.
Begründung:
Soweit das FG zu dem Ergebnis gekommen ist, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Informationssystemen im Rahmen des gewählten “Sale-and-lease-back-Verfahrens” bei der A-GmbH verblieben sei, hat es § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) rechtsfehlerhaft ausgelegt. Mangels Spruchreife ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Wirtschaftsgüter sind nach § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen. Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO).
Diese Definition des wirtschaftlichen Eigentums umfasst eine Mehrzahl ungleichartiger “zivilrechtlicher Rechtslagen”, die Nichteigentümern eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschaffen. Die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO erfordert deshalb nach der Rechtsprechung die Bildung von Fallgruppen und deren wertende Zuordnung. Ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO wird u.a. angenommen, wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.
Ein schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigter hat in der Regel kein wirtschaftliches Eigentum in diesem Sinne an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut. Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Nutzungsberechtigte statt des Eigentümers die Kosten der Anschaffung oder Herstellung eines von ihm selbst genutzten Wirtschaftsguts trägt und ihm auf Dauer, nämlich für die voraussichtliche Nutzungsdauer, Substanz und Ertrag des Wirtschaftsguts wirtschaftlich zustehen.
Dies gilt gleichermaßen für das Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern. Ob Substanz und Erträge des Leasingguts während der gesamten betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (ausnahmsweise) vollständig dem Leasingnehmer zustehen, ist in jedem Einzelfall nach den konkreten Umständen zu beurteilen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Zurechnung des Leasingguts zum Vermögen des Leasingnehmers insbesondere in Betracht (Fallgruppen), wenn
– der Leasinggegenstand speziell auf die Verhältnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch beim Leasingnehmer eine sinnvolle Verwendung finden kann (Spezialleasing),
– sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes und die Grundmietzeit annähernd decken oder
– die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zwar länger als die Grundmietzeit ist, dem Leasingnehmer aber ein Recht auf Verlängerung der Nutzungsüberlassung oder eine Kaufoption zu so günstigen Konditionen zusteht, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist
Da es sich auch bei dem “Sale-and-lease-back-Verfahren” grundsätzlich um ein Leasing handelt finden die genannten Grundsätze auch auf solche Gestaltungen Anwendung. Das “Sale-and-lease-back” ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Leasinggeber den Leasinggegenstand nicht von einem Dritten, sondern vom Leasingnehmer. Der Leasinggegenstand wird zunächst von dem Leasingnehmer auf den Leasinggeber übertragen (Übertragungsgeschäft) und dann vom Zweit- an den Erstgenannten im Rahmen eines Leasingvertrags zur Nutzung überlassen. Wird bei einem “Sale-and-lease-back” der Leasingvertrag derart ausgestaltet, dass das wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, verbleibt es durchgehend beim Leasingnehmer. Es findet kein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Leasinggeber und wieder zurück auf den Leasingnehmer statt.
Höchstrichterlich noch nicht geklärt ist die Frage, ob wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers auch dann in Betracht kommt, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als die Grundmietzeit ist, allerdings nicht dem Leasingnehmer ein Optionsrecht (Verlängerungs- oder Kaufoption), sondern dem Leasinggeber als zivilrechtlichem Eigentümer ein Andienungsrecht zu so günstigen Konditionen eingeräumt ist, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist.
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO erfordert, dass ein anderer den zivilrechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Es wird zwar nur ein wirtschaftlicher Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers verlangt. Aus dem Wortlaut dieser Norm (“kann”) ergibt sich aber, dass der andere diesen Ausschluss bewirken können muss. Ist in Leasingfällen die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit, kann der Leasingnehmer (der “andere”) den Leasinggeber nur dann für die verbleibende Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Leasinggegenstand ausschließen, wenn ihm eine entsprechende rechtliche Befugnis zusteht. Der Senat stimmt daher insoweit der Rechtsauffassung des Klägers zu, wonach der Nutzungsberechtigte (Leasingnehmer) in solchen Fällen über eine den wirtschaftlichen Ausschluss herbeiführende Befugnis (z.B. Verlängerungs- oder Kaufoption) verfügen muss. Ist in einem derartigen Fall darüber hinausgehend mit der Ausübung dieses Rechts durch den Leasingnehmer bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung zu rechnen, wird der Leasingnehmer den Leasinggeber auf Dauer von jeglicher Einwirkung auf den Leasinggegenstand ausschließen der Leasinggegenstand ist dem Leasingnehmer als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen.
Hingegen kann dem Leasingnehmer kein wirtschaftliches Eigentum zugerechnet werden, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit ist und dem Leasinggeber als zivilrechtlichem Eigentümer ein Andienungsrecht eingeräumt ist. Dabei kommt es –anders als das FG meint– nicht darauf an, ob die Ausübung dieses Andienungsrechts für den Rechtsinhaber (Leasinggeber) wirtschaftlich vorteilhaft ist. Für Wahrscheinlichkeitserwägungen ist an dieser Stelle kein Raum. Denn in einem solchen Fall ist der Leasingnehmer rechtlich nicht in der Lage, den Leasinggeber i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO für die gesamte Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich auszuschließen. Vielmehr ist der Leasinggeber in der Lage, nach Ablauf der Grundmietzeit nach seinem Belieben mit dem Wirtschaftsgut zu verfahren. Selbst dann, wenn von vornherein eine vertragliche Gestaltung gewählt wurde, welche die Ausübung des Andienungsrechts als wirtschaftlich vernünftig erscheinen lässt, bleibt es dabei, dass es sich hierbei um eine rechtliche Befugnis des Leasinggebers und nicht um eine solche des Leasingnehmers handelt.
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG rechtsfehlerhaft entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Informationssystemen bei der A-GmbH verblieben sei, weil der KG ein Andienungsrecht zugestanden habe, das die KG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (zwingend) habe ausüben müssen.
Selbst wenn der KG ein wirtschaftlich vorteilhaftes Andienungsrecht zugestanden haben sollte, ließe sich hieraus –wie dargelegt (dazu oben 4.)– kein wirtschaftliches Eigentum der A-GmbH herleiten. Denn die A-GmbH konnte die KG für den Fall einer verbleibenden Nutzungsdauer –mangels rechtlicher Befugnis– insoweit nicht i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO von der Einwirkung auf die Informationssysteme ausschließen.
Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die A-GmbH ggf. aus anderen Gründen wirtschaftliche Eigentümerin der Informationssysteme geblieben und das FG-Urteil deshalb im Ergebnis zutreffend ist.
Nach den Ausführungen des FG, wonach die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Informationssysteme möglicherweise ein Jahr kürzer oder bis zu zwei Jahre länger als die Grundmietzeit von 48 Monaten gewesen sei (unter I.1.c der Gründe des angefochtenen Urteils), ist es denkbar, dass sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Informationssysteme und die Grundmietzeit annähernd gedeckt haben. Danach ist es möglich, dass die A-GmbH unter diesem Aspekt wirtschaftliche Eigentümerin der Informationssysteme geblieben ist. Diese Frage war –unter Zugrundelegung des Rechtsstandpunkts des FG– nicht entscheidungserheblich.
Dem FG wird hiermit Gelegenheit gegeben, im zweiten Rechtsgang die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Informationssysteme zu ermitteln. Sollte diese nicht länger gewesen sein als die Grundmietzeit von 48 Monaten und hätten die Informationssysteme mit Ablauf der Grundmietzeit keinen nennenswerten Verkaufswert mehr besessen, wäre die Annahme gerechtfertigt, dass das wirtschaftliche Eigentum an diesen Leasinggegenständen bei der A-GmbH verblieben ist.
Im Übrigen weist der Senat für den zweiten Rechtsgang auf Folgendes hin:
Soweit das “Sale-and-lease-back-Verfahren” mit der B-GmbH in Rede steht, ist die Würdigung des FG, wonach ein Fall des Spezialleasings vorgelegen habe und deshalb das wirtschaftliche Eigentum bei der B-GmbH (Leasingnehmerin) verblieben sei, nicht zu beanstanden.
Das FG kam zu dem Ergebnis, dass die Leasinggegenstände speziell auf die Verhältnisse des Leasingnehmers zugeschnitten und nach Ablauf der Grundmietzeit nur noch bei diesem wirtschaftlich sinnvoll verwertbar gewesen seien. Diese Tatsachenwürdigung ist unter Berücksichtigung des bisher vom FG festgestellten Sachverhalts möglich; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze.
Ebenso konnte das FG davon absehen, die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Dosierautomaten zu bestimmen.
Denn nach der Rechtsprechung des BFH ist beim Spezialleasing eine wirtschaftliche Einwirkungsmöglichkeit des Leasinggebers ohne Rücksicht auf das Verhältnis zwischen Grundmietzeit und betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer zu verneinen. Dies hat der BFH bisher zwar nur für Fälle angenommen, in denen dem Leasingnehmer ein Optionsrecht eingeräumt war Gleiches muss aber auch dann gelten, wenn dem Leasingnehmer –wie hier– kein derartiges Recht zusteht Als maßgeblich hierfür sieht der Senat an, dass beim Spezialleasing der Herausgabeanspruch des Leasinggebers –unabhängig von einer Option des Leasingnehmers– stets (wirtschaftlich) wertlos ist. Selbst wenn der Leasinggeber den Leasinggegenstand vor Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zurückerhalten sollte, bliebe es dabei, dass er diesen Gegenstand wirtschaftlich nicht anderweitig nutzen oder verwerten kann.
Schließlich hat das FG seine Entscheidung, wonach ein Fall des Spezialleasings gegeben sei, auch nicht in Verkennung der Regeln über die Feststellungslast getroffen. Im Gegenteil hat es den Sachverhalt ermittelt und hieraus eigene Schlussfolgerungen gezogen.
Soweit das FG das wirtschaftliche Eigentum an den Leasinggegenständen –so wie bereits für die an die B-GmbH verleasten Dosierautomaten geschehen– zu Recht der Leasingnehmerin zugerechnet hat, hat es das “Sale-and-lease-back-Verfahren” zutreffend als ein Darlehen der KG an die Leasingnehmerin in Höhe der geleisteten Anzahlungen gewertet.
Verbleibt das wirtschaftliche Eigentum an den Leasinggegenständen beim Leasingnehmer, kann der –dem Leasingvertrag zeitlich vorgelagerte– Kaufvertrag mangels Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums weder als ein gewinnrealisierender Umsatzakt (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) durch den Leasingnehmer gewertet werden. Ebenso kann der zeitlich nachgelagerte Leasingvertrag beim Leasinggeber weder als erneuter gewinnrealisierender Umsatzakt (mangels Rückübertragung des wirtschaftlichen Eigentums durch den Leasinggeber) noch als eine Gebrauchsüberlassung beurteilt werden. Vielmehr ist der Leasinggegenstand steuerrechtlich ununterbrochen dem Leasingnehmer zuzurechnen und bei ihm zu aktivieren; bilanziell erfolgt weder ein Ab- noch Zugang.
In einem derartigen Fall besitzt das “Sale-and-lease-back-Verfahren” eine Finanzierungs- und Sicherungsfunktion. Es dient wirtschaftlich dazu, dem Leasingnehmer Liquidität zu beschaffen (z.B. zur Finanzierung der Leasinggegenstände). Die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums auf den Leasinggeber erfolgt (lediglich) zu Sicherungszwecken. Die Kaufpreiszahlung durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer ist wirtschaftlich als ein Darlehen zu betrachten, das mit der Zahlung der Leasingraten zurückgeführt wird.
Etwas anderes ergibt sich im Streitfall nicht daraus, dass zugleich die KG von der Leasingnehmerin ein Darlehen zur Finanzierung eines Teils des “Kaufpreises” erhalten hat (Lieferantenkredit).
Diese Gegenfinanzierung des “Kaufpreises” führte lediglich zu einer Reduzierung, nicht aber zur Beseitigung der Finanzierungsfunktion. Einkommensteuerrechtlich konnte dem Lieferantenkredit (Darlehen) schon deshalb keine eigenständige Bedeutung zukommen, weil –bei Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums bei den Leasingnehmerinnen– mangels Lieferung der Leasinggegenstände an die KG keine zu finanzierenden “Kaufpreise” existierten. Den “Sale-and-lease-back-Verfahren” kam daher nur insoweit eine Finanzierungsfunktion zu, als die KG selbst die “Kaufpreise” in Höhe der Anzahlungen aufbringen musste. Auf Seiten der KG lag wirtschaftlich insgesamt ein Darlehensgeschäft vor. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in den Lieferantenkreditverträgen ein Gleichlauf zwischen der Zahlung der Leasingraten und der Darlehensraten aus den Lieferantendarlehen hergestellt ist. So hat die Leasingnehmerin der KG ihre Darlehensraten so lange gestundet, bis die Leasingrate für den entsprechenden Monat bei der KG eingegangen ist. Damit sind die monatlichen Zahlungsströme aus den Leasingverträgen (Leasingraten an KG) und den Lieferantenkreditverträgen (Zins und Tilgung an Leasingnehmer) miteinander zu saldieren. Der sich hieraus zugunsten der KG ergebende Zahlungsüberschuss stellt wirtschaftlich die monatlich von den Leasingnehmerinnen gezahlte Darlehensrate dar, die ihrerseits in einen erfolgswirksamen Zins- und in einen erfolgsneutralen Tilgungsanteil aufzuteilen ist. Da es sich bei den monatlichen Zahlungsströmen um der Höhe nach fest vereinbarte Raten handelt, ist von einem Annuitätendarlehen auszugehen.
Dieser Beurteilung steht nicht das BFH-Urteil vom 6. April 2016 V R 12/15 (BFHE 253, 475) entgegen. Nach dieser Entscheidung kann ein “Sale-and-lease-back-Geschäft” aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht als eine Mitwirkung des Leasinggebers (Käufers) an einer bilanziellen Gestaltung des Leasingnehmers (Verkäufers) zu werten sein, die eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung des Leasinggebers an den Leasingnehmer darstellt. Dieses Urteil besagt aber nicht, dass das “Sale-and-lease-back-Verfahren” überhaupt keine Finanzierungsfunktion mehr besitzt, sondern nur, dass der Zweck “Darlehensgewährung” (steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes) aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht hinter den Zweck “Mitwirkung an einer bilanziellen Gestaltung” zurücktritt, wenn die “Kaufpreiszahlung” durch den Leasinggeber wieder zu zwei Dritteln vom Leasingnehmer gegenfinanziert wird. Rückschlüsse auf die einkommensteuerrechtliche Behandlung lassen sich hieraus nicht ziehen. Im Übrigen hat sich der V. Senat in dem genannten Urteil nur mit der bilanziellen Behandlung beim Leasingnehmer, nicht mit der im Streitfall entscheidungserheblichen bilanziellen Behandlung beim Leasinggeber beschäftigt.
Schließlich hat das FG –soweit es die “Sale-and-lease-back-Verfahren” zutreffend als Darlehen gewertet hat– die sich hieraus ergebenden bilanzsteuerrechtlichen Gewinnauswirkungen zutreffend erfasst.

Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung

Die Berichtigung der Steuernummer des Rechnungsausstellers nach § 31 Abs. 5 UStDV wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurück (Änderung der Rechtsprechung; wie Senatsurteil vom 20. Oktober 2016 V R 26/15).
BFH Urteil vom 20.10.2016 – V R 64/14 BFH/NV 2017, 490
Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Flugplatz. Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) fest, dass in mehreren Eingangsrechnungen für die Streitjahre 2005 und 2006 die Steuernummer des Rechnungsausstellers unrichtig angegeben war. Obwohl die Klägerin dem FA noch vor Erlass der geänderten Umsatzsteuerbescheide berichtigte Rechnungen vorlegte, erließ das FA für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die Vorsteuer aus den betreffenden Rechnungen nicht berücksichtigte.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen dem FG-Urteil kann die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug im Streitfall zumindest wegen der Rechnungsberichtigung bereits für die Jahre 2005 und 2006 ausüben. Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigt, wirkt die Berichtigung auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a des Gesetzes enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
ird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG (für das Streitjahr 2005 des § 14 UStG a.F.) nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung entsprechend den Vorgaben des Unionsrechts für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Nach diesen Grundsätzen ist das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer entsprechend dem Antrag der Klägerin festzusetzen. Die Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug liegen unstreitig vor. Dieses Recht kann die Klägerin jedenfalls aufgrund der Rechnungsberichtigung auch für die Streitjahre ausüben. Die in den Streitjahren ausgestellten Rechnungen waren nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigungsfähig. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit in diesem Sinne berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Diese Angaben waren bereits in den ursprünglichen Rechnungen vollständig und richtig vorhanden.
Die Rechnungen sind berichtigt worden. Die berichtigten Rechnungen enthielten die richtige Steuernummer des Rechnungsausstellers. Sie entsprachen damit unstreitig den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 14, 14a UStG und ermöglichen daher, das Recht auf Vorsteuerabzug schon für die Streitjahre auszuüben.
Die Rechnungen wurden noch vor Erlass der geänderten Umsatzsteuerbescheide und damit auch rechtzeitig berichtigt.

Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung

Rückwirkung der Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Ausstellung
Leitsatz
Die Berichtigung der Angaben zu Name und Anschrift des Leistungsempfängers nach § 31 Abs. 5 UStDV wirkt auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungsausstellung zurück.
BFH Urteil vom 20.10.2016 – V R 54/14 BFH/NV 2017, 488
Sachverhalt:
Die in Polen ansässige Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft polnischen Rechts. Sie führt den Rechtsformzusatz “Sp.zo.o” und unterhält in der Bundesrepublik Deutschland eine Betriebsstätte. Aufgrund einer dort durchgeführten Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) 2010 geänderte Bescheide zur Umsatzsteuer für die Streitjahre 2003 bis 2006. Dabei kürzte es die Vorsteuer aus diversen Eingangsrechnungen, da diese Rechnungen seiner Auffassung nach nicht hinreichend klar die Klägerin als Leistungsempfängerin erkennen ließen, sondern die Gefahr der Verwechslung mit einer Schwestergesellschaft bestand.
Die Rechnungen waren an “F” oder “F GmbH” und jeweils die Postanschrift der deutschen Betriebsstätte adressiert. Unter dieser Anschrift war auch eine Schwestergesellschaft der Klägerin, die “F-B und K GmbH” ansässig.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Entgegen dem FG-Urteil kann die Klägerin das Recht auf Vorsteuerabzug im Streitfall zumindest wegen der Rechnungsberichtigung bereits für die Jahre 2003 bis 2006 ausüben. Wird eine Rechnung nach § 31 Abs. 5 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) berichtigt, wirkt die Berichtigung auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG a.F.) in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung kann ein Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG a.F. gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStG voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine Rechnung kann nach § 31 Abs. 5 Satz 1 UStDV berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs. 4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung unzutreffend sind.
Wird zunächst eine Rechnung ausgestellt, die den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG (für das Streitjahr 2003 des § 14 UStG a.F.) nicht entspricht, und wird diese Rechnung später nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigt, kann das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG aufgrund der berichtigten Rechnung entsprechend den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. EuGH-Urteil Senatex GmbH, EU:C:2016:691, DStR 2016, 2211) für den Besteuerungszeitraum ausgeübt werden, in dem die Rechnung ursprünglich ausgestellt wurde.
Nach diesen Grundsätzen ist das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer entsprechend dem Antrag der Klägerin festzusetzen. Die Voraussetzungen für das Recht auf Vorsteuerabzug liegen unstreitig vor. Dieses Recht kann die Klägerin jedenfalls aufgrund der Rechnungsberichtigung auch für die Streitjahre ausüben.
Die in den Streitjahren ausgestellten Rechnungen waren nach § 31 Abs. 5 UStDV berichtigungsfähig. Ein Dokument ist jedenfalls dann eine Rechnung und damit berichtigungsfähig, wenn es Angaben zum Rechnungsaussteller, zum Leistungsempfänger, zur Leistungsbeschreibung, zum Entgelt und zur gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer enthält. Hierfür reicht es aus, dass sie diesbezügliche Angaben enthält und die Angaben nicht in so hohem Maße unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend sind, dass sie fehlenden Angaben gleichstehen. So verhält es sich im Streitfall, da nach der Adressierung der ursprünglich erteilten Rechnungen trotz einer möglichen Verwechslungsgefahr zumindest nur ein beschränkter Kreis verbundener Unternehmen als Leistungsempfänger in Betracht kam.
Die Rechnungen sind berichtigt worden. Die berichtigten Rechnungen entsprachen hinsichtlich der Angaben zu Name und Anschrift des Leistungsempfängers unstreitig den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 14, 14a UStG und ermöglichen daher, das Recht auf Vorsteuerabzug schon für die Streitjahre auszuüben.
Die Rechnungen wurden noch während des Einspruchsverfahrens und damit auch rechtzeitig berichtigt. Dass im Streitjahr 2003 im nationalen Recht keine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Berichtigung bestand, ist im Hinblick auf das EuGH-Urteil Senatex GmbH (EU:C:2016:691, DStR 2016, 2211) unerheblich.
Der Senat kann nach alledem offen lassen, ob schon die ursprünglichen Rechnungen den gesetzlichen Anforderungen entsprachen. Er muss daher nicht entscheiden, ob aus dem Verzicht auf einen Rechtsformzusatz oder der Verwendung des falschen Rechtsformzusatzes “GmbH” statt “Sp.zo.o” folgt, dass die Angaben zum Leistungsempfänger unzutreffend sind. Das gleiche gilt für die Frage, wie es sich im Streitfall auswirkt, dass zudem unter der Postanschrift der Klägerin eine Schwestergesellschaft mit einem ähnlichen Namen ansässig ist. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend den Grundsätzen des EuGH-Urteils Barlis 06 vom 15. September 2016 C-516/14 (EU:C:2016:690, DStR 2016, 2216, Rz 35) das Vorsteuerabzugsrecht auch ohne förmliche Berichtigung möglicherweise nicht ordnungsgemäßer Rechnungen ausgeübt werden konnte.

Zum guten Glauben an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen

Der gute Glaube des Leistungsempfängers an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen ist jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn dieser anhand der Gesamtumstände hätte erkennen müssen, dass es sich bei dem jeweils vermeintlichen Lieferer nur um einen vorgeschobenen Strohmann gehandelt hat.
BFH Beschluss vom 07.12.2016 – XI R 31/14 BFH/NV 2017, 487
Begründung:t:
Der Senat hat in seiner Sitzung vom 31. August 2016 über die Revision beraten. Er hielt einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.
Hierauf hat die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) mit beim Bundesfinanzhof (BFH) am 24. November 2016 eingegangenen Schreiben vom gleichen Tag im Wesentlichen vorgebracht, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14 (EU:C:2015:719, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2015, 917) den Vorsteuerabzug zugelassen habe, obwohl die Rechnung dem Leistungsempfänger nicht von dem leistenden Unternehmer, sondern von einem Dritten erteilt worden sei.
Zur Begründung seiner Entscheidung verweist der Senat auf das Urteil das in einem Parallelverfahren ergangen ist und dem er sich anschließt.
Der Senat hält es nach Ergehen des EuGH-Urteils über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem unter Beachtung des Effektivitätsgebots einer nationalen Praxis entgegensteht, die einen guten Glauben des Leistungsempfängers an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nur außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt, und hat deshalb den EuGH angerufen. Denn der gute Glaube des Leistungsempfängers an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen ist jedenfalls dann nicht schutzwürdig, wenn dieser –wie die Vorinstanz in Bezug auf die Klägerin für den Senat i.S. von § 118 Abs. 2 FGO verbindlich festgestellt hat– anhand der Gesamtumstände hätte erkennen müssen, dass es sich bei dem jeweils vermeintlichen Lieferer nur um einen vorgeschobenen Strohmann gehandelt hat. Danach kam die von der Klägerin beantragte Aussetzung des Revisionsverfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-374/16 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO nicht in Betracht.

Ausnahme vom strengen sachenrechtlichen Objektbegriff beim gewerblichen Grundstückshandel

Ein Objekt im Sinne der für den gewerblichen Grundstückshandel geltenden Drei-Objekt-Grenze ist grundsätzlich jedes sachenrechtlich selbständig veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt. Ein Miteigentumsanteil, der mit dem Sondereigentum an mehreren Wohnungen verbunden ist, ist daher grundsätzlich als nur ein einziges Objekt anzusehen.
Ausnahmsweise können in einem solchen Fall bei Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise jedoch mehrere Objekte gegeben sein. Dies gilt beispielsweise, wenn der Miteigentumsanteil noch am Tage seines Verkaufs sachenrechtlich weiter in mehrere einzelne Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Sondereigentum an jeweils einer einzelnen Wohnung, unterteilt wird, der Kaufpreis bereits im Verkaufsvertrag auf die einzelnen Wohnungen aufgeteilt wird, für jede einzelne Wohnung eine mietvertragsfreie Übertragung als Hauptleistungspflicht vereinbart wird und die Fälligkeit des der einzelnen Wohnung zugeordneten Teilkaufpreises an den Zeitpunkt der Mieterfreiheit der jeweiligen Wohnung geknüpft wird.
In einen gewerblichen Grundstückshandel sind grundsätzlich solche Objekte einzubeziehen, die innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren seit ihrer Anschaffung veräußert werden. Eine geringfügige Überschreitung dieses Zeitraums steht der Einbeziehung des Objekts nicht entgegen, wenn die Veräußerung bereits innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums erkennbar vorbereitet worden ist (z.B. durch die Erstellung von Aufteilungsplänen und die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung).
BFH Urteil vom 21.07.2016 – X R 56-57/14 BFH/NV 2017, 481

Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde mit seiner Ehefrau im Streitjahr 1999 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er war als Rechtsanwalt tätig.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 14. Mai 1996 hatte der Kläger zwei aneinandergrenzende Grundstücke in R (Objekte O1 und O2) erworben. Er veräußerte die Grundstücke mit Vertrag vom 30. Dezember 1998 an die GmbH. Voraussetzung für die Zahlung der Kaufpreise war die Erfüllung verschiedener Voraussetzungen. Erst nach der Kaufpreiszahlung sollte der Besitz übergehen. Dies geschah am 30. Dezember 1999.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) wertete aufgrund einer steuerlichen Außenprüfung die Verkäufe der Objekte O1 und O2 als solche im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels und setzte gewerbliche Einkünfte des Klägers für das dem Streitjahr vorangehende Jahr 1998 an. Daneben erließ es u.a. einen entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid für 1998.
Aus Sicht des FA ergab sich das Vorliegen dieses gewerblichen Grundstückshandels aus der Zusammenschau mit den folgenden Grundstücksgeschäften des Klägers in den Nachstreitjahren.
Am 15. Oktober 2001 veräußerte der Kläger ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Erbbaurecht (Objekt O3). Dieses hatte der Kläger mit Kaufvertrag vom 1. Juli 1996 erworben und an die damalige Verkäuferin vermietet.
Außerdem veräußerte der Kläger am 14. Mai 2002 zwei Miteigentumsanteile sowie das damit verbundene Sondereigentum an zwei zusammenhängenden Grundstücken in F (Objekt O4). Mit notariellen Verträgen vom 21. Februar 1997 bzw. vom 22. Februar 1997 hatte der Kläger beide Miteigentumsanteile sowie das damit jeweils verbundene Sondereigentum an der gesamten Liegenschaft erworben. Durch die Teilungserklärung vom 5. Mai 1964 war das Grundstück in zwei unterschiedlich große Miteigentumsanteile aufgeteilt worden. Der mit Vertrag vom 21. Februar 1997 erworbene Miteigentumsanteil in Höhe von 2/3 war dabei mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit den Nummern 2, 3, 4 und 5 bezeichneten vier Wohnungen verbunden (Objekt O4). Der mit Vertrag vom 22. Februar 1997 erworbene Miteigentumsanteil in Höhe der restlichen 1/3 betraf das Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit der Nummer 1 bezeichneten nicht Wohnzwecken dienenden Räumlichkeiten (Objekt O5). In der Folgezeit vermietete der Kläger (nur) das Objekt O4 an verschiedene Mieter.
Am 14. Mai 2002 änderte der Kläger zunächst die Teilungserklärung aus 1964 dahingehend, dass er den 1/3 Miteigentumsanteil (Objekt O5) auf 164/1 000 minderte und den 2/3 Miteigentumsanteil (Objekt O4) auf 836/1 000 erhöhte. Sodann verkaufte er in dieser Urkunde das Objekt O4 für insgesamt 433.000 EUR. Den Kaufpreis teilten die Vertragsparteien auf die vier Wohnungen auf. Der jeweilige Teilkaufpreis war binnen zwei Wochen nach Räumung durch den Mieter der jeweiligen Wohnung, spätestens jedoch am 15. November 2002, fällig. Der Kläger verpflichtete sich im Rahmen einer Hauptpflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Mietverhältnisse bis zum 15. November 2002 beendet seien. Außerdem erklärten die Vertragsparteien in der nachfolgenden Urkunde die Aufteilung des 836/1 000 Miteigentumsanteils in vier Miteigentumsanteile, die jeweils mit dem Sondereigentum an einer Wohnung verbunden waren. Diese Aufteilung erfolgte aufgrund von Aufteilungsplänen und Abgeschlossenheitsbescheinigungen der Stadt F, jeweils vom 5. Juli 2001.
Im Rahmen der Streitigkeiten über die Erfassung der gewerblichen Einkünfte aus der Veräußerung der beiden Objekte O1 und O2, die sowohl das Jahr 1998 als auch das Streitjahr betrafen, lehnte der Kläger die Rücknahme des Einspruchs gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1998 ab, da nach seiner Ansicht das wirtschaftliche Eigentum an diesen Grundstücken erst nach der Kaufpreiszahlung und damit im Streitjahr übergegangen sei. Dem folgte das FA. Es berücksichtigte deshalb durch Einkommensteueränderungsbescheid vom 18. November 2011 den Gewinn aus dem gewerblichen Grundstückshandel nicht mehr im Jahr 1998, sondern im Streitjahr und änderte dementsprechend die bereits bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr. Hierfür erließ das FA zunächst einen Änderungsbescheid, den es auf die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stützte. Nachdem das FA (auch) diesen Änderungsbescheid aufgehoben hatte, änderte es mit Bescheid vom 28. Dezember 2011 stattdessen die Einkommensteuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO. Gemäß § 35b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) führte das FA die entsprechenden Änderungen hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide für 1998 und das Streitjahr durch.
Begründung:
Die gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Revisionen sind als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Trotz der grundsätzlich gegebenen strengen sachenrechtlichen Qualifikation des Objektbegriffs beim gewerblichen Grundstückshandel ist das FG aufgrund seiner Feststellungen zu Recht beim Verkauf des 836/1 000 Miteigentumsanteils in Freiburg (Objekt O4) von einer Veräußerung von insgesamt vier Objekten ausgegangen (unter 1.). Vorliegend ist unschädlich, dass diese Veräußerung erst fünf Jahre und drei Monate nach dem Erwerb erfolgte (unter 2.). Die Gewinne aus der Veräußerung der zwei Grundstücke in R (Objekte O1 und O2) sind damit im Streitjahr zu versteuern, die Einkommensteuerfestsetzung ist nach § 174 Abs. 4 AO zu korrigieren (unter 3.). Gemäß § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG war folglich auch der Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr entsprechend zu ändern (unter 4.). Verfahrensfehler liegen nicht vor (unter 5.).
Im Streitfall ist ein gewerblicher Grundstückshandel des Klägers anzunehmen, weil er am Tag der Veräußerung, wenn auch nicht in der gleichen Urkunde, zusätzlich die Aufteilung des Sondereigentums des Objekts O4 vereinbart und sich darüber hinaus als Verkäufer verpflichtet hat, die bis dahin vermieteten vier Wohnungen geräumt zu übergeben. Zu Recht geht das FG deshalb von einer Ausnahme zum ansonsten anzuwendenden strengen sachenrechtlichen Objektbegriff aus und hat diesen Vorgang als Veräußerung von vier Objekten gewertet.
Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal muss hinzukommen, dass die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten sind.
Dass der Kläger sich auf dem Grundstücksmarkt selbständig und mit Gewinnerzielungsabsicht betätigt und am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen hat, steht zweifelsfrei fest und ist auch zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Darüber hinaus ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten hat. Es hat unter Beachtung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle ihm zuzurechnenden Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands (hier: § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG) einzubeziehen sind eine Ausnahme vom sachenrechtlichen Objektbegriff angenommen und ist so zu einer Überschreitung der sog. Drei-Objekt-Grenze gelangt.
In der Regel liegt ein gewerblicher Grundstückshandel vor, wenn mehr als drei Objekte innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren ab Anschaffung veräußert werden.
Selbständiges Objekt im Sinne der Drei-Objekt-Grenze beim gewerblichen Grundstückshandel ist grundsätzlich jedes selbständig veräußerbare und nutzbare Immobilienobjekt (Grundstück, grundstücksgleiches Recht oder Recht nach dem Wohnungseigentumsgesetz) und zwar unabhängig von seiner Größe, seinem Wert und anderen. Dabei folgt die selbständige Veräußerbarkeit nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich der sachenrechtlichen Qualifikation. Allerdings wird diese an das bürgerliche Recht anknüpfende Bestimmung des “Objekts” durch wirtschaftliche Gesichtspunkte unter Beachtung der Verkehrsanschauung geprägt.
Hiervon ausgehend hat der IV. Senat des BFH in seinem das Vorliegen mehrerer Objekte bereits dann angenommen, wenn
– gleichzeitig mit dem Kaufvertrag das Grundstück durch Teilungserklärung in Miteigentumsanteile verbunden mit 21 Wohnungseigentums- und vier gewerblichen Teileigentumseinheiten aufgeteilt wird,
– dies in der gleichen Urkunde erfolgt,
– die Vorbereitungen für die Aufteilung bereits bei Vertragsabschluss abgeschlossen waren
– und der Verkäufer sich in einer unmittelbar vorausgehenden Urkunde vom gleichen Tag verpflichtet, diejenigen Wohneinheiten zurückzuerwerben, die nicht innerhalb der folgenden fünf Tage durch wirksame Kaufverträge an Dritte weiterveräußert werden können.
Eine vergleichbare Ausnahme von der grundsätzlich anzunehmenden strengen sachenrechtlichen Qualifikation des Objektbegriffs hat das FG im vorliegenden Fall unter Beachtung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und der Verkehrsanschauung angenommen. Dieser Würdigung schließt sich der Senat an.
(1) Hierfür spricht:
– die frühzeitige Erstellung der Aufteilungspläne und die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung zeitlich weit vor dem Verkaufsvertrag,
– die bereits im Verkaufsvertrag vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises auf die einzelnen Wohnungen,
– die Gewährleistung einer “mietvertragsfreien Übertragung”, die auf die einzelne Eigentumswohnung bezogen war,
– die schon im Kaufvertrag geregelte Abhängigkeit der Kaufpreiszahlung vom Besitzübergang, die sich ebenfalls auf die einzelne Wohnung bezog. Damit war diese Kaufpreiszahlung für jede Wohnung zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten zu erwarten, weil sie von der individuellen Mieterfreiheit abhängig war.
Die hier vereinbarte Gewährleistungspflicht ist wie eine Rückkaufverpflichtung zu sehen, da sie von den Vertragsparteien ausdrücklich zur Hauptpflicht erklärt worden ist. Damit kommt sie in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einer Rückkaufverpflichtung gleich.
Somit konnte das FG im Rahmen seiner tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis kommen, dass insgesamt vier Objekte durch den Vertrag vom 14. Mai 2002 veräußert worden sind. Diese vertretbare Würdigung der tatsächlichen Feststellungen bindet den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO. Die Bindungswirkung würde nur entfallen, wenn die Auslegung des FG anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzte, was hier nicht der Fall ist.
Soweit der Kläger meint, das FG habe verkannt, dass es weder ihm noch dem Käufer des Grundstücks darauf angekommen sei, ob eine oder vier Wohnungen veräußert werden sollten, und deshalb § 1 des Kaufvertrags nicht berücksichtigt, macht er lediglich eine andere Würdigung der Gesamtumstände geltend, die nicht zwingend ist. Es ist gerade die tatrichterliche Aufgabe des FG, anhand der aus seiner Sicht relevanten Indizien den Sachverhalt zu bewerten. Diesem kam es erkennbar nicht darauf an, warum die notarielle Beurkundung am gleichen Tag erfolgte. Entscheidend aus Sicht des FG war vielmehr die vorliegende Konkretisierung des Veräußerungsvorgangs auf jede einzelne Wohnung. Einer besonderen Würdigung des Schreibens vom 26. März 2002, wie vom Kläger verlangt, bedurfte es somit schon mangels Erheblichkeit nicht.
Unschädlich ist im vorliegenden Fall, dass diese vier Objekte innerhalb von fünf Jahren und drei Monaten nach dem Erwerb veräußert worden sind. Der von der Rechtsprechung für einen engen zeitlichen Zusammenhang herangezogene Zeitraum von fünf Jahren ab Anschaffung. Eine (geringfügige) Überschreitung kann insbesondere bei Vorliegen anderer Anhaltspunkte unbeachtlich sein. Jedenfalls, wenn wie hier die Erstellung der Aufteilungspläne und die Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums erfolgte, ist eine Überschreitung dieses Zeitraums um drei Monate als unbeachtlich anzusehen. Dabei ist auch ohne Belang, ob der Kläger diese Maßnahmen selbst veranlasst hat oder nicht. Er hat sie jedenfalls geduldet und hat sie sich als Eigentümer daher zurechnen zu lassen. Damit ist seine bedingte Veräußerungsabsicht innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums klar nach außen getreten.
Die beiden Objekte O1 und O2 wurden somit im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels veräußert. Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr, bei der insoweit Gewinne aus Gewerbebetrieb angesetzt wurden, war nach § 174 Abs. 4 AO zu ändern.
Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1, wenn die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde.
Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 174 Abs. 4 AO ist insbesondere dann bereits möglich, wenn aufgrund eines Antrags des Steuerpflichtigen im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Steuerfestsetzung eines anderen Veranlagungszeitraums geändert worden ist. Obsiegt der Steuerpflichtige mit einem gewissen Rechtsstandpunkt –hier der Ansicht zum Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums der fraglichen Grundstücke–, so ist er an seiner Auffassung festzuhalten, soweit derselbe Sachverhalt zu beurteilen ist. Er muss somit auch die mit seiner Rechtsansicht verbundenen Nachteile hinnehmen. § 174 Abs. 4 AO stellt deshalb eine besondere gesetzliche Ausformung des Grundsatzes von Treu und Glauben dar. § 174 Abs. 4 AO gibt dem FA das Recht, die materiell richtigen Schlüsse aus dem nämlichen Sachverhalt im (richtigen) Veranlagungszeitraum zu ziehen und die Bestandskraft der Veranlagung zu durchbrechen.
Dabei setzt die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO voraus, dass die Finanzbehörde den Sachverhalt überhaupt zur Kenntnis nimmt. Sie trägt die Beweislast dafür, dass die fehlerhafte Erfassung des Sachverhalts auf einer irrigen Beurteilung beruht (vgl. nur Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 46, m.w.N.).
Alle Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 AO waren im Streitfall erfüllt und führen dazu, dass der Gewinn aus der Veräußerung der fraglichen Grundstücke erst im Streitjahr anzusetzen ist.
Der steuererhebliche Sachverhalt wurde zunächst fehlerhaft dem Veranlagungszeitraum 1998 zugeordnet. Da das FA dem Einspruch gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1998 stattgegeben und diesen Bescheid aufgehoben hat, hatte es nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO die richtigen steuerlichen Folgen im Streitjahr zu ziehen und die Einkommensteuerfestsetzung entsprechend zu ändern. Diese Änderung ist innerhalb der sich aus § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ergebenden Festsetzungsfrist vorgenommen worden.
Da das FA den Verkauf der beiden Objekte O1 und O2 zunächst im Jahr 1998 ansetzte, brachte es zum Ausdruck, dass es diesen Sachverhalt zur Kenntnis genommen hat. Denn der relevante Sachverhalt ist der Verkauf der Objekte als solcher. Gleichzeitig wird hiermit deutlich, dass das FA im Rahmen seiner Würdigung des Verkaufs den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums fehlerhaft erfasst hat. Wie das FG hat der Senat deshalb keine Zweifel daran, dass es vorliegend nicht um einen Fall der fehlenden Kenntnis des FA geht. Es handelt sich erkennbar um den Fall der irrigen Beurteilung dieses Sachverhalts.

Unterbliebene Auflösung einer Ansparabschreibung bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

Löst ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, eine Ansparabschreibung nach § 7g EStG in der bis 2006 geltenden Fassung trotz unterbliebener Investition nicht zum Ablauf der zweijährigen Investitionsfrist auf und wird der erklärungsgemäß ergangene Einkommensteuerbescheid bestandskräftig, kann das FA diesen Bescheid später nicht nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern, weil die Nichtanschaffung eines Wirtschaftsguts nicht als rechtserhebliche Tatsache anzusehen ist.
Je nach den Umständen des Einzelfalls kann der Steuerpflichtige den Bescheid aber durch unlautere Mittel erwirkt haben, so dass eine Korrekturmöglichkeit nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO besteht.
BFH Urteil vom 03.08.2016 – X R 21/15 BFH/NV 2017, 457
Sachverhalt:
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2003 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Der Kläger erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte.
Im Jahr 2001 zog er in seiner Gewinnermittlung einen Betrag von 35.000 DM im Hinblick auf die voraussichtliche Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter als Ansparabschreibung gemäß § 7g Abs. 3, 6 des Einkommensteuergesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung (EStG a.F.) ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) veranlagte erklärungsgemäß. Im Jahr 2002 kam es weder zu Investitionen noch zur vorzeitigen Auflösung der Ansparabschreibung.
Für das Streitjahr 2003 gaben die Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärung ab, so dass das FA die Besteuerungsgrundlagen schätzte. Im Einspruchsverfahren gegen den Schätzungsbescheid reichten die Kläger die Steuererklärung samt der Gewinnermittlung nach. Die in § 7g Abs. 6 EStG a.F. für das Jahr des Ablaufs der zweijährigen Investitionsfrist vorgesehene Auflösung der Ansparabschreibung durch Vornahme eines Zuschlags zu den Betriebseinnahmen unterblieb. Der durch einen Steuerberater erstellten Gewinnermittlung waren –wie auch in den Vorjahren– Übersichten über die Entwicklung des Anlagevermögens beigefügt. Im Kontennachweis ist ein Konto 948 mit der Bezeichnung “SoPo mit Rücklageanteil § 7g (3) EStG” und einem Betrag von 17.895,22 EUR (entspricht 35.000 DM) aufgeführt. Ab 2004 fehlt das Konto 948 im Kontennachweis.
Das FA veranlagte hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer mit Teilabhilfebescheid vom 21. Juli 2005 herab. Im Übrigen wies es den Einspruch wegen eines verbleibenden Streitpunkts zu den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit am 13. September 2006 zurück. Die Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Die Kläger haben erklärt, den auf dem Konto 948 ausgewiesenen “Rücklagen”betrag zum 1. Januar 2004 nicht mehr vorgetragen zu haben. Technisch setzt dies eine Ausbuchung von diesem Konto voraus, was wiederum eine bewusste Willensentscheidung erfordert. Da die Gewinnermittlung für das Folgejahr 2004 unter dem 30. Januar 2006 unterzeichnet worden ist, muss diese Ausbuchung noch während des laufenden Veranlagungsverfahrens für das Streitjahr 2003 vorgenommen worden sein. Dieser zeitliche Ablauf spricht für eine noch während des laufenden Veranlagungsverfahrens eingetretene Kenntnis der Kläger davon, dass sie die Rücklage zum 31. Dezember 2003 gewinnerhöhend hätten auflösen und den daraus resultierenden Gewinn erklären müssen. Dies hätte zugleich die Pflicht zur Berichtigung ihrer Steuererklärung gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ausgelöst.

Erhaltungsaufwendungen für ein Pächterwohnhaus eines landwirtschaftlichen Pachtbetriebs

Erhaltungsaufwendungen des Pächters eines landwirtschaftlichen Betriebs für das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Pächterwohnhaus sind insoweit als Betriebsausgaben abzugsfähig, als die Aufwendungen nach dem Pachtvertrag unter Anrechnung auf den übrigen Pachtzins auch als Gegenleistung für die Überlassung der landwirtschaftlichen Nutzflächen nebst aufstehender Wirtschaftsgebäude vereinbart worden sind.
Die Aufwendungen einer GbR für das einem Gesellschafter unentgeltlich überlassene Wohnhaus sind im Wege der Nutzungsentnahme zu neutralisieren, wobei der Entnahmewert auf den Marktwert der Wohnraumnutzung (ortsübliche Miete) begrenzt ist.
BFH Urteil vom 15.12.2016 – IV R 22/14 BFH/NV 2017, 454
Sachverhalt:
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einen landwirtschaftlichen Betrieb auf der von dem Land Niedersachsen gepachteten Domäne A im Landkreis B. Gesellschafter der im Jahr 2002 gegründeten Klägerin waren zunächst V, S und W. W ist zum 30. Juni 2007 aus der Klägerin ausgeschieden. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Betriebsvermögensvergleich für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni).
Nach dem für die Streitjahre 2006 bis 2008 gültigen Pachtvertrag (PV) vom 1. Juli 2003 umfasst der Pachtgegenstand eine Gesamtfläche von 124,1508 ha, davon rund 112 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, sowie eine Milchquote von 386 152 kg. Auf den Grundstücken der Domäne befinden sich eine Vielzahl von Wirtschaftsgebäuden (Ställe, Schuppen, Garagen, Güllebehälter u.a.) sowie diverse Wohnhäuser und das Pächterwohnhaus. Der vertraglich vereinbarte jährliche Pachtzins betrug gemäß § 2 Abs. 1 PV 17.100 EUR (gerundet 153 EUR/ha landwirtschaftlicher Nutzfläche). Gemäß § 6 Abs. 2 PV verpflichtete sich die Klägerin des Weiteren, bei erforderlichen Baumaßnahmen bis zu einem Bruttoinvestitionsvolumen von 100.000 EUR in den ersten sechs Jahren des PV ab 1. Juli 2004 jeweils die übliche Beteiligung von 50:50 bzw. 60:40 zu übernehmen. Nach den Allgemeinen Pachtbedingungen für die Domänen des Landes Niedersachsen vom 1. Juli 1986 (APB 1986), deren Inhalt den Gegenstand des PV bildet (§ 4 PV), hat der Pächter auf einem der Pachtgrundstücke seinen Wohnsitz zu nehmen (Ziff. 10.1.3 APB 1986).
Entsprechend der vereinbarten Residenzpflicht hat S seinen Wohnsitz in dem Pächterwohnhaus genommen.
In den den Feststellungserklärungen für die Streitjahre beigefügten Jahresabschlüssen machte die Klägerin neben den Pachtzinsen Erhaltungsaufwendungen für das Pächterwohnhaus in Höhe von 10.839 EUR für das Wirtschaftsjahr 2006/2007, in Höhe von 1.157 EUR für das Wirtschaftsjahr 2007/2008 und in Höhe von 39.473,78 EUR für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 sowie 575,81 EUR für die Wohngebäudeversicherung für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 als Betriebsausgaben geltend. Die Pachtzinsen wurden, soweit sie schätzweise anteilig auf das Pächterwohnhaus entfielen, im Nachgang zu einer die Vorjahre betreffenden Betriebsprüfung in Höhe von… EUR jährlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen.
Nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Erhaltungsaufwendungen für das Pächterwohnhaus nicht als Betriebsausgaben an und erließ am 18. Juli 2011 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung entsprechend geänderte Bescheide für die Streitjahre über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen.
Begründung:
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Zu Unrecht ist das FG davon ausgegangen, dass die für das Pächterwohnhaus getätigten Erhaltungsaufwendungen grundsätzlich vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind, da sie nicht betrieblich, sondern durch die private Lebensführung des Gesellschafters S veranlasst seien (1.). Es fehlen Feststellungen des FG, die eine Entscheidung darüber zulassen, in welchem Umfang die Erhaltungsaufwendungen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Bei der Ermittlung der Einkünfte sind Aufwendungen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abzuziehen, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst sind. Eine solche Veranlassung ist gegeben, wenn die Aufwendungen mit der Einkünfteerzielung objektiv zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind, d.h. wenn sie in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer der Einkunftsarten des EStG stehen. Ob und inwieweit Aufwendungen in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart stehen, hängt von den Gründen ab, aus denen der Steuerpflichtige die Aufwendungen vornimmt. Die Gründe bilden das “auslösende Moment”, das den Steuerpflichtigen bewogen hat, die Kosten zu tragen. Beruhen unter Berücksichtigung des Veranlassungsprinzips die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Maße auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen und –vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung– abziehbar. Betriebsausgaben einer Personengesellschaft sind die Ausgaben, die durch den Betrieb dieser Gesellschaft oder –als Sonderbetriebsausgaben– durch die Beteiligung der Gesellschafter an der Personengesellschaft veranlasst sind. Zu den Betriebsausgaben gehören danach auch Aufwendungen, die durch die Nutzung fremder Wirtschaftsgüter für eigene betriebliche Zwecke veranlasst sind, insbesondere die Zahlung von Miet- oder Pachtzinsen für die Nutzung von Betriebsgebäuden bzw. Betriebsflächen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für die Frage, wodurch die für das Pächterwohnhaus getätigten Aufwendungen veranlasst sind, auf den Rechtsgrund abzustellen, aufgrund dessen die Klägerin die Aufwendungen getätigt hat. Ist der Rechtsgrund für die Aufwendungen, wie vorliegend, einem gegenseitigen Vertrag, hier dem Landpachtvertrag, zu entnehmen, ist die Veranlassung der Aufwendungen zum einen danach zu beurteilen, in welchem synallagmatischen Verhältnis diese zu der vom Verpächter geschuldeten Gegenleistung stehen. Zum anderen ist der Veranlassungszusammenhang objektbezogen und nutzungsbezogen zu prüfen, soweit nach dem gesetzlichen oder vertraglichen Regelstatut dem Pächter Aufwendungen für einzelne Pachtgegenstände auferlegt werden.
Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass vorliegend ein Landpachtvertrag i.S. der §§ 585 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) abgeschlossen worden ist, wonach der Klägerin eine Gesamtfläche von 124,1508 ha, davon rund 112 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, mit den ihrer Bewirtschaftung dienenden Wirtschaftsgebäuden (Ställe, Schuppen, Garagen, Güllebehälter u.a.) sowie diverse Wohnhäuser einschließlich des Pächterwohnhauses und eine Milchquote von 386 152 kg verpachtet worden sind. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab.
Gemäß § 586 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Pächter beim Landpachtvertrag die gewöhnlichen Ausbesserungen der Pachtsache, insbesondere u.a. der Wohngebäude, auf seine Kosten durchzuführen. Diese Unterhaltungspflicht ist durch den Landpachtvertrag vom 1. Juli 2003 zu Lasten des Pächters über den gesetzlichen Rahmen hinaus erweitert worden (s. dazu im Einzelnen Ziff. 14.2 APB 1986). Aufwendungen, die die Klägerin als Pächterin in Erfüllung dieser Pflicht für das von dem Gesellschafter S bewohnte Wohnhaus getätigt hat, stellen daher keine Gegenleistung für den Pachtgegenstand im Ganzen dar, sie beziehen sich vielmehr objekt- und nutzungsbezogen ausschließlich auf das Pächterwohnhaus. Da dieses in den Streitjahren aber nur zu Wohnzwecken des Gesellschafters S genutzt worden ist, sind die diesbezüglichen Aufwendungen, die dem Anwendungsbereich des § 586 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Ziff. 14.2 APB 1986 unterfallen, ausschließlich durch dessen private Lebensführung veranlasst und mithin nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, dass Aufwendungen der Klägerin, die für das privaten Wohnzwecken dienende Pächterwohnhaus getätigt werden, nicht schon deshalb als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, weil sie im Zusammenhang mit der Anpachtung des landwirtschaftlichen Betriebs stehen. Ungeachtet der auch betrieblich bedingten und regelmäßig gebotenen Wohnsitznahme des Pächters in räumlicher Nähe zum landwirtschaftlichen Pachtbetrieb sind die privaten Wohnaufwendungen des Pächters ebenso wie die privaten Wohnaufwendungen des Betriebsinhabers eines landwirtschaftlichen Eigentumsbetriebs maßgeblich durch die private Lebensführung veranlasst. Nur wenn die Wohnung des Steuerpflichtigen gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 4 EStG der Nutzungswertbesteuerung unterfällt, können Aufwendungen für das Wohngebäude ausnahmsweise als Betriebsausgaben abgezogen werden. Die Tatbestandvoraussetzungen dieser Norm liegen im Streitfall aber nicht vor, was zwischen den Beteiligten zu Recht ebenfalls nicht in Streit steht. Die nach § 4 PV i.V.m. Ziff. 10.1.3 APB 1986 vereinbarte Residenzpflicht der Klägerin bzw. eines ihrer Gesellschafter auf einem der Pachtgrundstücke führt daher für sich genommen nicht dazu, dass Aufwendungen für das Pächterwohnhaus durch den Gesellschafter S als betrieblich veranlasst anzusehen sind.
Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs der Erhaltungsaufwendungen mit der betrieblichen Sphäre kommt es vielmehr darauf an, ob die diesbezüglich vereinbarte Kostenübernahme durch die Klägerin ausschließlich im Hinblick auf die Überlassung des vom Gesellschafter S bewohnten Pächterwohnhauses oder ebenso im Hinblick auf die pachtweise Überlassung der anderen Pachtgegenstände, hier der landwirtschaftlichen Grundstücke, der Milchquote und der anderen auf den Pachtflächen befindlichen Wirtschafts- und Wohngebäude als weitere, synallagmatische Pflicht des Pächters vereinbart worden ist.
Ob und inwieweit die Aufwendungen, die nach dem vorliegenden Pachtvertrag von der Klägerin zu erbringen sind, einzelnen Pachtgegenständen zugeordnet werden können, richtet sich nach den Vertragsbestimmungen im konkreten Einzelfall. Die Auslegung des Landpachtvertrags und die Zuordnung der dort vertraglich festgelegten Aufwendungen zu den Pachtgegenständen obliegt dem FG als Tatsachengericht; der Senat ist daran grundsätzlich gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. An die tatsächlichen Feststellungen des FG ist der Senat allerdings dann nicht gebunden, wenn die Klägerin eine formgerechte und begründete Verfahrensrüge erhebt oder das FG gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat.
Das FG ist von anderen Auslegungsgrundsätzen ausgegangen, so dass die Vorentscheidung keinen Bestand haben kann. Das FG hat es ausdrücklich offengelassen, ob die Klägerin die Kostenübernahme gemäß § 6 Abs. 2 PV und die von ihr aufgrund dieser Vertragsklausel im Streitjahr übernommenen Erhaltungsaufwendungen ausschließlich für die Überlassung des Pächterwohnhauses getätigt hat oder ob die Erhaltungsaufwendungen, auch soweit sie auf das Pächterwohnhaus entfallen, als Teil einer der Klägerin obliegenden vertraglichen Hauptpflicht für alle überlassenen Pachtgegenstände anzusehen sind. Das FG hat die private Veranlassung der hier streitigen Erhaltungsaufwendungen allein deshalb bejaht, weil diese nur für das privaten Wohnzwecken des Gesellschafters S dienende Pächterwohnhaus entstanden sind. Darauf allein kann die private Veranlassung der Erhaltungsaufwendungen, wie unter c) ausgeführt, jedoch nicht gestützt werden.
Der Senat kann mangels Spruchreife nicht in der Sache entscheiden. Zwar hat das FG den in der Vertragsurkunde des Landpachtvertrags enthaltenen Text festgestellt, so dass der Senat eine Vertragsauslegung grundsätzlich selbst vornehmen könnte. Da der Landpachtvertrag jedoch verschiedene Auslegungen zulässt, bedarf es zunächst weiterer Sachaufklärung durch das FG.
Das FG wird daher im zweiten Rechtsgang zu ermitteln haben, wie die Vertragsparteien die Pachtzinsen kalkuliert haben, ob die Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses davon ausgegangen sind, dass für das Pächterwohnhaus erforderliche Baumaßnahmen anstanden, an denen sich die Klägerin zu beteiligen haben wird, und ob deswegen der Pachtzins, soweit er kalkulatorisch anteilig auf das Pächterwohnhaus entfiel, herabgesetzt oder von vornherein niedriger angesetzt worden ist.

Steuerliche Berücksichtigung eines vom Arbeitnehmer selbst getragenen Nutzungsentgelts bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode

Leistet der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung.
Ein negativer geldwerter Vorteil (geldwerter Nachteil) kann aus der Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung auch dann nicht entstehen, wenn das vom Arbeitnehmer zu zahlende Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt.
Soweit das Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt, kann es auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.
BFH Urteil vom 30.11.2016 – VI R 24/14 BFH/NV 2017, 448
Sachverhalt:
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr (2011) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Seine Arbeitgeberin stellte ihm einen Firmenwagen mit Sonderausstattung zur Verfügung, den der Kläger auch für private Fahrten sowie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Die Kosten für den Firmenwagen trug die Arbeitgeberin.
Gemäß der Firmenwagenregelung der Arbeitgeberin hatte der Kläger für den Firmenwagen einen monatlichen Nettoabzug (Eigenanteil) zu leisten. Der Eigenanteil bemaß sich nach dem Beschäftigungsgrad des Firmenwageninhabers bei der Arbeitgeberin und dem in der Firmenwagenregelung näher definierten Nettorechnungspreis des Firmenwagens. Auf dieser Grundlage leistete der Kläger einen monatlichen Eigenanteil in Höhe von 351,13 EUR, im Streitjahr insgesamt 4.213,56 EUR.
Über die Nutzung des Firmenwagens im Streitjahr führte der Kläger ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Der Anteil seiner privaten Fahrten sowie der Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte betrug hiernach 26,6 %. Die Gesamtkosten des Firmenwagens beliefen sich im Streitjahr auf 8.325,91 EUR.
Die Arbeitgeberin ermittelte den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Firmenwagens zur Privatnutzung beim Lohnsteuerabzug nach der 1 %-Regelung und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach der 0,03 %-Regelung, wobei sie den Eigenanteil des Klägers vom Bruttolistenpreis des Firmenwagens abzog. Der geldwerte Vorteil wurde dabei in Höhe von 7.193,94 EUR individuell und für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anteilig in Höhe von 1.462,50 EUR pauschal versteuert.
Bei der Festsetzung der Einkommensteuer des Klägers legte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) einen Bruttoarbeitslohn von 71.892,55 EUR zugrunde. Dieser Betrag ergab sich, indem das FA von dem Bruttoarbeitslohn laut elektronischer Lohnsteuerbescheinigung in Höhe von 76.868,72 EUR den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Firmenwagens in Höhe von 7.193,94 EUR in Abzug brachte und einen Betrag von 2.217,77 EUR für die private Nutzung des Firmenwagens und für dessen Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte laut Fahrtenbuch hinzurechnete.
Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, mit dem er begehrte, den Bruttoarbeitslohn auf 67.678 EUR wie folgt herabzusetzen:
Begründung:
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat den vom Kläger an seine Arbeitgeberin geleisteten Eigenanteil zu Unrecht als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zum Abzug zugelassen. Der Eigenanteil mindert indessen nur den geldwerten Vorteil, den der Kläger aus der Überlassung des Firmenwagens für private Fahrten und für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte erzielt hat.
Nach ständiger Rechtsprechung führt die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Zufluss von Arbeitslohn i.S. von § 19 des Einkommensteuergesetzes. Beide vom Gesetz vorgegebenen Alternativen zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der privaten Nutzung eines Firmenfahrzeugs regeln einheitlich und abschließend, welche Aufwendungen von dem gefundenen Wertansatz erfasst und in welchem Umfang die dem Steuerpflichtigen hieraus zufließenden Sachbezüge abgegolten werden Sowohl die 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG) als auch die Fahrtenbuchmethode (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG) stellen lediglich unterschiedliche Wege zur Bewertung dieses Vorteils bereit. Als Spezialvorschriften zu § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sperren sie, soweit ihr Regelungsgehalt reicht, den Rückgriff auf die dort geregelte Bewertung von Sachbezügen im Übrigen.
Nach diesen Maßstäben hat das FG den Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens im Streitfall zu Recht nach der Fahrtenbuchmethode bewertet.
§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG (in der im Streitjahr geltenden Fassung) kann der Wert nach den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift, also der Wert der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz zu privaten Fahrten und für die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, mit dem auf die private Nutzung und die Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Teil der gesamten Kfz-Aufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
Nach den tatsächlichen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger im Streitfall die durch das Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen. Hiernach liegen die Voraussetzungen für die Bewertung des Nutzungsvorteils aus der Dienstwagenüberlassung nach der Fahrtenbuchmethode vor.
Das FG hat den vom Kläger an seine Arbeitgeberin für die Überlassung des Firmenwagens gezahlten Eigenanteil allerdings rechtsfehlerhaft als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Der Eigenanteil mindert lediglich den geldwerten Vorteil auf 0 EUR. Nach den nicht angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) betrugen die durch das Kfz insgesamt entstandenen Aufwendungen im Streitjahr 8.325,91 EUR. Der vom Kläger an seine Arbeitgeberin im Streitjahr gezahlte Eigenanteil in Höhe von 4.213,56 EUR ist von diesen Aufwendungen nicht vorab in Abzug zu bringen.
Zu den insgesamt entstehenden Kfz-Aufwendungen (Gesamtkosten) gehören die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienen und in Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstehen. Dazu rechnen insbesondere die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten, etwa für die Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Absetzung für Abnutzung oder Leasing- und Leasingsonderzahlungen und Garagenmiete. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung im Streitjahr wie auch noch gegenwärtig “Gesamtkosten” des Lohnsteuer-Handbuchs 2015). Ausgangspunkt der Fahrtenbuchmethode ist nämlich die Annahme, dass der Vorteil des Arbeitnehmers aus der Privatnutzung des Fahrzeugs mit den darauf entfallenden anteiligen Kosten des Arbeitgebers übereinstimmt.
Der vom Kläger gezahlte Eigenanteil mindert nach diesen Maßstäben nicht die der Arbeitgeberin insgesamt entstandenen Aufwendungen für das dem Kläger zur Verfügung gestellte betriebliche Fahrzeug. Zöge man den Eigenanteil von den durch das Fahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen ab, widerspräche dies dem Ziel der Fahrtenbuchmethode, den Sachbezugswert der Überlassung eines Dienstwagens anhand der tatsächlich auf die Privatnutzung entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers zutreffend zu ermitteln. Denn dann würden nicht mehr –wie es § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG ausdrücklich vorsieht– die durch “das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen” bei der Ermittlung des auf die privaten Fahrten und auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallenden Teils der “gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen” angesetzt, sondern von vornherein nur ein um den Eigenanteil verminderter (Teil-)Betrag dieser Aufwendungen.
Das FG hat –für den Senat ebenfalls bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)– festgestellt, dass der Anteil der privaten Fahrten des Klägers und der Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte 26,6 % betrug. Hiernach beläuft sich der Wert für die private Nutzung des Fahrzeugs sowie für dessen Nutzung zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf 2.214,69 EUR (8.325,91 EUR x 26,6 / 100). Der vom FA insoweit angesetzte (geringfügig höhere) Betrag von 2.217,77 EUR beruht auf einer Rundungsdifferenz bei der Ermittlung des “Privatanteils”. Eine steuerliche Auswirkung zum Nachteil des Klägers ergibt sich hieraus nicht.
Der vom Kläger an seine Arbeitgeberin gezahlte Eigenanteil in Höhe von 4.213,56 EUR mindert den Wert des geldwerten Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung. Da der Eigenanteil im Streitfall den Wert dieses geldwerten Vorteils überstieg, ist der geldwerte Vorteil im Ergebnis mit 0 EUR zu bewerten. Der Ansatz eines (negativen) geldwerten Vorteils (geldwerten Nachteils) aus der Dienstwagenüberlassung scheidet aus. Soweit der Eigenanteil den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt, kann er auch nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden.
Zahlt der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung, d.h. für die Nutzung zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, eines betrieblichen Kfz ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung die Werbungskosten annehmen). Denn insoweit fehlt es an einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit an einer Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. In Höhe des Nutzungsentgelts (des Eigenanteils) wendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Vorteil zu; der Arbeitnehmer wird durch die Zahlung des Nutzungsentgelts nicht bereichert, sondern vielmehr endgültig belastet.
Das Nutzungsentgelt mindert folglich bereits auf der Einnahmeseite den Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens zu privaten Fahrten sowie zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Der steuerbare Vorteil des Arbeitnehmers, den ihm der Arbeitgeber mit der Überlassung des Dienstwagens einräumt, besteht lediglich in der Differenz zwischen dem Wert der Nutzungsüberlassung nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG und dem vom Arbeitnehmer zu zahlenden Nutzungsentgelt. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen zur Bemessung des geldwerten Vorteils bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wonach dieser von vornherein nur in dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert der Zuwendung des Arbeitgebers und den Aufwendungen des Arbeitnehmers zur Erlangung der Zuwendung besteht.
Der Wert des geldwerten Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung wird durch das vom Arbeitnehmer gezahlte Nutzungsentgelt lediglich bis zu einem Betrag von 0 EUR gemindert. Ein negativer geldwerter Vorteil (geldwerter Nachteil) kann aus der Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung auch dann nicht entstehen, wenn das vom Arbeitnehmer zu zahlende Nutzungsentgelt den Wert der privaten Dienstwagennutzung sowie der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigt.
Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit liegen grundsätzlich nur vor, wenn dem Arbeitnehmer Güter in Geld oder Geldeswert durch das Dienstverhältnis veranlasst zufließen. Der Abfluss von Gütern in Geld oder Geldeswert stellt hiernach regelmäßig keine Einnahme dar. Negative Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit kommen nach der Rechtsprechung des Senats allenfalls bei der Rückzahlung von Arbeitslohn in Betracht. Die zurückgezahlten Beträge sind im Zeitpunkt der Rückzahlung als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu berücksichtigen. Sind Einnahmen nach § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG zufließen, so erfordert umgekehrt die Annahme negativer Einnahmen, dass entsprechende Güter beim Steuerpflichtigen abfließen. Des Weiteren sind Arbeitslohnrückzahlungen nur anzunehmen, wenn sich der Vorgang als “actus contrarius” zur Lohnzahlung darstellt. Denn nur dann setzt sich der Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bei den zurückgezahlten Beträgen fort.
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Teil des Eigenanteils, der den Wert des geldwerten Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung übersteigt, nicht um negative Einnahmen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Zahlung des Eigenanteils erfolgt nicht, um den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens im Sinne eines “actus contrarius” rückgängig zu machen. Der Arbeitnehmer (Kläger) zahlt den Eigenanteil vielmehr gerade deshalb, um den Vorteil überhaupt erst zu erlangen.
Soweit der Eigenanteil den geldwerten Vorteil aus der Dienstwagenüberlassung übersteigt, fehlt es für die Annahme (negativer) Einnahmen auch an einem steuerlich relevanten Veranlassungszusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Der Wert des Vorteils, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit der Dienstwagenüberlassung zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einräumt, besteht –wie oben dargelegt– nur in Höhe der Differenz zwischen dem Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG und dem vom Arbeitnehmer für die Dienstwagenüberlassung zu zahlenden Nutzungsentgelt (Eigenanteil). Soweit das Nutzungsentgelt den Wert nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG übersteigt, ist keine Veranlassung der Zahlung durch das Dienstverhältnis gegeben. Denn die Zahlung ist insoweit nicht durch die Erzielung steuerbarer und steuerpflichtiger Einnahmen, sondern durch die private Nutzung des Dienstwagens veranlasst. Aufwendungen für die private Fahrzeugnutzung sind steuerlich jedoch nicht zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitnehmer solche Aufwendungen an seinen Arbeitgeber leistet.
Bei dem Nutzungsentgelt (Eigenanteil) handelt es sich schließlich auch nicht um Werbungskosten. .Nach ständiger Rechtsprechung sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 EStG Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und wenn die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.
Die vorstehend dargelegt, mindert das Nutzungsentgelt auf der Einnahmeseite den Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagens zu privaten Fahrten sowie zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Das Nutzungsentgelt kann folglich nicht (nochmals) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Soweit sich aus den Senatsurteilen etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.
Ein Werbungskostenabzug scheidet auch insoweit aus, als das Nutzungsentgelt den Wert des (steuerbaren) Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung übersteigt. Insoweit fehlt es ebenfalls an einer beruflichen Veranlassung. Die Zahlung des Nutzungsentgelts ist, soweit es den Wert des Vorteils übersteigt, nicht durch die Erzielung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, sondern durch die steuerunerhebliche private Nutzung des Dienstwagens veranlasst. Denn der Arbeitnehmer leistet das Nutzungsentgelt nicht, weil er mit dem ihm überlassenen betrieblichen Fahrzeug (auch) Dienstreisen unternimmt, sondern weil die Zahlung des Nutzungsentgelts Voraussetzung für die private Nutzung des betrieblichen Pkw ist. Die berufliche Veranlassung kann insbesondere nicht auf die Erwägung gestützt werden, der Arbeitnehmer (Kläger) unternehme mit dem ihm überlassenen betrieblichen Fahrzeug auch beruflich veranlasste Fahrten, für die das Nutzungsentgelt (jedenfalls anteilig) ebenfalls aufgewendet worden sei. Denn es kann grundsätzlich und so auch im Streitfall nicht davon ausgegangen werden, dass ein Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber für die berufliche Nutzung eines Firmenwagens ein Entgelt entrichtet. Die Aufwendungen für Dienstreisen hat regelmäßig der Arbeitgeber und nicht der Arbeitnehmer zu tragen. Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber zumeist (tarif-)vertraglich, jedenfalls aber entsprechend § 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs Anspruch auf den Ersatz von Aufwendungen, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung entstehen. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind und der Arbeitnehmer sie nicht selbst tragen muss, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält). Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Handhabung in Bezug auf die Kosten beruflich veranlasster Dienstreisen des Klägers für seine Arbeitgeberin hat das FG im Streitfall nicht festgestellt.

Steuerliche Behandlung eines Sterbegelds aus einem Versorgungswerk

Auch ein einmaliges Sterbegeld, das ein berufsständisches Versorgungswerk neben der laufenden Hinterbliebenenrente an den überlebenden Ehegatten des Mitglieds zahlt, unterliegt als “andere Leistung” (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG) mit dem Besteuerungsanteil der Einkommensteuer.
In Bezug auf das Sterbegeld ist der für “Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten” geltende ermäßigte Steuersatz nicht zu gewähren.
BFH Urteil vom 23.11.2016 – X R 13/14 BFH/NV 2017, 445
Sachverhalt:
Der im Streitjahr 2008 verstorbene Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) war Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. Im Streitjahr zahlte das Versorgungswerk an die Klägerin neben der laufenden Hinterbliebenenrente ein Sterbegeld in Höhe von 3.097,20 EUR aus, das auf § 26 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks beruhte. Diese –vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene– Satzungsregelung lautet: “Anspruch auf Sterbegeld hat der überlebende Eheteil, wenn die Ehe bis zum Tode des Teilnehmers fortbestanden hat. Ist kein überlebender Eheteil vorhanden, so haben den Anspruch die ehelichen, für ehelich erklärten, nichtehelichen und an Kindes Statt angenommenen Kinder; durch Zahlung an eines der anspruchsberechtigten Kinder wird die Versorgungsanstalt befreit.”
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) erfasste im Einkommensteuerbescheid 2008 –mit dem er die Klägerin letztmals mit E zusammenveranlagte– neben den laufenden Renteneinnahmen auch das Sterbegeld mit dem Besteuerungsanteil (56 %) als sonstige Einkünfte aus der Basisversorgung (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes –EStG–). Nach erfolglosem Einspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, das Sterbegeld sei zweckgebunden zur Deckung der Sterbefallkosten bestimmt und daher nicht steuerbar. Ihr seien Beerdigungskosten in einer Höhe entstanden, die den Betrag des Sterbegelds überstiegen.
Begründung:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–).
Das Sterbegeld aus dem berufsständischen Versorgungswerk unterliegt als “andere Leistung” gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit dem Besteuerungsanteil der Einkommensteuer (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19. August 2013, BStBl I 2013, 1087, Rz 204).
Der erkennende Senat hat bereits entschieden, dass eine Besteuerung als “andere Leistung” i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a EStG nicht zugleich das Vorliegen “wiederkehrender Bezüge” nach § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG erfordert. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die genannte Entscheidung Bezug genommen.
Entgegen der Auffassung des FG dient diese Auslegung nicht lediglich der “Missbrauchsvermeidung” (Verhinderung der Umwandlung laufender Rentenleistungen in einmalige Kapitalzahlungen), sondern stellt allgemein die systemgerechte Umsetzung des Konzepts der nachgelagerten Besteuerung sicher, das der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen seit 2005 zugrunde liegt. Das FA weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages in seinem Bericht zum Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) die von einigen Versorgungswerken eingeräumte Möglichkeit von Teilkapitalisierungen nur als Beispiel für eine “andere Leistung” angeführt hat (BTDrucks 15/3004, S. 19), den Anwendungsbereich dieses gesetzlichen Tatbestands aber ersichtlich nicht auf diese Fallgestaltungen hat beschränken wollen.
Auch die grundlegenden Wertungen, die mit der Neugestaltung der Rentenbesteuerung durch das AltEinkG verbunden waren, sprechen für eine Einbeziehung sämtlicher Auszahlungen aus der Basisversorgung in die nachgelagerte Besteuerung; ihnen lässt sich eine Beschränkung auf kapitalisierte Rentenansprüche nicht entnehmen. Da der Gesetzgeber sich mit dem AltEinkG grundsätzlich von seiner früheren Sichtweise (Altersbezüge als nicht steuerbare Vermögensumschichtung) gelöst hat, trägt der –auch von der Klägerin vorgebrachte– Einwand, es handele sich um die Rückzahlung einer Kapitalanlage, nicht mehr. Die Steuerbarkeit sämtlicher Leistungen der Basisversorgung gilt nicht nur für den Endzustand der nachgelagerten Besteuerung, der erst für die Renteneintrittsjahrgänge ab dem Jahr 2040 erreicht sein wird, sondern bereits für die gegenwärtig laufende Übergangsphase.
Aus dem Zweck des Sterbegelds, eine finanzielle Hilfestellung für die Aufbringung der Sterbefallkosten zu bieten, folgt nichts anderes. Eine rechtliche Zweckbindung ist hiermit nicht verbunden. Nach § 26 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerks wird das Sterbegeld unabhängig davon gezahlt, ob bzw. in welcher Höhe dem überlebenden Ehegatten Sterbefallkosten entstehen. Auch ist die Zahlung unabhängig davon, ob der überlebende Ehegatte überhaupt Erbe –und damit gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Tragung der Beerdigungskosten verpflichtet– ist.
Einer tatsächlichen Verwendung des Sterbegelds zur Begleichung von Beerdigungskosten im Einzelfall wird im System des Einkommensteuerrechts im Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass diejenigen Beerdigungskosten, die den Wert des erhaltenen Nachlasses übersteigen, als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können und auf diese Weise steuerlich entlastet werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es auch nicht zu einer zweimaligen einkommensteuerlichen Belastung des Sterbegelds. Die Klägerin bringt insoweit vor, eine Besteuerung des Sterbegelds müsse schon deshalb ausscheiden, weil es im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen auf die Beerdigungskosten angerechnet werde und dadurch den abziehbaren Betrag mindere. Indes hat der BFH eine derartige Anrechnung nur in Bezug auf solche Sterbegeldleistungen bejaht, die nicht einkommensteuerpflichtig sind. Demgegenüber hat der BFH bereits entschieden, dass Bezüge, die als solche einkommensteuerpflichtig sind, nicht auf den nach § 33 EStG abziehbaren Betrag anzurechnen sind.
Auch sind Altersbezüge von ihrem Charakter her generell und typischerweise zur Sicherung des Lebensunterhalts –d.h. zur Begleichung existenzsichernder und zu einem großen Teil unvermeidbarer Aufwendungen– bestimmt, ohne dass dies ihrer Besteuerung grundsätzlich entgegenstünde.
Ebenso wenig vermag der Einwand der Klägerin zu überzeugen, die Besteuerung des an den überlebenden Ehegatten gezahlten Sterbegelds sei gleichheitswidrig, weil Sterbegeld, das das Versorgungswerk an ein Kind des verstorbenen Mitglieds (Waise) zahle, nicht der Einkommensteuer unterliege.
Der Senat kann schon die Prämisse, die der Argumentation der Klägerin zugrunde liegt –die fehlende Einkommensteuerbarkeit des an Waisen gezahlten Sterbegelds– nicht teilen. Er hat bereits entschieden, dass Einmalzahlungen aus der Basisversorgung auch dann gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG einkommensteuerbar und -steuerpflichtig sind, wenn daneben keine laufenden Leistungen gezahlt werden. Ebenso hat er erkannt, dass auch eine einmalige Todesfallleistung an ein hinterbliebenes Kind des Versicherten steuerpflichtig ist.
Aus den vom FA in der Revisionsbegründung genannten Erwägungen ist die für “Leistungen aus einer Krankenversicherung” geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG für die rechtliche Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung. Sie war zwar –solange Sterbegelder zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört haben– auch auf diese Leistungen anwendbar, ist aber weder auf Sterbegelder zugeschnitten noch enthält sie eine umfassende Steuerfreistellung für Sterbegelder. Zu Recht weist das FA darauf hin, dass Sterbegelder, die an die Hinterbliebenen von Pensionären oder Abgeordneten gezahlt werden, nach § 19 EStG bzw. § 22 Nr. 4 EStG steuerpflichtig sind, ohne dass hier die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. a EStG herangezogen würde.
Der für “Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten” geltende ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG ist in Bezug auf das Sterbegeld nicht zu gewähren. Zwar hat der erkennende Senat den ermäßigten Steuersatz auf solche Leistungen angewendet, die die Kapitalisierung von an sich laufend auszuzahlenden Bezügen darstellten. Tragend dafür war aber, dass derartige Kapitalisierungen zum einen atypisch für die Basisversorgung sind und zum anderen aufgrund ihrer außerordentlichen Höhe typischerweise zu einer Zusammenballung steuerpflichtiger Einkünfte und damit zu Progressionsnachteilen führen.
Diese Erwägungen lassen sich auf Sterbegelder nicht übertragen. Sie stellen lediglich untergeordnete Zusatzleistungen zu den laufenden Rentenbezügen dar und sind daher –anders als Kapitalauszahlungen– nicht als Fremdkörper im Leistungskatalog der Basisversorgung anzusehen. Hinzu kommt, dass Sterbegelder aus der Basisversorgung typischerweise nicht so hoch ausfallen, dass sie zu Progressionsnachteilen führen.
Die von E im Streitjahr geleisteten Beiträge zum Versorgungswerk sind zwar ihrer Rechtsnatur nach vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften, allerdings durch die Regelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 3 EStG spezialgesetzlich den Sonderausgaben zugewiesen. Der von der Klägerin hilfsweise begehrte Werbungskostenabzug ist daher nicht zu gewähren.