Digitaler Datenzugriff bei Banken

Die im Urteil des BFH vom 9. Dezember 2008 VII R 47/07aufgestellten Grundsätze zum Schutz von Bankkunden bei einer Betriebsprüfung von Kreditinstituten gelten auch für einen digitalen Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO.

BFH Beschluss vom 27.09.2010 – II B 164/09 BFH NV 2011 S. 193 f

Begründung:

In der Rechtsprechung ist überdies geklärt, welche Einschränkungen sich zum Schutz von Bankkunden bei einer Betriebsprüfung von Kreditinstituten ergeben. Danach schränkt § 30a Abs. 3 Satz 1 AO die Überprüfung nur solcher Konten ein, bei denen eine Legitimationsprüfung nach § 154 Abs. 2 AO durchgeführt wurde (sog. kundenbezogene Konten). Die Finanzverwaltung darf dagegen sämtliche nicht legitimationsgeprüfte Konten prüfen, selbst wenn sie –wie im Streitfall die Dispositionshilfskonten– Kenntnisse über nicht anonymisierte Gegenbuchungen zu Geschäftsvorfällen auf legitimationsgeprüften Kundenkonten i.S. des § 154 Abs. 2 AO vermitteln. Eine Sperrwirkung" entfaltet § 30a Abs. 3 Satz 2 AO bei solchen Konten erst und nur insoweit, als für die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen ein "hinreichender Anlass" vorliegen muss. Diese Grundsätze gelten auch für einen digitalen Datenzugriff.

Schätzungsbefugnis bei unvollständigen Buchführungsunterlagen

Liegen keine vollständigen Buchführungsunterlagen vor, sind die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen, unabhängig davon, aus welchen Gründen die erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen nicht vorgelegt werden können. Es kommt dabei nicht auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen an.

Der Steuerpflichtige hat alles in seinen Kräften Stehende und nach der Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Daran fehlt es, wenn er trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung nicht zur mündlichen Verhandlung erscheint.

BFH Beschluss vom 19.07.2010 – X S 10/10 (PKH) BFH NV 2010 S. 2017 ff

Begründung:

Die Antragsteller erheben Einwände gegen die Schätzung, die sich vor allem auf die Befugnis zur Schätzung beziehen. Soweit sie behaupten, das FA und auch das FG seien zur Schätzung nicht befugt gewesen, weil die Schätzungsbefugnis aus der von Amts wegen vereitelten Möglichkeit der Antragsteller, die notwendigen Unterlagen vorzulegen, abgeleitet werde, übersehen sie, dass nach den Feststellungen des FG bei dem Antragsteller unstreitig keine vollständigen Buchführungsunterlagen vorgelegen haben. Die Besteuerungsgrundlagen waren infolgedessen nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO im Schätzungswege festzustellen, unabhängig davon, aus welchen Gründen die erforderlichen Unterlagen und Aufzeichnungen für Zwecke der Besteuerung nicht vorgelegt werden können; es kommt dabei nicht auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen an.

 

Beweiskraft der Buchführung; Schätzung von Besteuerungsgrundlagen

Ist die für eine formell ordnungsgemäße Buchführung geltende Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit widerlegt, sind die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Steht dabei ein bestimmter Sachverhalt zur Überzeugung des Finanzgerichts fest, bedarf es keiner Schätzung von Besteuerungsgrundlagen.

Die Frage, wer die objektive Beweislast für das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Tatsachen trägt, ist nur dann in einem Revisionsverfahren klärungsfähig, wenn das Finanzgericht eine Sachentscheidung nach Beweislastgrundsätzen getroffen hat.

BFH Beschluss vom 13.07.2010 – V B 121/09 BFHNV 2010 S. 2015

Begründung:

Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob handschriftliche Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die wirtschaftlich absolut unwahrscheinlich sind, und deren Summe außerhalb des entsprechenden Schätzrahmens des betreffenden Betriebs liegt, ohne weitere Vergleichsrechnung der Besteuerung zugrunde gelegt werden dürfen, lässt sich ohne weiteres aus dem Gesetz (§ 158 der Abgabenordnung –AO– i.V.m. § 162 AO) beantworten. Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Danach löst die –formelle– Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.

Ist –wie im Streitfall– diese Vermutung widerlegt, ergibt sich aus der gesetzlichen Einschränkung "soweit", dass die sachlich unrichtigen Teile der Buchführung richtig zu stellen sind. Es sind also nur die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Diese Korrektur darf erst dann durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO), eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist. Folglich besteht ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Steht danach ein bestimmter Sachverhalt fest, bedarf es keiner Schätzung, es sind vielmehr die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen. Ob diese Besteuerungsgrundlagen "unwahrscheinlich" sind oder außerhalb eines Schätzrahmens liegen, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig bedarf es der Überprüfung dieser Besteuerungsgrundlagen durch eine "Vergleichsrechnung"

Die weitere Rechtsfrage, ob der Steuerpflichtige zu beweisen hat, dass handschriftliche Notizen keine Einnahmen im Rahmen seines Gewerbes sind, ist weder klärungsbedürftig noch klärbar.

Es ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass nach der sog. Beweislastgrundregel die Feststellungslast (objektive Beweislast) –bei einer nicht mehr behebbaren Ungewissheit über den Sachverhalt– für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen die Finanzbehörde und für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen den Steuerpflichtigen trifft. Da es sich bei handschriftlichen Notizen über (höhere) Einnahmen bzw. Umsätze eines Steuerpflichtigen um steuererhöhende Tatsachen handelt, träfe im Falle einer Beweislastentscheidung die Finanzbehörde die Feststellungslast (objektive Beweislast).

Ablaufhemmung nach Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung

Auch bei einem Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung, der für das Verschieben des Prüfungsbeginns ursächlich ist, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt.

BFH Urteil vom 17.03.2010 – IV R 54/07 BFH NV 2010 S. 1510 ff

Begründung:

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern (Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen), auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO u.a. nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide (Feststellungsbescheide) unanfechtbar geworden sind.

Soweit § 171 Abs. 4 Satz 1 AO in seiner 2. Alternative dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung die gleiche Rechtsfolge (Hemmung des Ablaufs der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist) wie dem Beginn der Außenprüfung zuordnet, gilt dies nur, soweit ein entsprechender Antrag auch ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns ist. Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund des Antrags, sondern aufgrund der eigenen Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, so läuft die Frist ungeachtet des Antrags ab.

Diese Bestimmung einer Rechtsfolge (Ablaufhemmung) nach den in den jeweiligen Sphären der am Besteuerungs- bzw. Feststellungsverfahren Beteiligten liegenden Gründen für das tatsächliche Unterbleiben einer Außenprüfung kommt auch in § 171 Abs. 4 Satz 2 AO zum Ausdruck, der eine Ausnahme von Satz 1 der Norm enthält. Danach tritt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ein, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat; diese Rechtsfolge wird –im Ergebnis gleich– auch damit umschrieben, dass die Ablaufhemmung rückwirkend entfällt.

Die Bestimmung will einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 68); Außenprüfungen sollen nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BTDrucks 7/4292, S. 33). Wenn § 171 Abs. 4 Satz 2 AO hinsichtlich der Prüfungsunterbrechung auf Gründe abstellt, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen und die die Finanzbehörde deshalb zu vertreten hat, so ist dieses Merkmal das Gegenstück zum Prüfungsaufschub auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 46). Steuerpflichtiger und Finanzbehörde sollen demnach die in § 171 Abs. 4 Satz 1  1. Alternative AO bestimmte Rechtsfolge weder verhindern noch durch lediglich formelle Prüfungshandlungen oder Scheinhandlungen, die zu keinem ernsthaften tatsächlichen Beginn einer Außenprüfung führen (vgl. dazu z.B. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 Rz 37 ff., m.w.N.), eintreten lassen können.

Gleichwohl verbleibt der Finanzbehörde nach Ansicht des erkennenden Senats nach Eingang eines Antrags i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO, der zum Eintritt der Ablaufhemmung führt, nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Vielmehr hat die Behörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns bei der Finanzbehörde zu beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will. Die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags. Der erkennende Senat stützt seine Auffassung auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO und –jedenfalls in seiner gegenwärtig gültigen Fassung– auch in § 171 Abs. 10 AO Ausdruck findet; jene Vorschriften räumen der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein.

 

Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO

Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO muss nicht in einem gesonderten Schreiben erfolgen. Es genügt auch der ausdrückliche Hinweis in einem Prüfungsbericht, der zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat.

BFH Urteil vom 19.01.2010 – X R 30/09 (NV) BFH NV 2010 S. 1234

Begründung:

Wird vor Ablauf der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Feststellungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Sie endet spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 3  1. Halbsatz AO)

Nach dieser Außenprüfung ist keine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO ergangen. Der dem Kläger übersandte Prüfungsbericht kann nicht als solche Mitteilung gewertet werden. Der Kläger folgert dies zu Unrecht aus dem Umstand, dass in einer Anlage zu dem Prüfungsbericht für das Streitjahr 1999 kein Mehrergebnis vermerkt ist.

Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kann in Form eines gesonderten Schreibens erfolgen; sie ist aber auch als ausdrücklicher Hinweis in einem Prüfungsbericht möglich, der zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat. Daran mangelt es hier. Im Prüfungsbericht findet sich kein ausdrücklicher Hinweis, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1999 geführt hat. Unter der Überschrift Feststellung trifft er lediglich eine Aussage zur Gewinnermittlung für 2002.

Auch die Anlage zum Prüfungsbericht macht keine ausdrückliche Aussage zum Feststellungsgewinn des Streitjahres; in der Spalte Gewinnermittlung 1999 ist lediglich kein Betrag vermerkt. Das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung folgt aber bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§ 171 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz, § 202 Abs. 1 Satz 3 AO); es wird auch vom Regelungszweck bestätigt. Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO hat ebenso wie der Prüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO) Dokumentations- und Protokollfunktion.  Dieser Funktion kann aus Gründen der Klarheit nur eine ausdrückliche Mitteilung gerecht werden.

 

 

Abschreibung eines nicht als Betriebsvermögen erfassten Wirtschaftsguts kann nicht nachgeholt werden

Es besteht die Pflicht, die abschnittsbezogene lineare (so genannte Normal-)AfA auch tatsächlich vorzunehmen .

Wegen des Prinzips der Gesamtgewinngleichheit ist auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die AfA im selben Umfange vorzunehmen wie beim Betriebsvermögensvergleich .

Bei einem bilanzierenden Steuerpflichtigen ist die verspätete Erfassung notwendigen Betriebsvermögens eine fehlerberichtigende Einbuchung, bei der sich der Bilanzansatz nach dem Wert richtet, mit dem das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Deshalb darf auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die versäumte AfA auf ein zunächst nicht als Betriebsvermögen erfasstes Wirtschaftsgut nicht nachgeholt werden .

BFH Urteil vom 22.6.2010, VIII R 3/08

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 22. Juni 2010 VIII R 3/08 entschieden, dass die gleichmäßig von der Bemessungsgrundlage eines betrieblichen Wirtschaftsguts vorzunehmende normale Absetzung für Abnutzung (AfA) nicht nachgeholt werden kann, wenn sie deshalb versäumt wurde, weil das Wirtschaftsgut fälschlich nicht als betrieblich erfasst war.

Im konkreten Fall ging es um ein Patent, das in einen Verwertungsbetrieb eingelegt worden war. Einlage, Einlagewert und Restnutzungsdauer des Patents waren Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung, die erst Jahre nach der Einlage zustande kam. In der Zwischenzeit hatte es der Kläger versäumt, AfA auf den Einlagewert vorzunehmen. Daraus ergab sich ein Streit über die Höhe des noch absetzungsfähigen Restbuchwertes.

Das Finanzgericht gab der Klage statt und berücksichtigte den vollen Einlagewert zum Teil als AfA in einem verfahrensrechtlich noch offenen Veranlagungszeitraum, zum anderen Teil gewinnmindernd bei der Ermittlung des Aufgabegewinns bei der Veräußerung des Patents. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Wegen des Prinzips der Gesamtgewinngleichheit konnte der Kläger, der seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes ermittelte, keine höheren Beträge absetzen als bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Im ersten verfahrensrechtlich noch zugänglichen Veranlagungszeitraum durfte deshalb nur der Restbuchwert zugrunde gelegt werden, mit dem ein bilanzierender Steuerpflichtiger das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut hätte einbuchen müssen, d. h. mit dem Wert, der bei von Anfang an richtiger Bilanzierung anzusetzen gewesen wäre.

 

Schätzung von Buchhaltung

Voraussetzungen für die Schätzung einer Buchhaltung und die Frage der Beweislast.(eigener Leitsatz)

BFH Beschluss vom 13.7.2010, V B 121/09

Begründung

Nach § 158 AO sind die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Danach löst die –formelle– Ordnungsmäßigkeit der Buchführung die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit aus.

Ist diese Vermutung widerlegt, ergibt sich aus der gesetzlichen Einschränkung "soweit", dass die sachlich unrichtigen Teile der Buchführung richtig zu stellen sind. Es sind also nur die Teile der Buchführung zu korrigieren, auf die sich die sachlichen Beanstandungen beziehen. Diese Korrektur darf erst dann durch eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 bis 3 AO erfolgen, wenn und soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO), eine gezielte Korrektur also nicht möglich ist. Folglich besteht ein Vorrang der Sachverhaltsermittlung und -feststellung gegenüber einer Schätzung von Besteuerungsgrundlagen. Steht danach ein bestimmter Sachverhalt fest, bedarf es keiner Schätzung, es sind vielmehr die festgestellten Besteuerungsgrundlagen der Besteuerung zugrunde zu legen. Ob diese Besteuerungsgrundlagen "unwahrscheinlich" sind oder außerhalb eines Schätzrahmens liegen, ist ohne Bedeutung. Ebenso wenig bedarf es der Überprüfung dieser Besteuerungsgrundlagen durch eine "Vergleichsrechnung".

Es ist durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt, dass nach der sog. Beweislastgrundregel die Feststellungslast (objektive Beweislast) bei einer nicht mehr behebbaren Ungewissheit über den Sachverhalt  für die steuerbegründenden und -erhöhenden Tatsachen die Finanzbehörde und für die steuerentlastenden oder -mindernden Tatsachen den Steuerpflichtigen trifft (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Oktober 2005 XI B 111/04, BFH/NV 2006, 320, m.w.N.). Da es sich bei handschriftlichen Notizen über (höhere) Einnahmen bzw. Umsätze eines Steuerpflichtigen um steuererhöhende Tatsachen handelt, träfe im Falle einer Beweislastentscheidung die Finanzbehörde die Feststellungslast (objektive Beweislast).

m vorliegenden Fall beruht das Urteil des FG nicht auf der Unaufklärbarkeit eines bestimmten Sachverhalts (Beweislosigkeit), sondern auf der nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des FG, dass die Eintragungen in den Kalendern den tatsächlich erzielten Umsätzen aus dem Betrieb der Pizzerien entsprechen.

 

 

Empfängerbenennung gemäß § 160 AO

Das Vorbringen, das FG habe seine Schätzungsbefugnis für Betriebsausgaben gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO im Rahmen des § 160 AO bei unterlassener Empfängerbenennung nicht wahrgenommen, beinhaltet die Rüge eines materiellrechtlichen Fehlers und nicht eines Verfahrensfehlers des FG.

Die Aufforderung gemäß § 160 AO, den Zahlungsempfänger zu benennen und bei unterlassener Empfängerbenennung den Betriebsausgabenabzug zu versagen, ist grundsätzlich auch dann rechtmäßig, wenn die geltend gemachten Betriebsausgaben dem Steuerpflichtigen mit Sicherheit entstanden sind.

BFH Beschluss vom 10.12.2009 X B 172/08 BFH NV 2010 S. 596 ff

Begründung:

Soweit der Kläger vorbringt, das FG habe zu Unrecht die Anschaffungskosten des zu seinem Umlaufvermögen gehörenden Fahrzeugs Fiat … in Höhe von 16.000 DM nicht als Betriebsausgabe anerkannt, legt er weder einen Verfahrensfehler gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO noch das Vorliegen einer Divergenzentscheidung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO hinreichend dar.

Im Übrigen ist die Aufforderung, den Zahlungsempfänger zu benennen und bei unterlassener Empfängerbenennung den Betriebsausgabenabzug zu versagen, auch dann rechtmäßig, wenn die geltend gemachten Betriebsausgaben dem Steuerpflichtigen mit Sicherheit entstanden sind. Er macht geltend, im BFH-Urteil vom 4. April 1996 IV R 55/94 (BFH/NV 1996, 801) habe der BFH den tragenden Rechtssatz formuliert, die Anwendung des § 160 AO könne in Ausnahmefällen ermessensfehlerhaft sein, wenn es dem Steuerpflichtigen nicht gelinge, den wahren Namen des Empfängers anzugeben, weil er selbst Opfer einer für ihn nicht durchschaubaren Täuschung sei und sich ihm keine Zweifel hinsichtlich seines Geschäftspartners hätten aufdrängen müssen.







Im vorliegenden Fall teilte das Gericht diese Auffassung mangels Vortrag nicht.




 




Keine Begründung für eine erste Anschlussprüfung erforderlich

Eine erste Anschlussprüfung bedarf keiner weiteren Begründung.

BFH 19.11.2009 IV B 62/09 BFHNV 2010 S. 595 f

Begründung:

Die Klägerin hält für grundsätzlich bedeutsam, ob das FA "eine Anordnung einer 3. Außenprüfung, d.h. einer 2. Wiederholungsprüfung in Folge, ohne 1-jährige Pause, nach § 193 Abs. 1 AO ohne Angabe von Gründen erlassen" kann, "die eine nachvollziehbare Ermessensentscheidung erkennen lässt, ohne damit die Grenzen des Willkür- und Schikaneverbots zu überschreiten".

Die Klägerin hat zwar im finanzgerichtlichen Verfahren gegen die Prüfungsanordnung vorgetragen, dass bei ihrer "Rechtsvorgängerin" bereits für die Jahre 2001 und 2002 eine Außenprüfung stattgefunden habe. Aber selbst wenn diese Außenprüfung zu berücksichtigen wäre, ergäbe sich ein ununterbrochener Prüfungszeitraum von 2001 bis 2003. Dies entspricht einem nach § 4 Abs. 3 Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung vom 15. März 2000 –BpO 2000– (BStBl I 2000, 368) ohne weiteres zulässigen Umfang einer Außenprüfung. Demnach wäre die nunmehr angeordnete Prüfung ebenfalls als die erste Anschlussprüfung anzusehen.

Darüber hinaus ist bereits geklärt, dass eine erste Anschlussprüfung keiner weiteren Begründung bedarf. Durch die Rechtsprechung des BFH ist ferner entschieden, dass sogar eine sog. Anlassprüfung nur begründet werden muss, sofern dies zum Verständnis der Prüfungsanordnung wegen der besonderen Umstände oder nach Art der angeordneten Maßnahme erforderlich ist. Im Übrigen sieht § 4 Abs. 3 Satz 3 BpO 2000 nunmehr ausdrücklich vor, dass die Finanzbehörden bei der Festlegung des Prüfungszeitraums nicht daran gehindert sind, auch bei Betrieben, die keine Großbetriebe, Konzerne und international verbundene Unternehmen sind, sog. Anschlussprüfungen vorzunehmen.

Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung

Die tatsächliche Verständigung ist die einvernehmliche Festlegung auf den maßgeblichen Besteuerungssachverhalt, die nicht einseitig widerrufbar ist.

Die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung entfällt, wenn sie zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

Die Nichtvornahme strafrechtlicher Ermittlungen ist keine in jedem Fall zu unterstellende Grundlage einer tatsächlichen Verständigung.

BFH Urteil vom 21.09.2009 VIII R 78/06 BFH NV 2010 S. 593ff

Begründung:

Das Rechtsinstitut der "tatsächlichen Verständigung" entspringt einem praktischen Bedürfnis nach Verfahrensförderung, Verfahrensbeschleunigung und Rechtsfrieden. Es ist vom Bundesfinanzhof (BFH) in mittlerweile ständiger Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt.

Dabei geht es darum, in Fällen, in denen über den für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalt eine anderweitig nicht einfach zu behebende Unklarheit besteht, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der Abgabenordnung (AO) einvernehmlich festzulegen und insoweit Unsicherheiten und Ungenauigkeiten zu beseitigen.

Gleich, ob man mit der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum in der tatsächlichen Verständigung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erblickt oder eine anderweitige, am Grundsatz von Treu und Glauben zu messende Übereinkunft kommt der Verständigung Bindungswirkung zu.

Unwirksam ist eine tatsächliche Verständigung, die zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt. Entgegen der Auffassung der Kläger hat das FG ohne Rechtsverstoß kein offensichtlich unzutreffendes Ergebnis angenommen. Die tatsächliche Würdigung des FG ist möglich und damit gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend. Das FG konnte die Unterschrift des steuerlichen Beraters des Klägers unter die tatsächliche Verständigung als Umstand werten, der gegen offensichtlich unzutreffende Einnahmeerhöhungen spricht, ebenso wie den weiteren Umstand, dass die sachliche Unrichtigkeit des Verständigungsergebnisses erstmals rd. zweieinhalb Jahre nach der Verständigung gerügt wurde. Die im erstinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwendungen, es habe an einer Plausibilitätsprüfung bezüglich der Einnahmeerhöhungen gefehlt, es dürfe nicht verwerflich sein, private Gelder auf das Geschäftskonto einzuzahlen, Eingänge in Höhe von 116.000 DM seien "erklärbar" und als Privateinlagen "zu werten", musste das FG nicht als Beleg für eine offensichtliche Unrichtigkeit des Verständigungsergebnisses werten.

Ein einseitiger Widerruf der eigenen Verständigungserklärung ist grundsätzlich nicht möglich (Klein/Rüsken, a.a.O., § 162 Rz 33), und zwar auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung nicht steuerlich beraten war. Es bedarf deshalb keiner weiteren Auseinandersetzung mit dem von den Klägern nunmehr betonten Umstand, dass ihr damaliger Steuerberater das Mandat erst zwei Monate zuvor übernommen habe und deshalb angeblich mit dem Sachverhalt noch nicht vertraut gewesen sei.