Anforderungen an die Erbringung eines Ausfuhrnachweises in Beförderungsfällen

Zum Nachweis einer Ausfuhrlieferung reichen die in § 6 Abs. 4 Satz 2 UStG i.V.m. § 9 UStDV genannten Nachweise grundsätzlich aus. Etwas anderes gilt nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Nachweise vorliegen.

BFH Urteil vom 31. Juli 2008 V R 21/06

Begründung:

Eine Ausfuhrlieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. a UStG) liegt gemäß § 6 Abs. 1 UStG vor, "… wenn bei einer Lieferung 1. der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist oder 2. der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, befördert oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist oder 3. der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in die in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebiete befördert oder versendet hat und der Abnehmer

a) ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat, oder

b) ein ausländischer Abnehmer, aber kein Unternehmer, ist und der Gegenstand in das übrige Drittlandsgebiet gelangt …".

Gemäß § 8 Abs. 1 UStDV muss der Unternehmer bei Ausfuhrlieferungen durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat. Diese Voraussetzungen müssen sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben. Gemäß § 9 Abs. 1 UStDV soll der Unternehmer in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert hat (Beförderungsfälle), den Ausfuhrnachweis regelmäßig durch einen Beleg führen, der Folgendes enthält: 1. den Namen und die Anschrift des Unternehmers, 2. die handelsübliche Bezeichnung und die Menge des ausgeführten Gegenstandes, 3. den Ort und den Tag der Ausfuhr, 4. eine Ausfuhrbestätigung der den Ausgang des Gegenstandes aus dem Gemeinschaftsgebiet überwachenden Grenzzollstelle eines Mitgliedstaates.

Nach den Feststellungen des Gerichts hat der Kläger Nachweise über die Ausfuhr, die diesen Anforderungen entsprechen, erbracht. Das genügt jedenfalls dann, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der vorgelegten Nachweise bestehen. Das FA sieht zu Unrecht eine Verletzung von § 6 Abs. 1 UStG darin, dass der Kläger die in Abschn. 135 Abs. 9 Nr. 1 UStR 2000 genannten Nachweise nicht beigebracht hat. Bei der Regelung in Abschn. 135 Abs. 9 UStR 2000 handelt es sich nicht um die Festsetzung einer Bedingung durch den Mitgliedstaat, sondern lediglich um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift, die der gleichmäßigen Auslegung und Anwendung des Gesetzes dient. Ob die an einer Verwaltungsvorschrift ausgerichtete Auslegung oder Anwendung des Gesetzes richtig ist, unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte, die nicht an derartige Verwaltungsvorschriften gebunden sind.

EuGH-Vorlage zur Umsatzsteuerpflicht von sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz

Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche “sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz” von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?

BFH Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07

Erläuterung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWStSystRL) vereinbar ist, dass nach deutschem Recht nur bestimmte Wetten und Lotterien von der Umsatzsteuer befreit und sämtliche “sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz” von der Steuerbefreiung ausgenommen sind.
Die Mitgliedstaaten sind nach dem Gemeinschaftsrecht gehalten, Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien. Sie können jedoch Bedingungen und Beschränkungen für die Steuerbefreiung festlegen. Nach dem vom deutschen Gesetzgeber mit Wirkung vom 6. Mai 2006 neu geregelten § 4 Nr. 9 Buchst b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind nur bestimmte unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallende Umsätze (Rennwetten und öffentlich veranstaltete Lotterien, Ausspielungen und Oddset-Wetten) von der Umsatzsteuer befreit. Die Mehrzahl der Glücksspiele einschließlich der im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden Spiele an Geldspielautomaten ist danach umsatzsteuerpflichtig. Deshalb war bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umstritten, ob dies mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts im Einklang steht.
Im Gegensatz zur Vorinstanz hat der BFH Zweifel, ob der deutsche Gesetzgeber den ihm durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Spielraum bei der Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst b UStG eingehalten hat.

Rückwirkender Wechsel von der Istbesteuerung zur Sollbesteuerung

Ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 UStG) ist bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig.

BFH Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08

Begründung:
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer bei der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten zwar mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Ein Wechsel bedeutet aber insofern keinen Eingriff in den Besteuerungssachverhalt, als er nicht zur Folge hat, dass dadurch das Vorliegen einer i.S. von § 1 Abs. 1 UStG steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung entfallen würde. Ob ein Umsatz überhaupt steuerpflichtig ist und welcher Steuersatz zur Anwendung kommt, richtet sich vielmehr nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Leistung und ist daher unabhängig vom Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung.
Unabhängig von der Entstehung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG kann ein Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten daher grundsätzlich auch noch im Laufe und selbst nach Ablauf eines Jahres und damit rückwirkend gestellt und genehmigt werden. Wenn aber die nachträgliche bzw. rückwirkende Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bewirkt, muss dies auch für den Verzicht auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gelten. Denn auch dadurch wird nicht in den der Besteuerung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt eingegriffen, sondern lediglich die Höhe der Umsatzsteuer im jeweiligen Besteuerungszeitraum verändert.

Legen eines Hausanschlusses als “Lieferung von Wasser”

Die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Legen eines Hausanschlusses) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt fällt unter den Begriff “Lieferungen von Wasser” i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage zum UStG und ist deshalb mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern, wenn die Anschlussleistung an den späteren Wasserbezieher erbracht wird .

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 8.10.2008, V R 61/03

Begründung:
Die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Legen eines Hausanschlusses) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt, fällt unter den Begriff “Lieferung von Wasser” im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) und ist deshalb mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern.
Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 61/03.
Kläger war ein aus mehreren Städten und Kreisen bestehender Zweckverband zur Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung. Er belieferte Kunden mit Wasser und legte auf Verlangen von Grundstückseigentümern gegen Kostenerstattung Hausanschlüsse, d.h. er verband sein Wasser-Verteilernetz mit der jeweiligen Anlage des Grundstückseigentümers. Die Hausanschlüsse blieben im Eigentum des Klägers.
Der Kläger war der Meinung, auf diese Umsätze (Legen des Hausanschlusses) sei – ebenso wie für die Wasserlieferung selbst – nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 34 der Anlage zum UStG der ermäßigte Steuersatz von 7 % anzuwenden, soweit sie an Grundstückseigentümer ausgeführt wurden, die zugleich Empfänger der nachfolgenden Wasserlieferungen waren. Das Finanzamt hatte dagegen entsprechend einem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Juli 2000 auf diese Umsätze den Regelsteuersatz (damals 16 %) angewendet.
Der BFH folgte im Ergebnis der Auffassung des Klägers. Er führte zur Begründung aus, in dem im vorliegenden Verfahren auf seine Vorlage hin ergangenen Urteil vom 3. April 2008 habe der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass unter den

Begriff “Lieferungen von Wasser” i.S. von Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der Richtlinie 77/388/EWG auch das Legen eines Hausanschlusses falle. Das müsse – so der BFH – dann auch für die Auslegung des UStG gelten. Zwar dürften die Mitgliedstaaten das Legen eines Hausanschlusses von der grundsätzlichen Steuerermäßigung für die “Lieferungen von Wasser” ausschließen. Dies erfordere aber eine gesetzliche Regelung und könne nicht durch eine bloße Verwaltungsvorschrift geschehen. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG enthalte einen solchen Ausschluss nicht.

Erlass von Umsatzsteuern bei irrtümlich angenommenen steuerfreien Ausfuhrlieferungen

Aus den im Steuerrecht allgemein geltenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes ergibt sich, dass die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht versagt werden darf, wenn der liefernde Unternehmer die Fälschung des Ausfuhrnachweises, den der Abnehmer ihm vorlegt, auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hat erkennen können (Änderung der Rechtsprechung; Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06, Netto Supermarkt GmbH & Co. KG, BFH/NV Beilage 2008, 199).

Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, ist im Erlassverfahren zu prüfen.

BFH Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03
Erläuterungen:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03 entschieden, dass die Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen im Billigkeitsverfahren zu gewähren sein kann, wenn die Voraussetzungen der Steuerbefreiung zwar nicht vorliegen, der Steuerpflichtige deren Fehlen aber auch Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte, weil die vom Abnehmer vorgelegten Ausfuhrnachweise gefälscht waren.
Die Klägerin hatte im Grenzgebiet zu Polen einen Supermarkt betrieben. Mehrere polnische Staatsbürger spiegelten der Klägerin Einkäufe und Ausfuhren vor, indem sie in Einkaufswagen und Papierkörben liegengebliebene Kassenbons einsammelten, mit gefälschten Vordrucken und Zollstempeln Ausfuhrnachweise fälschten, diese mit Namen und Anschrift des jeweiligen polnischen Staatsbürgers versahen und die Erstattung der Umsatzsteuer von der Klägerin beantragten und gewährt bekamen.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte vor dem jetzt ergangenen Urteil des BFH auf dessen Vorlage im Urteil vom 21. Februar 2008, Rs. C-271/06, Netto Supermarkt GmbH & Co KG entschieden, dass gemeinschaftsrechtliche Regelungen in einem solchen Fall einer Gewährung der Steuerbefreiung im Billigkeitswege nicht entgegenstehen.

Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gebäudes

Eine Grundstücksgemeinschaft, die ein Gebäude zum Teil steuerfrei an eine Arztpraxis vermietet und es im Übrigen den Gemeinschaftern für private Wohnzwecke überlässt, hat keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes.

BFH Urteil vom 8. Oktober 2008 XI R 58/07

Erläuterungen:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 8. Oktober 2008 XI R 58/07 entschieden, dass eine Grundstücksgemeinschaft, die ein Gebäude zum Teil steuerfrei an eine Arztpraxis vermietet und es im Übrigen den Gemeinschaftern für private Wohnzwecke überlässt, keinen Anspruch auf Vorausteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes hat.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hatte mit Urteil vom 8. Mai 2003 C-269/00 (“Seeling”) entschieden, dass die beim Erwerb gemischt unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzter Gegenstände geschuldete Umsatzsteuer grundsätzlich vollständig und sofort als Vorsteuer abziehbar ist, wenn sich der Steuerpflichtige dafür entscheidet, diese Gegenstände seinem Unternehmen zuzuordnen.
Im Fall “Seeling” hatte die unternehmerische Nutzung des Gebäudes zu steuerpflichtigen Umsätzen geführt, so dass die in Rechnung gestellten Leistungen für steuerpflichtige Umsätze verwendet worden waren. Dagegen waren im nunmehr vom BFH entschiedenen Fall sowohl die Vermietung als auch die Eigennutzung des Gebäudes durch die Gemeinschafter umsatzsteuerfrei. In einem derartigen Fall scheidet nach Auffassung des BFH der Vorsteuerabzug aus, weil dieser sowohl nach deutschem als auch nach Gemeinschaftsrecht voraussetzt, dass die Lieferungen und sonstigen Leistungen für steuerpflichtige Umsätze verwendet werden.

Rücknahme von Umzugskartons gegen Entgelt

Bietet ein (Umzugs-)Unternehmen seinen Kunden an, von ihm verkaufte Umzugskartons in verwertbarem Zustand gegen ein bestimmtes Entgelt zurückzunehmen, und machen die Kunden davon Gebrauch, ist die Bemessungsgrundlage für die ursprüngliche Lieferung nicht zu berichtigen. Vielmehr liegt eine selbständige sog. Rücklieferung vor.

BFH Urteil vom 12. November 2008 XI R 46/07

Erläuterung:
Der Verkauf der Umzugs-/Bücherkartons ist eine “Lieferung”. Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen Leistungen, durch die der Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Die Klägerin hat dem jeweiligen Erwerber die Verfügungsmacht über die Kartons verschafft. Die Käufer konnten über die Kartons nach eigenem Belieben verfügen. Eine Pflicht zur Rückgabe bestand weder aufgrund des Kaufvertrages noch aufgrund der Verpackungsverordnung.

Bemessungsgrundlage für diese Lieferung ist das Entgelt. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStG). Dies ist hier der Preis, den die Erwerber der Kartons beim Kauf gezahlt haben und der unstreitig ist.

Durch die Rückgabe der Umzugskartons wurde deren ursprüngliche Lieferung durch die Klägerin nicht i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG rückgängig gemacht. Die Rückgabe eines gelieferten Gegenstandes durch den Käufer kann den zugrunde liegenden Leistungsaustausch

berühren (Rückgängigmachung) oder aber auf einem neuen, also weiteren Leistungsaustausch beruhen.. Ob eine Rückgängigmachung einer Lieferung oder eine selbständige Rücklieferung vorliegt, ist aus der Sicht des Empfängers und nicht aus der Sicht des ursprünglichen Lieferers zu beurteilen. Eine Rückgängigmachung ist anzunehmen, wenn der Liefernde oder der Lieferungsempfänger das der Hinlieferung zugrunde liegende Umsatzgeschäft beseitigt oder sich auf dessen Unwirksamkeit beruft, die zuvor begründete Erwartung des Lieferers auf ein Entgelt dadurch entfällt und der Lieferungsempfänger den empfangenen Gegenstand in Rückabwicklung des Umsatzgeschäftes zurückgibt. Dagegen liegt eine einen selbständigen Umsatz auslösende Rücklieferung vor, wenn die Beteiligten ein neues Umsatzgeschäft eingehen und der Empfänger der Hinlieferung dieses dadurch erfüllt, dass er dem ursprünglichen Lieferer die Verfügungsmacht an dem gelieferten Gegenstand in Erwartung einer Gegenleistung überträgt.
Bei der Rückgängigmachung liegt typischerweise eine Vertragsstörung im weiten Sinne vor. Sie ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass das ursprüngliche Entgelt zurückzuzahlen ist. Der Beseitigung eines Leistungsaustauschs ist ein anderer Kaufpreis als der ursprünglich vereinbarte fremd.

Umsatzsteuer beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen und Versicherungen

§ 4 Nr. 8 Buchst. f UStG enthält keine allgemeine Steuerbefreiung für Leistungen beim Vertrieb von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen, sondern erfasst nur die Vermittlung von Umsätzen mit derartigen Anteilen. Die steuerfreie Vermittlung muss sich auf einzelne Geschäftsabschlüsse beziehen.

Die Steuerfreiheit der Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern nach § 4 Nr. 11 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer, der diese Leistungen übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots zumindest mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist. Die einmalige Prüfung und Genehmigung von Standardverträgen und standardisierten Vorgängen reicht entgegen dem BMF-Schreiben vom 9. Oktober 2008 (BStBl I 2008, 948) nicht aus.

BFH Urteil vom 30. Oktober 2008 V R 44/07

Erläuterungen:
Mit Urteil vom 30. Oktober 2008 (V R 44/07) hat der Bundesfinanzhof (BFH) zu den Umsatzsteuerbefreiungen beim Vertrieb von Finanzdienstleistungen und von Versicherungen Stellung genommen und sich dabei wesentlichen Grundsätzen eines Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 6. Oktober 2008 nicht angeschlossen.
Der BFH hatte zu entscheiden, ob Betreuung, Schulung und Überwachung von nach geordneten Vermittlern beim Vertrieb von Fondsanteilen als Vermittlung von Gesellschaftsanteilen umsatzsteuerfrei ist. Der BFH verneinte dies, da das Umsatzsteuergesetz (UStG) keine allgemeine Steuerbefreiung für Leistungen beim Vertrieb von Gesellschaftsanteilen enthält. Es liege auch keine nach dem UStG steuerfreie Vermittlung vor, da sich diese auf einzelne Geschäftsabschlüsse beziehen müsse.
Da sich der Kläger im Revisionsverfahren darauf berief, dass die von ihm erbrachten Leistungen nach einem jüngst ergangenen BMF-Schreiben steuerfrei wären, wenn er nicht Fondsanteile, sondern Versicherungen vermittelt hätte, hatte sich der BFH hierzu zu äußern und stellte dabei klar, dass Leistungen auch beim Vertrieb von Versicherungen nur steuerfrei sind, wenn ein Bezug zu einzelnen Geschäftsabschlüssen vorliegt. Leistungen, die sich darauf beschränken, nachgeordnete Versicherungsvertreter zu betreuen, zu schulen und zu überwachen, sind daher entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis umsatzsteuerpflichtig. Dem Urteil dürfte erhebliche Bedeutung für den Fonds- und Versicherungsvertrieb zukommen.

Leistungsbeschreibung in der Rechnung

Die Leistungsbeschreibung “für technische Beratung und Kontrolle im Jahr 1996” reicht nicht dazu aus, die damit abgerechnete Leistung zu identifizieren, wenn diese sich weder aus den weiteren Angaben in der Rechnung noch aus ggf. in Bezug genommenen Geschäftsunterlagen weiter konkretisieren lässt.

BFH Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 59/07

Erläuterung:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 8. Oktober 2008 V R 59/07 entschieden, dass die Leistungsbeschreibung “für technische Beratung und Kontrolle im Jahr 1996” in einer Rechnung nicht ausreicht, die damit abgerechnete Leistung zu identifizieren, wenn diese sich weder aus den weiteren Angaben in der Rechnung noch aus ggf. in Bezug genommenen Geschäftsunterlagen weiter konkretisieren lässt. Daher berechtigte im Streitfall diese Rechnung nicht zum Vorsteuerabzug.
Ein Unternehmer kann nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1993 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH muss das Abrechnungspapier Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahin gehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist.
Diesen Anforderungen genügt nach Auffassung des BFH nicht, dass eine Holding bzw. deren Niederlassung ohne Angabe ihres Geschäftsgegenstands mit der nichtssagenden Formulierung über “technische Beratung und technische Kontrolle im Jahr 1996” abgerechnet hat. Das Attribut “technisch” – so der BFH – bezeichne eine unbestimmte Vielzahl unterschiedlicher Leistungen.
Ferner sei eine hinreichende Konkretisierung in zeitlicher Hinsicht nicht möglich, weil in der Rechnung für das gesamte Kalenderjahr 1996 abgerechnet worden sei. Im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichte Unterlagen könnten zur Ergänzung der Leistungsbeschreibung nicht herangezogen werden, weil auf sie in der Rechnung nicht Bezug genommen worden sei. Schließlich habe die Klägerin vorgetragen, die mit der Rechnung abgerechneten Leistungen zunächst selbst verwechselt zu haben.

Reinigung von Kundentoiletten

Reinigung von Kundentoiletten gegen Überlassung der von Nutzern freiwillig gezahlten Beträge als tauschähnlicher Umsatz steuerpflichtig – Aussetzung der Vollziehung – Ermittlungspflicht des Bundesfinanzhofs im Beschwerdeverfahren

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 30.9.2008, XI B 74/08

Begründung:
Im Streitfall hat das FA die Umsatzsteuer bei summarischer Prüfung im Ergebnis zu Recht festgesetzt. Der Senat neigt zu der Auffassung, dass ein Leistungsaustausch zwischen dem Antragsteller und den Betreibern der Kaufhäuser stattgefunden hat und die Bewirtschaftung und Reinigung der Toiletten durch den Antragsteller gegen die Einräumung der Möglichkeit, in den Toilettenräumen die freiwillig gezahlten Nutzungsentgelte oder “Trinkgelder” zu vereinnahmen, ein tauschähnlicher Umsatz ist. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die Verträge als “Pachtvertrag” bezeichnet sind.

Nach § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG liegt ein tauschähnlicher Umsatz vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.
Aus allen vorgelegten Verträgen geht hervor, dass der Antragsteller sich zur Reinigung der Toiletten verpflichtet hat, weil die jeweiligen Betreiber der Kaufhäuser ein eigenes Interesse daran haben, ihren Kunden saubere Toiletten zur Verfügung zu stellen. Deshalb hat der Antragsteller mit der Bewirtschaftung und Reinigung der Toiletten gegenüber dem Betreiber des Kaufhauses eine sonstige Leistung (§ 3 Abs. 9 UStG) erbracht und die Toiletten nicht nur im eigenen Interesse gereinigt, um höhere “Trinkgelder” oder freiwillige Nutzungsentgelte zu erzielen. Als Gegenleistung hat ihm der jeweilige Betreiber des Kaufhauses die Möglichkeit eingeräumt, die von den Kunden gezahlten “Trinkgelder” oder freiwillig gezahlten Nutzungsentgelte zu vereinnahmen (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 30. Mai 2008 2 U 26/08, juris).

Bemessungsgrundlage für die Reinigungsleistungen des Antragstellers sind die von ihm vereinnahmten freiwilligen Nutzungsentgelte oder “Trinkgelder”. Denn bei tauschähnlichen Umsätzen gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz (§ 10 Abs. 2 Satz 2 UStG). Als Entgelt für die Reinigungsleistung des Antragstellers ist danach der Wert der ihm eingeräumten Möglichkeit, die freiwilligen Zahlungen der Toilettennutzer zu vereinnahmen, anzusetzen. Dieser Wert entspricht den tatsächlichen Zahlungen der Toilettennutzer.