Rückwirkende Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG bei im Voraus geleisteten Erbbauzinsen verfassungswidrig

Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 52 Abs. 30 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310) gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes verstößt, soweit danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum zu verteilen sind, für den sie geleistet werden, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor der Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden .

BFH Entscheidung vom 7.12.2010, IX R 70/07

Erläuterung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 7. Dezember 2010 IX R 70/07 das Bundesverfassungsgericht angerufen, weil er die rückwirkende Einführung einer Regelung über die Aufteilung von in einem Einmalbetrag geleisteten Erbbauzinsen auf die Laufzeit des Erbbaurechts für verfassungswidrig hält.

Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 9. Dezember 2004 sind Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als fünf Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Zeitraum zu verteilen, für den sie geleistet werden. Diese Vorschrift ist nach § 52 Abs. 30 Satz 1 EStG im Hinblick auf Erbbauzinsen erstmals für Vorauszahlungen nach dem 31. Dezember 2003 anzuwenden.

Nach Auffassung des BFH ist diese Neuregelung mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes insoweit unvereinbar, als danach im Voraus gezahlte Erbbauzinsen auch dann auf den Zeitraum des Erbbaurechts zu verteilen sind, wenn sie im Jahr 2004, aber noch vor Einbringung der Neuregelung in den Deutschen Bundestag am 27. Oktober 2004 verbindlich vereinbart und gezahlt wurden.

Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige im August 2004 einen Miterbbaurechtsanteil an einem Erbbaurecht, verbunden mit dem Sondereigentum an einer vermieteten Eigentumswohnung erworben. Er sollte zusammen mit dem Kaufpreis 36.350 € zahlen, um die Erbbauzinsansprüche für die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts abzugelten und tat dies im September 2004. Sein Begehren, die 36.350 € als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen, hatte – wegen § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG – beim Finanzamt und Finanzgericht keinen Erfolg.

Der BFH hält das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die im August/September 2004 geltende Rechtslage für schutzwürdig. Danach sind Erbbauzinsen Nutzungsentgelt und nicht Anschaffungskosten des Rechts. Das dazu in Widerspruch stehende Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 10. Dezember 1996 hatte der BFH in einem Urteil vom 23. September 2003 zurückgewiesen. Da das Gesetz damals keine Verteilung auf die Zeit der Nutzung vorsah, waren die im Voraus gezahlten Erbbauzinsen sofort als Werbungskosten abziehbar. Auch wenn die Finanzverwaltung das BFH-Urteil (durch Nichtveröffentlichen) nicht anwandte, konnte sie das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die ständige Rechtsprechung und eindeutige Gesetzeslage nicht beeinträchtigt: Der BFH entscheidet abschließend darüber, wie Steuerrecht richtig anzuwenden ist. Dieser Kernbereich seiner Funktion in einer ausbalancierten Gewaltendifferenzierung würde in Frage gestellt, könnte die Finanzverwaltung dadurch, dass sie ein ihr missliebiges Urteil nicht veröffentlicht, Vertrauen des Bürgers von vornherein nicht entstehen lassen.

Das Vertrauen des Bürgers ist durch die Rückwirkung mithin enttäuscht. Da sich die (unechte) Rückwirkung auch nicht durch die vom Gesetzgeber genannten Gründe, Mehreinkünfte zu erzielen, hinreichend rechtfertigen lässt, ist sie mit dem grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutz unvereinbar und deshalb nach Auffassung des vorlegenden Senats verfassungswidrig.

. Keine Steuerbefreiung für Umsätze eines gewerblichen Betreibers von Geldspielautomaten

Die Umsätze eines gewerblichen Betreibers von Geldspielautomaten sind aufgrund der am 6. Mai 2006 in Kraft getretenen Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG steuerpflichtig .

Die in dieser Vorschrift getroffene Regelung, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" von der Steuerbefreiung ausgenommen sind, verstößt weder gegen Unionsrecht noch gegen das Grundgesetz .

BFH Urteil vom 10.11.2010, XI R 79/07

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat durch Urteil vom 10. November 2010 XI R 79/07 entschieden, dass die Umsätze eines gewerblichen Betreibers von Geldspielautomaten nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) steuerfrei sind und dass diese Vorschrift weder gegen Unionsrecht noch gegen das Grundgesetz verstößt.

Nach § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG in der ab dem 6. Mai 2006 geltenden Neufassung sind steuerfrei "die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird."

Der BFH hatte im vorliegenden Revisionsverfahren, das Umsätze einer GmbH aus dem Betrieb von Geldspielautomaten in einer Spielhalle betrifft, Zweifel, ob diese Regelung mit der Mehrwertsteuersystemrichtlinie im Einklang steht. Er hatte deshalb das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) angefragt, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen ist, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche "sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz" von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?“ (vgl. Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 und die dazu ergangene Pressemitteilung Nr. 16/2009 vom 18. Februar 2009). Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. Juni 2010 C 58/09 bejaht.

Die Revisionsklägerin war der Auffassung, unabhängig von der vom EuGH beantworteten Vorlagefrage verstoße eine Festsetzung von Steuer auf Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten in Spielhallen sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen deutsches Verfassungsrecht. Der BFH folgte dem nicht. Er trat insbesondere der Ansicht der Revisionsklägerin entgegen, die Umsatzsteuerfestsetzung sei rechtswidrig, weil gewerbliche Betreiber von Geldspielautomaten die Umsatzsteuer nicht auf die Endverbraucher (Spieler) abwälzen könnten. Er verneinte auch einen Verstoß gegen den mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz sowie gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes), den die Revisionsklägerin wegen der Behandlung der Umsätze von öffentlichen Spielbanken aus dem Betrieb von Geldspielautomaten geltend gemacht hatte.

 

 

Auswirkungen der Kapitalverkehrsfreiheit auf die Erbschaftsteuer beim Erwerb eines Anteils an einer kanadischen Kapitalgesellschaft

Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 56 Abs. 1 EG i.V.m. Art. 58 EG dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaates entgegensteht, die für die Berechnung der Erbschaftsteuer auf einen Nachlass vorsieht, dass die zum Privatvermögen gehörende Beteiligung als Alleingesellschafter an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Kanada mit dem vollen Wert angesetzt wird, während beim Erwerb eines derartigen Anteils an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland ein gegenstandsbezogener Freibetrag gewährt und der verbliebene Wert lediglich in Höhe von 65 v.H. berücksichtigt wird?

BFH Entscheidung vom 15.12.2010, II R 63/09

Erläuterungen:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 II R 63/09 den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zur Klärung gemeinschaftsrechtlicher Fragen angerufen, die den Ausschluss des in einem Drittstaat befindlichen Betriebsvermögens von erbschaftsteuerrechtlichen Begünstigungen für inländisches Betriebsvermögen betreffen.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die Alleinerbin ihres 2007 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine Beteiligung des Vaters als Alleingesellschafter an einer kanadischen Kapitalgesellschaft. Das Finanzamt (FA) setzte Erbschaftsteuer ohne Berücksichtigung der für Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland in § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (Fassung 2007) ErbStG vorgesehenen Begünstigungen (Freibetrag 225.000 € und verminderter Wertansatz von 65%) fest.

Die steuerliche Behandlung von Erbschaften fällt nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unabhängig von der Art und Zusammensetzung des übergehenden Vermögens unter die Vertragsbestimmungen über den Kapitalverkehr. Danach liegt ein Verstoß gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs vor, wenn Steuervergünstigungen auf Erbschaften nur für Inlands-, nicht jedoch für Auslandsvermögen gewährt werden. Im Hinblick darauf sprechen nach Ansicht des BFH gute Gründe dafür, dass eine Erbschaft auch insoweit in den Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fällt, als sich darin Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft befinden. Dies ist auf Ersuchen des BFH vom EuGH bereits für Betriebsvermögen im EU-Ausland so entschieden worden (EuGH-Urteil vom 17. Januar 2008 C 256/06, Jäger, Slg. 2008, I 123, BFH/NV Beilage 2 2008, 120). Dem hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung der erbschaftsteuerrechtlichen Betriebsvermögensbegünstigungen ab 2009 Rechnung getragen. Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die Sitz oder Geschäftsleitung weder im Inland noch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat, gehören aber weiterhin nicht zum begünstigten (Betriebs-)Vermögen.

Der BFH ist nunmehr der Auffassung, dass Art. 56 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) in gleicher Weise auch für Betriebsvermögen in Drittstaaten gelten müsse. Denn nach Art. 56 Abs. 1 EG sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.

Ob dieser Rechtsstandpunkt zutrifft, kann aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden und bedarf daher der Klärung durch den EuGH.

 

Kosten krankheitsbedingter Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastung abziehbar

Bei einem durch Krankheit veranlassten Aufenthalt in einem Seniorenheim sind die Kosten für die Unterbringung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 Abs. 1 EStG abziehbar .

Der Aufenthalt kann auch dann krankheitsbedingt sein, wenn keine zusätzlichen Pflegekosten entstanden sind und kein Merkzeichen "H" oder "Bl" im Schwerbehindertenausweis festgestellt ist (gegen BFH-Urteil vom 18. Dezember 2008 III R 12/07, BFH/NV 2009, 1102) .

BFH Urteil vom 13.10.2010, VI R 38/09

Erläuterungen:

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Oktober 2010 VI R 38/09 sind Kosten für einen krankheitsbedingten Aufenthalt in einem Seniorenheim auch dann als außergewöhnliche Belastung einkommensteuerlich abziehbar, wenn keine ständige Pflegebedürftigkeit besteht und auch keine zusätzlichen Pflegekosten abgerechnet worden sind. Mit der Entscheidung rückt der BFH von seinen bisher strengeren Grundsätzen ab, wonach ein Abzug entweder zusätzliche Kosten für Pflegeleistungen oder die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises mit den Merkzeichen "H" oder "Bl" voraussetzte.

Im Urteilsfall war die damals 74-jährige Klägerin nach einer stationären Behandlung in einer psychiatrischen Klinik auf ärztliche Empfehlung in ein Seniorenheim gezogen. Ihre Wohnung in einem Zweifamilienhaus hatte die Klägerin währenddessen nicht aufgegeben. Das Finanzamt erkannte die geltend gemachten Kosten des Seniorenheims nicht als außergewöhnliche Belastung an, weil die Klägerin nicht in eine Pflegestufe eingruppiert gewesen sei und auch das Merkmal "H" im Behindertenausweis fehle.

Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts, wonach die Miet- und Verpflegungskosten abzüglich einer Haushaltsersparnis als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Anders als der altersbedingte Aufenthalt führe die krankheitsbedingte Unterbringung in einem Seniorenheim zu Krankheitskosten, die als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden könnten. Pflegebedürftigkeit sei keine Voraussetzung für den Abzug, wenn – wie hier aufgrund ärztlicher Bescheinigungen – festgestellt werden könne, dass der Heimaufenthalt infolge einer Erkrankung notwendig gewesen sei.

Haupt- und Nebenleistung

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die im Rahmen einer sog. Dinner-Show erbrachten Leistungen als einheitliche Leistung zu qualifizieren und dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind.

BFH Beschluss vom 26.04.2010 – V B 3/10 BFHNV 2010 S. 1664ff

Begründung:

Jeder Umsatz ist in der Regel als eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die einzelnen Elemente so ineinander greifen, dass etwas selbständiges Drittes geschaffen wird hinter die einzelnen Leistungen zurücktreten.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ernstlich zweifelhaft, ob die im Rahmen einer Dinner-Show erbrachten Leistungen als einheitliche Leistung qualifiziert und dem Regelsteuersatz unterworfen werden können. Ernstliche Zweifel bestehen zunächst an der vom FA im Aussetzungsverfahren vertretenen Auffassung, wonach die Restaurationsleistungen als Hauptleistung und die künstlerischen Darbietungen als deren Nebenleistungen anzusehen seien. Die künstlerischen Darbietungen sollen dazu beitragen, den Besucher auf gehobenem Niveau zu unterhalten und verfolgen damit gegenüber den –jedenfalls in erster Linie– auf Nahrungsaufnahme gerichteten Restaurationsleistungen einen anderen Zweck. Die künstlerischen Darbietungen stellen auch nicht das Mittel dar, um das Menü unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Ernstlich zweifelhaft ist auch, ob die im Rahmen der Dinner-Show erbrachten Leistungen als einheitliche sonstige Leistung ("Leistungsbündel") zu beurteilen sind.

“Echte” Forfaitierung

Der Beurteilung eines Forderungsverkaufs als "echte" Forfaitierung steht nicht entgegen, dass der Veräußerer in dem Kaufvertrag verpflichtet wird,

– die mit der Übertragung der Forderung ggf. anfallenden Steuern, Abgaben und Gebühren zu tragen,

– den Kaufpreis "auf erste Anforderung" zurückzuzahlen, falls der Schuldner der Forderung deren Erfüllung unter Berufung auf Gründe verweigert, die in Zusammenhang mit der "Verität" der Forderung stehen,

– bei verspäteter Zahlung des Schuldners Zinsen nach Maßgabe des für die Bemessung des Kaufpreises maßgeblichen Abzinsungssatzes an den Erwerber zu zahlen.

BFH Urteil vom 02.03.2010 IR 44/09 BFHNV 2010 S. 1622 ff

Begründung:

Im Ansatz zutreffend gehen FA und FG allerdings davon aus, dass von einer "Veräußerung" i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur die Rede sein kann, wenn tatsächlich ein Forderungsverkauf ("echte" Forfaitierung) stattgefunden hat. Dafür ist es erforderlich, dass das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderung (Bonitätsrisiko) auf den Erwerber übergeht, insoweit also keine Möglichkeit des Regresses besteht (Urteil des Bundesgerichtshofs –BGH– vom 21. Juni 1994 XI ZR 183/93, BGHZ 126, 261). Denn nach den Regeln des Kaufrechts haftet der Verkäufer lediglich für den rechtlichen Bestand oder das künftige Entstehen (Verität) der verkauften Forderung. Verbleibt hingegen das Bonitätsrisiko (damit die Delkrederehaftung) hinsichtlich der abgetretenen Forderungen (teilweise) beim Verkäufer, liegt eine sog. unechte Forfaitierung vor. Die Zahlung des "Kaufpreises" stellt dann eine bloße Vorfinanzierung der Forderung dar, deren Abtretung nur erfüllungshalber erfolgt (§ 364 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–). In diesem Fall liegt ein Darlehensverhältnis vor.

Die Vereinbarungen im Forfaitierungsvertrag vom 19. November 2004 führen nicht zu einem (teilweisen) Verbleiben des Bonitätsrisikos der übertragenen Forderungen beim X-Kreis. Die in § 4 des Vertrages von der Klägerin übernommenen Garantien betreffen den rechtlichen Bestand bzw. die Einredefreiheit –und damit die Verität– der abzutretenden Forderungen. In § 4 Satz 4 des Vertrages haben die Vertragsparteien vereinbart, dass der X-Kreis keine Haftung für die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin übernimmt. Danach liegt das Bonitätsrisiko der verkauften Forderungen –wie bei Forfaitierungsgeschäften üblich– beim Erwerber. Die Übertragung des Bonitätsrisikos auf die Y-Bank wird durch die vom FG herangezogenen anderen Vertragsklauseln nicht eingeschränkt.

Mit der in § 8 des Vertrages statuierten Erstattungspflicht des X-Kreises für Gebühren, Steuern und Abgaben, die die Y-Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Vereinnahmung zu entrichten hat oder die von der Klägerin bei der Ausschüttung einzubehalten sind, haben die Vertragsparteien klargestellt, dass der Y-Bank der Forderungsbetrag in der vereinbarten Höhe effektiv (netto) zufließen soll. Es kann offenbleiben, ob die nicht näher untermauerte Beurteilung des FG zutrifft, wonach das Abgabenrisiko "typischerweise" vom Erwerber zu tragen sei. Denn jedenfalls betrifft das Abgabenrisiko nicht die Bonität der übertragenen Forderungen; es hat mit deren Verwertbarkeit, d.h. mit der Fähigkeit und dem Willen des Drittschuldners, die Forderung bedienen zu können, nichts zu tun. Seine Übernahme durch den X-Kreis nimmt dem Vertragsverhältnis deshalb nicht den Charakter des Forderungskaufs.

Gleiches gilt in Bezug auf die Bestimmung des § 5 Abs. 1 des Fortfaitierungsvertrages, wonach der X-Kreis auf erstes Anfordern zur Rückzahlung des Kaufpreises verpflichtet ist, wenn die Klägerin die Zahlung bei Fälligkeit unter Berufung auf Gründe verweigert, deren Nichtvorliegen der X-Kreis in § 4 zugesichert hat. Das FG sieht darin die Übernahme des typischen und die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Forderungen mindernde Gläubigerrisikos, die Zahlung einer Forderung notfalls im Klagewege –mit dem üblichen Prozessrisiko– erzwingen zu müssen.

Ablaufhemmung nach Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung

Auch bei einem Antrag auf befristetes Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung, der für das Verschieben des Prüfungsbeginns ursächlich ist, entfällt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO nur, wenn die Finanzbehörde nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung beginnt.

BFH Urteil vom 17.03.2010 – IV R 54/07 BFH NV 2010 S. 1510 ff

Begründung:

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern (Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen), auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO u.a. nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide (Feststellungsbescheide) unanfechtbar geworden sind.

Soweit § 171 Abs. 4 Satz 1 AO in seiner 2. Alternative dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung die gleiche Rechtsfolge (Hemmung des Ablaufs der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist) wie dem Beginn der Außenprüfung zuordnet, gilt dies nur, soweit ein entsprechender Antrag auch ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns ist. Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund des Antrags, sondern aufgrund der eigenen Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, so läuft die Frist ungeachtet des Antrags ab.

Diese Bestimmung einer Rechtsfolge (Ablaufhemmung) nach den in den jeweiligen Sphären der am Besteuerungs- bzw. Feststellungsverfahren Beteiligten liegenden Gründen für das tatsächliche Unterbleiben einer Außenprüfung kommt auch in § 171 Abs. 4 Satz 2 AO zum Ausdruck, der eine Ausnahme von Satz 1 der Norm enthält. Danach tritt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ein, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat; diese Rechtsfolge wird –im Ergebnis gleich– auch damit umschrieben, dass die Ablaufhemmung rückwirkend entfällt.

Die Bestimmung will einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 68); Außenprüfungen sollen nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BTDrucks 7/4292, S. 33). Wenn § 171 Abs. 4 Satz 2 AO hinsichtlich der Prüfungsunterbrechung auf Gründe abstellt, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen und die die Finanzbehörde deshalb zu vertreten hat, so ist dieses Merkmal das Gegenstück zum Prüfungsaufschub auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 46). Steuerpflichtiger und Finanzbehörde sollen demnach die in § 171 Abs. 4 Satz 1  1. Alternative AO bestimmte Rechtsfolge weder verhindern noch durch lediglich formelle Prüfungshandlungen oder Scheinhandlungen, die zu keinem ernsthaften tatsächlichen Beginn einer Außenprüfung führen (vgl. dazu z.B. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 Rz 37 ff., m.w.N.), eintreten lassen können.

Gleichwohl verbleibt der Finanzbehörde nach Ansicht des erkennenden Senats nach Eingang eines Antrags i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1  2. Alternative AO, der zum Eintritt der Ablaufhemmung führt, nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Vielmehr hat die Behörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns bei der Finanzbehörde zu beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will. Die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags. Der erkennende Senat stützt seine Auffassung auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO und –jedenfalls in seiner gegenwärtig gültigen Fassung– auch in § 171 Abs. 10 AO Ausdruck findet; jene Vorschriften räumen der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein.

 

Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO

Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO muss nicht in einem gesonderten Schreiben erfolgen. Es genügt auch der ausdrückliche Hinweis in einem Prüfungsbericht, der zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat.

BFH Urteil vom 19.01.2010 – X R 30/09 (NV) BFH NV 2010 S. 1234

Begründung:

Wird vor Ablauf der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Feststellungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO).

Sie endet spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 3  1. Halbsatz AO)

Nach dieser Außenprüfung ist keine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO ergangen. Der dem Kläger übersandte Prüfungsbericht kann nicht als solche Mitteilung gewertet werden. Der Kläger folgert dies zu Unrecht aus dem Umstand, dass in einer Anlage zu dem Prüfungsbericht für das Streitjahr 1999 kein Mehrergebnis vermerkt ist.

Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO kann in Form eines gesonderten Schreibens erfolgen; sie ist aber auch als ausdrücklicher Hinweis in einem Prüfungsbericht möglich, der zu Änderungen hinsichtlich anderer Steuern geführt hat. Daran mangelt es hier. Im Prüfungsbericht findet sich kein ausdrücklicher Hinweis, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung des Gewinnfeststellungsbescheids 1999 geführt hat. Unter der Überschrift Feststellung trifft er lediglich eine Aussage zur Gewinnermittlung für 2002.

Auch die Anlage zum Prüfungsbericht macht keine ausdrückliche Aussage zum Feststellungsgewinn des Streitjahres; in der Spalte Gewinnermittlung 1999 ist lediglich kein Betrag vermerkt. Das Gebot einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung folgt aber bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften (§ 171 Abs. 4 Satz 1 letzter Halbsatz, § 202 Abs. 1 Satz 3 AO); es wird auch vom Regelungszweck bestätigt. Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO hat ebenso wie der Prüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO) Dokumentations- und Protokollfunktion.  Dieser Funktion kann aus Gründen der Klarheit nur eine ausdrückliche Mitteilung gerecht werden.

 

 

Kein Vorsteuerabzug, wenn Leistungserbringer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig macht

Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, so verliert der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung). § 14c Abs. 1, § 17 Abs. 1 UStG finden insoweit keine Anwendung.

Der Übergang zur Behandlung des Umsatzes als (wieder) steuerfrei ist nicht von der Zustimmung des Leistungsempfängers abhängig; die zivilrechtliche Befugnis zur Rechnungsberichtigung ist umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich nicht zu prüfen.

BFH Urteil vom 10.12.2009 – XI R 7/08

Begründung:

Nach allgemeiner Meinung kann aber der Verzicht auf die Steuerbefreiung wieder rückgängig gemacht und die Leistung damit im Ergebnis als steuerfrei behandelt werden. Mit der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung wird der in der ursprünglichen Rechnung ausgewiesene Steuerbetrag –rückwirkend– nicht mehr geschuldet; die Rückgängigmachung wirkt auf das Jahr der Ausführung des Umsatzes zurück.

Macht der leistende Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung rückgängig, so verliert der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug rückwirkend im Jahr des Leistungsbezugs und nicht erst im Zeitpunkt der Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung (im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung

Gewerblicher Grundstückshandel

Die Rechtsfrage, ob das Merkmal der bedingten Veräußerungsabsicht, aus der eine gewerbliche Betätigung widerlegbar zu schließen ist, wenn der Veräußerer in einem engen zeitlichen Zusammenhang durch Veräußerung von Immobilienobjekten die sog. Drei-Objekt-Grenze überschreitet, ein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung des gewerblichen Grundstückshandels von der privaten Vermögensverwaltung ist, ist durch die Rechtsprechung geklärt.

BFH Beschluss vom 27.04.2010 – X B 180/09 BFHNV 2010 S. 1441

Begründung:

Der beschließende Senat hat beispielsweise bereits erkannt, dass bei der Veräußerung von weniger als vier Objekten innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Gebäudeerrichtung und späterem planmäßigem Verkauf weiterer Objekte in relativ kurzer Zeit bei branchenkundigen Steuerpflichtigen (z.B. Grundstücksmakler) eine bereits bei Errichtung bestehende zumindest bedingte Veräußerungsabsicht anzunehmen sei.

An dieser Rechtsprechung haben die Ertragssteuersenate des BFH trotz der einen oder anderen kritischen Stimme in der Literatur und zuletzt im Urteil vom 17. Dezember 2009 III R 101/06 (Deutsches Steuerrecht 2010, 535) entschieden, die –durch die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb von etwa fünf Jahren indizierte– (zumindest) bedingte Veräußerungsabsicht beim Erwerb könne nur durch objektive Umstände, nicht aber durch Erklärungen des Steuerpflichtigen über seine Absichten widerlegt werden.