Ermittlung eines Aufgabegewinns bei Betrieben der Liebhaberei

Bei einer Geschäftsaufgabe eines Liebhaberei-Betriebes ist der Veräußerungsgewinn zu ermitteln und steuerlich zu erfassen.

FG Düsseldorf Urteil vom 16.10.2014, 11 K 1509/14 E

Begründung:

Aufgrund der im Jahr 2008 erfolgten Veräußerung des Hotels und der damit einhergehenden Betriebseinstellung ist im Jahr 2008 ein Aufgabegewinn zu ermitteln. Anknüpfungspunkt für die Ermittlung des Aufgabegewinns ist in zeitlicher und wertmäßiger Hinsicht der Zeitpunkt des Übergangs des Hotelbetriebs vom steuerlich relevanten Betrieb zum Liebhabereibetrieb. Dies ist im vorliegenden Fall der 31.12.1993. Dem liegt folgende rechtliche Beurteilung zu Grunde:

Der Übergang zum Liebhabereibetrieb führt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht zu einer Betriebsaufgabe, so dass zu diesem Zeitpunkt, solange der Steuerpflichtige nicht ausdrücklich die Betriebsaufgabe erklärt, das Betriebsvermögen nicht unter Auflösung der stillen Reserven in das Privatvermögen überführt wird. Gleichwohl hat der Übergang zur Liebhaberei eine der Betriebsaufgabe ähnliche Wirkung. Denn die Fortführung des Liebhabereibetriebs ist in Ermangelung einer Gewinnerzielungsabsicht der steuerlich irrelevanten Privatsphäre (§ 12 Nr. 2 EStG) zuzuordnen, mit der Folge, dass das dabei eingesetzte Vermögen als Privatvermögen angesehen wird, obwohl eine Betriebsaufgabe mangels Aufgabehandlung (noch) nicht vorliegt.

Die Zuordnung zur Privatsphäre wirkt sich in der Weise aus, dass bei der Betriebseinstellung im Jahr 2008 ein Betriebsaufgabegewinn zu ermitteln ist, der sich ausschließlich nach dem Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei richtet. Ebenso wie die Einkünfte aus dem Liebhabereibetrieb steuerlich nicht mehr erfasst werden, sind auch alle Wertänderungen des Betriebsvermögens während der Zugehörigkeit zum Liebhabereibetrieb steuerlich unbeachtlich. Stille Reserven, die sich während dieser Zeit gebildet haben, können deshalb – vorbehaltlich einer Erfassung im Privatvermögen nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG – steuerlich nicht erfasst. Dies hat zwingend zur Folge, dass das Betriebsvermögen zum Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei „festzuschreiben“ ist. Dem entsprechend sind die Beteiligten im Rahmen der tatsächlichen Verständigung vom 06.11.2001 dahin gehend übereingekommen, dass die stillen Reserven des Anlagevermögens insgesamt 2.933.815 DM betragen haben und haben diesen Wert für die Zukunft „festgeschrieben“.

Die „festgeschriebenen“ stillen Reserven entsprechen im Jahr 2008 dem Aufgabegewinn. Gem. § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 und 7 EStG ist Aufgabegewinn der Betrag, um den der gemeine Wert nach Abzug der Aufgabekosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Dabei wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes – BewG). Sofern der gemeine Wert um den Wert des Betriebsvermögens gemindert wird, ergeben sich die im Betriebsvermögen gespeicherten stillen Reserven. Im vorliegenden Fall sind dies die in der tatsächlichen Verständigung vom 06.11.2001 und im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der in einem Betrieb beim Übergang zur Liebhaberei ruhenden stillen Reserven vom 12.11.2001 festgestellten stillen Reserven. Aufgabekosten sind bei dem Übergang des gewerblichen Hotelbetriebs zum Liebhabereibetrieb nicht entstanden, so dass die stillen Reserven zum 31.12.1993 im Ergebnis dem Aufgabegewinn entsprechen.

Die zum 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven sind unabhängig von der Höhe des im Jahr 2008 erzielten Veräußerungserlöses als Aufgabegewinn zu versteuern. Entgegen der Auffassung der Klägerin setzt die Versteuerung im Jahr 2008 nicht voraus, dass die zum 31.12.1993 festgestellten stillen Reserven der Höhe nach tatsächlich realisiert worden sind. Durch den Übergang zum Liebhabereibetrieb wird das Betriebsvermögen des Hotels der steuerlich irrelevanten Privatsphäre zugeordnet. Es liegt quasi eine Betriebsaufgabe vor, für die der zum 31.12.1993 entstandene und festgeschriebene Aufgabegewinn aber erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Betriebseinstellung versteuert wird. Die im Jahr 2008 erfolgte Veräußerungshandlung stellt – entgegen der Auffassung der Klägerin – keine steuerlich relevante Betriebsveräußerung nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG dar. Vielmehr liegt in der Veräußerungshandlung die für steuerliche Zwecke seit 1993 hinausgeschobene Betriebseinstellung. Die Hinausschiebung bewirkt ausschließlich eine spätere Versteuerung des bereits im Jahr 1993 „angelegten“ Betriebsaufgabegewinns. Durch die spätere Versteuerung soll nach der Rechtsprechung des BFH vermieden werden, dass der Steuerpflichtige alleine aufgrund einer steuerlichen Umqualifizierung des gewerblichen Betriebes in einen Liebhabereibetrieb gezwungen wird, seinen Betrieb zu veräußern, um die Mittel zur Begleichung der durch den Aufgabegewinn entstandenen Steuern aufzubringen. Eine solche Konsequenz würde über den mit dem Begriff der Liebhaberei verfolgten steuerlichen Zweck weit hinausgehen (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1981 IV R 138/78, BStBl II 1982, 381). Dem gegenüber soll der Steuerpflichtige, der seinen Betrieb nach der Umqualifizierung zum Liebhabereibetrieb zunächst fortführt und später einstellt, nicht besser gestellt werden als jeder andere Steuerpflichtige, der seinen Betrieb aufgibt. Derjenige, der seinen Betrieb aufgibt und sein Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt, hat die stillen Reserven zu versteuern, ohne dass ihm ein Veräußerungserlös und damit tatsächlich ein Gewinn zugeflossen ist. Das Einkommensteuerrecht folgt im Falle einer Betriebsaufgabe bei der Besteuerung der stillen Reserven gerade nicht dem reinen Realisationsprinzip, nachdem nur verwirklichte Gewinne ausgewiesen und besteuert werden.

 

Der Aufgabegewinn ist auch nicht um einen Rückstellungsaufwand i.H.v. 2.247.000 DM zu mindern. Denn der Aufwand ist tatsächlich nicht entstanden. Selbst für den Fall, dass bei tatsächlicher Betriebseinstellung zum 31.12.1993 eine Rückstellung in dieser Höhe zu bilden gewesen wäre, wäre diese mangels tatsächlicher Zahlung an die A-Stadt nach 20 Jahren wieder gewinnerhöhend aufzulösen gewesen und könnte nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Die steuerrechtliche Würdigung knüpft an den tatsächlich verwirklichten und nicht an einen hypothetischen Sachverhalt an. Der Senat kann es somit dahin gestellt sein lassen, ob eine Rückstellung in dieser Höhe hätte gebildet und steuerlich noch geltend gemacht werden könnte. Gegen die steuerliche Geltendmachung könnte eine möglicherweise bestehende Bindungswirkung des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung der in einem Betrieb beim Übergang zur Liebhaberei ruhenden stillen Reserven vom 12.11.2001 sprechen.

Die Versteuerung ist im Streitfall auch nicht unangemessen, so dass ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht vorliegen kann. Die Versteuerung resultiert unstreitig aus der Auflösung des in der Steuerbilanz bis zum 31.12.1993 entstandenen negativen Kapitals. Das negative Kapital ist durch die Verluste des Hotelbetriebs bis zum Wirtschaftsjahr 1993 entstanden. Diese Verluste haben sich in den Veranlagungszeiträumen bis 1993 und auf Grund der Verlustfeststellung zum 31.12.1993 in den Veranlagungszeiträumen 1994 ff. im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes steuermindernd ausgewirkt. Die Versteuerung ist Folge der Anwendung des § 16 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 und 7 EStG und nicht des § 15a EStG

Die Versteuerung des Aufgabegewinns richtet sich nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres 2008. Die Versteuerung knüpft an die tatsächliche Betriebseinstellung an. Diese erfolgte im Jahr 2008. Ein Rückgriff auf die Vorschriften über die Versteuerung außerordentlicher Einkünfte aus dem Jahr 1993 ist nicht möglich.

Steuerschuldner in den Fällen des § 7 Abs. 7 Sätze 1 und 2 ErbStG

Vereinbaren die Gesellschafter einer GmbH, dass sie beim Erreichen einer bestimmten Altersgrenze ihren Geschäftsanteil zum Nominalwert an einen Treuhänder verkaufen, der den Geschäftsanteil nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber für die verbleibenden Gesellschafter erwirbt und hält und von diesen Gesellschaftern auch den Kaufpreis zur Verfügung gestellt bekommt, so ist jedenfalls nicht die GmbH Erwerberin i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG.

BFH Urteil vom 4.3.2015, II R 51/13

Begründung:

Das FG hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin auch dann nicht Steuerschuldnerin wäre, wenn der Tatbestand des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG erfüllt sein sollte. Als Schenkung gilt nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt

Wer Steuerschuldner ist, folgt auch im Hinblick auf § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG aus § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG. Danach ist Steuerschuldner der Erwerber, bei einer Schenkung auch der Schenker. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG bestimmt den Steuerschuldner nicht hiervon abweichend. Dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass beim Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Kapitalgesellschaft stets diese die Steuerschuldnerin sei. Hätte der Gesetzgeber anordnen wollen, dass § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG in diesem Fall nicht anwendbar sei, hätte er dies hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Dies ist indes nicht geschehen.

Wer bei einer Schenkung der Erwerber und somit Steuerschuldner ist, richtet sich nach Zivilrecht. Für die Fälle des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG gilt insoweit nichts anderes als für freigebige Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, bei denen sich die Beurteilung der Frage, welche Personen als Zuwendender und als Bedachter beteiligt sind, ausschließlich nach der Zivilrechtslage bestimmt .

Vereinbaren die Gesellschafter einer GmbH in einem zusätzlich zum Gesellschaftsvertrag geschlossenen Vertrag, dass sie beim Erreichen einer bestimmten Altersgrenze ihren Geschäftsanteil gemäß einem dem Vertrag als Anlage beigefügten aufschiebend bedingten Kaufvertrag zum Nominalwert an einen Treuhänder verkaufen, der den Geschäftsanteil nach außen im eigenen Namen, im Innenverhältnis aber für die verbleibenden Gesellschafter erwirbt und hält und von diesen Gesellschaftern auch den Kaufpreis zur Verfügung gestellt bekommt, so ist entgegen der Auffassung des FA jedenfalls nicht die GmbH Erwerberin i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG. Die GmbH erwirbt in diesem Fall weder den Geschäftsanteil noch handelt der Treuhänder im Innenverhältnis für sie. Sie braucht auch den Kaufpreis für den Anteil nicht aufzubringen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines abgekürzten Leistungswegs. Für die Annahme, die unmittelbare Übertragung des Geschäftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters auf den Treuhänder sei zivilrechtlich als Übertragung des Anteils vom ausscheidenden Gesellschafter auf die GmbH und von dieser auf den Treuhänder zu werten, gibt es keine vertragliche Grundlage. Die GmbH ist weder Vertragspartei des allein zwischen den Gesellschaftern der GmbH geschlossenen Vertrags noch des durch Eintritt der aufschiebenden Bedingung zustande gekommenen Kaufvertrags zwischen dem ausscheidenden Gesellschafter und dem Treuhänder. Die GmbH kann demgemäß vom ausscheidenden Gesellschafter nicht verlangen, dass er seinen Anteil auf sie überträgt.

Der schenkungsteuerrechtlichen Berücksichtigung der tatsächlichen zivilrechtlichen Gegebenheiten kann auch nicht entgegengehalten werden, bei der Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft auf einen Dritten gehe es in erster Linie um das Verhältnis des ausscheidenden Gesellschafters zur Gesellschaft. Entscheidend ist vielmehr, dass der Anteil ohne Beteiligung der GmbH unmittelbar vom ausscheidenden Gesellschafter auf den Anteilserwerber (bereits vorhandener oder neuer Gesellschafter) übergeht. Nähme man demgegenüber an, dass es bei der Übertragung von Anteilen an einer GmbH in erster Linie um das Verhältnis des ausscheidenden Gesellschafters zu dieser gehe und deshalb stets die GmbH Erwerberin des Anteils und Steuerschuldnerin sei, müsste dies auch für eine schenkweise Übertragung des Gesellschaftsanteils auf Dritte, beispielsweise Ehegatten oder Verwandte, gelten. Diese Ansicht wird indes auch von der Finanzverwaltung nicht vertreten.

Diese Auslegung des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG wird durch § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG bestätigt. Wird aufgrund einer Regelung im Gesellschaftsvertrag einer GmbH der Geschäftsanteil eines Gesellschafters bei dessen Ausscheiden eingezogen und übersteigt der sich nach § 12 ErbStG ergebende Wert seines Anteils zur Zeit seines Ausscheidens den Abfindungsanspruch, gilt die insoweit bewirkte Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter nach § 7 Abs. 7 Satz 2 ErbStG als Schenkung des ausgeschiedenen Gesellschafters. Erwerber und somit Steuerschuldner gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist in diesem Fall ebenfalls nicht die GmbH. Vielmehr sind die verbleibenden Gesellschafter Erwerber und somit Steuerschuldner (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Rz 409; Geck in Kapp/Ebeling, § 7 ErbStG Rz 198; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 7 Rz 150; Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 7 ErbStG Rz 249). Es ist kein sachlich einleuchtender Grund ersichtlich, warum bei der Einziehung des Anteils durch die GmbH (vgl. § 34 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung) die verbleibenden Gesellschafter Erwerber und Steuerschuldner sind, jedoch bei der Übertragung des Anteils eines aus Altersgründen ausscheidenden Gesellschafters auf einen Treuhänder der verbleibenden Gesellschafter die GmbH Erwerberin und Steuerschuldnerin sein soll.

Das FG hat demgemäß zu Recht angenommen, dass die Klägerin auch dann, wenn im Streitfall durch die Übertragung des Geschäftsanteils des X auf den Pooltreuhänder der Tatbestand des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG verwirklicht worden sein sollte, nicht Erwerberin und Steuerschuldnerin ist. Sie war weder als Vertragspartei an dem Poolvertrag noch an dem Kaufvertrag zwischen X und dem Pooltreuhänder beteiligt und war nicht verpflichtet, den Kaufpreis für den Geschäftsanteil des X aufzubringen. Der Pooltreuhänder hielt den Geschäftsanteil auch nicht für die Klägerin.

Einheitlicher Erwerbsgegenstand im Grunderwerbssteuer

Verpflichtet sich der Grundstücksverkäufer lediglich zur Errichtung des Rohbaus und beauftragt der Erwerber Dritte mit den Ausbauarbeiten, setzt die Einbeziehung der hierfür aufgewendeten Kosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer voraus, dass die später mit dem Ausbau beauftragten Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags mit dem Grundstücksverkäufer personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von Abreden zusammenarbeiten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss auch der Verträge über die Ausbauarbeiten hinwirken und die zu erbringenden Leistungen dem Erwerber unter Angabe des hierfür aufzuwendenden Entgelts bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags konkret angeboten hatten.

BFH Urteil vom 3.3.2015, II R 9/14

Begründung:

Der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte im Urteil vom 3. März 2015 II R 9/14 darüber zu entscheiden, welche Kosten beim Kauf eines unbebauten Grundstücks in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind, wenn sich der Grundstücksverkäufer (zusätzlich) zur Errichtung eines Rohbaus auf dem Grundstück verpflichtet, und weitere Baukosten durch Ausbauarbeiten anfallen, die aber vom Grundstückskäufer bei Dritten in Auftrag gegeben worden sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind beim Kauf eines Grundstücks, das beim Abschluss des Kaufvertrags tatsächlich unbebaut ist, unter bestimmten Voraussetzungen auch die Kosten für die anschließende Errichtung eines Gebäudes auf dem Grundstück in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, nämlich wenn sich aus weiteren Vereinbarungen ergibt, dass der Erwerber das Grundstück in bebautem Zustand erhält. Diese Vereinbarungen müssen mit dem Kaufvertrag in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Käufer spätestens beim Abschluss des Kaufvertrags den Grundstücksverkäufer oder einen vom Grundstücksverkäufer vorgeschlagenen Dritten mit dem Bau beauftragt. Aber auch ein später abgeschlossener Bauvertrag kann je nach den Umständen des Einzelfalls zur Einbeziehung der Baukosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer führen.

Im Urteilsfall war nicht streitig, dass die Kosten des Rohbaus in die Bemessungsgrundlage der Steuer einzubeziehen sind. Ob dies auch für die Ausbaukosten gilt, hängt nach dem Urteil davon ab, ob die später mit dem Ausbau beauftragten Unternehmen im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags mit dem Grundstücksverkäufer personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden waren oder aufgrund von Abreden zusammenarbeiteten oder durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss auch der Verträge über die Ausbauarbeiten hinwirkten und die zu erbringenden Leistungen dem Erwerber unter Angabe des hierfür aufzuwendenden Entgelts bereits vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags konkret angeboten hatten. Da das Finanzgericht (FG) dazu keine hinreichenden Feststellungen getroffen hatte, verwies der BFH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Keine Klagebefugnis eines zum Einspruchsverfahren einer GmbH hinzugezogenen Gesellschafters gegen Schenkungsteuerbescheid

Hat das FA den Einspruch einer GmbH gegen einen ihr gegenüber ergangenen Schenkungsteuerbescheid als unbegründet zurückgewiesen, ist ein zum Einspruchsverfahren der GmbH hinzugezogener Gesellschafter nicht befugt, gegen die Einspruchsentscheidung und den Schenkungsteuerbescheid zu klagen.

BFH Urteil vom 4.3.2015, II R 1/14

Begründung:

Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

Der gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO durch die Finanzbehörde zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Dritte erlangt zwar im Einspruchsverfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten (§ 359 Nr. 2, § 360 Abs. 1 und 4 AO). Die Hinzuziehung begründet aber für sich betrachtet nicht die Klagebefugnis des Hinzugezogenen: Eine Rechtsverletzung des Hinzugezogenen i.S. des § 40 Abs. 2 FGO ist gegeben, wenn er durch die Einspruchsentscheidung formell und materiell-​rechtlich beschwert ist. Die formelle Beschwer setzt voraus, dass der Hinzugezogene Anträge im Verfahren des Hauptbeteiligten stellt und diese Anträge zurückgewiesen werden. Entgegen der Ansicht des FG genügt es nicht, dass dem Einspruchsbegehren des Hauptbeteiligten nicht entsprochen worden isT:

Der gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 AO zum Einspruchsverfahren hinzugezogene Dritte ist materiell-rechtlich beschwert, wenn der Steuerbescheid zugunsten des Hauptbeteiligten geändert wird und damit in verbindlicher Weise gegenüber dem Hinzugezogenen entschieden ist, welche die diesem gegenüber zu ziehenden “richtigen steuerlichen Folgen” gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO sind. Sieht die Finanzbehörde den angefochtenen Steuerbescheid als rechtmäßig an und weist es daher den Einspruch des Hauptbeteiligten als unbegründet zurück, beschwert die Einspruchsentscheidung den hinzugezogenen Dritten materiell-rechtlich nicht. Das FA kann in diesem Fall nicht gemäß § 174 Abs. 4 und 5 AO aus der Einspruchsentscheidung den Dritten belastende Folgerungen ziehen. Dass eine Klage des Hauptbeteiligten gegen den Steuerbescheid Erfolg haben könnte, begründet abweichend von der Auffassung des FG nicht die Klagebefugnis des Dritten. Die Beschwer des Hinzugezogenen i.S. des § 40 Abs. 2 FGO muss sich aus der Einspruchsentscheidung selbst ergeben. Diese ist zusammen mit der Steuerfestsetzung aufzuheben, wenn die Anfechtungsklage des Hauptbeteiligten Erfolg hat. Die von der Finanzbehörde in der Einspruchsentscheidung vertretenen Ansichten sind dann gegenstandslos. Sie können daher keine bindende Wirkung zulasten der zum Einspruchsverfahren hinzugezogenen Dritten entfalten:

Der Kläger ist somit durch den Steuerbescheid vom 13. November 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2013 nicht i.S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert. Zum einen fehlt es nach Aktenlage an der formellen Beschwer. Das FG hat nicht festgestellt und aus der Einspruchsentscheidung sowie aus den dem BFH vorgelegten Akten ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger im Einspruchsverfahren der Beigeladenen Anträge gestellt habe und diese zurückgewiesen worden seien. Zum anderen ist der Kläger auch materiell-rechtlich nicht beschwert. Das FA hat in der Einspruchsentscheidung die Steuerschuldnerschaft der Beigeladenen bejaht und durch den während des Klageverfahrens ergangenen Steuerbescheid vom 13. November 2013 die festgesetzte Steuer lediglich wegen einer geänderten Bewertung herabgesetzt. Folgerungen zulasten des Klägers kann das FA somit weder aus der Einspruchsentscheidung noch aus dem Bescheid vom 13. November 2013 ziehen:

Bewertung einer Fondsgesellschaft als vermögensverwaltende Personengesellschaften

Vorliegend kommt allein eine Wertfeststellung gemäß §151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG in Betracht, da es sich bei der Fondsgesellschaft um eine vermögensverwaltende Personengesellschaften handelt.

FG Münster Urteil vom 16.04.2015, 3 K 1402/12 F

Sachverhalt:

Streitig ist die Wertfeststellung gemäß § 151 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) für den Anteil an einem in Form einer GmbH & Co. KG geführten Fonds.

Die Klägerin erwarb von Todes wegen zum 29.08.2010 einen Kommanditanteil am Rendite-Fonds GmbH & Co. Kg (StNr.:  im Folgenden: Fonds Nr. 1, nominal 60.000 USD). Der Erblasser hatte den Kommanditanteil treuhänderisch über die Fonds GmbH gehalten. Ausweislich des Gesellschaftsvertrags obliegt die Geschäftsführung der geschäftsführenden Kommanditistin, während die persönlich haftende Gesellschafterin von der Geschäftsführung ausgeschlossen ist (§ 6 Ziffer 2 des Gesellschaftsvertrages, Blatt 206 ff der Gerichtsakte).

Nach den Angaben der Fonds-Verwaltung vom 02.07.2014 (Blatt 100 bis 101 der Gerichtsakte) belief sich der Anteilswert zum Stichtag 29.08.2014 auf 45.756,31 Euro für den Fonds Nr. 1 (abgeleitet aus vor dem Stichtag liegenden Verkäufen). Laut Mitteilung der Fonds-Verwaltung vom 04.12.2014 beträgt der Anteilswert für den Fonds Nr. 1 bei einer Wertberechnung getrennt nach Vermögen und Schulden auf den Stichtag 29.08.2010 27.250,57 Euro (Blatt 245 der Gerichtsakte). Zur Höhe der Besitzposten und Schulden im Einzelnen wird auf die Mitteilung der Fonds-Verwaltung vom 03.03.2015 (Blatt 309 der Gerichtsakte) hingewiesen.

Nach Anforderung einer gesonderten Feststellung für den Wert des Anteils durch das für die Erbschaftbesteuerung zuständige Finanzamt forderte der Beklagte eine Feststellungserklärung bei der Fondsgesellschaft an, die am 08.09.2011 einging. Der Erklärung folgend stellte der Beklagte den Anteilswert gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 4 BewG als Anteil am Wert von Vermögensgegenständen und Schulden durch Bescheid vom 21.10.2011 auf 42.924,57 Euro unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Durch weiter unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Änderungsbescheid vom 30.12.2011 wurde der Anteilswert auf 44.812,39 Euro (Fonds Nr. 1) festgestellt.Die Klägerin legte am 14.11.2011 Einspruch ein.

Die Feststellung des Wertes habe nicht gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 4 BewG sondern gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 2 BewG zu erfolgen. Es handele sich um Betriebsvermögen, da die vermieteten Gegenstände seitens des Mieters betrieblich verwendet würden. § 199 BewG sei nicht beachtet worden.

Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 02.04.2012 unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 02.05.2000 (IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467) und des Finanzgerichts München vom 09.06.2007 (13 K 2602/03, zitiert nach juris) zurück. Nach den dortigen Ausführungen handele es sich nicht um gewerbliche Einkünfte sondern um solche aus Vermietung und Verpachtung, so dass Betriebsvermögen nicht vorliege. Die Nutzung durch den Mieter sei nicht entscheidend.

Mit ihrer am 17.04.2012 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Durchführung einer anderweitigen Bewertung weiter. Nach Vorlage der notariell beglaubigten Kopie des Gesellschaftsvertrages werde nun nicht mehr davon ausgegangen, dass es sich um gewerblich geprägte Gesellschaften i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) handele (Blatt 272 der Gerichtsakte).

Die für die Bewertung danach maßgeblichen §§ 12 ErbStG und 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG seien widersprüchlich formuliert. Jedoch lasse sich unter Einbeziehung der Gesetzesbegründung zu § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG der Schluss ziehen, dass eine Bewertung nicht gewerblicher Personengesellschaften so zu erfolgen habe wie die Bewertung gewerblicher Personengesellschaften gemäß §§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. 97a BewG.

Letztlich werde aber auch bei einer derartigen Bewertung entgegen verfassungsrechtlichen Vorgaben, dass eine Bewertung für Erbschaft- und Schenkungsteuerzwecke realitätsgerecht sein müsse, verkannt, dass Anteile an nicht gewerblichen Personengesellschaften eigenständige, marktgängige Wirtschaftsgüter seien, für die sich ein eigenständiger Markt, der sogenannte Zweitmarkt entwickelt habe. So setze der Beklagte auch vorrangig – wenn vorhanden – Zweitmarktpreise an. Seien Zweitmarktpreise nicht verfügbar, sei der Wert des Anteils an einer nicht gewerblichen Personengesellschaft auf der Basis der abzuzinsenden erwartbaren Auszahlungen zu schätzen.

Soweit man die Bewertung nach Vermögensgegenständen und Schulden vornehme, errechne sich für den Fonds Nr. 1 unter Berücksichtigung von Verbindlichkeiten laut Prüfungsbericht von R in Abweichung zur Mitteilung der Fondsgesellschaft ein Anteilswert von 24.882,69 Euro.

Begründung:

Soweit der Beklagte die Werte für die anteiligen Vermögensgegenstände und Schulden am Fonds-Anteil Nr. 1 höher als in der Summe 27.242,46 Euro festgestellt hat, ist der angefochtene Bescheid vom 30.12.2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2012 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Darüber hinaus ist der Bescheid des Beklagten nicht zu beanstanden.

Bei Bedeutung für die Erbschaftsteuer sind gesondert festzustellen gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen (§§ 95, 96, 97) und gemäß § 151 Abs. 1 Nr. 4 BewG der Anteil am Wert von anderen als in Nummern1 bis 3 genannten Vermögensgegenständen und Schulden, die mehreren Personen zustehen.

Vorliegend kommt allein eine Wertfeststellung gemäß §151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG in Betracht, da es sich bei der Fondsgesellschaft um eine vermögensverwaltende, wegen der Regelungen zur Geschäftsführungsbefugnis nicht gemäß § 15 Abs. 3 EStG gewerblich geprägte Personengesellschaft handelt. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung, nach der derartige Fondsgesellschaften keine gewerblichen Einkünfte sondern solche aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 EStG erzielen. Für die Wertfeststellung von Anteilen an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft fungiert § 151 Abs. 1 Nr. 4 BewG.

Dabei ordnet § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BewG an, den Anteil am Wert einzelner Vermögensgegenstände oder Schulden festzustellen. Das bedeutet nach Auffassung des Senats, dass eine Wertermittlung für die einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden der vermögensverwaltenden Gesellschaft erfolgen muss. Eine Bewertung des Anteils an sich – angelehnt an § 11 BewG – mit dem Kurswert des Zweitmarkts (so der Beklagte) oder mit einem nach den Ertragsaussichten anhand der erwartbaren Auszahlungen auf den Anteil geschätzten Wert (so die Klägerin) kommt dagegen ebenso wenig wie eine Saldierung in Betracht (so auch Volquardsen, a. a. O.). Diese Sichtweise ergibt sich auch aus den für den Beklagten geltenden Anweisungen (R B 151.6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Erbschaftsteuerhandbuch). Die Regelung korrespondiert insoweit mit § 10 Abs. 1 Satz 4 ErbStG, nach dem es sich beim Erwerb eines Anteils an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft um einen Erwerb der einzelnen Wirtschaftsgüter handelt, so dass eine gesonderte Bewertung des Übertragungsgegenstandes „Gesellschaftsanteil“ ausscheidet (vgl. dazu Geck in Kapp/Ebeling Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Kommentar, § 10 Rz. 52.2)

Für die Bewertung maßgebend sind danach die von der Fonds-Verwaltung auf den 31.08.2010 mitgeteilten Werte zu den einzelnen Vermögensgegenständen und Schulden, nach denen sich in der Summe ein Wert in Höhe von 27.242,46 Euro ergibt. Die diesem Ergebnis zugrunde liegenden, von der Fondsverwaltung als der sachnächsten Person mitgeteilten Einzelwerte hält der Senat für zutreffend. Sie sind weder von der Klägerin noch vom Beklagten in einer Weise beanstandet worden, die den Senat veranlassen müsste, weitere Wertermittlungen anzustellen. Soweit die Klägerin meint, es müssten Verbindlichkeiten wie im Prüfbericht von R zum 31.12.2010 berücksichtigt werden, sieht der Senat aufgrund der Maßgeblichkeit des Todestags des Erblassers am 29.08.2010 als gemäß § 11 ErbStG maßgeblichem Stichtag dazu keinen Anlass. Allein wegen der unsubstantiierten Behauptung der Klägerin, ein Schuldenanstieg um ca. X Euro gegenüber dem Schuldenstand zum Todeszeitpunkt sei nicht nachvollziehbar, sieht der Senat keinen Anlass, die im Übrigen nicht beanstandeten Mitteilungen der Fond-Gesellschaft zum 31.08.2010 in Zweifel zu ziehen.

Aufwendungen für eine energetische Sanierung können zu anschaffungsnahen Herstellungskosten führen

Die Aufwendungen für die Erneuerung der Putzfassade zuzüglich energetischer Maßnahmen stellen anschaffungsnahe Herstellungskosten dar, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

FG Münster Urteil vom 17.11.2014, 13 K 3335/12 E

Sachverhalt:

Streitig ist die Behandlung von Aufwendungen für eine energetische Sanierung eines Vermietungsobjekts als sofort abzugsfähige Werbungskosten oder als anschaffungsnahe Herstellungskosten im Streitjahr 2010.

Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit; sowohl der Kläger als auch die Klägerin erzielten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Mit notariellem Vertrag vom 15.7.2010 (UR-Nr. …/10 des Notars S. E1. in Y.) erwarben die Kläger das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück „V.-Straße 02“ in Z. zu einem Kaufpreis von 100.000 EUR je zum hälftigen Eigentum. Der Kaufpreis entfiel nach den Bestimmungen des Kaufvertrags i.H.v. 72.000 EUR auf das Gebäude und i.H.v. 28.000 EUR auf den Grund und Boden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag verwiesen. Das Objekt diente der Vermietung, wobei die Kläger im Jahr 2010 noch keine Mieteinnahmen erzielten. In ihrer am 2.3.2012 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung geltend und erklärten einen Werbungskostenüberschuss in Höhe von insgesamt 37.393 EUR.

Die Absetzungen für Abnutzung – AfA – berechneten Sie auf der Grundlage von Anschaffungs- und Herstellungskosten in Höhe von insgesamt 126.099,28 EUR. Hiervon entfielen (inklusive Erwerbsnebenkosten) ein Anteil von 77.976,02 EUR auf das mit Vertrag vom 15.7.2010 erworbene Gebäude und ein Anteil von 48.123,26 EUR auf Aufwendungen, die nach der Anschaffung angefallen waren und die sie als anschaffungsnahe Herstellungskosten behandelten (Erneuerung der Bäder, der Fenster und der Heizungsanlage etc.).Darüber hinaus erklärten sie einen Betrag von 34.140 EUR als voll abzuziehende Erhaltungsaufwendungen. Diese Aufwendungen resultierten aus der energetischen Sanierung der Putzfassade des Gebäudes.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2010 mit Bescheid vom 15.6.2012 auf 24.343 EUR fest. Dabei berücksichtigte er die Vermietungseinkünfte aus dem Objekt „V.-Straße 02“ nur in Höhe von insgesamt ./. 3.538 EUR. Zur Erläuterung gab er an, er habe die Kosten für die energetischen Maßnahmen i.H.v. 34.140 EUR den Anschaffungskosten des Objektes hinzugerechnet und die AfA entsprechend erhöht. Wegen der Überschreitung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes – EStG – sei diese Umqualifizierung erforderlich gewesen. Es handle sich bei den energetischen Maßnahmen zwar um Erhaltungsaufwendungen; da diese jedoch nicht alljährlich wiederkehrend seien, sei die vorgenannte Vorschrift in diesem Fall anwendbar.

Den hiergegen am 19.6.2012 eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 5.9.2012 als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 28.9.2012 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Während sie ihre Klage zunächst auch darauf gestützt haben, die Aufwendungen in Höhe von 34.140 EUR seien als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG zu behandeln, begehren sie nun (nur noch) einen sofortigen Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr.

Dies begründen sie damit, sie hätten die Aufwendungen nicht freiwillig, sondern durch gesetzlichen Zwang tragen müssen. Denn derjenige Teil der Putzfassade, der aufgrund von Beschädigungen habe erneuert werden müssen, habe mehr als 10 % betragen. Aufgrund der Vorschriften der Energieeinsparverordnung – EnEV – 2009 habe die Außenfassade wegen dieser mehr als 10 %-igen Beschädigung vollständig saniert werden müssen. Dies habe auch die Dämmung und den Fassadenputz umfasst. Eine Ausbesserung lediglich der defekten Stellen des Fassadenputzes sei gesetzlich nicht zulässig gewesen. Hätten sie – die Kläger – die Fassadensanierung nicht in dem gesetzlich geforderten Umfang durchgeführt, so hätten sie für diese Ordnungswidrigkeit eine Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 EUR riskiert.

Daher seien die geltend gemachten Aufwendungen durch einen gesetzlichen bzw. behördlichen Zwang entstanden. Aufwendungen, die durch einen solchen Zwang entstünden, könnten jedoch nicht als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG angesehen werden. Es sei widersprüchlich, wenn energetische Sanierungen einerseits gesetzlich gefördert würden (z.B. durch Vergabe von Kreditprogrammen), steuerlich jedoch ein sofortiger Abzug der Aufwendungen nicht möglich sei.

Darüber hinaus meinen die Kläger, in den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG finde sich der Hinweis, dass die frühere Regelung in R 157 EStR 2002 weiterhin ihre Gültigkeit besitzen solle. Nach dieser Richtlinie seien „verdeckte Mängel“ nicht in die Berechnung der 15 %-Grenze aufzunehmen (bzw. damals habe es sich um eine 30 %-Grenze gehandelt). Diese Regelung solle nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nunmehr fortbestehen. Zwar lägen im Streitfall keine „verdeckten Mängel“ vor; aus der Existenz dieser Ausnahmeregelung sei aber zu schließen, dass auch andere Ausnahmen von der 15 %-Grenze gemacht werden könnten. Nach ihrer Auffassung ist eine solche weitere Ausnahme hier anzuerkennen, weil die Aufwendungen ausschließlich durch behördlichen Zwang entstanden seien.

Im Übrigen sei es nicht gerechtfertigt, die Aufwendungen für die energetische Sanierung über einen Zeitraum von 50 Jahren abzuschreiben, obwohl die aufgebrachten Wärmedämmplatten lediglich eine Nutzungsdauer von ca. 20 bis 30 Jahren aufwiesen. Darüber hinaus führe die Anwendung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu einer Ungleichbehandlung, weil dasselbe Gebäude, wenn es an einem anderen Standort belegen wäre, teurer gewesen wäre und damit ein höheres Reparaturpotential im Sinne der 15 %-Grenze gehabt hätte. Dies gelte insbesondere deshalb, weil Kosten für Handwerker und Baumaterial an unterschiedlichen Standorten in etwa gleich hoch seien.

Schließlich handle es sich um einen jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwand im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG. Denn die Ausbesserung des Außenputzes sei eine Maßnahme, die der Erhaltung der Substanz diene und damit zu den üblicherweise anfallenden Erhaltungsaufwendungen zu rechnen sei.

Begründung:

Die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für die Erneuerung der Putzfassade stellen keine Erhaltungsaufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern anschaffungsnahe Herstellungskosten im Sinne der § 9 Abs. 5 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG dar.

Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach dieser Vorschrift auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG). Zu diesen Aufwendungen gehören nicht die Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Die Aufwendungen für die Erneuerung der Putzfassade stellen anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.d. §  6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG dar.

Der Begriff der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen umfasst grundsätzlich sämtliche Aufwendungen für Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude, durch die Mängel beseitigt oder das Gebäude in einen zeitgemäßen Zustand versetzt werden. Grundsätzlich als anschaffungsnahe Herstellungskosten erfasst werden auch alle Maßnahmen, bei denen die Aufwendungen eindeutig den Erhaltungsaufwendungen zuzuordnen sind, so dass alle Aufwendungen zu addieren sind. Ausgenommen werden lediglich die Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Hiervon ausgehend stellen die Aufwendungen der Kläger Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG dar. Die Kläger ließen an dem Haus „V.-Straße 02“ umfangreiche Fassadensanierungen durchführen, um Mängel zu beheben und das Haus zu modernisieren. Dies geschah innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes. Die Aufwendungen in Höhe von 34.140 EUR überstiegen auch unstreitig 15 % der Anschaffungskosten ohne Umsatzsteuer.

Entgegen der Auffassung der Kläger sind Aufwendungen, die „durch gesetzlichen oder behördlichen Zwang“ entstehen, nicht von diesem Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ausgenommen. Der Gesetzeswortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG bietet für die Annahme einer solchen Ausnahme keinerlei Grundlage. Er sieht keine Ausnahmen vor. Außerdem differenziert er nicht nach dem Motiv für die Aufwendungen, etwa ob diese freiwillig oder zwangsweise durchgeführt werden. Der gesetzliche bzw. behördliche Zwang nach der EnEV 2009 ist daher – entgegen der Auffassung der Kläger – unerheblich.

Hiergegen können die Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, eine Ausnahme von der gesetzlichen Berechnungsmethode sei deshalb im Streitfall anzuerkennen, weil die Gesetzesbegründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG bereits eine Ausnahme enthalten habe durch den Hinweis, R 157 Abs. 4 EStR 2002 solle weiterhin anzuwenden sein (BT-Drucks. 15/119, Seite 37; BR-Drucks. 630/03, Seite 53). R 157 Abs. 4 EStR 2002 bestimmte in Satz 6 ausdrücklich, dass Aufwendungen zur Beseitigung verdeckter Mängel sofort wie laufender Erhaltungsaufwand als Werbungskosten abgezogen werden können. Aus dieser Regelung können die Kläger jedoch aus zwei Gründen keine Folgerungen für Aufwendungen herleiten, die ausschließlich durch gesetzlichen bzw. behördlichen Zwang entstanden sind:

Zum einen kann diese Argumentation der Kläger bereits deshalb nicht zum Erfolg führen, weil von der möglichen Existenz einer Ausnahme zu § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG nicht auf eine weitere Ausnahme geschlossen werden kann. Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber eine solche (weitere) Ausnahme vorsehen wollte, liegen nicht vor.

Zum anderen haben die Kläger bei ihrer Argumentation nicht berücksichtigt, dass nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung, Verwaltung und Schrifttum den zitierten Gesetzesmaterialien ausdrücklich nicht zu folgen ist, sondern Aufwendungen zur Beseitigung verdeckter Mängel in die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG einzubeziehen sind. Vor diesem Hintergrund ist der Argumentation der Kläger die Grundlage entzogen. Bei den streitigen Aufwendungen handelt es sich auch nicht um Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG).

Die Kläger haben – in anderem Zusammenhang – bereits selbst ausgeführt, dass die aufgebrachten Wärmedämmplatten eine Nutzungsdauer von ca. 20 bis 30 Jahren aufweisen. Aufgrund dieses Vortrags steht fest, dass die Erneuerung der Putzfassade nicht üblicherweise jährlich stattfindet.

Die Kläger können weiterhin auch nicht mit Erfolg argumentieren, es sei nicht gerechtfertigt, die Aufwendungen für die energetische Sanierung über einen Zeitraum von 50 Jahren abzuschreiben, obwohl die aufgebrachten Wärmedämmplatten lediglich eine Nutzungsdauer von ca. 20 bis 30 Jahren aufweisen. Denn bei der AfA für ein Gebäude wird nicht zwischen den einzelnen Materialien unterschieden, mit denen das Gebäude errichtet wird, sondern die Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Gebäudes unterliegen einer einheitlichen AfA, da es sich um ein einheitliches Wirtschaftsgut handelt.

Schließlich führt die Anwendung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu einer Ungleichbehandlung, weil dasselbe Gebäude, wenn es an einem anderen Standort belegen wäre, teurer gewesen wäre und damit ein höheres Reparaturpotential im Sinne der 15 %-Grenze gehabt hätte, zumal Kosten für Handwerker und Baumaterial an unterschiedlichen Standorten in etwa gleich hoch seien.

 

Dieses Argument ist nicht überzeugend, weil sich unterschiedliche Immobilienpreise eher durch einen unterschiedlichen Grundstückspreis und weniger durch einen unterschiedlichen Gebäudepreis begründen lassen. Die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bezieht sich aber nur auf die Anschaffungskosten des Gebäudes, nicht des Grundstücks. Im Übrigen ist es weder das Ziel noch die Aufgabe des Gesetzgebers, durch steuerrechtliche Regelungen Ungleichgewichte im Immobilienmarkt auszugleichen.

 

Schönheitsreparaturen können im Zusammenhang mit Modernisierungsmaßnahmen, anschaffungsnahen Aufwendungen sein.

Aufwendungen für jährlich anfallende Erhaltungsaufwendungen oder Schönheitsreparaturen sind allerdings dann als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu behandeln, wenn sie in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden, wie dies bei einer Modernisierung des Hauses im Ganzen und von Grund auf der Fall ist

FG Münster Urteil vom 25.09.2014, 8 K 4017/11 E

Sachverhalt:

Streitig ist, ob die von dem Kläger auf das von ihm erworbene Mehrfamilienhaus getätigten Aufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzuordnen sind.

Mit notariellem Vertrag vom 21.12.2006 (UR-Nr. xyz/2006 des Notars X.K. in J) erwarb der Kläger die im Grundbuch des Amtsgerichts J von K Blatt …, Gemarkung K Flur … Flurstücke X und Y eingetragenen Grundstücke. Der Grundbesitz ist mit einem Mehrfamilienhaus, bestehend aus fünf fremdvermieteten Wohnungen, bebaut. Im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss befinden sich jeweils eine Wohnung mit ca. 105 m2 und im Erdgeschoss zwei Wohnungen mit 45 m2 und 55 m2. Der Kaufpreis betrug 185.000 EUR. Der Übergang von Nutzen und Lasten erfolgte am 31.01.2007. Neben dem Kaufpreis fielen Nebenkosten i.H.v. insgesamt 15.184,45 EUR an. Die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten gab der Kläger in der Einkommensteuererklärung 2007 mit 162.781,48 EUR an. Auf die diesem Betrag zugrunde liegende Berechnung wird Bezug genommen.Der Kläger führte in den Streitjahren umfangreiche Umbau- bzw. Renovierungsmaßnahmen an dem Mehrfamilienhaus durch:

Im Jahr 2007 verkleinerte er die Badezimmer in den Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss. Im Zuge dieser Umbaumaßnahme wurden die Badezimmer renoviert (1.949,62 EUR brutto). Ferner wurden die Wände in diesen Wohnungen gestrichen (239,11 EUR brutto), Türgriffe ausgetauscht (314,08 EUR brutto), Laminat verlegt (1.307,35 EUR brutto) und Fensterschreiben ausgetauscht (773,50 EUR brutto). Die Arbeiten in den Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss wurden im Zuge eines Mieterwechsels durchgeführt. Im 3. Obergeschoss wurde die Elektronik (375,64 EUR brutto) sowie die Balkonbrüstung repariert (193,38 EUR brutto) und die Fenstergriffe erneuert (28,56 EUR brutto). Im Erdgeschoss wurden ein Rollladenband (45,96 EUR brutto) und eine Zimmertür ausgetauscht (567,04 EUR brutto). Ferner wurden die Kellerdecken gedämmt (646,48 EUR brutto). In Bezug auf das gesamte Gebäude wurde die Heizung gewartet (166,60 EUR brutto), das Dach (317,24 EUR brutto) sowie die Fassade repariert (17,14 EUR brutto), die Briefkastenanlage erneuert (621,30 EUR brutto), die Gasleitung erneuert (826,16 EUR brutto) und ein neuer Anschluss für die Lüftung geschaffen (256,30 EUR brutto). Die Gesamtaufwendungen für diese Maßnahmen betrugen 8.912 EUR brutto.

Im Jahr 2008 wurden die Arbeiten in den Badezimmern (19.873,85 EUR brutto) sowie das Streichen der Wände in den Wohnungen (790,83 EUR brutto) im 1. und 2. Obergeschoss fortgeführt. Weiterhin wurden dort Türen instandgesetzt (624,75 EUR brutto) und Elektroinstallationsarbeiten durchgeführt (2.879,70 EUR brutto). Im Erdgeschoss sowie im 3. Obergeschoss wurden Fenster (2.309,79 EUR brutto) und im Treppenhaus Leuchtmittel ausgetauscht (51,91 EUR brutto). Für das gesamte Haus wurde die Steuerplatine für die Heizung erneuert (228,37 EUR brutto). Ferner wurde das Entwässerungssystem renoviert (383,64 EUR brutto) und neuer Fußboden verlegt (329,60 EUR brutto). Die Gesamtaufwendungen für diese Maßnahmen betrugen 29.422 EUR brutto.

Im Jahr 2009 wurden im 2. und 3. Obergeschoss Durchlauferhitzer erneuert (767,55 EUR brutto), im 2. Obergeschoss defekte Sicherungen ausgetauscht (113,17 EUR brutto), im Erdgeschoss ein Gasheizgerät ausgewechselt (2.532,63 EUR brutto), das Treppenhaus durch Streichen der Decke, der Wände und des Handlaufs renoviert (3.910,88 EUR brutto) und die Heizung für das gesamte Haus gewartet (59,50 EUR brutto). Die Gesamtaufwendungen für diese Maßnahmen betrugen 7.384 EUR brutto.

Hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen und der diesbezüglich im Einzelnen angefallenen Aufwendungen wird Bezug genommen auf eine Aufstellung, welche der Kläger dem Gericht mit Schreiben vom 28.02.2014 zur Verfügung gestellt hat

Die durch die Umbau- bzw. Renovierungsmaßnahmen entstandenen Aufwendungen machte der Kläger in den Streitjahren als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Betragsmäßig erklärte er – im Hinblick auf 2007 und 2008 abweichend von seinen Angaben im Klageverfahren – Aufwendungen i.H.v. 11.024 EUR für 2007, i.H.v. 28.331 EUR für 2008 und i.H.v. 7.384 EUR für 2009. Für die Jahre 2007 und 2008 erkannte der Beklagte die erklärten Aufwendungen zunächst als sofort abzugsfähige Werbungskosten an (Einkommensteuerbescheid 2007 vom 30.05.2008 und Einkommensteuerbescheid 2008 vom 27.07.2009). Die Einkommensteuerfestsetzung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Begründung:

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (sog. anschaffungsnahe Herstellungskosten). Der gesetzlich nicht definierte Begriff der Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen erfasst sämtliche Aufwendungen für Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude, durch die Mängel beseitigt oder das Gebäude in einen zeitgemäßen Zustand versetzt werden. Grundsätzlich als anschaffungsnahe Herstellungskosten erfasst werden auch alle Maßnahmen, bei denen die Aufwendungen eindeutig den Erhaltungsaufwendungen zuzuordnen.

Kosten für Schönheitsreparaturen – also Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln, die durch vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind, wie das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen – werden von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG grundsätzlich nicht erfasst

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG gehören zu den Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nicht die Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne des § 255 Abs. 2 S. 1 des Handelsgesetzbuches – HGB – sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Da Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 3. Variante HGB nicht genannt werden, wird vertreten, dass diese Aufwendungen im Rahmen der 15 %-Grenze zu berücksichtigen seien. Teilweise wird dagegen angenommen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG im Hinblick auf Herstellungskosten im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB generell – also auch bei Aufwendungen für wesentliche Verbesserungen – keine Anwendung finde. Zu den Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen, gehören insbesondere Wartungsarbeiten.

Aufwendungen für jährlich anfallende Erhaltungsaufwendungen oder Schönheitsreparaturen sind allerdings dann als anschaffungsnahe Herstellungskosten zu behandeln, wenn sie in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bilden, wie dies bei einer Modernisierung des Hauses im Ganzen und von Grund auf der Fall ist.

Das Vorliegen von anschaffungsnahen Aufwendungen ist bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude jedenfalls dann im Hinblick auf das Gesamtgebäude zu beurteilen, wenn das Gesamtgebäude – wie bei einem insgesamt fremd vermieteten Mehrfamilienhaus – nicht in verschiedene Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist.

Nach diesen Grundsätzen sind die in den Streitjahren angefallenen Aufwendungen überwiegend als Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG einzuordnen. Denn hierfür ist bereits ausreichend, dass Mängel beseitigt werden oder das Gebäude in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Dies ist hier der Fall, da der Kläger umfangreiche Reparatur-, Renovierungs- und Umbaumaßnahmen – wie z.B. die Verkleinerung und Renovierung der Badezimmer, die Elektroinstallationsarbeiten, die Verlegung von Laminat und den Austausch von Fenstern – durchgeführt hat. Ganz überwiegend handelte es sich hierbei nicht lediglich um Schönheitsreparaturen.

Es kann dahinstehen, ob einzelne Maßnahmen – in Betracht kommen hier nur die Wartungsarbeiten an der Heizung (Aufwendungen i.H.v. 166,60 EUR brutto in 2007 sowie i.H.v. 59,50 EUR in 2009) sowie die Anstreicharbeiten (Aufwendungen i.H.v. 239,11 EUR in 2007, i.H.v. 790,83 EUR in 2008 sowie i.H.v. 3.910,88 EUR in 2009) – bei isolierter Betrachtung als jährlich anfallende Erhaltungsarbeiten bzw. als Schönheitsreparaturen einzuordnen wären. Denn sowohl die Wartungsarbeiten als auch die Anstreicharbeiten stehen in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den anderen Maßnahmen und können nicht isoliert betrachtet werden. Da mit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine typisierende Regelung geschaffen werden sollte, verbietet es sich, die einzelnen Maßnahmen einer umfassenden Modernisierung jeweils für sich zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein enger räumlicher, zeitlicher und sachlicher Zusammenhang anzunehmen, wenn ein Haus im Ganzen und von Grund auf modernisiert wird. Dies ist hier der Fall. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger umfangreiche Reparatur-, Renovierungs- und Umbaumaßnahmen durchgeführt. Sämtliche Maßnahmen waren darauf gerichtet, eine angemessene Vermietung der einzelnen Wohnungen auch in Zukunft sicherzustellen. Von den Maßnahmen war nicht nur ein einzelner, klar abgrenzbarer Teil des Gebäudes betroffen. Die Arbeiten wurden vielmehr auf sämtlichen Etagen – teilweise in einzelnen Wohnungen, teilweise für das gesamte Haus – sukzessive durchgeführt. Der Annahme eines engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs steht nicht entgegen, dass die Arbeiten teilweise im Zuge eines Mieterwechsels – so insbesondere die Arbeiten in den Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss – durchgeführt wurden und bezogen auf einzelne Wohnungen, in denen kein Mieterwechsel stattfand, nur geringer Erhaltungsaufwand anfiel. Da § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine typisierende Betrachtungsweise anordnet, kommt eine Differenzierung nicht in Betracht.

Aufgrund dieser einheitlichen Betrachtungsweise muss im Streitfall nicht geklärt werden, ob einzelne Maßnahmen bereits zu einer wesentlichen Verbesserung im Sinne des § 255 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 HGB – also zu einer Standardhebung in mindestens drei der vier standardprägenden Ausstattungsbereiche (Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster) – geführt haben. Denn auch wenn man davon ausgehen sollte, dass Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung des Gebäudes grundsätzlich nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG fallen, so wären diese Aufwendungen im Streitfall in die 15 %-Grenze einzubeziehen, weil sie im Rahmen einer einheitlichen Modernisierungsmaßnahme angefallen sind. Die Rechtsprechung des BFH zu Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen, und für Schönheitsreparaturen gilt für Aufwendungen für eine wesentliche Verbesserung entsprechend

Auch hier verbietet das gesetzgeberische Ziel (Typsierung) die Betrachtung jeder Einzelmaßnahme.

Die insgesamt angefallenen Aufwendungen ohne Umsatzsteuer übersteigen 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Anschaffungskosten des Mehrfamilienhauses – wie von dem Kläger in der Einkommensteuererklärung 2007 angegeben – mit 162.781,48 EUR und damit die 15 %-Grenze bei 24.417 EUR angesetzt hat. Die von dem Kläger im Klageverfahren angegebenen Anschaffungskosten von 260.327 EUR können bereits deshalb nicht maßgeblich sein, weil die auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten nicht die Gesamtanschaffungskosten für das Gebäude sowie Grund und Boden (200.184,45 EUR) übersteigen können. Zudem ist – entgegen der von dem Kläger im Klageverfahren geäußerten Rechtsauffassung – bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen nach der Rechtsprechung des BFH eine Kaufpreisaufteilung nach dem Sachwertverfahren und nicht nach dem Ertragswertverfahren vorzunehmen. Die von dem Kläger in den Streitjahren getätigten Aufwendungen von insgesamt 38.418,49 EUR ohne Umsatzsteuer – entspricht 45.718 EUR mit Umsatzsteuer – überschreiten den Betrag von 24.417 EUR.

Selbst erbrachte Pflegeleistungen sind keine außergewöhnliche Belastungen

Nur Aufwendungen für Pflegeleistungen können als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Hierzu zählen keine Eigenleistungen.

FG Münster Urteil vom 15.04.2015, 11 K 1276/13

Sachverhalt:

Streitig ist, ob Pflegeleistungen, welche die Klägerin für ihren pflegebedürftigen Vater selbst erbracht hat, als außergewöhnliche Belastung gem. § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerlich berücksichtigungsfähig sind.

Die Klägerin ist als Ärztin beschäftigt und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit gem. § 19 EStG. Sie wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt.

Nachdem die Klägerin zunächst keine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 abgegeben hatte, erließ der Beklagte am 01.02.2013 einen Einkommensteuerbescheid auf Schätzungsgrundlage, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Hiergegen legte die Klägerin am 05.02.2013 fristgemäß Einspruch ein.

Am 20.02.2013 gab die Klägerin sodann die Einkommensteuererklärung ab. Hierin erklärte sie Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in Höhe von ca. 136.000,00 EUR sowie zusätzlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in geringer Höhe. Weiterhin erklärte die Kläger außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG in Höhe von insgesamt 54.612,00 EUR. Dem lag zugrunde, dass die Klägerin im Jahr 2011 ihren schwer erkrankten Vater gepflegt hatte. Der Gesamtbetrag setzte sich zusammen aus den von der Klägerin kalkulierten Pflegekosten in Höhe von 53.712,00 EUR sowie zusätzlich angefallenen Fahrtkosten in Höhe von 900,00 EUR. Die Pflegekosten ermittelte die Klägerin, indem sie einen Stundensatz für die von ihr erbrachten Pflegeleistungen in Höhe von 29,84 EUR ansetzte und diesen mit einem Stundenaufwand von 45 Stunden je Woche sowie eine Wochenanzahl von 40 multiplizierte (45 Stunden x 40 Wochen x 29,84 EUR/Std. = 53.712,00 EUR).

Am 18.03.2013 erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Im Rahmen dieser Festsetzung setzte der Beklagte den Pflegepauschbetrag gem. § 33b Abs. 6 EStG in Höhe von 924,00 EUR steuermindernd an. Die von der Klägerin darüberhinausgehend geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen erkannte der Beklagte nicht an. In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid führte der Beklagte zur Begründung aus, dass Pflegeeigenleistungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Der geänderte Einkommensteuerbescheid wurde Gegenstand des bereits anhängigen Einspruchsverfahrens. Am 22.03.2013 erließ der Beklagte eine Einspruchsentscheidung, mit welcher er den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückwies. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung der von ihr selbst erbrachten Pflegeleistungen als außergewöhnliche Belastungen. Der Vater der Kläger habe an Diabetes im fortgeschrittenen Stadium gelitten. Diese habe schwerwiegende Begleiterscheinungen gezeigt, so dass im Jahr 2011 und 2012 die Amputation von Gliedmaßen unausweichlich war. Im Jahr 2011 habe der Vater der Klägerin infolge einer Operation zudem eine schwere Sepsis erlitten. Der Bewegungsfähigkeit ihres Vaters sei durch eine Spinalstenose und eine Plexusparese stark eingeschränkt gewesen. Im Jahr 2011 sei ihr Vater in Pflegestufe 2 eingestuft gewesen; im Jahr 2012 sei eine Hochstufung auf Pflegestufe 3 erfolgt. Die in § 33b Abs. 6 Satz 3 und 4 EStG genannten Voraussetzungen der Pflegedürftigkeit seien erfüllt gewesen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr im gesamten Jahr 2011 – unterbrochen allein durch die Krankenhausaufenthalte ihres Vaters – außergewöhnliche Belastungen angefallen seien, als sie ihren Vater zusammen mit ihrer Mutter pflegte. Als approbierte und promovierte Ärztin habe die Klägerin über die notwendige Vorbildung verfügt, um ihren Vater zu pflegen und zusätzlich einer Behandlungspflege zu unterziehen. Sie habe durchschnittlich 6,5 Stunden pro Tag zusätzliche Pflegeleistungen erbracht, welche die Pflegedienste nicht hätten erbringen können. Die Klägerin habe sich dabei auf ihre fachlichen Fähigkeiten und auf eine kollegiale Rücksprache mit dem Hausarzt ihres Vaters, Herrn Dr. med. W., gestützt. Der von der Klägerin angesetzte Stundensatz von 29,84 EUR entspräche den Stundensätzen der Bereitschaftsdienste in Kliniken. Zu berücksichtigen sei, dass durch diesen Stundensatz nicht permanente medizinische Pflege-  und Intensivleistungen abgegolten würden. Denn der Bereitschaftsdienst umfasse auch, dass der Arzt auf Abruf zur Verfügung stehe. Die Klägerin habe hingegen in den angesetzten 6,5 Stunden pro Tag tatsächlich Pflegeleistungen und Behandlungspflegeleistungen erbracht. Der von der Klägerin angesetzte Stundensatz von 29,84 EUR bilde daher den Mindestsatz. Andere Pflegeleistungen habe der Vater der Klägerin nur in geringem Umfang in Anspruch genommen; so habe der X. Pfegedienst seit November 2011 relativ unbedeutende Pflegeleistungen in Form von Waschungen ausgeführt. Dieser Pflegevertrag sei im Oktober 2012 wegen aufgetretener Unstimmigkeiten über die Qualifikation der Pflegekräfte durch den Pflegedienst gekündigt worden.

Nach Auffassung der Klägerin fallen auch selbst erbrachte Pflegeleistungen unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastungen gem. § 33 EStG. Dies werde durch § 33b Abs. 6 EStG bestätigt, da nach dieser Regelung auch dann außergewöhnliche Belastungen vorliegen, wenn diese durch die Pflege einer Person erwachsen. Diese Regelung erfasse nicht nur angefallene Aufwendungen, sondern auch selbst erbrachte Pflegeleistungen. Die Klägerin verweist auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26.06.2003, aus welchem folge, dass bei Krankheitskosten, die Außergewöhnlichkeit der Belastungen unwiderleglich vermutet werde. Nach Meinung der Klägerin dürfe nicht zu ihrem Nachteil gereichen, dass kein Pflegedienst beauftragt worden, sondern diesem vielmehr wegen Inkompetenz gekündigt worden sei. Die Klägerin führt aus, dass hinsichtlich des Aufwendungsbegriffes gem. §§ 9, 10 EStG anerkannt sei, dass eigene Dienstleistungen nicht zu steuerlich anzuerkennendem Aufwand führen; dies könne jedoch nicht auf die außergewöhnlichen Belastungen gem. § 33 EStG übertragen werden.

Die zuvor zuständige Berichterstatterin hat die Beteiligten mit Schreiben vom 28.02.2014 darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen ihres Erachtens nicht anerkannt werden könnten, und dies ausführlich begründet. Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 10.03.2014 Stellung genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerseite vom 27.05.2013, 01.08.2013 und 10.03.2014 Bezug genommen.

Begründung:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 FGO. Der Beklagte hat die von der Klägerin geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen zu Recht nicht steuermindernd berücksichtigt.

Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG wird auf Antrag des Steuerpflichtigen die Einkommensteuer ermäßigt, wenn diesem zwangsläufig größere Aufwendungen erwachsen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands. Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 EStG können nur „Aufwendungen“ als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden. Der Begriff der Aufwendungen umfasst nur bewusste und gewollte Vermögensverwendungen, also insbesondere Geldausgaben und Zuwendungen von Sachwerten (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.1991 III R 26/89, BFHNV 1991, 669). Auf dieser Grundlage hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass z.B. entgangene Einnahmen keine Ausgaben bzw. Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG sind (BFH-Entscheidung vom 04.11.2009 VI B 43/09, BFH/NV 2010, 852).

Die Klägerin hat keine Aufwendungen im Sinne des Gesetzes getragen. Vielmehr hat sie selbst Pflegeleistungen an ihren Vater erbracht. Eine solche unentgeltlich erbrachte eigene Arbeitsleistung fällt, soweit im Rahmen der Arbeit keine finanziellen Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anfallen, nicht unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung.

Eine andere rechtliche Beurteilung würde nach Auffassung des Senats gegen die Grundprinzipien des Einkommensteuerrechts verstoßen. Die Regelung des § 33 Abs. 1 EStG dient der Verwirklichung des sog. subjektiven Netto-Prinzips, welches seinerseits Element des sog. Leistungsfähigkeitsprinzips ist. Das Leistungsfähigkeitsprinzip besagt, dass jeder Steuerpflichtige nach Maßgabe seiner individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit zur Einkommensteuer herangezogen werden soll. Demzufolge müssen zum einen die Werbungskosten und Betriebsausgaben steuermindernd berücksichtigt werden, die der Steuerpflichtige zur Erzielung von Einkünften aufwendet (sog. objektives Nettoprinzip). Zum anderen dürfen jene Einkünfte nicht der Einkommensteuer unterworfen werden, die der Steuerpflichtige zur Deckung seines Existenzminimums benötigt (sog. subjektives Nettoprinzip). Die Regelung des § 33 EStG soll in Ergänzung zum Grundfreibetrag bestimmte zusätzliche, nicht vom Grundfreibetrag erfasste untypische Aufwendungen von der Besteuerung ausnehmen, soweit diese eine bestimmte Zumutbarkeitsschwelle überschreiten. Dies dient der Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Gestalt des subjektiven Netto-Prinzips. Es wird verhindert, dass Einkünfte des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden, obwohl ihm diese aufgrund besonderer rechtlicher, sittlicher oder tatsächlicher Verpflichtungen tatsächlich nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes frei zur Verfügung stehen. Da § 33 EStG eine solche geminderte finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigen soll, dürfen nach dem Sinn und Zweck der Norm grundsätzlich nur sich vermögensmindernd auswirkende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Selbst erbrachte Arbeiten, wie z.B. auch die im vorliegenden Fall erbrachten Pflegeleistungen, mindern die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht und bilden daher keine berücksichtigungsfähige Aufwendungen im Sinne des § 33 EStG.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch aus der Regelung des §§ 33b Abs. 6 EStG nicht abgeleitet werden, dass abweichend von den allgemeinen Grundsätzen selbst erbrachte Arbeiten als Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anzuerkennen sind. Denn auch der Pauschbetrag für Pflegeleistungen gem. § 33b Abs. 6 EStG soll nicht die erbrachten Pflegeleistungen selbst, sondern vielmehr die mit den Pflegeleistungen typischerweise verbundenen Aufwendungen (z.B. für Hygieneprodukte, Pflegematerialien etc.) erfassen. Durch die Pauschbetragsregelung wird das Entstehen von mit der Pflege verbundenen Aufwendungen typisierend unterstellt (so ausdrücklich auch BFH-Urteil vom 29.08.1996 III R 4/95, BStBl. II 1997, 199).

Da die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen schon dem Grunde nach nicht anerkannt werden können, braucht der Senat nicht zu prüfen, in welchem Umfang die Klägerin tatsächlich Pflegeleistungen erbracht hat. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen J. V. und Dr. med. W., auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie auf Beteiligtenvernehmung der Klägerin sind nicht entscheidungserheblich.

Die von der Klägerin geltend gemachten Fahrtkosten in Höhe von 900,00 EUR, sind bereits in dem vom beklagten Finanzamt angesetzten Pflegepauschbetrag in Höhe von 924,00 EUR berücksichtigt. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert.

Grunderwerbsteuerpflicht bei Tausch im Rahmen einer Erbteilung

Erben, die Grundstücke bzw. Miteigentumsanteile an Grundstücken im Rahmen der Erbauseinandersetzung erhalten, diese danach tauschen, zahlen für diesen Tauschvorgang Grunderwerbsteuer.

FG Rheinland Pfalz Urteil vom 6. April 2015  4 K 1380/13

Sachverhalt:

Der Kläger, seine beiden Geschwister und ihr Großvater gehörten zu einer Erbengemeinschaft. Im Nachlass der verstorbenen Großmutter des Klägers befanden sich mehrere in der Südpfalz gelegene Grundstücke. Zwei dieser Grundstücke wurden im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf den Kläger und seine beiden Geschwister übertragen, und zwar erhielten alle drei Geschwister Miteigentum an jedem der beiden Grundstücke zu je 1/3. Einige Jahre später (im Jahr 2012) tauschten die Geschwister ihre Miteigentumsanteile, wodurch der Kläger Alleineigentümer eines der beiden Grundstücke wurde. Unter Hinweis auf diesen Tauschvorgang setzte das beklagte Finanzamt (FA) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest (rd. 1.900 €). Dagegen wandte sich der Kläger zunächst mit Einspruch und dann mit Klage. Er machte geltend, die beiden Grundstücke hätten einer Erbengemeinschaft gehört, so dass der Erwerb nach § 3 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerfrei sei. Die Grundstücke seien ihm und seinen Geschwistern zu je 1/3 übertragen worden, weil seinerzeit noch nicht absehbar gewesen sei, wer von ihnen einmal dort bauen werde. Mit dem Tauschvorgang sei lediglich der Wille des Großvaters umgesetzt und gemeinsam geerbte Grundstücke getauscht worden. Ihr Großvater habe jedem seiner Enkelkinder die Möglichkeit offen halten wollen, aus dem Nachlass einen Bauplatz zu erhalten.

Begründung:

Das FG folgte dieser Auffassung nicht und wies die Klage ab. Das Finanzamt habe zu Recht eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 GrEStG versagt. Nach dieser Vorschrift sei ein Grundstückserwerb nur dann steuerfrei, wenn das Grundstück vor der Eigentumsübertragung zum ungeteilten Nachlass gehört habe bzw. von der Erbengemeinschaft übertragen worden sei. Die zur Erbauseinandersetzung seinerzeit erfolgte Übertragung der beiden Grundstücke auf den Kläger und seine Geschwister sei daher unstreitig steuerfrei gewesen. Mit dieser Übertragung seien die Nachlassgrundstücke allerdings zu Bruchteilseigentum geworden und aus dem Nachlass ausgeschieden. Fortan seien daher weder der Kläger noch seine beiden Geschwister an den Willen ihres Großvaters oder der Erbengemeinschaft mehr rechtlich gebunden gewesen und hätten ihr Bruchteilseigentum (Miteigentumsanteil zu je 1/3) z.B. auch anderweitig veräußern können. Der nachfolgende Tausch von Miteigentumsanteilen sei somit nach der Erbauseinandersetzung außerhalb des Nachlasses erfolgt.

Keine Steuerfreien Zuschläge für Gesellschafter Geschäftsführer

Nach gefestigter Rechtsprechung sind die an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gezahlten Zuschläge für erbrachte Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit regelmäßig im Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln.

FG Münster Urteil vom 14.04.2015, 1 K 3431/13 E

Begründung:

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind die an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gezahlten Zuschläge für erbrachte Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit regelmäßig im Gesellschaftsverhältnis veranlasst und damit als verdeckte Gewinnausschüttungen zu behandeln.

Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch verdeckte Gewinnausschüttungen. Eine verdeckte Gewinnausschüttung einer Kapitalgesellschaft ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt insbesondere vor, wenn eine Kapitalgesellschaft mit ihrem Geschäftsführer (Arbeits-)Bedingungen vereinbart, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten. Insofern indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten die Veranlassung im.

Zahlt eine GmbH an ihren Gesellschafter-Geschäftsführer gesonderte Vergütungen für die Ableistung von Überstunden, liegt aus steuerrechtlicher Sicht regelmäßig eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Eine solche Vergütung widerspricht dem Gedanken, dass ein Geschäftsführer sich in besonderem Maße mit den Interessen und Belangen der von ihm geleiteten Gesellschaft identifizieren und die notwendigen Arbeiten auch dann erledigen muss, wenn dies einen Einsatz außerhalb der üblichen Arbeitszeiten oder über diese hinaus erfordert. Seine Arbeit orientiert sich weniger an einer Verrichtung der Tätigkeit während einer bestimmten Stundenzahl pro Arbeitstag, oder zu einer bestimmten Tageszeit, sondern ist vielmehr ergebnisbestimmt, was regelmäßig auch in einem deutlich höheren Gehalt und der finanziellen Gesamtausstattung zum Ausdruck kommt.

Während ein Geschäftsführer das Einhalten der Arbeitszeiten der („normalen“) Arbeitnehmer überprüfen (lassen) kann und muss, gibt es praktisch keine Person, die das Einhalten der Arbeitszeit des Geschäftsführers überprüft. Dies wissen die Gesellschafter einer GmbH bei Bestellung des Geschäftsführers und bei Abschluss des Geschäftsführervertrages. Ihnen kommt es deshalb weniger darauf an, dass der Geschäftsführer während einer bestimmten Stundenzahl pro Arbeitstag “im Dienst ist”. Wichtiger ist ihnen, dass der Geschäftsführer überhaupt (unabhängig von Zeit und Ort) seine Arbeit erledigt, selbst wenn dies die Ableistung sog. Überstunden bedeuten sollte. In diesem Sinne soll der Geschäftsführer regelmäßig seine Arbeitszeit in Grenzen selbst bestimmen. Das Verhältnis zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer wird von dem Vertrauen der Gesellschafter getragen, dass der Geschäftsführer – wann auch immer – seine Arbeit tut. Damit aber verträgt sich keine Vereinbarung über die Vergütung von Überstunden, selbst wenn Arbeitszeitvereinbarungen der Organstellung des GmbH-Geschäftsführers zivilrechtlich nicht widersprechen. Stattdessen wird sie für eine angemessene Gesamtausstattung des Geschäftsführers Sorge tragen, die das zu übernehmende Kostenrisiko kalkulierbar macht (Grundgehalt, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, sonstige Zusatzleistungen etc.).

Insbesondere der Alleingesellschafter-Geschäftsführer besitzt für die GmbH eine Allzuständigkeit. Von ihm wird ein persönlicher Einsatz erwartet, der über den Einsatz „normaler“ Arbeitnehmer weit hinausgeht und dem in der Regel ein deutlich höheres Gehalt entspricht. Mit diesem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers verträgt sich eine gesonderte Entlohnung zusätzlicher Arbeitszeiten nicht. Vor diesem Hintergrund ist die Vermutung gerechtfertigt, dass die separate Vergütung von Mehrarbeit regelmäßig nicht ausschließlich betrieblich, sondern in erster Linie oder jedenfalls teilweise gesellschaftsrechtlich (mit-)veranlasst ist.

Erst Recht verträgt sich eine Überstundenvergütungsvereinbarung nicht mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers, wenn sie von vorneherein auf Überstunden an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit beschränkt ist und / oder wenn außerdem eine Gewinntantieme vereinbart worden ist. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass dem Geschäftsführer nur deshalb ein zusätzlicher Vorteil zugewendet werden soll, damit er die Steuerfreiheit des § 3b EStG in Anspruch nehmen kann. Diese Absicht begründet jedoch die Veranlassung der Vorteilszuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis.

Allerdings hat der Bundesfinanzhof mehrfach betont, dass die Zahlung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen an Gesellschafter-Geschäftsführer nicht immer (ausnahmslos) als verdeckte Gewinnausschüttung einzustufen ist. Vielmehr kann eine entsprechende Vereinbarung im Einzelfall durch überzeugende betriebliche Gründe gerechtfertigt sein, die geeignet sind, die Vermutung für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis zu entkräften. Dann liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung, sondern steuerfreier Arbeitslohn i.S. des § 3b EStG vor.

Auf dieser Basis hat der Bundesfinanzhof – soweit ersichtlich – bisher in zwei Entscheidungen entsprechende Ausnahmen von dem Grundsatz zugelassen, dass Überstundenvergütungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers steuerrechtlich regelmäßig als verdeckte Gewinnausschüttungen zu qualifizieren sind. Im Urteil vom 14.07.2004 hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, der Umstand, dass eine bestimmte Vereinbarung nicht nur mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer, sondern auch mit vergleichbaren gesellschaftsfremden Personen abgeschlossen werde, könne gegen eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis sprechen. Eine solche Gestaltung weise nämlich darauf hin, dass die Vereinbarung speziell in dem betreffenden Unternehmen auf betrieblichen Gründen beruhe (I R 111/03, juris).

In seiner Entscheidung vom 03.08.2005 hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit des Gesellschafter-Geschäftsführers dann ausnahmsweise keine verdeckte Gewinnausschüttung seien, wenn der Geschäftsführer in gleicher Weise wie andere Arbeitnehmer eingesetzt werde, die Gesellschaft für seinen Einsatz ein besonderes Entgelt erhalte, der tatsächliche Einsatz klar belegt werden könne, für den besonderen Arbeitseinsatz keine anderweitige erfolgsabhängige Vergütung gezahlt werde und gesellschaftsfremde Arbeitnehmer die Zuschläge ebenfalls erhielten.

In beiden Fällen hat der Bundesfinanzhof es also für nicht ausreichend angesehen, dass die Zahlung von Zuschlägen für Überstunden (branchen-)üblich ist oder überhaupt mit spezifischen sachlichen Gesichtspunkten im Rahmen der jeweiligen Betriebsführung begründet werden kann. Vielmehr soll es zur Entkräftung der Vermutung einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung entscheidend darauf ankommen, ob die zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter-Geschäftsführer getroffene Vereinbarung über Überstundenvergütungen einem betriebsinternen Fremdvergleich standhält oder nicht.

Ob eine Vereinbarung zwischen einer Gesellschaft und ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ausschließlich betrieblich oder stattdessen bzw. zugleich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, muss im gerichtlichen Verfahren anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalles beurteilt werden

Auf der Grundlage dieser Maßstäbe höchstrichterlicher Rechtsprechung geht der erkennende Senat unter Würdigung der Gesamtumstände des Streitfalles davon aus, dass die an den Kläger gezahlten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis haben und folgerichtig als verdeckte Gewinnausschüttungen einzustufen sind. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:

Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellte Vermutung, dass Vergütungen für Mehrarbeit (und erst Recht gesondert vereinbarte steuerfreie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit) regelmäßig nicht mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers vereinbar sind und damit grundsätzlich ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis haben, ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Gründe, die gegen eine solche Anwendung der Vermutung sprechen, sind nicht erkennbar. Vielmehr wird die gesellschaftsrechtliche Veranlassung der dem Kläger gewährten Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge durch die besonderen Umstände des Streitfalles bestätigt.

Nach dem Geschäftsführervertrag vom 31.08.2005 war der Kläger an bestimmte Arbeitszeiten nicht gebunden. Die Arbeitszeit war vielmehr an den betrieblichen Erfordernissen (am Ergebnis) auszurichten und konnte vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich gestaltet werden. Diese Vertragskonstellation spricht dafür, dass auch die X. GmbH von dem Kläger als Geschäftsführer grundsätzlich einen höheren persönlichen Arbeitseinsatz als „gewöhnlich“ erwartet hat, der sich weder an einem bestimmten (Gesamt-)Arbeitsvolumen noch an konkreten Arbeitszeiten orientieren sollte. Ein ordentlicher Geschäftsleiter hätte mit dem Kläger daher kein zusätzliches Entgelt für die Arbeit an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit vereinbart. Vielmehr spricht die gesamte Vertragsgestaltung dafür, dass etwaige Mehrarbeiten des Klägers als Geschäftsführer nach den Vorstellungen der Vertragsparteien mit dem monatlichen Grundgehalt und den besonderen Zusatzleistungen abgegolten seien sollten (Stichwort: erhöhte finanzielle Ausstattung des Geschäftsführers).

Neben der individuellen vertraglichen Situation ist auch die konzeptionelle Situation bei Gründung der X. GmbH bzw. bei Geschäftsaufnahme zu berücksichtigen. Nach den Angaben des Klägers ist der Import von Waren aus Asien (China) ein wesentlicher Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft. Fest steht zugleich, dass ein reibungsloser und ressourcenschonender Ablauf des Wareneinkaufs in Fernost mit besonderen Arbeitszeiten einhergeht. Vor diesem Hintergrund sowie in Anbetracht der Größe und der personellen Ausstattung der GmbH war von Anfang an klar, dass der Kläger in erheblichem Umfang am Vertriebsgeschäft mitwirken muss (es sogar größtenteils alleine betreuen muss), und zwar auch zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten, mithin an Sonntagen, Feiertagen sowie in der Nacht. Diese grundlegenden Betriebs- und Arbeitsverhältnisse hätte ein ordentlicher Kaufmann bereits bei der Bemessung des Geschäftsführergehalts des Klägers berücksichtigt. Da die X. GmbH dem Kläger neben dem Grundgehalt auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie diverse Zusatzleistungen gewährt, kann davon ausgegangen werden, dass auch sie für eine der Tätigkeit (inklusive Mehrarbeit) angemessene Gesamtausstattung des Klägers Sorge tragen wollte.

In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger entsprechende Überstunden auch in der Vergangenheit erbracht hat, und zwar ohne die Zahlung gesonderter Zuschläge (in den Jahren vor 2009). Dieser Umstand spricht gegen eine ausschließlich betriebliche Veranlassung der am 03.04.2009 als Nachtragsabrede zum Geschäftsführervertrag geschlossenen Vergütungsabrede.

Auch der Gesichtspunkt, dass die zusätzlichen Vergütungen – nach eigenen Aussagen des Klägers – erst nach einem entsprechenden Hinweis des steuerlichen Beraters aufgenommen worden sind, streitet gegen eine besondere betriebliche Notwendigkeit der Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge und für eine Veranlassung der entsprechenden Leistungen im Gesellschaftsverhältnis.

Schließlich ist zu beachten, dass die X. GmbH dem Kläger eine zusätzliche Vergütung nicht für Mehrstunden jedweder Art, sondern nur für die geleisteten Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeiten zahlt. Auch dieser Aspekt deutet auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Leistungen hin. Dem Kläger soll insofern offensichtlich die Steuerfreiheit des § 3b EStG zu Gute kommen.

Dass die (Mehr-)Arbeit des Klägers an Sonntagen, Feiertagen und zur Nachtzeit im Streitfall durch sachliche Gründe in Gestalt von besonderen betrieblichen Verhältnissen (Geschäftsbeziehungen nach Fernost) bedingt ist, reicht für sich genommen nicht aus, um die Vermutung einer zumindest gesellschaftsrechtlichen (Mit-)Veranlassung der Vergütungsabrede zu widerlegen. Die Rechtsprechung hat bereits mehrfach zu erkennen gegeben, dass es für die steuerrechtliche Qualifikation nicht darauf ankommt, ob die Leistung von Überstunden an sich und / oder die Zahlung von Überstundenvergütungen üblich oder unüblich ist (vgl. BFH, Urteil v. 19.03.1997, I R 75/96 m.w.N.). So hat sich der Bundesfinanzhof in der Vergangenheit mehrfach mit Fällen aus dem Gaststätten- oder dem Tankstellengewerbe befasst, mithin mit Sachverhalten, in denen entsprechende Überstunden und deren gesonderte Entlohnung sowohl betriebs- als auch branchentypisch sind. Er hat diesen Umstand für eine Anwendung des § 3b EStG auf Gesellschafter-Geschäftsführer jedoch isoliert nicht als hinreichend angesehen, sondern auch in diesen Situationen zusätzlich stets die Voraussetzungen des betriebsinternen Fremdvergleichs bemüht. Daran ist erkennbar, dass alleine die betriebliche Notwendigkeit, Tätigkeiten außerhalb der üblichen Arbeitszeiten durchzuführen, für sich genommen nicht ausreicht, um die Vermutung einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung von Sondervergütungen zu entkräften. Denn Gesellschafter-Geschäftsführer sind auch und gerade in Fällen betriebs- und branchenspezifischer betrieblicher Strukturen und Bedürfnisse aufgrund ihrer Stellung, ihres besonderen Treuverhältnisses und ihrer finanziellen Grundausstattung zu einem erhöhten Einsatz (über die normale Arbeitszeit hinaus) verpflichtet

Dem Einwand des Klägers, der betriebsinterne Fremdvergleich sei nur eine Möglichkeit, um im Einzelfall das Vorliegen besonderer betrieblicher Gründe für die Gewährung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit zu rechtfertigen, vermag der Senat nicht zu folgen. Ohne einen solchen betriebsinternen Fremdvergleich lässt sich nämlich nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass die gesonderte Vergütung von Überstunden speziell in dem betroffenen Unternehmen ausschließlich auf betrieblichen Gründen beruht. Der betriebsinterne Fremdvergleich (Frage der Gleichbehandlung mit gesellschaftsfremden Arbeitnehmern) ist insofern notwendiges Instrumentarium, um gerade eine gesellschaftsrechtliche Mitveranlassung entsprechender Leistungen an einen Gesellschafter-Geschäftsführer auszuschließen.

Im Streitfall ist ein betriebsinterner Fremdvergleich nicht möglich, weil entsprechende Vereinbarungen nicht mit vergleichbaren gesellschaftsfremden Personen abgeschlossen worden sind. Neben dem Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer hatte die X. GmbH weder einen weiteren Geschäftsführer noch vergleichbare leitende Angestellte. Dass der Ehefrau des Klägers im Rahmen ihrer Aushilfstätigkeit als Reinigungskraft Zuschläge für Sonntagsarbeit gezahlt worden sind, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn ein Vergleich von „normalen“ Mitarbeitern (erst Recht von Aushilfen) mit einem Geschäftsführer ist insoweit nicht aussagekräftig.

Dass ein betriebsinterner Fremdvergleich im Streitfall aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Verhältnisse der X. GmbH (größenbedingt) nicht möglich ist, ist nicht entscheidungserheblich und muss im Ergebnis zu Lasten des Klägers gehen. Der erkennende Senat hält es insbesondere nicht für vertretbar, auf einen fiktiven Sachverhalt abzustellen und die Anstellung weiterer Personen zu fingieren. Es kommt daher nicht darauf an, ob die X. GmbH einen Fremdgeschäftsführer oder einen weiteren leitenden Angestellten potentiell zu vergleichbaren Konditionen angestellt hätte. Die Beantwortung dieser Frage wäre spekulativer Natur. Wenn weder ein weiterer Geschäftsführer noch ein weiterer leitender Angestellter tatsächlich im Unternehmen arbeiten, ist ein betriebsinterner Fremdvergleich nicht möglich (so auch FG München, Urteil v. 02.10.2007, 6 K 2108/05, juris). Dafür streitet auch der systematische Vergleich mit einem gewerblichen Einzelunternehmen (der kleinen Ein-Mann-GmbH durchaus ähnlich). Der Inhaber eines solchen Einzelunternehmens wäre ebenfalls nicht in der Lage, die Steuerfreiheit des § 3b EStG in Anspruch zu nehmen.