Berücksichtigung als Kind trotz Vollzeitbeschäftigung

Berücksichtigung als Kind trotz Vollzeitbeschäftigung

BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 20/11

Begründung:

Kindergeld wird nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 EStG u.a. für Kinder gewährt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und einen der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Tatbestände erfüllen. Darüber hinaus dürfen die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht den Grenzbetrag überschreiten, der sich im Jahr 2008 auf 7.680 EUR belief (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).

Im Streitfall war S im gesamten Jahr als Kind zu berücksichtigen, sofern die Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag nicht überschritten haben sollten. In den Monaten Januar bis Juni 2008 sowie in den Monaten September bis Dezember 2008 wurde S für einen Beruf ausgebildet (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), in den beiden Monaten Juli und August 2008 erfüllte er den Tatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG (Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten), möglicherweise auch den nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG (Warten auf einen Ausbildungsplatz).

Die in den Monaten Juli und August 2008 ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit steht einer Berücksichtigung des S als Kind nicht entgegen. Nach dem BFH  das erst nach Ergehen des angefochtenen Urteils veröffentlicht worden ist, schließt die Vollzeiterwerbstätigkeit eines Kindes dessen Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b oder c EStG nicht aus.

Verbindung einzelner Maschinen zu einer Gesamtanlage “Fertigungsstraße” als Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang

Verbindung einzelner Maschinen zu einer Gesamtanlage "Fertigungsstraße" als Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang

BFH Urteil vom 19.4.2012, III R 34/11

Begründung:

Anschaffen bedeutet dabei den Erwerb eines bestehenden Wirtschaftsguts, eines bereits vorhandenen Wertes; entsprechend besteht das Herstellen im Schaffen oder Schaffenlassen eines noch nicht existierenden Wirtschaftsguts. Im Unterschied zur Anschaffung liegt (bilanz- und bilanzsteuerrechtlich) eine Herstellung immer dann vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut auf eigene Rechnung und Gefahr herstellt oder herstellen lässt und das Herstellungsgeschehen beherrscht.

Werden –wie im Streitfall– Maschinen einzeln von verschiedenen Herstellern erworben und sodann in der Folge durch den Erwerber –bzw. in seinem Auftrag durch einen Dritten– zu einer Gesamtanlage verbunden, kommt es für die Frage, ob eine Anschaffung der einzelnen Maschinen oder ein Herstellen der kompletten Anlage als einheitliches (übergeordnetes) Wirtschaftsgut vorliegt, entscheidend darauf an, ob die einzelnen Maschinen trotz ihrer Verbindung weiterhin selbständig bewertbar sind, d.h. ob sie nach der Verkehrsanschauung in ihrer Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar sind.

Beim Verbinden einzelner Wirtschaftsgüter ist demzufolge von der Anschaffung einzelner und nicht von einer Herstellung eines Wirtschaftsguts auszugehen, wenn alle oder einzelne Teile auch ohne die Verbindung im Betrieb sinnvoll und zweckbestimmungsgemäß einsetzbar wären und die Verbindung nur vorübergehend und nicht von entscheidender Bedeutung für die Funktion der einzelnen Teile ist. Eine Herstellung liegt dagegen vor, wenn die Anschaffung dieser Teile oder Materialien nur mit der Zweckbestimmung erfolgt, erst in der Verbindung dieser Teile das für den Betrieb bestimmte Wirtschaftsgut entstehen zu lassen.

Die Verkehrsanschauung wird dabei durch mehrere Kriterien bestimmt. Neben dem Zweck, den zwei oder mehrere bewegliche Sachen gemeinsam zu erfüllen haben, sind vor allem von Bedeutung: die Festigkeit einer etwaigen Verbindung (§ 93 des Bürgerlichen Gesetzbuches), der Zeitraum, auf den eine solche Verbindung oder die gemeinsame Nutzung angelegt ist, sowie das äußere Erscheinungsbild. Ist Letzteres dadurch bestimmt, dass die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig erscheinen oder dass gar ein Gegenstand ohne den/die anderen ein negatives Gepräge hat, ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen.

Im Streitfall ist die Würdigung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die begünstigte Investition nicht die jeweilige Fertigungsstraße als einheitliches Wirtschaftsgut ist, sondern die einzelnen Maschinen, aus denen sich eine Fertigungsstraße zusammensetzt, begünstigt sind. Dabei hat das FG im Sinne der Rechtsprechung maßgeblich auf die fortbestehende Eigenständigkeit einer jeden Maschine –sowohl was ihre Funktion im Rahmen des Fertigungsprozesses als auch was das äußere Erscheinungsbild einer Fertigungsstraße anbelangt– abgestellt und auch die Verbindung der verschiedenen Maschinen im Zuge der Verkettung nicht als unüberwindliches Hindernis angesehen.

Vorläufiger Rechtsschutz beim Grundstückserwerb durch Lebenspartner des Veräußerers

Vorläufiger Rechtsschutz beim Grundstückserwerb durch Lebenspartner des Veräußerers.

BFH Beschluss vom 18.6.2012, II B 17/12

Begründung:

Im Streitfall bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 GrEStG. Beim BVerfG sind mehrere Normenkontrollverfahren zu der Frage anhängig, ob § 3 Nr. 4 GrEStG (in der Fassung bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz –JStG– 2010 vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394) insoweit gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als zwar der Grundstückserwerb durch den Ehegatten, nicht aber durch den eingetragenen Lebenspartner des Veräußerers von der Grunderwerbsteuer befreit ist .

Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus der Errichtung einer Stromleitung

Zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus der Errichtung einer Stromleitung. Keine Aufteilung von Konzessionsabgaben.

BFH Urteil vom 14.3.2012, XI R 8/10

Begründung:
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Der Unternehmer ist hiernach zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG) und damit für seine nachhaltigen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt, die steuerpflichtig oder nach § 15 Abs. 3 UStG steuerfrei sind.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer BgA unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 KStG um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 Satz 2 KStG). Zu den BgA gehören auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung u.a. mit Elektrizität dienen (§ 4 Abs. 3 KStG). Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 KStG nicht hierzu.

Danach gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie hierfür als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. Diese Einrichtungen gelten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten, sofern ihr Umfang nicht unbedeutend ist. In Anhang D Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG sind u.a. Lieferungen von Elektrizität genannt.

 

Mietentschädigung gemäß § 8 Abs. 3 BUKG keine Werbungskosten

Der Werbungskostenabzug setzt eine Belastung mit Aufwendungen voraus. Das ist bei einem in Anlehnung an § 8 Abs. 3 BUKG ermittelten Mietausfall nicht der Fall. Als entgangene Einnahme erfüllt er nicht den Aufwendungsbegriff.

BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 25/10

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden . Danach sind auch Umzugskosten Werbungskosten, wenn der Umzug dienstlich veranlasst ist.  Das ist u.a. bei einem Arbeitsplatzwechsel, wie vorliegend, der Fall.

Bei einem beruflich veranlassten Umzug gelten hinsichtlich der im Einzelnen abziehbaren Kosten die allgemeinen Grundsätze. Die nach öffentlichem Umzugskostenrecht erstattungsfähigen Aufwendungen sind nicht ohne weiteres im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar. Soweit die Finanzverwaltung insoweit auf die Vorschriften des BUKG verweist (s. R 41 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 2005), findet dies dort seine Grenze, wo die Regelungen mit dem allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 EStG nicht vereinbar sind

Im Streitfall ist das FG von diesen Grundsätzen ausgegangen. Der Umzug des Klägers war zwar beruflich veranlasst. Dennoch ist die sog. Mietentschädigung nicht als Werbungskosten abziehbar. Der Werbungskostenabzug setzt nämlich eine Belastung mit Aufwendungen voraus. Davon ist auszugehen, wenn in Geld oder Geldeswert bestehende Güter aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen abfließen. Fehlt es an einem tatsächlichen Abfluss, liegen keine Aufwendungen vor, die als Werbungskosten abgezogen werden können. Entgangene Einnahmen, um die es hier geht, erfüllen ebenso wie der Verzicht auf Einnahmen nicht den Aufwendungsbegriff

Vermittler eines Schmuggelgeschäfts als Zollschuldner

Vermittler eines Schmuggelgeschäfts als Zollschuldner

BFH Urteil vom 28.2.2012, VII R 23/10

Begründung:

Diesen Vorwürfen liegt zugrunde, dass der Kläger über die Internetplattform eBay, auf der er zwei Shops unter seinem Namen unterhalten hat, die betreffenden Waren ( rd. 800 Bekleidungsgegenstände) in Auktionen eingestellt, nach einem Vertragsabschluss das Entgelt vereinnahmt und mit der Bestellung an den chinesischen Händler, wie mit diesem vereinbart, weitergeleitet hat. Diesem oblag die Preisgestaltung, die Beschaffung der Waren und deren Versand in die Union.

Nach der Vorabentscheidung des EuGH, deren rechtliche Beurteilung der erkennende Senat in diesem Verfahren zugrunde zu legen hat, und den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden und deren Richtigkeit aber auch im Wesentlichen nicht streitig ist, hat der Kläger die vom EuGH aufgeführten objektiven Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme als Zollschuldner erfüllt, weil er, ohne allerdings am vorschriftswidrigen Verbringen der betreffenden Waren in das Zollgebiet der Union unmittelbar mitzuwirken, den Abschluss der Kaufverträge über die betreffenden Waren vermittelt hat. Er ist dadurch als Beteiligter des vorschriftswidrigen Verbringens Zollschuldner geworden, sofern er auch die subjektiven Voraussetzungen, die in Art. 202 Abs. 3 ZK aufgestellt sind, erfüllt.

Hinsichtlich der subjektiven Voraussetzung hatte der erkennende Senat den EuGH befragt, ob es ausreichend sei, dass der Zollschuldner eine Hinterziehung der Einfuhrabgaben (durch den Lieferanten oder die Gesteller) für denkbar halte, oder ob er nur dann Zollschuldner werde, wenn er fest damit rechne, eine Hinterziehung der Einfuhrabgaben werde geschehen. Diese Frage hat der EuGH zwar nicht ausdrücklich beantwortet. Er hat jedoch darauf hingewiesen, die Anforderung des ZK, die als am Verbringen beteiligt in Anspruch genommene Person wusste oder hätte vernünftigerweise wissen müssen, dass dieses Verbringen vorschriftswidrig war, impliziere, dass sie Kenntnis vom Vorliegen einer oder mehrerer Unregelmäßigkeiten hatte oder vernünftigerweise hätte haben müssen. Hiervon ist im Streitfall auszugehen. Die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des FG beschränken sich zwar weitgehend auf eine Schilderung der unstreitigen objektiven Umstände und eine Wiedergabe der Einlassung des Klägers gegenüber dem Zollfahndungsamt bei seiner Vernehmung als Beschuldigter. Der erkennende Senat entnimmt dem Urteil jedoch zusammenfassend die ihn bindende Feststellung dahin, dass der Kläger wusste oder zumindest hätte wissen müssen, dass die von seinem chinesischen Partner gelieferten Waren nicht vorschriftsgemäß in das Zollgebiet verbracht würden. Diese Annahme stellt eine zwar nicht zwingende, aber doch mögliche Schlussfolgerung aus den vorgenannten Umständen dar und ist mithin eine den erkennenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindende Feststellung.

Trennungsbedingte Umgangskosten des barunterhaltspflichtigen Elternteils sind keine außergewöhnliche Belastung

Trennungsbedingte Umgangskosten des barunterhaltspflichtigen Elternteils sind keine außergewöhnliche Belastung. Es besteht Gleichklang von Steuer- und Sozialrecht

BFH Beschluss vom 15.5.2012, VI B 111/11

Begründung:

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH  sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen. Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind dagegen ungeachtet ihrer Höhe im Einzelfall aus dem Anwendungsbereich des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ausgeschlossen. Sie werden in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 EStG) berücksichtigt. Familienbedingte Aufwendungen sind bis 1995 durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs (Freibeträge und Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz) und ab 1996 durch die Regelungen des Familienleistungsausgleichs (Freibeträge oder Kindergeld, vgl. § 31, § 32 Abs. 6 und X. Abschnitt EStG) abgegolten.

Zu den nicht außergewöhnlichen, bei typisierender Betrachtungsweise abgegoltenen Aufwendungen gehören  in der Regel die Kosten für Fahrten, um nahe Angehörige zu besuchen, es sei denn, die Fahrten werden ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit unternommen.

Durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs bzw. ab 1996 des Familienleistungsausgleichs sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auch die Kosten eines alleinstehenden Elternteils für Wochenendfahrten zu einem von ihm getrennt lebenden Kind in Erfüllung der elterlichen Pflicht zur Personensorge abgegolten.Die Aufwendungen eines geschiedenen, nicht sorgeberechtigten Vaters für Fahrten zu seinem Kind aufgrund seines Besuchsrechts nach § 1634 des Bürgerlichen Gesetzbuchs a.F. hat der BFH  ebenfalls als typische nicht nach § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigende Kosten der Lebensführung behandelt .

Qualifizierung der Einkünfte aus Eigenprostitution

Dem Großen Senat des BFH wird gemäß § 11 Abs. 2 FGO folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:  

Erzielt eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit gewerbliche oder sonstige Einkünfte?

BFH Beschluss vom 15.3.2012, III R 30/10

Begründung:
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 15. März 2012 III R 30/10 den Großen Senat des BFH zur Klärung der Frage angerufen, ob eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit (Eigenprostitution) gewerbliche oder sonstige Einkünfte erzielt.

Der Große Senat des BFH hatte sich mit dieser Frage bereits 1964 befasst und seinerzeit entschieden, dass Prostituierte keine gewerblichen Einkünfte erzielen, weil sie sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligten. Die "gewerbsmäßige Unzucht" falle aus dem Rahmen dessen, was das Einkommensteuergesetz unter selbständiger Berufstätigkeit verstanden wissen wolle; sie stelle das Zerrbild eines Gewerbes dar. Prostituierte erzielten sonstige Einkünfte, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen.

Der III. Senat vertritt in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass daran wegen der geänderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht mehr festzuhalten sei. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten habe deren Tätigkeit legalisiert. Sexuelle Dienstleistungen würden in der Boulevardpresse und im Internet umfangreich beworben, Prostituierte wendeten sich mit ihrem Angebot an andere Personen in deren Eigenschaft als Marktteilnehmer. Da die Klägerin ihre Leistungen bewerbe und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung erbringe, habe das Finanzamt zu Recht Gewerbesteuer festgesetzt.

Will ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senats oder – wie hier – des Großen Senats abweichen, muss er die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen. Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs und je einem Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt.

 

 

EuGH-Vorlage zur Abgabe von Zytostatika im Krankenhaus

Muss es sich bei dem eng verbundenen Umsatz um eine Dienstleistung gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG handeln?  

Falls Frage 1 zu verneinen ist: Liegt ein mit einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz nur vor, wenn dieser Umsatz durch denselben Steuerpflichtigen erbracht wird, der auch die Krankenhausbehandlung oder ärztliche Heilbehandlung erbringt?  

Falls Frage 2 zu verneinen ist: Liegt ein eng verbundener Umsatz auch dann vor, wenn die Heilbehandlung nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, sondern nach Buchst. c dieser Bestimmung steuerfrei ist?

BFH Entscheidung vom 15.5.2012, V R 19/11

Begründung (BFH)

Mit einem an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichteten Vorabentscheidungsersuchen vom 15. Mai 2012 V R 19/11 soll geklärt werden, ob die Abgabe von Zytostatika durch Krankenhausapotheken bei ambulanten Behandlungen in Krankenhäusern umsatzsteuerfrei ist. Die Finanzverwaltung sieht nur die ambulante Behandlung selbst, nicht aber auch die Lieferung derartiger Medikamente für ambulante Behandlungen als steuerfrei an.

Der Streitfall betrifft die ambulante Behandlung im Rahmen der sog. Chemotherapie, die entweder durch den Krankenhausträger selbst oder durch sog. ermächtigte Krankenhausärzte erbracht wird. Für beide Fälle der ambulanten Behandlung liefert der Krankenhausträger die in einer Krankenhausapotheke hergestellten Zytostatika. In beiden Fällen kann die Lieferung als mit der ambulanten Heilbehandlung eng verbundener Umsatz steuerfrei sein. Der Entscheidung durch den EuGH bedarf es, da die Vorschriften des nationalen Umsatzsteuerrechts in Übereinstimmung mit den Vorgaben des EU-Rechts, hier der Richtlinie 77/388/EWG, auszulegen sind und im Hinblick auf den Umfang der Steuerfreiheit nach der Richtlinie durch den EuGH zu klärende Auslegungszweifel bestehen.

Die Entscheidung des EuGH wird voraussichtlich von allgemeiner Bedeutung für die Umsatzbesteuerung von Krankenhausapotheken sein. Nicht streitig ist demgegenüber die Lieferung von Zytostatika bei stationären Behandlungen. Derartige Lieferungen sind auch nach Auffassung der Finanzverwaltung steuerfrei. Der Streitfall betrifft auch nicht die Lieferung von Zytostatika durch andere Apotheken als Krankenhausapotheken.


 

Zuständigkeit für die abweichende Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags

Der sog. Sanierungserlass (BMF-Schreiben vom 27. März 2003, BStBl I 2003, 240) ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit bei der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 Satz 1 AO ergeben; zuständig dafür sind die Gemeinden.

BFH Urteil vom 25.4.2012, I R 24/11

Begründung:
Steuern können nach § 163 Satz 1 AO niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO schließt die Befugnis des Betriebsfinanzamtes (§ 22 Abs. 1 AO), Realsteuermessbeträge festzusetzen, auch die Befugnis zu Billigkeitsmaßnahmen i.S. von § 163 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Diese Voraussetzungen des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO liegen im Streitfall nicht vor.

Der Sanierungserlass ist weder eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung noch eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Landesfinanzbehörde i.S. des § 184 Abs. 2 AO. Aus dem Sanierungserlass kann sich damit grundsätzlich keine Zuständigkeit des FA zur abweichenden Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 163 AO ergeben.