Umqualifizierung eines als Veräußerungsgewinn festgestellten Gewinns in laufenden Gewinn bei gewerblichem Grundstückshandel

Das Wohnsitz-FA darf den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft auch dann in einen laufenden Gewinn im Rahmen eines vom Kläger betriebenen gewerblichen Grundstückshandels umqualifizieren, wenn er im Feststellungsbescheid als Veräußerungsgewinn bezeichnet worden ist.

BFH Urteil vom 18.4.2012, X R 34/10

Begründung:

Indes durfte das FA auch auf der Grundlage der bindenden Feststellung, die ABC-GbR sei gewerblich tätig gewesen, auf der Ebene des Klägers eine zusammenfassende Betrachtung von dessen auf dem Grundstücksmarkt unternommenen Aktivitäten vornehmen und den festgestellten Veräußerungsgewinn in einen laufenden Gewinn umqualifizieren.

Seit der Entscheidung des Großen Senats bezieht die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse einer sachlich zutreffenden Besteuerung des Gesellschafters alle Tätigkeiten auf dem Gebiet des Grundstückshandels, die dem Gesellschafter zuzurechnen sind, in eine Gesamtwürdigung nach Maßgabe des jeweils einschlägigen Steuertatbestands ein. Dabei hat der Große Senat ausdrücklich nicht danach differenzieren wollen, ob die unter Beteiligung Dritter abgewickelten Grundstücksgeschäfte auf der Gesellschaftsebene als gewerblich oder lediglich vermögensverwaltend anzusehen sind. Auch dürfe der Gesellschafter nicht in Abhängigkeit davon unterschiedlich besteuert werden, ob An- und Verkaufsgeschäfte von der Gesellschaft oder von ihm selbst getätigt werden. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen nimmt der erkennende Senat auf die umfangreichen Ausführungen in der vorgenannten Entscheidung des Großen Senats Bezug.

 

Anwendbarkeit des Halbabzugsverbots auf Teilwertabschreibungen auf Gesellschafterdarlehen und auf Forderungsverzichte bei nicht mehr werthaltigen Gesellschafterdarlehen

Substanzverluste von im Betriebsvermögen gehaltenen Gesellschafterdarlehen aufgrund von Wertminderungen, wie sie durch Teilwertabschreibungen abgebildet werden, unterliegen –unabhängig von der Frage der Fremdüblichkeit der Darlehensüberlassung und einer etwaigen Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis– mangels wirtschaftlichen Zusammenhangs mit nach § 3 Nr. 40 EStG hälftig steuerbefreiten Beteiligungserträgen nicht dem Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG (gegen BMF-Schreiben vom 8. November 2010, BStBl I 2010, 1292, Nr. 2).

Diese Grundsätze gelten entsprechend im Falle des Verzichts auf ein nicht mehr werthaltiges Gesellschafterdarlehen.

BFH Urteil vom 18.4.2012, X R 7/10

Begründung:

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens grundsätzlich mit den Anschaffungskosten zu bewerten. Bei Begründung der Forderung durch Vertrag entsprechen die Anschaffungskosten dem Nennwert. Ist der Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger, so kann dieser angesetzt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG). Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 5 Abs. 1 EStG ermitteln, ergibt sich aufgrund des Grundsatzes der Maßgeblichkeit und des handelsrechtlichen strengen Niederstwertprinzips für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (§ 253 Abs. 3 HGB) bei gesunkenem Teilwert steuerrechtlich eine Pflicht zur Teilwertabschreibung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann in Fällen der Betriebsaufspaltung der Teilwert einer Forderung des Besitzunternehmens gegen die Betriebsgesellschaft –dem Grunde nach– jedoch nur nach denselben Kriterien abgeschrieben werden, die für die Teilwertabschreibung der Beteiligung am Betriebsunternehmen durch das Besitzunternehmen bestehen. Es ist eine Gesamtbetrachtung der Ertragsaussichten von Besitz- und Betriebsunternehmen notwendig; sind die Ertragsaussichten dauerhaft so gering, dass der gedachte Erwerber des Besitzunternehmens für die Anteile am Betriebsunternehmen einen Preis zahlen würde, der unter dem Buchwert der Beteiligung am Betriebsunternehmen liegt, ist eine Teilwertabschreibung der Darlehensforderung gerechtfertigt.

Ein unrichtiger Bilanzansatz ist grundsätzlich im Fehlerjahr oder –soweit dies wegen Bestandskraft, Festsetzungsverjährung oder mangels Korrekturvorschriften nicht möglich ist– nach dem Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs in der ersten, verfahrensrechtlich noch "offenen" Schlussbilanz richtigzustellen, und zwar grundsätzlich erfolgswirksam.

 

“Offensichtlich verkehrsgünstigere” Straßenverbindung und Fährverbindung

Im Rahmen der Bestimmung der kürzesten Straßenverbindung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ist auch eine Fährverbindung einzubeziehen.    

Besonderheiten einer Fährverbindung wie Wartezeiten, technische Schwierigkeiten oder Auswirkungen der Witterungsbedingungen auf den Fährbetrieb können dazu führen, dass eine andere Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" anzusehen ist als die kürzeste Straßenverbindung.

BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 53/11

Begründung:

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Aufwendungen des Arbeitnehmers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer in Höhe von 0,30 EUR anzusetzen. Für die Bestimmung der Entfernung ist die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als die kürzeste Straßenverbindung kann zugrunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG).

 Verkehrsgünstiger als die kürzeste Straßenverbindung kann eine andere Route dann sein, wenn eine Zeitersparnis erzielt wird. Konkrete zeitliche Vorgaben müssen insoweit nicht erfüllt sein. Insbesondere kann nicht in jedem Fall eine Zeitersparnis von 20 Minuten gefordert werden. Die Frage, ob eine Straßenverbindung als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Route angesehen werden kann, ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Da das Merkmal der Verkehrsgünstigkeit auch andere Umstände als eine Zeitersparnis beinhaltet, kann eine Straßenverbindung auch dann "offensichtlich verkehrsgünstiger" sein als die kürzeste Verbindung, wenn sich dies aus Besonderheiten einer im Rahmen der kürzesten Straßenverbindung zu nutzenden Fährverbindung wie langen Wartezeiten, häufig auftretenden technischen Schwierigkeiten oder Auswirkungen der Witterungsbedingungen auf den Fährbetrieb ergibt. Führen solche Umstände dazu, dass sich der Steuerpflichtige auf den Fährbetrieb im Rahmen der Planung von Arbeitszeiten und Terminen nicht hinreichend verlassen kann, so ist dies im Rahmen der Beurteilung der Verkehrsgünstigkeit einer Straßenverbindung zu berücksichtigen.

Erweist sich eine vom Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte genutzte Straßenverbindung nicht als "offensichtlich verkehrsgünstiger" als die kürzeste Verbindung, so können Kosten für die Fähre nicht als Werbungskosten angesetzt werden, wenn der Steuerpflichtige die Fährverbindung tatsächlich nicht genutzt hat. Die unterschiedliche Behandlung eines Steuerpflichtigen, der die vom Gesetzgeber zum Abzug zugelassenen Aufwendungen für die kürzeste Straßenverbindung einschließlich tatsächlich angefallener Fährkosten geltend macht, gegenüber einem Steuerpflichtigen, der eine andere nicht "offensichtlich verkehrsgünstigere" Verbindung gewählt hat, folgt unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung, die der Berechnung der als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen die kürzeste Verbindung zugrunde legt.

 

Wohnen am Beschäftigungsort bei doppelter Haushaltsführung

Eine Wohnung dient dem Wohnen am Beschäftigungsort, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Entscheidung darüber, ob eine solche Wohnung so gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht.

BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 59/11

Begründung:

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.

Das Gesetz selbst konkretisiert nicht weiter, was unter dem Wohnen am Beschäftigungsort im Einzelnen zu verstehen ist. Es entspricht allerdings schon der bisherigen langjährigen Rechtsprechung des erkennenden Senats, den Begriff des Beschäftigungsorts weit auszulegen und darunter insbesondere nicht nur dieselbe politische Gemeinde zu verstehen. So hatte der Senat bereits entschieden, dass ein Arbeitnehmer auch dann am Beschäftigungsort i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG wohnt, wenn er in der Umgebung der politischen Gemeinde wohnt, in der sich seine Arbeitsstätte befindet, und von hier aus zur Arbeitsstätte fährt.

Daran hält der Senat grundsätzlich fest. Der Tatbestand der doppelten Haushaltsführung selbst konkretisiert das Merkmal des Wohnens am Beschäftigungsort. Denn liegt eine doppelte Haushaltsführung dann vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt, und ist die Errichtung des Zweithaushalts am Beschäftigungsort beruflich veranlasst, wenn der Arbeitnehmer den Zweithaushalt unterhält, um von dort aus seinen Arbeitsplatz aufsuchen zu können, dann wohnt der Arbeitnehmer in einer Wohnung am Beschäftigungsort, wenn er von dort aus ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen seine Arbeitsstätte täglich aufsuchen kann. Dementsprechend haben auch bisher schon Entscheidungen der Finanzgerichte sowie die Kommentarliteratur eine Wohnung am Beschäftigungsort bejaht, wenn sie in einem Bereich liegt, von dem aus der Arbeitnehmer üblicherweise täglich zu diesem Ort fahren kann.

 

Privater oder betrieblicher Erwerb eines Grundstücks

Privater oder betrieblicher Erwerb eines Grundstücks

BFH Beschluss vom 25.4.2012, III B 23/11

Begründung:

Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob im Gegensatz zu betriebsfremden Risikogeschäften ein betrieblich veranlasstes Risikogeschäft in Form des Ankaufs eines unbebauten Grundstücks als Betriebserweiterungsfläche dem Betriebsvermögen zuzuordnen sei, betrifft ebenfalls die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Diese Frage könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, da das FG die betriebliche Veranlassung des Grundstückskaufs verneint hat, weil es an der gewerblichen Nutzungsmöglichkeit fehlte und vom Kläger ein überhöhter Kaufpreis gezahlt wurde.

Das FG hat im Übrigen weder festgestellt, dass die Anschaffung der Grundstücke für das Unternehmen des Klägers unentbehrlich gewesen sei, noch dass eine private Veranlassung des Erwerbs ausgeschlossen werden könne.

 

Au-Pair-Aufenthalte im Ausland als Ausbildung

Sprachaufenthalte im Ausland im Rahmen eines Au-Pair- Aufenthaltes könnten nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung (z.B. dem Besuch eines Colleges oder einer Universität) verbunden seien oder von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von im Regelfall mindestens zehn Wochenstunden begleitet würden

BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 59/08

Begründung:

Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen.

Eine Berufsausbildung kann auch im Ausland absolviert werden. Sofern ein Kind dort z.B. eine Universität oder Fachschule besucht oder ein Praktikum zur Erlangung beruflicher Qualifikationen ableistet, kann es auch dann berücksichtigt werden, wenn zugleich ein Au-pair-Verhältnis besteht. Ein Au-pair-Verhältnis dient regelmäßig nicht der Ausbildung; es schließt die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wegen einer anderweitigen Ausbildung jedoch ebenso wenig aus wie ein neben der Ausbildung bestehendes Wehrdienstverhältnis.

Nicht jeder Auslandsaufenthalt, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Ausbildung für einen Beruf. Zwecks Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung –z.B. zur Verbesserung der Selbstständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen–, werden Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung daher nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss. Dabei ist grundsätzlich eine Durchschnittsbetrachtung für die Dauer des gesamten Aufenthaltes anzustellen, so dass bei insgesamt hinreichend umfangreichem Unterricht die Berücksichtigung in einem Ferienmonat nicht unterbrochen wird. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate gleichwohl als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie –z.B. infolge von Blockunterricht oder Lehrgängen– durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden.

Sprachaufenthalte im Ausland können darüber hinaus unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand des Kindes erfordert. Dies kann z.B. darauf beruhen, dass Einzelunterricht oder fachlich orientierter Sprachunterricht.

 

Kein Kindergeld während einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten

Kein Kindergeld während einer Übergangszeit von mehr als vier Monaten zwischen Ausbildungsabschnitt und gesetzlichem Pflichtdienst.

BFH Urteil vom 24.5.2012, III R 25/09

Begründung:

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (s. § 118 Abs. 2 FGO) scheidet eine Berücksichtigung des S nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG aus, weil er nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet war.

Ebenso kann S nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als Kind berücksichtigt werden. Nach dieser Vorschrift wird ein Kind, das das 18., aber –wie S im Streitzeitraum– noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es sich u.a. in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes befindet. Im Streitfall lag jedoch eine Übergangszeit von sechs Monaten (August 2007 bis Januar 2008) zwischen dem Schulabschluss und dem Beginn des Zivildienstes vor. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift kommt bei einem Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht.

 

Selbständige Nutzbarkeit geringwertiger Wirtschaftsgüter

Bestimmung der selbständigen Nutzungsfähigkeit von geringwertigen Wirtschaftsgütern nach den konkreten betrieblichen Umständen.

BFH Beschluss vom 9.5.2012, III B 198/11

Begründung:

Die Klägerin ist der Auffassung, es müsse geklärt werden, dass es für die Frage, ob es sich bei den einzelnen Gegenständen um geringwertige Wirtschaftsgüter handele, darauf ankomme, ob die einzelnen Gitterboxpaletten und Sichtbehälter nach den konkreten Verhältnissen im jeweiligen Unternehmen selbständig nutzbar seien oder ob sie nach ihrer konkreten betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen –auf sie technisch abgestimmten– Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden könnten. Die grundsätzliche Bedeutung ergebe sich daraus, dass die Einordnung identischer Wirtschaftsgüter als selbständig nutzbare geringwertige oder aber als nur gemeinsam mit anderen nutzbare Wirtschaftsgüter von der jeweiligen speziellen betrieblichen Zweckbestimmung im konkreten Unternehmen abhängig sei.

Nch § 6 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist ein Wirtschaftsgut einer selbständigen Nutzung nicht fähig, wenn es nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden kann und die in diesem Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt sind; dem steht nicht entgegen, dass das Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Nutzungszusammenhang gelöst und in einen anderen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügt werden kann (§ 6 Abs. 2 Satz 3 EStG).

Bereits daraus ergibt sich, dass es für die Einordnung als geringwertiges Wirtschaftsgut nicht auf eine generalisierende Betrachtung bestimmter Arten von Wirtschaftsgütern nach der Verkehrsauffassung, sondern auf die konkrete betriebliche Zweckbestimmung in dem konkreten Betrieb ankommt. Zudem hat der BFH bei der einkommensteuerrechtlichen Einordnung von Peripheriegeräten eines PC dargelegt, dass es auf die tatsächliche Verwendung der betreffenden Geräte im Einzelfall ankommt.

 

Einheitlicher Erwerbsgegenstand bei 19 Monate nach dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossenem Generalübernehmervertrag

Das Vorliegen eines einheitlichen Erwerbsgegenstands wird indiziert, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot annimmt. Dies gilt auch, wenn das Angebot nach Abschluss des Kaufvertrags unwesentlich geändert wird.

Ein einheitlicher Erwerbsgegenstand kann aufgrund besonderer Umstände auch vorliegen, wenn der Käufer das Angebot erst 19 Monate nach Abschluss des Kaufvertrags annimmt.

Gegen die ständige Rechtsprechung des BFH zum einheitlichen Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht bestehen keine durchgreifenden unionsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Bedenken

BFH Urteil vom 28.3.2012, II R 57/10

Begründung:

Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand.

Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Ein solcher Zusammenhang ist nicht nur gegeben, wenn der Erwerber beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags gegenüber der Veräußererseite in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde. Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen Kauf- und Bauvertrag wird vielmehr auch indiziert, wenn der Veräußerer dem Erwerber vor Abschluss des Kaufvertrags über das Grundstück aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot später annimmt. Dabei ist es unerheblich, ob tatsächlich (oder rechtlich) auch eine andere als die planmäßige Gestaltung hätte vorgenommen werden können. Abweichungen von der ursprünglichen Planung der Veräußererseite, die den üblichen Rahmen nicht überschreiten, schließen den objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen den Verträgen nicht aus. Diese Grundsätze gelten auch für den Erwerb bebauter Grundstücke, bei denen es lediglich um die Modernisierung, Sanierung und/oder den Ausbau eines bereits vorhandenen Gebäudes geht.

 

Kosten der Rekultivierung sind nicht Bestandteil gewerbesteuerlich hinzuzurechnender Pachtzinsen

Kosten der Rekultivierung sind nicht Bestandteil gewerbesteuerlich hinzuzurechnender Pachtzinsen

Leitsatz

Ist mit der behördlichen Genehmigung zum Abbau eines Bodenschatzes durch den Grundstückspächter eine Verpflichtung zur Rekultivierung verbunden, sind die Zuführungen zur Rekultivierungsrückstellung nicht wirtschaftlicher Bestandteil der an den Grundstückseigentümer zu leistenden Pachtzinsen. Sie erhöhen deshalb nicht den nach § 8 Nr. 7 GewStG a.F. hinzuzurechnenden Betrag für geleistete Pachtzinsen.

BFH Urteil vom 21.6.2012, IV R 54/09

Begründung:

Nach § 8 Nr. 7 Satz 1 GewStG wird dem Gewinn die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines Anderen stehen, hinzugerechnet, soweit die Miet- und Pachtzinsen bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Die Hinzurechnung verfolgt den Zweck, Unternehmen ungeachtet der Nutzung eigenen oder fremden Vermögens derselben gewerbesteuerlichen Belastung zu unterwerfen. Während der Reinertrag aus der Nutzung eigenen Anlagevermögens unmittelbar in den Gewerbeertrag eingeht, soll der Reinertrag aus der Nutzung von gepachtetem oder gemietetem Anlagevermögen typisiert durch die Hinzurechnung der Hälfte der gewinnmindernd behandelten Miet- und Pachtzinsen mit Gewerbesteuer belastet werden.

Den Begriff der Miet- und Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG hat die Rechtsprechung von jeher wirtschaftlich verstanden. Dementsprechend hat der BFH auch die vom Mieter oder Pächter übernommenen Kosten für Instandhaltung und Versicherung als Bestandteil der Miet- und Pachtzinsen angesehen, soweit diese Kosten nach den für den in Frage stehenden Vertragstyp gültigen gesetzlichen zivilrechtlichen Vorschriften nicht ohnehin der Mieter oder Pächter zu tragen hätte. Bei einem wirtschaftlichen Verständnis des Begriffs der Miet- und Pachtzinsen können nicht nur bereits entstandene Kosten, sondern auch Zuführungen zur Rückstellung für künftig entstehende Kosten als Bestandteil der Miet- und Pachtzinsen angesehen werden. Nach ständiger Rechtsprechung wird die zeitlich begrenzte Überlassung von Grundstücken zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze grundsätzlich sowohl zivil- als auch steuerrechtlich als Pachtverhältnis beurteilt. Das für den Abbau des Bodenschatzes gezahlte Entgelt ist dementsprechend als Pachtzins i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG anzusehen.

Vom Abbauberechtigten darüber hinaus übernommene Lasten sind nach den vorstehenden Grundsätzen Bestandteil des Pachtzinses, wenn sie nach der für das Rechtsverhältnis typischen Lastenverteilung an sich vom Verpächter zu tragen wären. Bei der danach vorzunehmenden Beurteilung des Rechtsverhältnisses sind nicht nur zivilrechtliche, sondern auch alle anderen rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Im Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen müssen deshalb auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen bei der Bestimmung der typischen Lastenverteilung berücksichtigt werden. Treffen danach sowohl den Grundstückseigentümer als auch den Abbauberechtigten Rekultivierungsverpflichtungen entweder unmittelbar aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen oder aufgrund von Verwaltungsakten, kann die Verpflichtung typischerweise keinem der Beteiligten des Pachtverhältnisses allein zugerechnet werden. Der Abbauberechtigte erfüllt mit der Übernahme der Rekultivierung nicht nur eine Pflicht des Grundstückseigentümers, sondern zugleich eine eigene Verpflichtung. Die Kosten der Rekultivierung sind in einem solchen Fall folglich nicht als Bestandteil der Miet- und Pachtzinsen i.S. des § 8 Nr. 7 GewStG zu behandeln. Gleiches muss für die Zuführungen zu einer Rückstellung für die Rekultivierungsverpflichtung gelten.

Im Streitfall kann die Zuführung zur Rekultivierungsrückstellung durch die Klägerin danach nicht als Bestandteil der hinzuzurechnenden Miet- und Pachtzinsen behandelt werden. Denn unstreitig war die Klägerin nach dem Bayerischen Abgrabungsgesetz bzw. den Naturschutzgesetzen sowie der Genehmigung durch das Landratsamt selbst zur Rekultivierung verpflichtet. Im Übrigen ordnet –worauf das FG zu Recht hingewiesen hat– auch der Vertrag über das Substanzgewinnungsrecht dem Eigentümer des "dienenden" Grundstücks keine (auch nicht teilweise) Rekultivierungsverpflichtung zu, ohne dass erkennbar wäre, dass dies der typischen Lastenverteilung bei derartigen Rechtsgeschäften nicht entspricht. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind insoweit rechtswidrig, als sie auf einer Hinzurechnung der Zuführungen zu den Rückstellungen in den Streitjahren beruhen.