Die Beantwortung der Frage, ob eine alleinerziehende Mutter ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht ausübt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und kann nicht allgemein in einem Revisionsverfahren entschieden werden.
BFH Beschluss vom 03.02.2015 – III B 37/14 BFHNV 2015 S. 857 f.
Sachverhalt:
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erzielte in den Streitjahren (2008 bis 2010) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Darüber hinaus arbeitete sie selbständig als Rechtsanwältin. Aus dieser Tätigkeit machte sie für das Jahr 2000 sowie für die Jahre 2002 bis 2010 Verluste geltend, die sich jährlich auf Beträge zwischen 315,23 EUR und 8.313,17 EUR beliefen.
Die Klägerin gab für die Streitjahre zunächst keine Steuererklärungen ab. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) schätzte daher die Besteuerungsgrundlagen und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide. Dagegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch und Klage. Im Verlauf des Klageverfahrens legte sie Steuererklärungen vor. Das FA erließ daraufhin geänderte Einkommensteuerbescheide. Dabei berücksichtigte es die erklärten Verluste aus der Rechtsanwaltstätigkeit nicht. Die Klage, die sich nunmehr gegen die Änderungsbescheide richtete, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte eine Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg und wird deshalb durch Beschluss zurückgewiesen. Die von der Klägerin vorgebrachten Zulassungsgründe wurden entweder nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Weise vorgebracht oder liegen nicht vor.
Die Klägerin hat im Streitfall keine abstrakte Rechtsfrage herausgestellt, die in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte. Ob die Verluste, die eine alleinerziehende (Pflege-)Mutter aus ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin erzielt, mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten verrechnet werden können oder ob diese Verluste wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht steuerlich unbeachtlich sind, ist eine Frage des Einzelfalls und kann nicht allgemein in einem Revisionsverfahren entschieden werden. Das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht bei einer Tätigkeit als Rechtsanwalt war Gegenstand eines BFH-Urteils. Mit diesem Urteil hat sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt. Aus ihm geht hervor, dass die Finanzgerichte als Tatsachengerichte die Umstände des Einzelfalls anhand der vom BFH aufgestellten Rechtsgrundsätze würdigen und darüber entscheiden müssen, ob eine Tätigkeit als Rechtsanwalt mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wird oder nicht. Weshalb diese Grundsätze bei einer als Rechtsanwältin tätigen (Pflege-)Mutter nicht oder nur eingeschränkt gelten sollen, geht aus dem Vorbringen der Klägerin nicht hervor und ist auch –trotz des Hinweises auf Art. 6 GG und Art. 12 GG– nicht ersichtlich.
- b) Die Klägerin hat in der Beschwerdebegründung längere Passagen aus dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg in EFG 2014, 39 wiedergegeben. Eine Divergenz hat sie damit noch nicht dargelegt. Aus ihrem Vorbringen geht nicht hervor, dass die beiden FG-Entscheidungen einander widersprechende Rechtssätze enthalten. Der Hinweis darauf, dass in dem Urteil des FG Berlin-Brandenburg in EFG 2012, 39 das Gesellschafter von Immobilien-Vorratsgesellschaften betrifft, eine Gewinnerzielungsabsicht bejaht worden sei, nicht aber im Streitfall, genügt nicht.
Schließlich hat die Beschwerde auch insoweit keinen Erfolg, als die Klägerin als Verfahrensmangel die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, weil das FG bei seiner Gewinnprognose nicht ihren Vortrag beachtet habe, wonach sie ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin mindestens bis zum 77. Lebensjahr ausüben wolle.
Das FG hat bei der Prüfung eines möglichen Totalgewinns aus der Rechtsanwaltstätigkeit der Klägerin das Jahr 2024 als das letzte Jahr einer solchen Tätigkeit angesehen. In diesem Jahr wird die Klägerin im Erlebensfall 71 Jahre alt sein. Das FG hat das Jahr 2024 als zeitliche Grenze herangezogen, weil die Klägerin im Schreiben an das FG vom 16. August 2013 angegeben hatte, dass sie „voraussichtlich bis mindestens” bis zum Jahr 2024 als Rechtsanwältin tätig sein wolle. Das FG hat somit eine berufliche Tätigkeit der Klägerin als Rechtsanwältin bis zu einem Lebensalter unterstellt, das weit oberhalb der üblichen Altersgrenze liegt.
Allein deshalb, weil die Klägerin in einem an das FA gerichteten Schreiben vom 31. Mai 2013 behauptet hatte, dass sie mindestens bis zum Jahr 2030 und somit bis zu ihrem 77. Lebensjahr tätig sein wolle, brauchte das FG seine Gewinnprognose nicht bis zu diesem Jahr auszudehnen und zu unterstellen, dass die Klägerin im fortgeschrittenen Alter als Anwältin wirtschaftlich erfolgreicher sein werde als in jüngeren Jahren.
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht darin zu sehen, dass das FG den Angaben der Klägerin nicht gefolgt ist. Denn aus dem Verfahrensgrundsatz des rechtlichen Gehörs ergibt sich kein Anspruch darauf, dass das Gericht einen Verfahrensbeteiligten „erhört”, sich also seinen rechtlichen Ansichten oder seiner Sachverhaltswürdigung anschließt.