Keine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bei Angabe von Sitz und Adresse der Behörde nur im Briefkopf des Bescheides

Für die Rechtsbehelfsbelehrung genügt regelmäßig die Angabe der amtlichen Bezeichnung der den Bescheid erlassenden Behörde und der Gemeinde, in der die Behörde ihren Sitz hat, wenn sich beides dem angefochtenen Bescheid entnehmen lässt.

BFH Beschluss vom 18.03.2016 – V B 1/16 (NV) BFH/NV 2016, 997

 

Begründung:

Im Streitfall ist die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist, bei der sich der Sitz –einschließlich der Adresse– der Familienkasse nur dem Briefkopf des Bescheides, nicht aber der Rechtsbehelfsbelehrung selbst entnehmen lässt, durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt:

Danach ist eine Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO, und damit auch i.S. des § 356 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), wenn sie in einer der gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 FGO oder § 356 Abs. 1 Satz 1 AO wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch –bei objektiver Betrachtung– die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint). Für die Rechtsbehelfsbelehrung genügt regelmäßig die Angabe der amtlichen Bezeichnung der den Bescheid erlassenden Behörde und der Gemeinde, in der die Behörde ihren Sitz hat, wenn sich beides dem streitbefangenen Bescheid entnehmen lässt.

Geklärt ist damit auch die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage, ob sich aus der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides nicht die genaue Adresse der Familienkasse ergeben müsse, wenn sich deren Sitz –wie hier– aus dem angefochtenen Bescheid selbst ergibt. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind im Streitfall keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung durch den BFH geboten erscheinen lassen.

Soweit die Klägerin sich auf eine anderslautende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus dem Jahr 1978 beruft (BVerwG–Beschluss vom 13. März 1978  4 B 7/78), war diese bei Ergehen der zitierten finanzgerichtlichen Rechtsprechung überwiegend bereits bekannt und kann daher nicht als “neuer” Gesichtspunkt in diesem Sinne gelten. Entgegen der Darstellung der Klägerin hat das BVerwG in seiner jüngeren Rechtsprechung keine von der zitierten BFH-Rechtsprechung abweichenden Rechtsgrundsätze aufgestellt: So hat das BVerwG lediglich entschieden, dass eine Rechtsmittelbelehrung jedenfalls dann nicht vollständig ist, wenn sich der Sitz des Rechtsmittelgerichts weder der Rechtsmittelbelehrung noch dem restlichen Inhalt des angefochtenen Beschlusses entnehmen lässt. Diese Aussage steht indes im Einklang mit der dargestellten Rechtsauffassung des BFH und der einschlägigen Kommentarliteratur; ein erneuter Klärungsbedarf ergibt sich deshalb daraus nicht.

Zu den Anforderungen an eine unmissverständliche Rechtsbehelfsbelehrung in einem Bescheid

Eine Rechtsbehelfsbelehrung in einem Bescheid, wonach der Bescheid mit dem Einspruch angefochten werden kann, wird nicht dadurch unrichtig i.S. von § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn es anschließend weiter heißt: “Ein Einspruch ist jedoch ausgeschlossen, soweit dieser Bescheid einen Verwaltungsakt ändert oder ersetzt, gegen den ein zulässiger Einspruch oder (nach einem zulässigen Einspruch) eine zulässige Klage, Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde anhängig ist. In diesem Fall wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens”.

BFH Beschluss vom 6.7.2016, XI B 36/16

Abfluss von Betriebsausgaben bei unbarer Zahlung im Lastschriftverfahren

Die Frage, in welchem Kalenderjahr eine mittels Lastschriftverfahren bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 1 Satz 2 EStG abgeflossen ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Es bestehen keine Zweifel, dass bei einer Zahlung im Lastschriftverfahren ein Abfluss i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG bereits dann vorliegt, wenn der Steuerpflichtige durch die Erteilung der Einzugsermächtigung und eine ausreichende Deckung seines Girokontos alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Zahlung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu gewährleisten. Wann der Leistungserfolg eintritt, ist unerheblich.

Dem steht nicht entgegen, dass der Schuldner im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren der Belastung seines Kontos innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen kann, da in diesem Fall ein Abfluss zu verneinen wäre.

BFH Beschluss vom 08.03.2016 – VIII B 58/15 (NV) BFH/NV 2016, 1008

Begründung:

Die von dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, in welchem Kalenderjahr eine mittels Lastschriftverfahren bewirkte Umsatzsteuervorauszahlung gemäß § 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abgeflossen ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).

Es bestehen keine Zweifel, dass die Rechtsprechung des BFH zum Abfluss von Betriebsausgaben bei unbaren Zahlungen per Überweisung auf den vorliegenden Fall zu übertragen ist. Danach liegt auch bei einer Zahlung im Lastschriftverfahren ein Abfluss i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG bereits dann vor, wenn der Steuerpflichtige durch die Erteilung der Einzugsermächtigung und eine ausreichende Deckung seines Girokontos alles in seiner Macht stehende getan hat, um die Zahlung der Steuerschuld zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu gewährleisten. Wann der Leistungserfolg eintritt, ist unerheblich  Dies entspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 224 Abs. 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO), nach der bei Vorliegen einer Einzugsermächtigung die Zahlung –unabhängig vom Zeitpunkt der Gutschrift beim Zahlungsempfänger– am Fälligkeitstag als entrichtet gilt. Dem steht nicht entgegen, dass der Schuldner im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren der Belastung seines Kontos innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen kann, da in diesem Fall ein Abfluss zu verneinen wäre.

Nach dieser Entscheidung ist für die Frage, zu welchem Kalenderjahr eine Zahlung i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 EStG wirtschaftlich gehört, nicht auf die Fälligkeit der Forderung abzustellen, sondern darauf, für welchen Zeitraum sie geleistet wurde. Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen und hat die streitige Umsatzsteuervorauszahlung für November 2012 trotz ihrer Fälligkeit am 10. Januar 2013 wirtschaftlich als Betriebsausgabe dem Jahr 2012 zugeordnet.

Vertrauensschutz anlässlich der Änderung der Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei unrichtigem Steuerausweis

In Fällen, in denen aufgrund der Anwendung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO die Vorsteuer nach den Grundsätzen des BFH-Urteils Senatsurteil vom 19. Mai 1993 V R 110/88in zu berichtigen ist, erfordert die Berichtigung der Vorsteuer beim Leistungsempfänger nach Rechnungsberichtigung nicht, dass der Rechnungsaussteller die vom Leistungsempfänger an ihn bezahlte Umsatzsteuer bereits an den letzteren zurückgezahlt hat.

BFH Urteil vom 02.03.2016 – V R 16/15 (NV) BFH/NV 2016, 1074

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Festsetzung der Umsatzsteuer gemäß dem Antrag des FA und Abweisung der Klage im Übrigen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Klägerin war trotz der geänderten Rechtsprechung des BFH in den Jahren 1993 bis 1997 aus Vertrauensschutzgründen zum Abzug der ausgewiesenen Vorsteuer berechtigt (§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO). Sie musste sich daher im Jahr der Rechnungskorrektur (2004) nach der alten, aufgegebenen Rechtsprechung behandeln lassen.

Nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofs des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden ist.

Zur Frage, ob der Vorsteuerabzug eine gesetzlich entstandene Steuer voraussetzt, hat sich die Rechtsprechung des Senats geändert. Nach der ursprünglichen Rechtsprechung des BFH war die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer abziehbar , so dass z.B. auch ein Steuerausweis für eine steuerfreie Leistung zum Vorsteuerabzug berechtigte.

An dieser Rechtsprechung hat der BFH nicht festgehalten. Nach der  Rechtsprechungsänderung ist der Leistungsempfänger im Umfang eines unrichtigen Steuerausweises in einer Rechnung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, sodass z.B. ein Steuerausweis für eine steuerfreie Lieferung nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Für die Anwendung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bedarf es keiner ständigen Rechtsprechung. Es genügt bereits eine ausdrückliche oder jedenfalls eindeutige Entscheidung Das Senatsurteil stellt eine solche ausdrückliche und eindeutige Entscheidung dar. Das EuGH-Urteil Genius Holding (EU:C:1989:635) steht dem nicht entgegen. Es war zum Zeitpunkt des Senatsurteils bereits veröffentlicht und wurde in dem Senatsurteil berücksichtigt. Im Hinblick auf diese zeitliche Abfolge war das zuerst (1989) veröffentlichte EuGH-Urteil nicht geeignet, Zweifel an der Rechtsprechung des Senats aus dem Jahr 1993 zu begründen.

Die Anwendung des § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO hat zur Folge, dass zugunsten des Steuerpflichtigen die bisherige Rechtslage vor Änderung der Rechtsprechung weiterhin maßgeblich ist. Er ist deshalb hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug so zu stellen, wie er bei Weitergeltung der bisherigen Rechtsprechung stünde.

Nach der bis zur Rechtsprechungsänderung maßgeblichen Rechtsauffassung war die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer abziehbar. Der Leistungsempfänger hatte deshalb bei Berichtigung der Rechnung durch den Leistenden den –nach früherer Auffassung zu Recht– in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG für den Besteuerungszeitraum zu berichtigen, in dem die Rechnung berichtigt worden war

Das FG hat der Klage zu Recht stattgegeben, soweit die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer in Steuerbescheiden berücksichtigt war, die am 6. August 1998 nicht mehr aufgehoben oder geändert werden konnten. Insoweit greift § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO nicht ein. § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO setzt voraus, dass für die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids eine Korrekturgrundlage besteht. Soweit es daran fehlt, ist auch eine Berichtigung der Vorsteuer entsprechend der früheren Rechtsprechung im Besteuerungszeitraum der Rechnungsberichtigung ausgeschlossen.

Demgegenüber war die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer, die in dem Umsatzsteuerbescheid für 1997 für die Klägerin und in den Umsatzsteuerbescheiden für 1995 und 1996 für die A KG berücksichtigt war, im Streitjahr zu berichtigen. Die Änderung dieser Bescheide war nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ausgeschlossen und die Voraussetzungen für die Berichtigung des Vorsteuerabzugs entsprechend der alten Rechtsprechung waren im Streitfall erfüllt. Den Steuerbescheiden lag, wie das FG nunmehr festgestellt hat, ein unrichtiger Steuerausweis zugrunde, der im Streitjahr 2004 berichtigt wurde.

Die Klägerin kann gegen die Berichtigung im Streitjahr nicht einwenden, dass die berichtigten Rechnungen der T-GmbH über einen unveränderten Bruttobetrag ausgestellt sind und die T-GmbH die ursprünglich zu viel ausgewiesene Umsatzsteuer nicht an sie zurückgezahlt hat. Selbst wenn dies der Fall war, würde es nicht zur Unwirksamkeit der Berichtigung führen.

Für die Berichtigung der Vorsteuer beim Leistungsempfänger nach Rechnungsberichtigung ist auch nicht erforderlich, dass der Rechnungsaussteller die vom Leistungsempfänger an ihn bezahlte Umsatzsteuer bereits an den Letzteren zurückgezahlt hat. Rückzahlungsansprüche des Leistungsempfängers sind auf dem Zivilrechtsweg zu verfolge). Hieran hält der Senat jedenfalls für Sachverhalte fest, in denen –wie im Streitfall– die Änderung der ursprünglichen Steuerbescheide entsprechend dem Senatsurteil nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO ausgeschlossen ist und die Vorsteuer zu berichtigen ist.

Soweit die Finanzverwaltung die Berichtigung der Rechnung nur nach Rückzahlung der zu hoch ausgewiesenen Steuer zulassen will, betrifft dies mit dem Streitfall nicht vergleichbare Sachverhalte.

Wurde ein zu hoch ausgewiesener Rechnungsbetrag bereits vereinnahmt und steht dem Leistungsempfänger aus der Rechnungsberichtigung ein Rückforderungsanspruch zu, ist nach Auffassung der Finanzverwaltung die Berichtigung des geschuldeten Mehrbetrags erst nach einer entsprechenden Rückzahlung an den Leistungsempfänger zulässig.

Die Finanzverwaltung geiht dabei mit der Rechtsprechung seit dem Senatsurteil davon aus, dass der Leistungsempfänger die zu hoch ausgewiesene Steuer nicht als Vorsteuer abziehen kann (vgl. Abschn. 14c.1 Abs. 1 Satz 6 UStAE). Diese Rechtsprechung findet im Streitfall aber keine Anwendung. Der Senat muss daher nicht entscheiden, ob sich aus ihr Gründe ergeben, die Berichtigung der Rechnung nur nach Rückzahlung des Mehrbetrags an den Leistungsempfänger zuzulassen.

Auch der Höhe nach ist die Vorsteuerberichtigung nach §§ 14c, 17 UStG, soweit sie noch strittig ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat dazu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, der Senat kann dies allerdings der Einspruchsentscheidung entnehmen. Daraus ergibt sich eine Minderung der Vorsteuer jedenfalls in dem Umfang, wie er dem Antrag des FA zugrunde liegt. Über eine weitere Minderung hat der Senat nicht zu entscheiden (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

Verböserungsverbot

Das Gericht darf eine von der Finanzbehörde vorgenommene Steuerfestsetzung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern (Verböserungsverbot).

Erklärt sich das FA in der mündlichen Verhandlung mit einer niedrigeren Festsetzung einverstanden, ändert es den Bescheid aber nicht, bleibt der Bescheid Maßstab des Verböserungsverbots.

Gelangt das FG zu einer höheren Festsetzung als sie dem Einverständnis des FA entspräche, so liegt nicht allein deshalb eine Überraschungsentscheidung vor.

Die Sachaufklärungspflicht des FG wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt. Drängten sich für den beratenden Beteiligten Angaben zur Sache auf, kann er nicht mit Erfolg geltend machen, das FG habe seine diesbezügliche Ermittlungspflicht verletzt.

BFH Beschluss vom 10.03.2016 – X B 198/15 (NV) BFH/NV 2016, 1042

Begründung:

,Das sogenannte Verböserungsverbot (Verbot der reformatio in peius), das teilweise aus § 96 FGO, jedenfalls aber aus Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet wird und in der Sache unstreitig ist, besagt, dass das Gericht eine von der Finanzbehörde vorgenommene Steuerfestsetzung nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen ändern, mithin keine höhere Steuerfestsetzung vornehmen darf.

Dies hat das FG befolgt. Es hat die Einkommensteuerfestsetzungen, wie sie von der Erhebung der Klage bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Gegenstand des Verfahrens waren, weder im Tenor seiner Entscheidung noch in der Begründung zu deren Lasten geändert, sondern es bei den seitens des FA angesetzten positiven Einkünften aus Gewerbebetrieb der Klägerin in Höhe von jeweils 5.000 EUR belassen.

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass das FA den Klageabweisungsantrag über den Zusatz “soweit” auf die Nichtberücksichtigung negativer Einkünfte beschränkt und sich mit dem Ansatz der Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb mit 0 EUR einverstanden erklärt hatte. Nach dem Vorstehenden ist die angefochtene Steuerfestsetzung, nicht aber der vom FA gestellte Antrag, Maßstab des Verböserungsverbots.

Der Antrag ist auch nicht in der Weise auszulegen, dass das FA damit konkludent die Bescheide geändert hätte, dies ungeachtet der Frage, ob eine derartige Auslegung grundsätzlich möglich wäre. Das FA hatte im Vorfeld die ausdrückliche Nachfrage des FG, ob es einen Änderungsbescheid etwa im Sinne der betriebsnahen Veranlagung erlassen habe, ebenso ausdrücklich verneint. Allerdings hätte die Begründung, es liege nach fortbestehender Auffassung des FA keine Gewinnerzielungsabsicht vor, auch eine Änderung des Bescheids nahegelegt, nur nicht im Sinne eines Verlusts, wie die Kläger begehren, sondern im Sinne von Einkünften von 0 EUR. Trotzdem hat das FA gerade keinen Änderungsbescheid erlassen und ersichtlich nicht erlassen wollen. Dann aber wäre es eine Auslegung gegen den erkennbaren Willen des FA, die Antragsfassung in der mündlichen Verhandlung, die lediglich den vorherigen Vortrag inhaltlich fortsetzt, als Änderung des Bescheids zu werten.

Die Entscheidung des FG, positive Gewinne von jeweils 5.000 EUR anzunehmen, mag die Kläger subjektiv überrascht haben, nachdem das FA signalisiert hatte, mit Einkünften von 0 EUR einverstanden zu sein. Aber bei besonnener Betrachtung der materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Situation mussten die Kläger mit einem solchen Urteil als einem von mehreren denkbaren Verfahrensausgängen rechnen. Das FA hat, indem es zwar die Gewinnerzielungsabsicht bestritten, die Bescheide aber trotzdem nicht geändert hat, die Entscheidungsmöglichkeit des FG für eine Schätzung bis hin zu einem positiven Gewinn von 5.000 EUR offengehalten, weil das Verböserungsverbot nicht greift. Die Prozessführung des FA ist mit diesem Bestreben nicht nur zu erklären, sondern regelrecht durchsichtig. Dann aber konnte es nicht überraschen, wenn das FG den ihm gebotenen Spielraum auch nutzte.

Solange das FA den Bescheid nicht änderte, war für alle Verfahrensbeteiligten klar, dass damit der positive Gewinn von 5.000 EUR als äußerste Grenze der Entscheidung weiter im Raum stehen blieb. Der Bevollmächtigte der Kläger hatte den Schriftsatz des FA, mit dem dieses die Änderung des Bescheids ausdrücklich ablehnte, zur Kenntnis erhalten. Auch in der mündlichen Verhandlung änderte das FA die Bescheide nicht.

Diese Verfahrensweise ist nicht etwa in sich widersprüchlich oder übervorteilte die Kläger in unangemessener Weise, so dass es hätte überraschend sein können, wenn das FG sich darauf einlässt. Vielmehr spiegelt die Verfahrensweise den materiell-rechtlichen Sach- und Streitstand wider. Die Frage, ob die Klägerin ein Gewerbe mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hatte, war bis zum Schluss streitig geblieben. Das FA hatte zwar die Auffassung vertreten, es habe an der Gewinnerzielungsabsicht gefehlt, so dass der Ansatz gewerblicher Einkünfte bei der Klägerin von 0 EUR folgerichtig gewesen wäre. Es konnte aber nicht wissen, ob das FG seiner Auffassung folgen würde, was im Ergebnis ja auch nicht geschah. Wenn aber schon fraglich war, ob das FG nicht möglicherweise doch von Gewinnerzielungsabsicht ausgehen würde, konnte angesichts der insgesamt spärlichen Erkenntnisse über die tatsächlichen Verhältnisse erst recht niemand vorhersehen, welchen –positiven oder negativen– Gewinn in welcher Höhe das FG annehmen würde. Insoweit war alles möglich. Hätte das FA einen seiner Auffassung zur Gewinnerzielungsabsicht entsprechenden Änderungsbescheid erlassen, in dem es den geschätzten Gewinn reduziert und die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb mit 0 EUR angesetzt hätte, so wären damit die Schätzungsmöglichkeiten des FG auf die Spanne zwischen 0 EUR und dem seitens der Kläger beantragten Verlust von 20.806 EUR (für 2006) bzw. 20.208 EUR (2007) reduziert worden. Das FA hätte durch eine derartige Bescheidänderung im Vorgriff den Entscheidungsspielraum des FG prozessual einseitig zu seinen Lasten verengt. Dazu hatte es keinen Anlass.

Es war daher erkennbar folgerichtig, zwar den Antrag so zu formulieren, wie es dessen Überzeugung entsprach, aber im Übrigen für den Fall, dass das FG seiner Auffassung nicht folgen würde, quasi hilfsweise die angefochtenen Bescheide im Raum stehen zu lassen.

Eine Überraschung folgt auch nicht aus den Ausgangsgrößen für die Vollschätzung, die das FG gewählt hat. Es trifft nicht zu, dass die Betriebsausgaben unstreitig höher gewesen wären als das FG sie angenommen hat. Nichts war unstreitig. Insbesondere hat das FA die Höhe der Reisekosten, die in der Gewinnermittlung der Klägerin die größte Ausgabenposition darstellten, nicht unstreitig gestellt. Den in der betriebsnahen Veranlagung ermittelten Verlust hat es sich nicht zu eigen gemacht, wozu es auch nicht verpflichtet ist. Das zeigt sich bereits daran, dass zwar die betriebsnahe Veranlagung die von der Klägerin angegebene Fahrleistung von 91 873 km p.a. zugrunde gelegt, das FA diese aber im Rahmen des Prozesses bestritten hat. Zudem geben die Kläger mit ihrem Antrag für das Jahr 2007, einen ähnlichen Prozentsatz des zuvor erklärten Verlusts wie im Jahre 2006 anzuerkennen, selbst zu erkennen, dass ihre Gewinnermittlungen nicht richtig sind. Die betriebsnahe Veranlagung für 2006 hatte einzelne Positionen erheblich geändert, andere gar nicht. Der Prozentsatz, um den die betriebsnahe Veranlagung den Verlust minderte, war mithin ein Durchschnittswert. Wenn die Kläger pauschal den Verlust für das Jahr 2007 prozentual mindern, entziehen sie damit sämtlichen Einzelpositionen die Grundlage.

Ähnliches gilt für die Höhe der Einnahmen. Die im Klageverfahren eingereichten Gewinnermittlungen wiesen immerhin Einnahmen von netto 5.903,80 EUR bzw. 7.883,15 EUR aus. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin hingegen erklärt, sie habe in den beiden Jahren ihres Geschäftsbetriebs nur insgesamt drei Geräte verkauft, wobei nach Auskunft ihres Geschäftspartners jedes Gerät einen Gewinn von 1.000 EUR einbringen sollte, ohne dass feststellbar wäre, ob dieser Wert alle Betriebskosten der Klägerin einbezogen hatte, die der Geschäftspartner nicht kennen kann. Schließlich weist bereits das Erlöskonto für das Jahr 2006 fünf Buchungen mit vier verschiedenen Geschäftspartnern auf. Selbst wenn die beiden Buchungen für denselben Geschäftspartner zwei Zahlungen für dasselbe Geschäft darstellen sollten, hätte es in diesem Jahr immer noch vier verschiedene Geschäftsvorfälle mit vier Kunden gegeben.

Nachdem die Angaben der Kläger in mehrerer Hinsicht nicht miteinander zu vereinbaren waren, drängte sich eine Vollschätzung ersichtlich auf. Es durfte die Kläger nicht überraschen, dass das FG dabei bei Einnahmen und Ausgaben von Annahmen ausging, die für die Kläger ungünstig waren. Dies ist einer Schätzung, zu der der Steuerpflichtige nach § 162 Abs. 2 der Abgabenordnung Anlass gegeben hat, immanent.

Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen die Sachaufklärungspflicht aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Beschwerde unzulässig. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben bzw. welche Tatsachen es hätte aufklären müssen, aus welchen Gründen sich ihm die Notwendigkeit einer Beweiserhebung auch ohne Antrag hätte aufdrängen müssen, welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern die Beweiserhebung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können. War der Kläger bereits vor dem FG sachkundig vertreten, hat er zusätzlich darzulegen, weshalb er nicht schon vor dem Tatsachengericht die Erhebung weiterer Beweise beantragt. An alledem fehlt es bereits. Zudem begrenzt die Mitwirkungspflicht der Beteiligten die Amtsermittlungspflicht. Daher kann die Sachaufklärungsrüge nicht dazu dienen, Ermittlungen vom FG zu verlangen, die sich jedenfalls für einen beratenen Beteiligten in der Weise aufdrängen, dass dieser die fehlenden Angaben selbst beschaffen könnte  So liegt es hier. Bevor das FG überhaupt in nähere Ermittlungen zu der Höhe der Einnahmen und Ausgaben eintreten musste, oblag es den Klägern, konsistente Angaben dazu zu machen. Aus den genannten Gründen fehlte es daran. Die Kläger haben nicht dargestellt, warum sie dazu nicht in der Lage gewesen sein sollten.

Korrektur aufgrund der neuen Erkenntnisse aus einem Benennungsverlangen

Weder ein Benennungsverlangen i.S. des § 160 AO noch die (fehlende) Antwort hierauf begründet die Tatbestandsvoraussetzungen einer selbständigen Änderungsvorschrift.

Nur wenn aufgrund des Benennungsverlangens nachträglich neue Tatsachen i.S. von § 173 AO bekannt werden, ist die Änderung einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung nach dieser Vorschrift möglich.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 9.3.2016, X R 9/13

Sachverhalt:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr Ehemann (E) wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. E erzielte gewerbliche Einkünfte aus dem An- und Verkauf von Schrott und Altmetall.

Im Rahmen der für das Streitjahr und die Folgejahre 2007 bis 2009 durchgeführten Außenprüfung verlangte der Prüfer die Benennung der Zahlungsempfänger, bei denen E Schrott eingekauft hatte. Diesem Benennungsverlangen kam E nicht nach. Der Prüfer schätzte deshalb 45 % dieses Wareneinkaufs als von steuerpflichtigen Unternehmen bezogen. Die auf diesen Teil des Wareneinkaufs entfallenden Kosten ließ er nicht zum Betriebsausgabenabzug zu.

Begründung:

Das FG ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass der Umstand, dass E dem Benennungsverlangen des FA nicht nachgekommen ist, keine Änderung der Steuerfestsetzung des Jahres 2006 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ermöglicht (unten 1.). Eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO könnte indes in Betracht kommen, wenn dem FA das Fehlen eines ordnungsgemäß geführten Wareneingangs erst nachträglich bekannt geworden wäre (unten 2.). Mangels entsprechender Feststellungen des FG ist die Sache zurückzuverweisen.

Voraussetzung für die Änderungsmöglichkeit ist eine nachträglich bekannt gewordene, nicht dagegen eine nachträglich entstandene Tatsache. Eine erst nachträglich entstandene Tatsache ist das Benennungsverlangen des FA –wie das FG zu Recht entschieden hat–. Denn das FA hat die Benennung der Empfänger erst zu einem Zeitpunkt vom Kläger verlangt, als die Bescheide des Jahres 2006 bereits bestandskräftig gewesen sind. Auch die Verweigerung der Auskunft auf ein solches Benennungsverlangen geschieht erst nach Erlass des zu ändernden Bescheides und kann für sich genommen schon deshalb keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. des § 173 AO darstellen. Die Tatsache, dass der Wareneingang nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden ist, muss nachträglich bekannt geworden sein.

Eine Tatsache wird nachträglich bekannt, wenn sie das FA im Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Eingabewertbogens für den Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids noch nicht kannte  Maßgebend hierfür ist die Kenntnis der zur Bearbeitung des Steuerfalls organisatorisch berufenen Dienststelle. Bekannt ist der zuständigen Dienststelle der Inhalt der dort geführten Akten, ohne dass insoweit auf die individuelle Kenntnis des jeweiligen Bearbeiters abzustellen ist.

Im vorliegenden Fall ist es mangels geeigneter Feststellungen des FG dem Senat nicht möglich zu beurteilen, ob der Veranlagungssachbearbeiter, der an Amtsstelle für die Klägerin und E die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Streitjahres ermittelte, die fehlende Ordnungsmäßigkeit des aufgezeichneten Wareneingangs kannte. Folglich wird das FG im zweiten Rechtszug feststellen müssen, ob bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb an Amtsstelle im Streitjahr bekannt war, dass der Wareneingang von E nicht ordnungsgemäß aufgezeichnet worden war. Soweit die Klägerin behauptet, ihr Ehemann habe dies dem FA mitgeteilt, hat sie substantiiert vorzutragen, wann und wie er welchen Veranlagungssachbearbeiter darüber informiert hatte. Zu beachten ist insoweit, dass die Klägerin bereits mehrere Sachbearbeiter in ihrem Schriftsatz vom 4. Oktober 2011 benannt hat.

Allein aus dem Umstand, dass E zum Zwecke der Gewinnermittlung (nur) die Umsatzsteuerhefte im FA vorgelegt hatte, lässt sich jedenfalls noch nicht schließen, dass das FA die unzureichende Erfüllung der Aufzeichnungspflichten kannte. Auch wenn diese Hefte trotz der darin enthaltenen Angaben zu Ausgaben und damit zum Wareneinkauf noch nicht den Vorgaben des § 143 AO entsprechen, bedeutet das nicht, dass E die nach § 143 AO gebotenen Aufzeichnungen nicht daneben in anderer Form geführt haben könnte und der Veranlagungssachbearbeiter deshalb wusste, dass es daran fehlte.

Versagung der Tarifbegrenzung gemäß § 32c EStG a.F. nach Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids

Wird der Gewerbesteuermessbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs aufgehoben, weil der Steuerpflichtige eine selbständige Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ausübt, ist das FA nach § 174 Abs. 4 AO im Grundsatz berechtigt, den Einkommensteuerbescheid durch Versagung der Tarifbegrenzung gemäß § 32c EStG a.F. zu ändern.

In diesem Fall beruhen beide steuerlichen Folgerungen –sowohl die Aufhebung des Gewerbesteuermessbescheids als auch die Versagung der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F.– auf der rechtlichen Qualifikation der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit und damit auf dem gleichen “bestimmten Sachverhalt” i.S. des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO.

Weder der Gewerbesteuermessbescheid noch der Gewerbesteuerbescheid sind Grundlagenbescheide für die Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 4.2.2016, III R 12/14

Sachverhalt:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsanwalt und vorwiegend auf dem Gebiet der Insolvenzverwaltung tätig. Er wurde im Jahr 1998 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau und in den Jahren 1999 und 2000 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger übte seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter aus.

Infolge einer im Dezember 2002 angeordneten und im selben Monat beim Kläger begonnenen Außenprüfung, die sich u.a. auf die Einkommensteuer und Gewerbesteuer 1998 bis 2000 erstreckte, kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass der Kläger aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter gewerbliche Einkünfte i.S. des § 15 EStG erzielt habe. Daraufhin erließ das FA mit Datum vom 19. Juli 2005 erstmals Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag 1998 bis 2000; es erfasste die Einkünfte des Klägers aus der Insolvenzverwaltertätigkeit als Gewinn aus Gewerbebetrieb. Zudem gewährte das FA für diese Einkünfte eine Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte gemäß § 32c EStG in der für die Streitjahre 1998 bis 2000 geltenden Fassung.

Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Revision des Klägers mit Urteil vom 15. Dezember 2010 VIII R 13/10 (BFH/NV 2011, 1309) statt und hob das Urteil des FG sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 vom 19. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf. Der BFH führte aus, die Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Insolvenzverwalter seien zu Unrecht wegen der Beteiligung fachlich vorgebildeter Angestellter als gewerblich angesehen und deshalb der Gewerbesteuer unterworfen worden. Die Einkünfte seien als solche aus sonstiger selbständiger Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erfassen und unterlägen nicht der Gewerbesteuerpflicht. An der Rechtsprechung zur sog. Vervielfältigungstheorie werde im Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht länger festgehalten. Mit Bescheiden vom 27. April 2011 hob das FA die Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 auf.

Am 10. Juni 2011 ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 sowie am 22. Juni 2011 ein geänderter Einkommensteuerbescheid 1998, die auf § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) gestützt wurden. In diesen Bescheiden wurden die Einkünfte des Klägers aus der Insolvenzverwaltertätigkeit als solche aus selbständiger Arbeit erfasst und die zuvor gewährte Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte nach § 32c EStG a.F. versagt.

Der Kläger beantragt, die gewerbliche Tarifbegrenzung wegen fehlender Änderungsmöglichkeit zu gewähren.

Begründung:

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1998 bis 2000 vom 10. und 22. Juni 2011 rechtmäßig sind. Das FA war berechtigt, die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 auf § 174 Abs. 4 AO zu stützen. Einer Änderung standen auch sonstige Gründe nicht entgegen.

Ist aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt gemäß § 174 Abs. 4 Satz 2 AO auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Bescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Abs. 3 Satz 1 (§ 174 Abs. 4 Satz 4 AO.

Die Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2000 sind aufgrund einer irrigen Beurteilung ergangen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen berechtigte das FA nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO, die auf der irrigen Annahme der Erzielung gewerblicher Einkünfte beruhenden Einkommensteuerbescheide 1998 bis 2000 zu ändern und die richtigen steuerlichen Folgerungen aus dem Sachverhalt durch Versagung der Tarifbegrenzung nach § 32c EStG a.F. zu ziehen

Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Entscheidung im vereinfachten Verfahren nach § 94a Satz 1 FGO ohne vorherige Anordnung

Das FG verletzt den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör, wenn es gemäß § 94a Satz 1 FGO im vereinfachten Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheidet, ohne dem Beteiligten zuvor seine dahingehende Absicht und den Zeitpunkt mitzuteilen, bis zu dem er sein Vorbringen in den Prozess einführen kann.

Das Gericht erfüllt diese Hinweispflicht jedenfalls gegenüber einem nicht fachkundig vertretenen Beteiligten nicht, wenn es nur darauf hinweist, “alsbald ein Urteil nach billigem Ermessen gemäß § 94a FGO” fällen zu wollen und eine Frist ohne weitere Erläuterung (“Frist: 4 Wochen”) einräumt.

BUNDESFINANZHOF Beschluss vom 6.6.2016, III B 92/15

Sachverhalt:

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter einer im September 1989 geborenen Tochter (T). T nahm an einem siebensemestrigen berufsbegleitenden Studiengang teil, brach diesen jedoch vorzeitig ab.

Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob die zugunsten der Klägerin für T erfolgte Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom 6. Januar 2014 auf und forderte das insoweit für den Zeitraum Juni 2013 bis November 2013 bereits ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 1.104 EUR von der Klägerin zurück. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Ein insoweit wegen Steuerhinterziehung und Betrugs durchgeführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wurde nach § 153 Abs. 1 der Strafprozessordnung wegen Geringfügigkeit eingestellt. Mit weiterem Bescheid vom 5. Januar 2015 setzte die Familienkasse gegen die Klägerin Hinterziehungszinsen in Höhe von 25 EUR fest. Im sich anschließenden Klageverfahren machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie sei zwar bereit, die 25 EUR zu zahlen, wehre sich aber gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung. Ihre Tochter habe bereits ein eigenes Leben geführt, den Ausbildungsabbruch nicht rechtzeitig mitgeteilt und diesen erst auf mehrfache Nachfrage auf das Ende des Schuljahres 2012/2013 datiert.

Entgegen der formblattmäßigen Verfügung des Vorsitzenden wies das Finanzgericht (FG) nur die Familienkasse, nicht hingegen die Klägerin darauf hin, dass der Rechtsstreit gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Einzelrichter übertragen werden kann. Mit Beschluss vom 1. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen. Dieser legte den Beteiligten in einem Schreiben vom 1. Juni 2015 seine Rechtsauffassung dar. Ferner enthielt das Schreiben folgenden Zusatz: “Es wird darauf hingewiesen, dass das Gericht bei einem Streitwert von 25,00 EUR alsbald ein Urteil nach billigem Ermessen gemäß § 94a FGO fällen wird. Frist: 4 Wochen”. Mit Schreiben vom 4. Juli 2015 machte die Klägerin weitere Ausführungen zur Sache. Sodann wies der Einzelrichter die Klage am 29. Juli 2015 gemäß § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung ab.

Begründung:

Das FG hat das grundrechtsgleiche Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes –GG–) verletzt, da es ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ohne dies der Klägerin zuvor in hinreichender Deutlichkeit mitzuteilen. Hierin liegt ein Verfahrensmangel, auf dem das angefochtene Urteil beruht (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) begründet Art. 103 Abs. 1 GG zwar keinen Anspruch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, stellt jedoch sicher, dass sich jeder Verfahrensbeteiligte vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zugrunde liegenden Sachverhalt äußern und Anträge stellen kann. Insoweit hielt es das BVerfG in einem Fall, in dem ein Zivilgericht gemäß § 495a der Zivilprozessordnung (ZPO) im vereinfachten Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden hatte, für unbeachtlich, dass diese Prozessrechtsnorm selbst eine Anordnung des schriftlichen Verfahrens nicht vorschreibt. Denn es leitete eine dahingehende Pflicht des Gerichts unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass den Parteien sonst die Möglichkeit genommen werde, einen Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß § 495a Satz 2 ZPO zu stellen. Um dieses Antragsrecht nicht einzuschränken, muss das Gericht, wenn es sich für ein schriftliches Verfahren entscheidet, den Parteien seine Absicht und den Zeitpunkt mitteilen, bis zu dem die Parteien ihr Vorbringen in den Prozess einführen können.

Im Streitfall hat das FG dieser Hinweispflicht nicht genügt. Zum einen ist aus dem Hinweis “alsbald ein Urteil nach billigem Ermessen gemäß § 94a FGO fällen” zu wollen, jedenfalls bei einem nicht fachkundig vertretenen Beteiligten –wie im Streitfall der Klägerin– nicht mit hinreichender Deutlichkeit die Absicht des Gerichts erkennbar, im schriftlichen Verfahren entscheiden zu wollen. Zum anderen lässt sich aus dem apodiktischen Hinweis “Frist: 4 Wochen” nicht mit hinreichender Klarheit ableiten, dass es sich insoweit um die Frist handelt, bis zu der die Beteiligten ihr Vorbringen noch in den Prozess einführen können; dies gilt erst recht für nicht fachkundig vertretene Beteiligte. Kein Verfahrensfehler ist gegeben, soweit das FG den Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen hat, ohne die Klägerin vorher anzuhören. Eine solche vorherige Anhörung ist in § 6 Abs. 1 FGO –anders als im Fall der Rückübertragung nach § 6 Abs. 3 FGO– nicht vorgesehen, was den Schluss zulässt, dass der Gesetzgeber bei der Übertragung von einer Anhörung absehen wollte.

Im Übrigen weist der Senat –ohne Bindungswirkung– auf Folgendes hin. Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der Steuerhinterziehung kommt bei der Prüfung des Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Abgrenzung zur (bewussten) Fahrlässigkeit besondere Bedeutung zu (s. hierzu etwa Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz 610 ff.). Entscheidend für das Vorliegen des bedingten Vorsatzes ist dabei, dass der Täter nicht auf die Richtigkeit seiner Angaben vertraut, sondern es wenigstens ernsthaft für möglich hält und billigt, dass er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt (s. hierzu Ransiek in Kohlmann, a.a.O., § 370 AO Rz 614, 625). Insoweit könnte bei der Gesamtwürdigung der Umstände insbesondere auch von Bedeutung sein,
durch welches Ereignis und an welchem Tag genau der Studiengang abgebrochen wurde sowie wann die Ausschulung erfolgte,
ob und gegebenenfalls in welcher Form und Art und Weise der Informationsaustausch zwischen T und der Klägerin vereinbart war und tatsächlich stattfand,
wann die Klägerin von dem genauen Abbruch- und dem Ausschulungstermin erfuhr oder ab wann ihr sonstige Umstände bekannt wurden, die auf einen vorzeitigen Abbruch des Studiengangs hindeuteten, und
wann die Klägerin vor Abbruch des berufsbegleitenden Studiengangs durch T die Familienkasse zuletzt über das Fortbestehen der Anspruchsvoraussetzungen informiert hatte.

Umfang der gesonderten und einheitlichen Feststellung der von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte

Ob Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen mit den den ausländischen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen i.S. des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, bestimmt sich nach dem Veranlassungsprinzip (§ 4 Abs. 4 EStG).

Weisen die Aufwendungen sowohl mit ausländischen Einkünften i.S. des § 34d EStG als auch mit inländischen Einkünften oder mit mehreren Arten von ausländischen Einkünften einen Veranlassungszusammenhang auf, so sind sie aufzuteilen oder den Einkünften zuzurechnen, zu denen sie vorwiegend gehören.

BUNDESFINANZHOF Urteil vom 6.4.2016, I R 61/14

Sachverhalt:

Im Jahr 2005 erzielte die Klägerin laufende Erträge aus Kapitalbeteiligungen in Höhe von 325.502.773 EUR. Davon entfielen 8.058.683 EUR auf ausländische Kapitalanlagen, die der Klägerin aufgrund der von ihr gehaltenen Anteile an inländischen, dem Investmentsteuergesetz (InvStG) unterliegenden Investmentvermögen zugerechnet wurden. Die von den Erträgen aus ausländischen Kapitalanlagen einbehaltenen und abgeführten ausländischen Quellensteuern in Höhe von 1.040.145 EUR behandelte die Klägerin in ihrer Körperschaftsteuererklärung 2005 in vollem Umfang als abzugsfähig.

Nach einer Betriebsprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) den Bescheid über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag 2005 dahingehend, dass er lediglich von ausländischen Einkünften in Höhe von 1.966.932 EUR und anzurechnenden ausländischen Steuern in Höhe von 489.817 EUR ausging.

Begründung:

Die Revision ist teilweise begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zu einer Änderung der Körperschaftsteuerfestsetzung für das Streitjahr, als Teile der auf rechnungsmäßige und außerrechnungsmäßige Zinsen entfallenden Zuführungen zu den Deckungsrückstellungen und zu den Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen im Rahmen des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG von den ausländischen Einkünften zur Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags abgezogen wurden. Im Übrigen bleibt die Revision ohne Erfolg.

Über die Höhe der nach § 34c Abs. 1 EStG anzurechnenden ausländischen Steuer ist im anhängigen Verfahren (Körperschaftsteuerfestsetzung 2005) unabhängig davon zu entscheiden, ob –wozu die Vorinstanz sich nicht geäußert hat– die ausländischen Einkünfte über Anteile an einem inländischen Spezial-Sondervermögen i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 des Investmentgesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung bezogen wurden und diese demnach gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 InvStG i.V.m. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (AO) gesondert und einheitlich festzustellen sind.

Ist eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen in einem sog. Grundlagenbescheid vorgesehen, so können aufgrund der in § 182 Abs. 1 Satz 1 AO (im Streitfall i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 InvStG) angeordneten Bindungswirkung die hiervon betroffenen Besteuerungsgrundlagen nur im Rahmen des Feststellungsverfahrens geprüft werden. Eine eigenständige Ermittlung dieser Besteuerungsgrundlagen innerhalb des dem Feststellungsverfahren nachgeordneten (Folge-)Verfahrens ist ausgeschlossen.

Zu beachten ist hierbei allerdings, dass sich nach ständiger Rechtsprechung zur Feststellung der von den Gesellschaftern einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte die hiervon erfassten Besteuerungsgrundlagen auf den Bereich der gemeinschaftlich erzielten Tatbestandsmerkmale beschränken. Abzugrenzen sind demnach solche Besteuerungsmerkmale, die im Bereich der persönlichen Tatbestandsverwirklichung liegen; sie gehen nicht in die bindenden Regelungen des Grundlagenbescheids (Feststellungsbescheids) ein und sind demzufolge im Folgebescheid eigenständig zu prüfen.

Gleiches muss auch im Falle einer Beteiligung an einem Spezial-Sondervermögen gelten. Auch hier sind die Fragen, ob der Anleger i.S. von § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG einen inländischen Betrieb unterhält, zu dem die ausländischen Einkünfte der in § 34d Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchst. c genannten Art gehören, und welche Aufwendungen im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den diesen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen stehen, der Ebene des Anlegers zugeordnet. Demgemäß ist über diese Merkmale –im Gegensatz zur Höhe der gezahlten ausländischen Steuer  nicht im Feststellungsverfahren, sondern im Folgeverfahren (Körperschaftsteuer 2005) zu entscheiden.

Sind in den auf Investmentanteile ausgeschütteten sowie den ausschüttungsgleichen Erträgen aus einem ausländischen Staat stammende Einkünfte enthalten, die in diesem Staat zu einer nach § 26 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) oder nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) auf die Körperschaftsteuer anrechenbaren Steuer herangezogen werden, so ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 InvStG bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anlegern die ausländische Steuer auf den Teil der Körperschaftsteuer anzurechnen, der auf diese ausländischen um die anteilige ausländische Steuer erhöhten Einkünfte entfällt. Dieser Teil ist in der Weise zu ermitteln, dass die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens –einschließlich der ausländischen Einkünfte– nach § 23 KStG ergebende Körperschaftsteuer im Verhältnis dieser ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt wird. Der Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuern ist für die ausgeschütteten sowie ausschüttungsgleichen Erträge aus jedem einzelnen Investmentfonds zusammengefasst zu berechnen. Nach dem –im Streitfall über § 4 Abs. 2 Satz 4 InvStG sinngemäß anzuwendenden– § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG sind, wenn es sich u.a. –wie bei der Klägerin– um ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 34d Nr. 6 EStG handelt, die zum Gewinn eines inländischen Betriebs gehören, dabei Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen abzuziehen, die mit den diesen Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob im Verhältnis zu den Quellenstaaten der ausländischen Einkünfte –zu denen das FG keine Feststellungen getroffen hat– DBA bestehen, die eine Anrechnung der Steuer auf Kapitaleinkünfte vorsehen, und insoweit über § 4 Abs. 2 Satz 4 InvStG die Regelung des § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG Anwendung findet, oder ob sich die Anrechenbarkeit unmittelbar aus § 26 KStG ergibt. Auch im Falle einer aufgrund abkommensrechtlicher Vorschriften angeordneten Anrechnung ausländischer Steuern ist es allein Sache des innerstaatlichen deutschen Steuerrechts zu beurteilen, welche Aufwendungen den ausländischen Einkünften zuzuordnen sind; der abkommensrechtliche Einkünftebegriff ist insoweit ohne Bedeutung.

Der Begriff des wirtschaftlichen Zusammenhangs ist in § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG nicht definiert. Er bestimmt sich nach dem allgemeinen Veranlassungsprinzip. Dafür spricht zunächst die Bedeutung des Begriffs des wirtschaftlichen Zusammenhangs in anderen Rechtsnormen. Soweit im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nach § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG für die Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten ein wirtschaftlicher Zusammenhang zu inländischen Einkünften erforderlich ist, müssen die Aufwendungen durch die inländischen Einkünfte veranlasst sein. Auf einen betriebsnotwendigen oder betriebswirtschaftlich notwendigen Veranlassungszusammenhang kommt es insoweit nicht an.

Ebenfalls i.S. eines Veranlassungszusammenhangs ist der nach § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde liegenden teilweise steuerbefreiten Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen auszulegen. Auch für die Abgrenzung zu voll steuerpflichtigen Einnahmen ist im Rahmen einer wertenden Betrachtung maßgebend, aus welchen Gründen der Steuerpflichtige die Aufwendungen tätigt. Wurde der angefallene Aufwand nicht vorrangig durch eine der beiden Einnahmearten ausgelöst, ist er anteilig und entsprechend dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt des Gesamtvorgangs aufzuteilen.

Nach diesen Maßgaben hat das FG teilweise zu Unrecht, teilweise im Ergebnis zutreffend Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen von den ausländischen Einkünften der Klägerin zur Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags abgezogen. Die Verpflichtung der Klägerin zur Bildung einer Deckungsrückstellung und damit auch die darauf entfallenden Zuführungen von rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen sind nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt vorrangig dem Bereich des inländischen Versicherungsgeschäfts zugewiesen. Dies gilt auch, soweit sich die Höhe der außerrechnungsmäßigen Zinsen gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 VAG a.F. prozentual nach den über die rechnungsmäßige Verzinsung hinausgehenden Kapitalerträgen bestimmt. Der Umstand, dass bereits aus dem Geschäftsgegenstand der Klägerin, dem substitutiven Krankenversicherungsgeschäft, nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 VAG a.F. die Verpflichtung zur Bildung einer Deckungsrückstellung als Alterungsrückstellung i.S. des § 341f Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 HGB folgt, bildet gegenüber der rechnungsmäßigen Verknüpfung mit der Höhe der Kapitalerträge den vorrangigen Veranlassungszusammenhang.

Gleiches gilt für die Zuführungen der Klägerin zu den Rückstellungen wegen Beitragsrückerstattung. Die Verpflichtung der Klägerin, versicherungstechnische Rückstellungen, zu denen nach § 341e Abs. 2 Nr. 2 HGB auch die Rückstellung für Beitragsrückerstattung zählt, zu bilden, ergibt sich bereits aus ihrer Eigenschaft als Versicherungsunternehmen. Zudem bezieht sich nach dem für die Klägerin maßgeblichen § 28 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung) der Anspruch des Versicherungsnehmers auf erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung auf den Schadensverlauf des einzelnen Versicherungsvertrags und somit auf das inländische Versicherungsgeschäft. Demgegenüber tritt der allein im Rahmen der erfolgsabhängigen Beitragsrückerstattung, die sich auf einen Teil des vom Versicherer insgesamt erzielten Ergebnisses bezieht, bestehende Zusammenhang zu den ausländischen Kapitalerträgen als untergeordneter Teil des insgesamt erzielten Ergebnisses zurück.

Dies gilt auch vor dem Hintergrund des § 66 VAG a.F. Zwar besteht danach die Verpflichtung, Beträge in solcher Höhe dem Sicherungsvermögen zuzuführen und vorschriftsmäßig anzulegen, wie es dem voraussichtlichen Anwachsen des Mindestumfangs entspricht, zu dem nach § 66 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2, Nr. 3 Buchst. b, Nr. 4 VAG a.F. auch die Bilanzwerte der Deckungsrückstellung und der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen zählen. Allein aus dem Umstand aber, dass die Bestände des Sicherungsvermögens –zu deren Umfang und Zusammensetzung das FG im Streitfall keine Feststellungen getroffen hat– nach § 54 Abs. 2 VAG a.F. als gebundenes Vermögen nur in bestimmten Anlageformen angelegt werden dürfen, kann kein vorrangiger Zusammenhang der den Rückstellungen zugeführten rechnungsmäßigen und außerrechnungsmäßigen Zinsen zu den ausländischen Kapitalanlagen hergestellt werden. Die kalkulatorischen Zinsen bestimmen im Rahmen einer Rechenoperation lediglich die Mindesthöhe des Sicherungsvermögens, das der bevorrechtigten Befriedigung der Versicherten im Insolvenzfall dient (§ 77a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F.).

Die vom FA bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrags berücksichtigten Verwaltungsaufwendungen wurden hingegen nach den nicht angegriffenen und bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) für die Verwaltung sämtlicher Kapitalanlagen der Klägerin aufgewandt. Auslösendes Moment sind sowohl die inländischen als auch die ausländischen Kapitalerträge; ein vorrangiger Zusammenhang besteht nicht.