EuGH-Vorlage zur Umsatzsteuerpflicht von sonstigen Glücksspielen mit Geldeinsatz

Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG dahin auszulegen, dass den Mitgliedstaaten eine Regelung gestattet ist, nach der nur bestimmte (Renn-)Wetten und Lotterien von der Steuer befreit und sämtliche “sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz” von der Steuerbefreiung ausgenommen sind?

BFH Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07

Erläuterung:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 XI R 79/07 dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWStSystRL) vereinbar ist, dass nach deutschem Recht nur bestimmte Wetten und Lotterien von der Umsatzsteuer befreit und sämtliche “sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz” von der Steuerbefreiung ausgenommen sind.
Die Mitgliedstaaten sind nach dem Gemeinschaftsrecht gehalten, Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz von der Umsatzsteuer zu befreien. Sie können jedoch Bedingungen und Beschränkungen für die Steuerbefreiung festlegen. Nach dem vom deutschen Gesetzgeber mit Wirkung vom 6. Mai 2006 neu geregelten § 4 Nr. 9 Buchst b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind nur bestimmte unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallende Umsätze (Rennwetten und öffentlich veranstaltete Lotterien, Ausspielungen und Oddset-Wetten) von der Umsatzsteuer befreit. Die Mehrzahl der Glücksspiele einschließlich der im vorliegenden Streitfall zu beurteilenden Spiele an Geldspielautomaten ist danach umsatzsteuerpflichtig. Deshalb war bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG umstritten, ob dies mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts im Einklang steht.
Im Gegensatz zur Vorinstanz hat der BFH Zweifel, ob der deutsche Gesetzgeber den ihm durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Spielraum bei der Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchst b UStG eingehalten hat.

Rechtsweg über die Berichtigung einer Lohnbescheinigung

Die Lohnbescheinigung ist ein Beweispapier über den Lohnsteuerabzug, so wie er tatsächlich stattgefunden hat.

Im Streitfall ist das Arbeitsgericht zuständig, wenn um Bestehen und Inhalt einer Nettolohnvereinbarung gestritten wird. In diesem Fall liegt eine Forderung nach zusätzlichem Lohn vor.

BFH Beschluss vom 04.09.2008 – VI B 108/07 BFH NV 2009 S. 175 f

Beruflich veranlasste Umzugskosten liegen bei einer Fahrzeitverkürzung von 1 Std vor

Aufwendungen für einen Umzug stellen Werbungskosten dar, wenn infolge des Umzugs arbeitstäglich Fahrzeitverkürzung von mindestens einer Stunde eintritt. In diesem Fall treten die privaten Begleitumstände regelmäßig in den Hintergrund.

BFH Beschluss vom 12.11.2008 – VI B 85/08

Begründung:
Die von dem Kläger, einem Lehrer beantragte Berücksichtigung von Umzugskosten als Werbungskosten konnte nicht berücksichtigt werden, das die arbeitstägliche Fahrzeitverkürzung von einer Stunde nicht eingetreten ist. Nach eigenen Angaben war die Fahrzeitverkürzung höchstens 20 Minuten bei einfacher Fahrtstrecke.

GmbH Beteiligung als notwendiges Betriebsvermögen

Die Beteiligung des Gesellschafters an einer Kapitalgesellschaft kann auch dann zum notwendigen Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens gehören, wenn durch die Beteiligung erhebliche Umsätze im Dienstleistungsbereich erstrebt oder gesichert werden sollen.

BFH Beschluss vom 25.11.2008 – X B 268/07 BFH NV 2009 S. 162ff.

Entscheidung über Einspruch wegen Prüfungsanordnung bei Auftragsprüfung

Bei Beauftragung mit einer Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO) hat das beauftragte Finanzamt über den gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch zu entscheiden, wenn auch die Prüfungsanordnung von ihm und nicht vom beauftragenden Finanzamt erlassen wurde.

BFH Urteil vom 18. November 2008 VIII R 16/07

Begründung:
Erlässt die beauftragende, zuständige Behörde die Prüfungsanordnung, ist sie der richtige Einspruchsadressat (§ 357 Abs. 2 Satz 1 AO) und gemäß § 367 Abs. 1 Satz 1 AO befugt und verpflichtet, über einen gegen die Prüfungsanordnung gerichteten Einspruch zu entscheiden.

Es sind keine gesetzessystematischen Gesichtspunkte von Gewicht erkennbar, die im Streitfall den Verbleib der Entscheidungsbefugnis bei der beauftragenden Behörde gebieten würden. Zwar trifft es zu, dass die Entscheidung darüber, ob geprüft werden soll und gegebenenfalls in welchem Umfang, nach der gesetzlichen Ausgangslage bei der beauftragenden Behörde liegt. Hat aber die beauftragte Finanzbehörde die Prüfungsanordnung einmal erlassen, kann sie auch die Rechtmäßigkeit der Anordnung im Einspruchsverfahren überprüfen. Unmittelbar einsichtig ist dies in Fällen, in denen Fehler der Prüfungsanordnung gerügt werden, die erst in der Sphäre des beauftragten Finanzamts auftreten, wie etwa eine Abweichung von der Beauftragung oder Mängel bei der Adressierung oder der Bekanntgabe. Das gebietet es nach Auffassung des Senats, die Befugnis zur Entscheidung über den Einspruch insgesamt bei der beauftragten Behörde anzusiedeln, weil eine Aufspaltung je nach der Art der Einspruchsbegründung nicht vorgesehen ist.

Rückwirkender Wechsel von der Istbesteuerung zur Sollbesteuerung

Ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 UStG) zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 UStG) ist bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig.

BFH Urteil vom 10. Dezember 2008 XI R 1/08

Begründung:
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG entsteht die Steuer bei der Berechnung nach vereinnahmten Entgelten zwar mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind. Ein Wechsel bedeutet aber insofern keinen Eingriff in den Besteuerungssachverhalt, als er nicht zur Folge hat, dass dadurch das Vorliegen einer i.S. von § 1 Abs. 1 UStG steuerbaren und steuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung entfallen würde. Ob ein Umsatz überhaupt steuerpflichtig ist und welcher Steuersatz zur Anwendung kommt, richtet sich vielmehr nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Leistung und ist daher unabhängig vom Zeitpunkt der Entgeltsvereinnahmung.
Unabhängig von der Entstehung der Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG kann ein Antrag auf Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten daher grundsätzlich auch noch im Laufe und selbst nach Ablauf eines Jahres und damit rückwirkend gestellt und genehmigt werden. Wenn aber die nachträgliche bzw. rückwirkende Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bewirkt, muss dies auch für den Verzicht auf die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten gelten. Denn auch dadurch wird nicht in den der Besteuerung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt eingegriffen, sondern lediglich die Höhe der Umsatzsteuer im jeweiligen Besteuerungszeitraum verändert.

Fehlgeschlagene Zustellung wegen Postsperre

Wird ein Schriftstücks wegen einer Postsperre dem Insolvenzverwalter und nicht dem Steuerpflichtigen zugestellt, dann gilt dieses als nicht ordnungsgemäß zugestellt.

BFH Beschluss vom 25.09.2008 VII B 49/08 BFH NV 2009 S.213 f.

Reise des Geschäftsführers als verdeckte Gewinnausschüttung

Trägt die Gesellschaft die Kosten für eine Auslandsreise ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Reisezeit weder vollständig noch teilweise in einer Weise ausgefüllt wurde, die eindeutig nicht den betrieblichen Interessen der Kapitalgesellschaft zugeordnet werden kann.

BFH Beschluss vom 07.10.2008 – IB37/07 BFH NV 2009 S. 216 f.

Krankengeld kann in den Progressionsvorbehalt einbezogen werden

Die Einbeziehung des Krankengeldes, das ein freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherter Steuerpflichtiger erhält, in den Progressionsvorbehalt gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist verfassungsgemäß.

BFH Urteil vom 26. November 2008 X R 53/06

Erläuterung:
Mit Urteil vom 26. November 2008 X R 53/06 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das von einem freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse Versicherten bezogene Krankengeld in den Progressionsvorbehalt einbezogen werde.
Nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werden bestimmte Lohn- und Einkommensersatzleistungen, die ein Steuerpflichtiger erhält, dem Progressionsvorbehalt unterworfen. Der Progressionsvorbehalt bewirkt, dass steuerfreie Ersatzleistungen selbst zwar nicht besteuert werden; sie erhöhen aber die Steuer auf die übrigen Einkünfte, weil sie bei der Berechnung des Steuersatzes für die übrigen steuerpflichtigen Einkünfte berücksichtigt werden.
Zu den in § 32b Abs. 1 EStG genannten Ersatzleistungen gehört auch das Krankengeld, das als steuerfreie Sozialleistung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) bezogen wird, d.h. Krankengeld, das eine gesetzliche Krankenkasse auszahlt. Nicht in den Progressionsvorbehalt einbezogen wird dagegen das Krankengeld, das eine private Krankenversicherung ihren Versicherten gewährt.
Die Witwe eines selbstständig tätigen Schornsteinfegers hatte sich mit ihrer Klage gegen die Einbeziehung des Krankengeldes in den Progressionsvorbehalt gewandt, das dieser von seiner gesetzlichen Krankenversicherung bezogen hatte, bei der er freiwillig versichert gewesen war. Ihrer Meinung nach gelte der Progressionsvorbehalt nicht für das Krankengeld, das ein freiwillig Versicherter von seiner Krankenkasse erhalte – unabhängig davon, ob es sich um eine private oder gesetzliche Krankenversicherung handele.
Mit seinem Urteil vom 26. November 2008 hat der BFH entschieden, dass das Krankengeld, welches von einer gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund der Vorschriften des SGB V gezahlt werde, in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sei. Es komme nicht darauf an, ob der Bezieher des Krankengeldes pflichtversichert oder freiwillig Mitglied der gesetzlichen Krankenkasse geworden sei.
Die gesetzgeberische Entscheidung, nur das Krankengeld einer gesetzlichen Krankenkasse dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen aber nicht auch das Krankengeld einer privaten Krankenversicherung, verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber habe zwischen den Krankengeldern der unterschiedlichen Krankenkassen, die Leistungen aus einem Privatversicherungsverhältnis oder auch Leistungen eines öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungsverhältnisses sein können, differenzieren dürfen.